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Der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz; Stand: 13.01.2020

Aktuelle Kurz-Information 27: Informationspflichten und Betroffenenrechte im Ordnungswidrigkeitenverfahren

Stichwörter: Informationspflichten - Betroffenenrechte - Ordnungswidrigkeitenverfahren - Datenschutz-Richtlinie für Polizei und Strafjustiz, Verhältnis zur Datenschutz-Grundverordnung

Viele bayerische Behörden verfolgen und ahnden Ordnungswidrigkeiten. Nicht nur im Straßenverkehrsrecht, sondern auch in zahlreichen weiteren Gesetzen und Verordnungen finden sich Ordnungswidrigkeitentatbestände.

Gemäß § 35 Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) ist für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten die Verwaltungsbehörde zuständig. Welche Verwaltungsbehörde dies im Einzelfall ist, regeln die Vorschriften der §§ 87 ff. Zuständigkeitsverordnung. So gehören auch Gemeinden und Kreisverwaltungsbehörden zu den für eine Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten zuständigen Verwaltungsbehörden. Kommunen, deren Verarbeitungen gewöhnlich unter die Datenschutz-Grundverordnung fallen, können also ebenfalls im Anwendungsbereich der Datenschutz-Richtlinie für Polizei und Strafjustiz (RLDSJ) handeln.

1. Regelungsgefüge

Neben der Datenschutz-Grundverordnung haben das Europäische Parlament und der Rat auch die Datenschutz-Richtlinie für Polizei und Strafjustiz erlassen. Diese Richtlinie enthält besondere Regelungen für die Verarbeitung personenbezogener Daten in den Bereichen der Strafverfolgung und -vollstreckung sowie der polizeilichen Gefahrenabwehr. In den Anwendungsbereich fällt aber auch die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten. Im Unterschied zur Datenschutz-Grundverordnung muss die Datenschutz-Richtlinie für Polizei und Strafjustiz in nationales Recht umgesetzt werden; unmittelbare Wirkungen im Verhältnis zwischen den betroffenen Personen und den öffentlichen Stellen kann sie grundsätzlich nicht entfalten.

Der bayerische Gesetzgeber hat für die Umsetzung der Datenschutz-Richtlinie für Polizei und Strafjustiz im Bayerischen Datenschutzgesetz (BayDSG) eine auf den ersten Blick ungewöhnliche Regelungslösung gewählt: Er hat die Geltung der Datenschutz-Grundverordnung auch für diesen Bereich angeordnet (Art. 2 Satz 1 BayDSG). In Teil 2 Kapitel 8 des Bayerischen Datenschutzgesetzes (Art. 28 ff. BayDSG) hat er dessen Regelungsgefüge dann für die Strafverfolgung und -vollstreckung sowie die polizeiliche Gefahrenabwehr, Ordnungswidrigkeitenverfolgung und -ahndung näher ausgestaltet.

Art. 28 Abs. 1 Satz 1 BayDSG nennt die Behörden, für die Art. 28 ff. BayDSG gelten: Polizei, Gerichte in Strafsachen, Staatsanwaltschaften, Strafvollstreckungs- und Justizvollzugsbehörden sowie Behörden des Maßregelvollzugs. Darüber hinaus sind nach Art. 28 Abs. 1 Satz 2 BayDSG Behörden erfasst, die personenbezogene Daten verarbeiten, um Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten zu verfolgen oder zu ahnden.

Art. 28 Abs. 2 BayDSG regelt, welche Vorschriften der Datenschutz-Grundverordnung anzuwenden sind, während Art. 28 Abs. 3 BayDSG einzelne Bestimmungen in Teil 2 Kapitel 1 bis 7 des Bayerischen Datenschutzgesetzes von einer Anwendung ausschließt und damit Ausnahmen zum Grundsatz des Art. 2 Satz 1 BayDSG festlegt. In Art. 29 bis 37 BayDSG finden sich ergänzende und modifizierende Vorschriften zu einzelnen Regelungsgegenständen.

Aus dem eben dargelegten Regelungsgefüge folgt, dass sowohl die Informationspflichten der Art. 13 und 14 DSGVO als auch die Betroffenenrechte gemäß Art. 15 ff. DSGVO nicht für den Bereich der Ordnungswidrigkeitenverfolgung und -ahndung gelten, vgl. Art. 28 Abs. 2 und 3 BayDSG. So findet sich in Art. 28 Abs. 2 BayDSG keine Verweisung auf Kapitel III der Datenschutz-Grundverordnung, wodurch die Art. 12 bis 23 DSGVO insgesamt von einer Anwendung ausgenommen sind. In Art. 28 Abs. 3 Nr. 2 BayDSG wird Teil 2 Kapitel 3 des Bayerischen Datenschutzgesetzes - Rechte der betroffenen Person - ebenfalls vollumfänglich ausgeschlossen. Hintergrund ist, dass die Informationspflichten sowie die Betroffenenrechte, deren Gewährleistung auch die Datenschutz-Richtlinie für Polizei und Strafjustiz fordert (Art. 12 ff. RLDSJ), in den jeweiligen Fachgesetzen geregelt sind. Damit möchte der Gesetzgeber den Bedürfnissen der jeweiligen fachspezifischen Rechtsmaterien besser gerecht werden.

