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Der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz; Stand: 24.08.2020

Aktuelle Kurz-Information 32: Zugang zu Niederschriften der Sitzungen kollegialer Wahlorgane bei Gemeinde- und Landkreiswahlen

Stichwörter: Recht auf Auskunft, Sitzungsniederschriften von Wahlorganen - Sitzungsniederschriften von Wahlorganen, Zugang - Wahlorgane, Zugang zu Sitzungsniederschriften | Stand: 1. August 2020

Bei den bayerischen Gemeinde- und Landkreiswahlen sind von den Kommunen kollegiale Wahlorgane zu bilden. Für jede Gemeinde und jeden Landkreis sind dies je ein Wahlausschuss (Art. 4 Abs. 2 Nr. 1 Gemeinde- und Landkreiswahlgesetz - GLKrWG), der insbesondere über die Zulassung der Wahlvorschläge und die Feststellung des abschließenden Ergebnisses der jeweiligen Wahl Beschluss fasst, sowie Wahl- und Briefwahlvorstände (Art. 4 Abs. 2 Nr. 2 und 3 GLKrWG), denen die Auszählung der abgegebenen Stimmen obliegt. Über die entsprechenden Sitzungen sind Niederschriften zu fertigen (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Gemeinde- und Landkreiswahlordnung - GLKrWO). Hierfür stehen unterschiedliche Formblätter bereit.

Ein Bürger begehrte nach der Kommunalwahl 2020 bei seiner Gemeinde Auskunft über die Zusammensetzung des Wahlausschusses. Dabei handelt es sich um eine Information, die unter anderem in den Sitzungsniederschriften des Gremiums enthalten ist. Die Gemeinde lehnte den Informationszugang ab. Daraufhin wandte sich der Bürger an mich. Aus Datenschutzsicht war zu bemerken:

1. Auskunft aus den Niederschriften

Ob und inwieweit eine Gemeinde oder ein Landkreis über Informationen Auskunft zu erteilen hat, die in Niederschriften von Wahlausschüssen sowie Wahl- und Briefwahlvorständen bei den Gemeinde- und Landkreiswahlen enthalten sind, richtet sich nach Art. 39 Abs. 1 Satz 1 Bayerisches Datenschutzgesetz (BayDSG). Eine eigenständige Regelung des Zugangs zu Niederschriften, wie sie Art. 54 Abs. 3 Satz 2 Gemeindeordnung hinsichtlich der Gemeinderatsprotokolle vorsieht, enthält das Gemeinde- und Landkreiswahlrecht nicht, sodass die Subsidiaritätsregelung in Art. 39 Abs. 2 BayDSG den Rückgriff auf das Zugangsrecht in Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayDSG nicht versperrt. Dort heißt es:

"Jeder hat das Recht auf Auskunft über den Inhalt von Dateien und Akten öffentlicher Stellen, soweit ein berechtigtes, nicht auf eine entgeltliche Weiterverwendung gerichtetes Interesse glaubhaft dargelegt wird und

1. bei personenbezogenen Daten eine Übermittlung an nicht öffentliche Stellen zulässig ist und

2. Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nicht beeinträchtigt werden."

Ein Auskunftsanspruch betreffend Informationen aus Niederschriften von Wahlorganen ist gegen die betreffende Kommune (Gemeinde oder Landkreis) als öffentliche Stelle im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Satz 1 BayDSG zu richten. Das jeweilige Wahlorgan ist nicht als eigenständige öffentliche Stelle zu werten; es stellt vielmehr ein temporär zu bildendes Gremium der Kommune dar.

An die glaubhafte Darlegung eines berechtigten Interesses sind keine hohen Anforderungen zu stellen; es kann sich um ein rechtliches, jedoch auch wirtschaftliches oder ideelles Interesse handeln. Bürgerinnen und Bürger einer Kommune sind deren Hoheitsgewalt unterworfen. Möchten sie sich Gewissheit über das Zustandekommen der Legitimationsakte verschaffen, auf deren Grundlage die kommunalen Hauptorgane diese Hoheitsgewalt ausüben, nehmen sie ein berechtigtes Interesse wahr. Das gilt unabhängig von der Frage, ob sie die Erfolgsaussichten einer Wahlanfechtung (vgl. Art. 51 GLKrWG) prüfen möchten. Das Interesse, insofern Transparenz zu schaffen, liegt im Übrigen auch der Vorgabe zugrunde, dass die Wahlausschüsse, Wahl- und Briefwahlvorstände grundsätzlich in öffentlicher Sitzung beraten und entscheiden (Art. 17 Abs. 2 Satz 1 GLKrWG).

