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Der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz; Stand: 12.12.2002

6. Polizei

Meine Tätigkeit im Polizeibereich umfasste die Kontrolle von Speicherungen in Dateien und Karteien, wie z. B. im Kriminalaktennachweis der Bayerischen Polizei (KAN), in der Geldwäschedatei, der Arbeitsdatei "Rauschgift", der Fahndungsdatei einer Polizeidirektion, der Staatsschutzdatei Bayern sowie in weiteren Dateien, insbesondere in regional geführter GAST-Dateien, und von Datenerhebungsmaßnahmen wie Identitätsfeststellungen und erkennungsdienstliche Behandlungen. Die Rasterfahndung nach den Terroranschlägen am 11. September 2001 in den USA, Maßnahmen zum Zwecke der DNA-Analyse sowie Videoaufnahmen auf Versammlungen und auf öffentlichen Straßen und Plätzen bildeten weitere Prüfungsschwerpunkte.

Geprüft habe ich auch wieder Datenübermittlungen der Polizei, z. B. an die Presse, an Fahrerlaubnisbehörden und an Gesundheitsämter, Abfragen in Informationssystemen durch Polizeibedienstete sowie die Auskunftserteilung an Betroffene über polizeiliche Speicherungen.

Neben meiner Kontrolle vorgenannter Datenerhebung, -nutzung und -verarbeitung durch die Polizei aufgrund von Bürgereingaben, Pressemitteilungen oder sonstigen Hinweisen habe ich anlassunabhängig wieder mehrere Prüfungen bei verschiedenen bayerischen Polizeidienststellen vorgenommen.

Des Weiteren habe ich durch datenschutzrechtliche Beurteilungen auf eine datenschutzkonformen Realisierung von Gesetzen und Richtlinien hingewirkt, welche Eingriffe in das informationelle Selbstbestimmungsrecht durch die Polizei zum Gegenstand hatten. Insbesondere habe ich zahlreiche Errichtungsanordnungen für Dateien überprüft und an Prüfungen für bundesweite Dateien mitgewirkt.

Meine datenschutzrechtliche Beratung von Polizeidienststellen umfasste auch Vorträge bei Aus- und Fortbildungsveranstaltungen der Polizei.

Die nachfolgenden Darstellungen sind eine Auswahl meiner Feststellungen im Polizeibereich.

6.1. Kriminalaktennachweis (KAN)

In meinem 19. Tätigkeitsbericht (vgl. Nr. 5.3.1.1) hatte ich vom vorläufigen Ergebnis meiner Verhandlungen mit dem Innenministerium zur datenschutzrechtlichen Verbesserung des Verfahrens der personenbezogenen Speicherung von Erkenntnissen aus strafrechtlichen Ermittlungsverfahren insbesondere im Kriminalaktennachweis berichtet. In dieser Datei, die von allen bayerischen Polizeibeamten und von bevollmächtigten Polizeiangestellten abgerufen werden kann, dürfen grundsätzlich Beschuldigte, aber auch Personen gespeichert werden, bei denen die Beschuldigteneigenschaft entfallen ist, soweit der Tatverdacht fortbesteht. Ist der Tatverdacht entfallen, darf keine Speicherung im KAN erfolgen bzw. ist eine schon erfolgte Speicherung zu löschen. Die von mir festgestellten Defizite bezogen sich in erster Linie auf den Zeitpunkt der Prüfung des Tatverdachts und die zu enge Definition von Fällen geringerer Bedeutung.

Die auf meine Forderungen vom Staatsminister des Innern in Aussicht gestellte Änderung der Vorschriftenlage wurde nunmehr bis zur Neufassung der Richtlinien für die Führung polizeilicher personenbezogener Sammlungen (PpS-Richtlinien) und der Errichtungsanordnung für die Personen- und Fall-Auskunftsdatei (EA PFAD) in Form einer Übergangsregelung umgesetzt. Danach erfolgt die Prüfung der Speicherungsfrist nicht nur bei Einleitung der polizeilichen Ermittlungen sondern auch nach deren Abschluss. Eine erneute Prüfung hat zu erfolgen, wenn bei Rücklauf eines Vorgangs von der Verfolgungsbehörde erkennbar ist, dass diese weitere Ermittlungen mit entlastenden Erkenntnissen vorgenommen hat. Dies gilt insbesondere auch für Privatklage- und Fahrlässigkeitsdelikte. Damit wird einem Teil meiner wesentlichen Forderungen Rechnung getragen.