Für den Bereich der Ordnungswidrigkeitenverfahren hat der Bundesgesetzgeber einen neuen § 500 Strafprozeßordnung (StPO) geschaffen. Dieser ist über die Verweisung in § 46 Abs. 1 OWiG auch im Ordnungswidrigkeitenverfahren anwendbar. Die Vorschrift lautet:

"(1) Soweit öffentliche Stellen der Länder im Anwendungsbereich dieses Gesetzes personenbezogene Daten verarbeiten, ist Teil 3 des Bundesdatenschutzgesetzes entsprechend anzuwenden.

(2) Absatz 1 gilt

1. nur, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist, und

2. nur mit der Maßgabe, dass die Landesbeauftragte oder der Landesbeauftragte an die Stelle der oder des Bundesbeauftragten tritt."

Konsequenterweise müssen über die Verweisung nach § 500 Abs. 1 StPO in Ordnungswidrigkeitenverfahren neben der Strafprozeßordnung (welche über § 46 Abs. 1 OWiG Anwendung findet) auch die §§ 45 ff. Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) beachtet werden. Dies gilt allerdings nur, soweit die Strafprozeßordnung nicht etwas anderes bestimmt, vgl. § 500 Abs. 2 Nr. 1 StPO.

2. Informationspflichten

§ 55 BDSG, welcher zu Teil 3 des Bundesdatenschutzgesetzes (§§ 45 bis 84 BDSG) gehört, regelt ausdrücklich die Informationspflichten. Diese gelten über die Verweisungskette des § 46 Abs. 1 OWiG in Verbindung mit § 500 Abs. 1 StPO auch im Ordnungswidrigkeitenverfahren.

Zur Umsetzung der Informationspflichten in der Praxis weise ich auf meine Orientierungshilfe "Informationspflichten" hin. Die Empfehlungen können auch dann herangezogen werden, wenn § 55 BDSG eine verschlankte Art und Weise der Information im Gegensatz zu Art. 13 und 14 DSGVO verlangt. § 55 BDSG lautet:

"Der Verantwortliche hat in allgemeiner Form und für jedermann zugänglich Informationen zur Verfügung zu stellen über

1. die Zwecke der von ihm vorgenommenen Verarbeitungen,

2. die im Hinblick auf die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten bestehenden Rechte der betroffenen Personen auf Auskunft, Berichtigung, Löschung und Einschränkung der Verarbeitung,

3. den Namen und die Kontaktdaten des Verantwortlichen und der oder des Datenschutzbeauftragten,

4. das Recht, die Bundesbeauftragte oder den Bundesbeauftragten anzurufen, und

5. die Erreichbarkeit der oder des Bundesbeauftragten."

3. Betroffenenrechte

Über die Verweisung des § 500 Abs. 1 StPO in Teil 3 des Bundesdatenschutzgesetzes sind auch die Regelungen der §§ 56 ff. BDSG über die Rechte der betroffenen Person im Grundsatz anwendbar. Im Gegensatz zu § 55 BDSG - Informationspflichten - wird diesen Betroffenenrechten nur eine untergeordnete Bedeutung in der Praxis zukommen. Denn es ist zu berücksichtigen, dass die §§ 56 ff. BDSG nur dann zur Anwendung gelangen, soweit das Ordnungswidrigkeitengesetz sowie die Strafprozeßordnung nicht selbst bereits ausdrücklich Betroffenenrechte vorsehen, vgl. § 46 Abs. 1 OWiG und § 500 Abs. 2 Nr. 1 StPO.

Insoweit ist im Ordnungswidrigkeitenverfahren hinsichtlich der Betroffenenrechte zunächst zu prüfen, ob das Ordnungswidrigkeitengesetz selbst Betroffenenrechte vorsieht. Ist dies nicht der Fall, ist zu prüfen, ob die Betroffenenrechte in der Strafprozeßordnung einschlägig sind, welche über § 46 Abs. 1 OWiG auch im Ordnungswidrigkeitenverfahren anwendbar sind. Ist auch in der Strafprozeßordnung kein Recht vorhanden, so ist zu prüfen, ob über die Verweisung des § 500 Abs. 1 StPO die §§ 56 ff. BDSG angewendet werden können.

  1. Richtlinie (EU) 2016/680 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI des Rates (ABl. L 119 vom 4. Mai 2016, S. 89). [Zurück]
  2. In Kraft seit dem 26. November 2019, eingeführt durch Gesetz vom 20. November 2019 (BGBl. I S. 1724). [Zurück]
  3. Im Internet abrufbar auf https://www.datenschutz-bayern.de in der Rubrik "Datenschutzreform 2018 - Orientierungs- und Praxishilfen - Informationspflichten". [Zurück]