Soweit sich das Zugangsinteresse auf personenbezogene Daten bezieht, insbesondere auf die Identität von Personen, die das Wahlorgan bilden, oder von Personen, die bei der Wahl kandidieren oder kandidiert haben, ist Art. 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayDSG zu beachten, der auf die allgemeine Übermittlungsbefugnis in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayDSG verweist. Dort ist bestimmt:

"Eine Übermittlung personenbezogener Daten ist zulässig, wenn

[…]

2. der Empfänger eine nicht öffentliche Stelle ist, diese Stelle ein berechtigtes Interesse an ihrer Kenntnis glaubhaft darlegt und die betroffene Person kein schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Übermittlung hat; dies gilt auch, soweit die Daten zu anderen Zwecken als denjenigen, zu denen sie erhoben wurden, übermittelt werden."

Insbesondere in Anbetracht der in Art. 17 Abs. 2 Satz 1 GLKrWG zur Sitzungsöffentlichkeit getroffenen Regelung ist bei einer Auskunft über die Identität der das Wahlorgan bildenden Personen ein schutzwürdiges Interesse am Ausschluss der Übermittlung grundsätzlich nicht anzuerkennen. Das gleiche gilt für Informationen über Personen, die bei der Wahl kandidieren oder kandidiert haben, soweit nach wahlrechtlichen Vorschriften eine Veröffentlichung vorgesehen ist. Bei Informationen, auf welche dies nicht zutrifft, bedarf es dagegen stets einer einzelfallbezogenen Prüfung möglicher Vertraulichkeitsinteressen.

Waren Informationen ausnahmsweise Gegenstand einer nichtöffentlicher Sitzung des Wahlausschusses, eines Wahl- oder Briefwahlvorstands (Art. 17 Abs. 2 Satz 1, 2 GLKrWG), so wird, wenn es sich um personenbezogene Daten handelt, regelmäßig ein schutzwürdiges Interesse am Ausschluss der Übermittlung bestehen, soweit nicht die Gründe für die Geheimhaltung weggefallen sind (Art. 17 Abs. 2 Satz 3 GLKrWG). Außerdem kann - wie im Übrigen bei vertraulichen Informationen, die keine personenbezogenen Daten bilden - der nach Ermessen geltend zu machende Versagungsgrund in Art. 39 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BayDSG eingreifen ("vertrauliche Inhalte […] abgeschlossener behördeninterner Beratungen").

Soweit eine Niederschrift Angaben über Wählerinnen oder Wähler enthält, ist zudem zu bedenken, dass das Wahlgeheimnis (Art. 22 Abs. 1, Art. 40 Abs. 1 GLKrWG) jedenfalls nach Art. 39 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BayDSG ("sonstige öffentliche […] Interessen") einer Auskunfterteilung entgegenstehen kann.

Die in § 72 Abs. 4 Bundeswahlordnung (BWO) angeordnete Zugangsbeschränkung hindert eine Auskunft nach Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayDSG für die bayerischen Kommunalwahlen dagegen nicht. § 72 Abs. 4 BWO lautet:

"Wahlvorsteher, Gemeindebehörden und Verwaltungsbehörden der Kreise sowie Kreiswahlleiter haben sicherzustellen, dass die Wahlniederschriften mit den Anlagen Unbefugten nicht zugänglich sind."

§ 72 Abs. 4 BWO ist kein allgemeiner Wahlrechtsgrundsatz, der auch bei bayerischen Kommunalwahlen zu beachten wäre. Die Vorschrift zielt im Übrigen darauf, die Authentizität der Originalurkunden sicherzustellen. Sie ist kein Hindernis für Zugangsansprüche, die dem Gedanken der Informationsfreiheit folgen. Dies gilt jedenfalls insofern, als diese Zugangsansprüche anders als durch Vorlage der Originalurkunden erfüllt werden können, etwa durch Auskunft oder Kopie.