Bei Fällen geringerer Bedeutung ist nun ebenfalls eine Verbesserung eingetreten, soweit der nunmehr eröffnete Entscheidungsspielraum von den einzelnen Polizeibeamten auch genutzt wird. Nach der neuen Vorschriftenlage ist die Vergabe kürzerer Aufbewahrungsfristen als die Regelfristen des Art. 38 Abs. 2 Satz 3 PAG nicht mehr nur bei den bisher abschließend genannten Delikten möglich. Bei der Festsetzung einer verkürzten Speicherungsfrist ist eine strenge einzelfallbezogene Bewertung von Tat und Täter durch den Sachbearbeiter entscheidend. Die Gründe hierzu sind zu dokumentieren.

Die oben genannten Änderungen gehen in die richtige Richtung, sie gehen aber nicht weit genug. Da die Erforderlichkeit einer Speicherung aufgrund der polizeilichen Ermittlung entfallen kann, sollte ausdrücklich auf die entsprechende Prüfungsverpflichtung der Polizei hingewiesen werden. Andernfalls besteht die Gefahr, dass die Notwendigkeit einer solchen Prüfung nicht gesehen und die Prüfung auf die Speicherungsdauer beschränkt wird. Ich habe deshalb folgende Ergänzung vorgeschlagen: "Grundsätzlich erfolgt eine abschließende Prüfung und Festlegung, ob eine Speicherung zur polizeilichen Aufgabenerfüllung erforderlich ist sowie der Aussonderungsprüffrist nach Abschluss der polizeilichen Ermittlungen." Des Weiteren habe ich gefordert, für eine Fristverkürzung keine "strenge" Einzelfallprüfung vorzuschreiben. Dadurch könnte der Gefahr entgegengewirkt werden, dass die Bereitschaft von Fristverkürzungen Gebrauch zu machen, unvertretbar herabgesetzt wird. Diese Gefahr würde aber bestehen, wenn neben den Regelfristen in Art. 38 PAG und einer Dokumentationsverpflichtung auch noch ein strenger Maßstab für die Fristverkürzung vorgegeben wird.

Das Staatsministerium des Innern hat meine Vorschläge leider abgelehnt. Die von mir vorgeschlagene "Prüfung" der Erforderlichkeit der polizeilichen Speicherung sei an dieser Stelle systemfremd. Der Erforderlichkeitsgrundsatz ziehe sich wie ein roter Faden durch die Richtlinien für die Führung polizeilicher personenbezogener Sammlungen (RPpS), so dass ein eigener Hinweis insbesondere bei den Regelungen zu den Aufbewahrungs- (Speicherungs-)Fristen und zur Aussonderung/Löschung als entbehrlich erachtet werde. Auch meiner Anregung nach Streichung des Wortes "strenger" könne es nicht nachkommen. Die Gefahr einer unvertretbaren Herabsetzung der Bereitschaft zur Fristverkürzungen sei für das Innenministerium nicht erkennbar. Es sehe aufgrund der Öffnung des Deliktsspektrums für die Vergabe kürzerer Speicherfristen vielmehr eine gesteigerte Verpflichtung für einen Hinweis auf eine strenge Einzelfallprüfung, um Fehlbeurteilungen und darauf beruhenden möglichen Gefährdungen des Sicherheitszustandes durch einzelne Tatverdächtige vorzubeugen. In diesem Zusammenhang wurde an einen Mordfall erinnert, bei dem der mutmaßliche Täter lediglich mit Kfz-Delikten in Erscheinung getreten war.

Meine Forderung, auf die Verpflichtung zur Prüfung der Erforderlichkeit in den Richtlinien hinzuweisen, halte ich aufrecht. Ein solcher Hinweis dient der Klarstellung, dass sich diese Verpflichtung gerade und besonders auf den Zeitpunkt des Abschlusses der polizeilichen Ermittlungen bezieht.

Die Begründung für die ablehnende Haltung des Innenministeriums gegenüber eine ausgewogenen Beurteilung des Vorliegens von Fällen geringerer Bedeutung halte ich für wenig überzeugend. Würde man ihr folgen, käme grundsätzlich kein Delikt als Fall geringerer Bedeutung in Betracht, da auch ein "Ladendieb", "Schwarzfahrer" oder "Beleidiger" Täter eines späteren Sexualmordes werden kann und seine langfristige Speicherung zur Aufklärung eine solchen Tat beitragen könnte. Eine entsprechende (fehlerhafte) Vorstellung könnte auch bei polizeilichen Sachbearbeitern (Entscheidern) entstehen und durch die Formulierung "strenge Prüfung" noch nachhaltig unterstützt werden. Bei der durchzuführenden Einzelfallprüfung darf aber nicht auf völlig ungewisse und in den allermeisten Fällen auch nicht eintreffende Folgedelikte abgestellt werden. Die Prüfung sollte deshalb nicht "streng" sondern objektiv, aufgaben- und datenschutzkonform durchgeführt werden.

Auch einer weiteren Forderung, die ich bereits im Zuge meiner Feststellungen bei der Schwerpunktprüfung 1998 an das Innenministerium herangetragen hatte, wurde leider nicht entsprochen. Danach sollten Speicherungen auch nach Verfahrenseinstellungen gemäß §§ 153 ff. StPO, 45, 47 Jugendgerichtsgesetz (z. B. wegen Geringfügigkeit, geringer Schuld und fehlendem öffentlichen Interesse an der Strafverfolgung) erneut überprüft werden, da eine solche Verfahrensbeendigung zumindest eine Bewertung der Tat als Fall geringerer Bedeutung mit verkürzter Speicherungsfrist nahelegt. Eine solche Prüfung halte ich nach wie vor für erforderlich.

Die Notwendigkeit einer sorgfältigen polizeilichen Prüfung von Speicherungen machen folgende Beispiele deutlich: Ein Bürger hat sich an mich gewandt, weil er ohne ersichtlichen Anlass zu einer Verkehrskontrolle angehalten und im Rahmen des Kontrollvorgangs danach gefragt wurde, ob er vor kurzem schon einmal mit der Polizei zu tun gehabt habe. Ich habe daraufhin die polizeilichen Speicherungen überprüft und festgestellt, dass im Zusammenhang mit einer früheren Verkehrskontrolle Speicherungen wegen Trunkenheit im Verkehr und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zu seiner Person vorhanden waren. Damals hatten die Beamten den Verdacht, dass der Betroffene alkoholisiert gewesen sei. Außerdem war es im Rahmen der Kontrolle offenbar zu einem Handgemenge gekommen, in dessen Verlauf der Betroffene "zu Boden gebracht" und gefesselt worden war, nachdem er versucht hatte, seinen auf der Motorhaube des Polizeifahrzeugs liegenden Führer- und Fahrzeugschein wieder an sich zu nehmen und diesen Versuch trotz anderslautender Aufforderung der Polizeibeamten fortsetzte.

Die Blutalkohol und Urinuntersuchung hatte jedoch ergeben, dass weder eine Alkoholbeeinflussung vorgelegen hatte, noch Arznei- oder Suchtmittel eingenommen worden waren. Das Verfahren wegen des Vorwurfs der Trunkenheit im Verkehr wurde daher von der Staatsanwaltschaft wegen erwiesener Unschuld eingestellt. Auch das Verfahren wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte stellte die Staatsanwaltschaft wegen geringer Schuld und mangelndem öffentlichen Interesse mit der Begründung ein, es habe nur eine geringfügige Widerstandshandlung vorgelegen, die im Zusammenhang mit dem harten Vorgehen der beteiligten Polizeibeamten gestanden habe.

Trotzdem wurden beide Tatvorwürfe von der Polizei unzulässigerweise weiterhin im KAN gespeichert.

Mit Kenntnis des Untersuchungsergebnisses hätte die Speicherung wegen Trunkenheit im Verkehr gelöscht werden müssen, da sie für den polizeilichen Sachbearbeiter erkennbar rechtswidrig war. Hinsichtlich des Vorwurfs des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte ergab sich die Löschungsverpflichtung zwar nicht bereits aus der Einstellung des Strafverfahrens durch die Staatsanwaltschaft. Allerdings ist für jede Speicherung die konkrete Erforderlichkeit unter Beachtung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen. Zu fragen ist also jeweils anhand der Umstände des Einzelfalles, ob trotz Einstellung des Verfahrens nach kriminalistischer Erfahrung weiterhin Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die betreffende Person künftig strafrechtlich in Erscheinung treten wird, so dass die angefertigten Unterlagen dann die Ermittlungen der Polizei fördern können. Daran fehlte es hier jedoch aufgrund der Tatumstände, wie sich auch aus der Einstellungsbegründung der Staatsanwaltschaft ergab.

Diese gravierenden datenschutzrechtlichen Verstöße habe ich förmlich beanstandet. Im Zuge meiner Überprüfung bzw. Beanstandung wurden beide Speicherungen gelöscht.