Bezieht sich ein Auskunftsantrag auf personenbezogene Daten, sollte über die Auskunftserteilung in einem Verwaltungsverfahren entscheiden werden. In diesem Rahmen sind Personen, deren Vertraulichkeitsinteressen durch die Auskunft berührt werden, anzuhören (vgl. Art. 28 Abs. 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz - BayVwVfG). Soweit der Auskunftsantrag die Identität der das Wahlorgan bildenden Personen in den Blick nimmt oder sich auf Informationen über kandidierende Personen bezieht, deren Veröffentlichung wahlrechtlich vorgesehen ist, halte ich es für vertretbar, von einer Anhörung abzusehen (vgl. Art. 28 Abs. 2 BayVwVfG: unbenannter Fall).

2. Kopie von Niederschriften

Besteht ein Zugangsanspruch in Bezug auf Informationen aus einer Niederschrift, kann dieser Zugangsanspruch auch durch Bereitstellung einer Kopie erfüllt werden. Passagen, die nicht offengelegt werden dürfen, sind in diesem Fall technisch zuverlässig zu schwärzen. Ob Bürgerinnen und Bürger anstelle einer Auskunft eine Kopie verlangen können, richtet sich nach Grundsätzen, die bereits an anderer Stelle dargelegt sind.

3. Fazit

Das in Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayDSG geregelte allgemeine Recht auf Auskunft verschafft grundsätzlich auch Zugang zu den Niederschriften der Sitzungen kollegialer Wahlorgane bei Gemeinde- und Landkreiswahlen. Dies gilt regelmäßig jedenfalls in dem Umfang, den die gesetzlich angeordnete Sitzungsöffentlichkeit erreicht. Sind Informationen betroffen, die in nichtöffentlicher Sitzung erörtert wurden, muss im Einzelfall geprüft werden, ob rechtlich geschützte Vertraulichkeitsinteressen einem Informationszugang (noch) entgegenstehen. Eine diese Interessen berücksichtigende Kopie von Niederschriften ist möglich.

  1. Internet: https://www.statistik.bayern.de, Rubrik "Wahlen - Kommunalwahlen - Anlagen zur GLKrWBek", dort Anlagen 13, 14, 21 und 22 (Wahlausschuss) sowie Anlagen 17 bis 20 (Wahlvorstände). [Zurück]
  2. Vgl. zu der Frage, ob der Bundeswahlleiter auskunftspflichtige Stelle nach dem Informationsfreiheitsgesetz (des Bundes) ist, jeweils bejahend Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Tätigkeitsbericht zur Informationsfreiheit 2016/2017, Nr. 3.2.5, sowie Schoch, Informationsfreiheitsgesetz, 2. Aufl. 2016, § 1 Rn. 160. – In der bremischen Rechtsprechung wird die Auffassung vertreten, dass die Tätigkeit von Wahlvorständen nicht in den Anwendungsbereich des Bremer Informationsfreiheitsgesetzes falle (Verwaltungsgericht Bremen, Beschluss vom 11. Juli 2019, 4 V 1330/19, BeckRS 2019, 40955, Rn. 13 ff., offen gelassen in Oberverwaltungsgericht Bremen, Beschluss vom 24. August 2011, 1 B 198/11). Diese Auffassung beruht aber auf einer von Art. 39 Abs. 1 Satz 1, Art. 1 Abs. 1, 2 BayDSG abweichenden Rechtslage. [Zurück]
  3. Näher Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteil vom 19. November 2002, 3 K 4502/02, BeckRS 2015, 52150. [Zurück]
  4. Näher Engelbrecht, Das allgemeine Recht auf Auskunft im Bayerischen Datenschutzgesetz, 2017, Teil 1 Rn. 188 f., Internet: https://www.datenschutz-bayern.de, Rubrik „Auskunftsanspruch“. [Zurück]
  5. Dazu Engelbrecht, ebd., Teil 1 Rn. 145 ff. [Zurück]