Einen weiterer Fall zeigt die schwerwiegenden Folgen einer fehlerhaften Speicherung für die Betroffene: Aufgrund eines Erfassungsfehlers bei einer Polizeidienststelle - es wurde eine Ziffer der Kriminalaktennachweisnummern vertauscht - wurde eine nicht gesuchte Bürgerin im Fahndungssystem zur Festnahme ausgeschrieben. Aufgrund dieser Ausschreibung wurde die Frau von der Polizei festgenommen, erkennungsdienstlich behandelt und blieb für mehrere Stunden bis zur Aufklärung des Missverständnisses in der Haftanstalt des Polizeipräsidiums inhaftiert. Der Fehler wäre m.E. bei entsprechender Sorgfalt zu vermeiden gewesen. Wegen der schweren Folgen für die Bürgerin und der damit verbundenen psychischen Belastung habe ich die fehlerhafte Speicherung förmlich beanstandet.

Im Berichtszeitraum habe ich anlässlich von Bürgereingaben und Prüfungen bei Polizeidienststellen mehrfach festgestellt, dass die Deliktsbezeichnung im Kriminalaktennachweis fehlerhaft war. Dies lag in allen Fällen daran, dass die Anzeige bei der Polizei z. B. wegen Vergewaltigung oder Körperverletzung erfolgte, durch die Justiz aber festgestellt wurde, dass es sich bei der Vergewaltigung um eine Körperverletzung, bei der Körperverletzung um eine Beleidigung gehandelt hatte. Diese abweichende rechtliche Einordnung der Justiz wurde von der Polizei nicht berücksichtigt. Sie wäre aber verpflichtet gewesen, spätestens bei der Mitteilung des Verfahrensausgangs durch die Justiz, von welcher der Sachbearbeiter Kenntnis nehmen sollte, die dort getroffenen Feststellungen zum Anlass zu nehmen, die Deliktsbezeichnung entsprechend zu berichtigen. So macht es einen erheblichen Unterschied, wenn bei einer polizeilichen Kontrolle die Abfrage des Kriminalaktennachweises Vergewaltigung statt Körperverletzung oder Körperverletzung statt Beleidigung ergibt. In den von mir festgestellten Fällen wurden die Deliktsbezeichnungen auf meine Aufforderung hin berichtigt.

6.2. Polizeiliche Sachbearbeitung/Vorgangsverwaltung-Verbrechensbekämpfung (PSV)

In meinem 19. Tätigkeitsbericht (Nr. 5.4.1) hatte ich von einer personenbezogenen Lagedatei berichtet, auf die alle Beschäftigten eines Polizeipräsidiums Zugriff erhalten sollten. Diese Datei ist zwischenzeitlich mit abgestuften Zugriffsberechtigungen realisiert. Leider musste ich feststellen, dass sich die Tendenz zu erweiterten, regional übergreifenden Zugriffsmöglichkeiten auf polizeiliche Dateien nachhaltig fortsetzt. So habe ich erst im Rahmen eines Gesprächs Ende 2000 erfahren, dass das Staatsministerium des Innern bereits im Oktober 1999 den Zugriff auf die vormals regional geführten Dateien PSV präsidiumsweit eröffnet hat. Bis dahin war das nur in den Ballungsraumpräsidien München und Mittelfranken der Fall. Das Innenministerium hat mich von sich aus weder vor noch nach dieser Erweiterung darüber informiert, obwohl es sich um eine Änderung von wesentlicher datenschutzrechtlicher Bedeutung handelt.

Abgesehen von der mangelnden Information durch das Innenministerium habe ich Zweifel an der Erforderlichkeit der Zugriffserweiterung. Anfang der 90er-Jahre war der sog. Regional-KAN mit präsidiumsweitem Zugriff aufgelöst worden. Regionale Ereignisse (z. B. Straftaten von geringerer Bedeutung als Ersterkenntnis, Verkehrsunfälle, Ordnungswidrigkeiten von nicht erheblicher Bedeutung, Ruhestörungen, Fund- oder Verlustanzeigen etc.), insbesondere auch die personenbezogenen Daten von Anzeigeerstatter, Zeugen, Geschädigten sollten nur noch in regionalen Dateien (PSV) gespeichert werden, während insbesondere sonstige Straftaten im bayernweiten Kriminalaktennachweis (vgl. Nr. 6.1) gespeichert werden können. Diese sinnvolle Differenzierung entsprechend der sachlichen Bedeutung wurde nunmehr durch die Erweiterung des Zugriffs auf die PSV aufgehoben, die auch der Schutzbedürftigkeit besonders sensibler Daten, wie der von Opfern (z. B. Geschädigte von Sexualdelikten), nicht Rechnung trägt.

Das Innenministerium hat bisher trotz wiederholter Aufforderung keine für diese massive datenschutzrechtliche Verschlechterung befriedigende Begründung abgegeben.

Verschärft wird die dargestellte Problematik präsidiumsweiter Zugriffe durch überlange Aussonderungsprüffristen bei der Speicherung personenbezogener Daten sog. Dritter, wie z. B. Geschädigte, Anzeigeerstatter, Hinweisgeber in bestimmten Fällen. Zwar werden personenbezogene Daten in der PSV grundsätzlich nur fünf Jahre gespeichert, nicht aber bei Vorgängen, die auch im Kriminalaktennachweis gespeichert sind. In diesem Fall richtet sich die Speicherungsdauer nicht nur für den Täter oder Tatverdächtigen sondern auch für den Dritten nach der Dauer der Speicherung des Vorgangs im Kriminalaktennachweis. Das sind bei der Speicherung von Daten Erwachsener regelmäßig zehn Jahre. Diese Fristen können sich durch die sog. Mitzieh-Automatik des Art. 38 Abs. 2 Satz 6 Polizeiaufgabengesetz um Jahre oder gar Jahrzehnte verlängern, wenn innerhalb der Frist weitere Speicherungen für den Täter oder Tatverdächtigen hinzukommen. So könnte z. B. das Opfer einer Sexualstraftat, die schon Jahrzehnte zurückliegt, immer noch in der PSV gespeichert werden. Dies halte ich für nicht erforderlich und deshalb für unzulässig. Zu Dokumentations- und Verwaltungszwecken halte ich eine fünfjährige Speicherungsfrist für personenbezogenen Daten Dritter für ausreichend. Werden die Daten ausnahmsweise nach Löschung in der PSV benötigt, können sie der Kriminalakte des Täters/Tatverdächtigen entnommen werden.

Zur Speicherungsdauer von Daten Dritter hat das Staatsministerium des Innern nach 16 Monaten und meiner Aufforderung, die unzulässige Verlängerung der Speicherungsfrist für personenbezogene Daten Dritter einzustellen, einen Änderungsvorschlag unterbreitet. Danach soll sich die Speicherungsdauer für personenbezogene Daten Dritter grundsätzlich nach der Regelfrist des Art. 38 Abs. 2 Satz 3 PAG für die Speicherung von Kriminalakten richten, d. h. zehn Jahre bei Erwachsenen, fünf Jahre bei Jugendlichen und zwei Jahre bei Kindern. Bei Fällen von geringerer Bedeutung und Vorgängen, die nicht in Kriminalakten nachgewiesen sind, wäre die Speicherungsdauer grundsätzlich fünf Jahre, eine Verlängerung der Speicherung aufgrund der o. g. Mitzieh-Automatik soll für gespeicherte Daten Dritter entfallen. Allerdings sollen diese Speicherungen für weitere fünf Jahre verlängert werden können, wenn innerhalb der letzten fünf Jahre vor Fristende des Vorgangs dieser erneut eine Sachbearbeitung erforderlich macht.

Diesen Vorschlag halte ich grundsätzlich für diskussionsfähig, wenn ich auch eine Reduzierung der Frist von zehn Jahren auf fünf Jahre für angemessen gehalten hätte. Allerdings sollte eine Verlängerung der Speicherungsfrist bei erneuter Sachbearbeitung nicht automatisch sondern erst nach Prüfung erfolgen, ob die erneute Sachbearbeitung im konkreten Einzelfall eine Fristverlängerung rechtfertigt. Dies habe ich dem Innenministerium mit der Bitte um Berücksichtigung mitgeteilt.

6.3. Speicherungen im Zusammenhang mit der Münchner Sicherheitskonferenz

Vom 1. bis 3. Februar 2002 fand in München die 38. NATO-Sicherheitskonferenz statt, aus deren Anlass sich NATO-Vertreter und Sicherheitsexperten in einem Hotel in der Münchner Innenstadt trafen. Bereits im Vorfeld hatten die Sicherheitsbehörden Sicherheitsstörungen befürchtet. Hierzu wurde auf konkrete Erkenntnisse von Polizei und Nachrichtendiensten sowie auf die Störungen bei ähnlichen Veranstaltungen wie in Genua und Salzburg verwiesen. Als eine der Maßnahmen zur Verhütung derartiger Störungen hatte die Stadt München eine angekündigte Versammlung, die sich u. a. gegen Themen der Konferenz richten sollte, verboten.

Trotz des Demonstrationsverbots versammelten sich zahlreiche überwiegend junge Menschen in der Innenstadt. Im Verlauf dieser "Kundgebung" kam es zur Festnahme und Gewahrsamnahme von ca. 800 Personen. Die polizeilichen Maßnahmen waren nach Mitteilung der Polizei wegen der Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten und zur Gefahrenabwehr erfolgt.

Bereits unmittelbar nach den Vorfällen habe ich begonnen, insbesondere die Speicherung der personenbezogenen Daten der von den polizeilichen Maßnahmen betroffenen Personen datenschutzrechtlich zu prüfen. Ich habe mit der Polizei vereinbart, dass mir das für die Speicherung der Daten dieser Personen vorgesehene Konzept vorgelegt wird, in dem festgelegt werden sollte, welcher Personenkreis in welcher Datei mit welcher Frist und nach welchen Kriterien gespeichert wird. Das mir übersandte Konzept sieht vor, dass die betroffenen Personen in verschiedene Kategorien eingeteilt werden, insbesondere danach, ob die Personen Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten begangen haben, ob einschlägige Vorerkenntnisse vorhanden sind oder ob die Gewahrsamnahme aus rein präventiven Gründen erfolgt ist. Die Einteilung in die jeweilige Kategorie ist ausschlaggebend dafür, wer wie lange in welcher Datei gespeichert wird.

Gegen dieses Speicherungskonzept habe ich in wesentlichen Punkten Einwände erhoben. Insbesondere habe ich mich gegen die Absicht gewandt, Personen, die in Gewahrsam genommen wurden, ohne dass weitere Speicherungsgründe vorliegen, für den allgemeinen polizeilichen Zugriff in der Vorgangsverwaltungsdatei (PSV) zu speichern. Die Speicherung ist zwar zur Dokumentation der polizeilichen Maßnahmen befristet erforderlich. Wegen des allgemeinen Zugriffs und der Doppelfunktionalität der Datei PSV (Vorgangsverwaltung/polizeiliche Präventionsdatei) sehe ich aber eine besondere Belastung für die gespeicherten Personen. Die Speicherung und der präsidiumsweite Zugriff auf die gespeicherten Daten bergen die Gefahr, dass junge Menschen, die sich keine Straftat oder Ordnungswidrigkeit zu Schulden haben kommen lassen, durch Nutzung und Verarbeitung ihrer Daten in großer Zahl zumindest in die Nähe des politischen Extremismus gerückt werden und dadurch Schaden erleiden könnten. Da eine Trennung von Prävention und Vorgangsverwaltungsfunktion bei der Datei PSV nicht möglich ist, sollten die Speicherungen für den allgemeinen Zugriff zumindest gesperrt werden.

Weiterhin habe ich der Absicht widersprochen, dass Personen, denen keine Straftat sondern nur Ordnungswidrigkeiten nach dem Versammlungsgesetz vorgeworfen werden (z. B. die Teilnahme an der verbotenen Versammlung) im Kriminalaktennachweis (vgl. Nr. 6.1) gespeichert werden sollen, wenn über diese bereits Staatsschutzkenntnisse vorliegen bzw. wenn diese als Aktivisten (Aufwiegler, Anheizer, Flugblattverteiler) aufgefallen sind. Die Speicherung einer Ordnungswidrigkeit im Kriminalaktennachweis als Ersterkenntnis widerspricht den eigenen Speicherungsrichtlinien der Polizei, die grundsätzlich von schwerwiegenden Ordnungswidrigkeiten ausgehen oder jedenfalls fordern, dass die Aufnahme zur Gefahrenabwehr erforderlich ist. Diese Voraussetzungen sehe ich bei nur einer leichten Ordnungswidrigkeit nicht als gegeben an. Auch beabsichtigte Speicherungen in weiteren Dateien habe ich kritisiert.

Die Polizei hat es leider abgelehnt, das Speicherungskonzept entsprechend meinen Forderungen zu modifizieren. Ich habe mich deshalb an das Innenministerium mit der Bitte um Abhilfe gewandt. Eine Antwort steht noch aus.

Unabhängig vom weiteren Ergebnis der noch nicht abgeschlossenen Diskussion beabsichtige ich, die Speicherungen von Personen im Zusammenhang mit der Münchner Sicherheitskonferenz im kommenden Jahr eingehend vor Ort zu prüfen.

6.4. Speicherungen im Zusammenhang mit einer Greenpeace-Aktion

Bereits 1996 wurden die personenbezogenen Daten von ca. 20 Beteiligten an einer Greenpeace-Aktion vor der Staatskanzlei von der Polizei wegen Nötigung und/oder Verstoßes gegen das Uniformverbot nach dem Versammlungsgesetz im Kriminalaktennachweis (vgl. Nr. 6.1) gespeichert. Nach dem zugrundeliegenden Sachverhalt hatten Greenpeace-Aktivisten, zum Teil mit weißen Overalls mit und ohne Aufschrift "Greenpeace", die Haupttür zur Staatskanzlei durch Ketten mit Schlössern für ca. zehn Minuten versperrt. Auf Verlangen hatte der Leiter der Aktion den Schlüssel jedoch ohne Widerstand herausgegeben. Vier namentlich nicht feststehende Personen hatten aufgrund der zeitlich nicht begehbaren Haupttür seitlich gelegene Notausgänge benutzen müssen.

Das Bayerische Oberste Landesgericht bestätigte mit seinem Urteil vom 16.12.1999 die Entscheidung des Amtsgerichts München vom 13.02.1998, wonach kein Verstoß gegen das Uniformverbot vorlag. Die Polizei löschte daraufhin die entsprechende Speicherung im KAN, die Speicherung wegen Nötigung wurde aufrechterhalten. Insoweit sei das Verfahrens gemäß § 153 Abs. 1 Strafprozessordnung eingestellt worden, was den Tatverdacht gegen die Betroffenen fortbestehen lasse. Dieser Auffassung habe ich widersprochen, da ich in der Aktion der Greenpeaceaktivisten noch keine rechtswidrige Nötigung gesehen habe. Insbesondere aufgrund der geringen Dauer der Blockade, ihrer freiwilligen Beendigung und der Existenz nahegelegener Ausweichmöglichkeiten war die für eine Strafbarkeit erforderliche Zweck-Mittel-Relation und damit ein strafbares Verhalten noch nicht gegeben. Daher bestand insoweit bereits aus Rechtsgründen kein die polizeilichen Speicherungen rechtfertigender Tatverdacht. Ich habe mich deswegen zunächst an die Staatsanwaltschaft gewandt, die meine Auffassung bestätigte. Wie sich herausstellte, hatte die Staatsanwaltschaft bereits zu einem früheren Zeitpunkt das Verfahren wegen Nötigung abgetrennt, da ein Anfangsverdacht wegen Nötigung nicht bejaht wurde. Die Polizei wurde hiervon jedoch nicht in Kenntnis gesetzt.

Die Polizei hat auf meine Aufforderung hin auch die Speicherungen wegen Nötigung aus dem KAN gelöscht.

6.5. Speicherungen im Zusammenhang mit der „Antifa-Passau“

Im Jahre 1998 hatte die Staatsanwaltschaft gegen mehrere mutmaßliche Angehörige der vom Landesamt für Verfassungsschutz als extremistisch eingestuften "Antifa-Passau" ein Ermittlungsverfahren wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung gemäß § 129 Abs. 1 Strafgesetzbuch eingeleitet. Zu diesem Zweck hatte die mit der Ermittlung betraute Polizeidienststelle umfangreiche personenbezogene Daten gespeichert. Das Strafverfahren wurde schließlich von der Staatsanwaltschaft gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Die o. g. Ermittlungsdatei wurde zunächst gesperrt, nur noch zum Zwecke der Asservatenausgabe geöffnet und anschließend gelöscht.

Unabhängig davon habe ich die Speicherungen zu den vormals Beschuldigten in diesem Zusammenhang überprüft, nachdem mir die Polizei mitgeteilt hatte, dass diese wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung im Kriminalaktennachweis (vgl. Nr. 6.1) gespeichert werden. Für meine Prüfung dieser Speicherungen habe ich exemplarisch einige Ermittlungsakten der ermittlungsführenden Staatsanwaltschaft beigezogen. Daraus ergab sich, dass die Staatsanwaltschaft der Polizei lediglich das Formblatt über die Mitteilung des Verfahrensausgangs ohne die Einstellungsbegründung übersandt hatte. Ein Hinweis der Staatsanwaltschaft, dass der Tatverdacht gegen die Betroffenen entfallen ist, war damit nicht gegeben.

Aufgrund der Einstellungsbegründung der Staatsanwaltschaft und der sonstigen Ermittlungsergebnisse habe ich einen die weitere Speicherung ausreichenden Tatverdacht der Bildung einer kriminellen Vereinigung nicht gesehen.

Die Deliktsbezeichnung "Bildung einer kriminellen Vereinigung" im Kriminalaktennachweis stellt zudem eine besonders belastende Speicherung dar. Ich habe deshalb die Polizeidienststelle aufgefordert, die Speicherungen im Kriminalaktennachweis zu löschen. Dieser Forderung ist das Landeskriminalamt als speichernde Stelle nachgekommen und hat die Speicherungen gelöscht.

6.6. Speicherungen in sonstigen Dateien

Anlässlich meiner Prüfungen bei bayerischen Polizeidienststellen habe ich neben Speicherungen im Kriminalaktennachweis auch Speicherungen in delikts- und dienststellenspezifischen Dateien
überprüft. Im Folgenden sind einige wichtige Feststellungen aus solchen Prüfungen wiedergeben.

Bei einer Polizeidirektion habe ich eine Datei geprüft, die der Unterstützung von Maßnahmen gegen Personen dient, die sich in bestimmten Bereichen der Innenstadt aufhalten und nach Auffassung der Polizei ein Gefahrenpotenzial darstellen. Dabei handelt es sich insbesondere um Personen, die der Rauschgiftszene zugerechnet werden oder die dort lagern, Alkohol trinken, betteln, Passanten anpöbeln, Sitzgelegenheiten der Verkehrsbetriebe besetzen usw. Zur Unterstützung der Maßnahmen, wie Belehrung, Platzverweis, Ordnungswidrigkeitenanzeigen und ggf. strafprozessuelle Maßnahmen, werden diese in der Datei gespeichert.

Ich habe festgestellt, dass bei einigen Speicherungen weder in der Datei selbst, noch in sonstiger Weise nachvollziehbar dokumentiert war, aus welchem Grund eine Speicherung erfolgt ist. Teilweise war nur die Bemerkung "punkerartiges Aussehen" eingetragen. Ich habe die Polizei darauf hingewiesen, dass ohne Dokumentation der Speicherungsgründe nicht nachvollzogen und geprüft werden kann, ob die nach der Errichtungsanordnung erforderlichen Speicherungsvoraussetzungen vorliegen. Bemerkungen wie "punkerartiges Aussehen" reichen für eine Speicherung keinesfalls aus. Das äußere Erscheinungsbild allein stellt keinen Speicherungsgrund dar. Ich habe die Polizei deshalb aufgefordert, diese Speicherungen zu überprüfen und bei Fehlen ausreichender Speicherungsgründe zu löschen sowie die Speicherungsgründe für jeden einzelnen Datensatz künftig zu dokumentieren. Die Polizeidirektion hat dies zugesagt und die von mir kritisierten Speicherungen überprüft, gelöscht bzw. korrigiert. Einige Datensätze, deren Speicherungsfrist nach meinen Feststellungen bereits abgelaufen war, wurden gelöscht.

Wie schon im letzten Berichtszeitraum habe ich Speicherungen in der Arbeitsdatei "Rauschgift" überprüft. Die Datei soll der repressiven und präventiven Bekämpfung der Betäubungsmittelkriminalität einschließlich der Beschaffungs- und Begleitdelinquenz in Bayern dienen.

Bei meiner Prüfung habe ich keine wesentlichen Mängel festgestellt. Einzelne Unzulänglichkeiten konnten bereinigt werden. Beispielsweise wurde eine Person gespeichert, weil in deren Wohnung vier bis fünf Gramm Haschisch und fünf Gramm halluzinogene Pilze aufgefunden wurden. Das Rauschgift konnte keiner der beiden anwesenden Personen zugeordnet werden. Die Staatsanwaltschaft hat das Verfahren deshalb eingestellt. Es lagen auch keine einschlägigen Erkenntnisse über die Betroffenen vor. Der Sachbearbeiter ging deshalb von einem Fall geringerer Bedeutung aus und vergab eine Aussonderungsprüffrist von neun statt zehn Jahren, obwohl für diese Fälle in der Errichtungsanordnung für die Datei bei Erwachsenen eine Verkürzung der Frist bis auf fünf Jahre vorgesehen ist. Die Polizeidienststelle hat die Speicherungsfrist nach erneuter Prüfung auf fünf Jahre verkürzt.

Für problematisch halte ich die mögliche Speicherungsdauer von fünf Jahren für Jugendliche bzw. zehn Jahren für Erwachsene in der Arbeitsdatei "Rauschgift" als nur "Tatverdächtige". Nach meinen Feststellungen werden in der Praxis in diesen Fällen kürzere Fristen vergeben. Ich habe deshalb die Polizeidienststelle aufgefordert, die Speicherungsfristen in der Errichtungsanordnung zu verkürzen. Die Polizei hat mir dies zugesagt. Nach meinen Informationen wurde die Neuregelung im Rahmen einer Sachbearbeitertagung für die relevanten Polizeidienststellen bereits umgesetzt. Die Errichtungsanordnung wurde allerdings noch nicht geändert. Die Vorlage wurde mir für die nächste Zeit in Aussicht gestellt.

Geprüft habe ich auch Speicherungen in der Datei für Geldwäsche-Verdachtsanzeigen. Nach § 11 des Geldwäschegesetzes haben u. a. Kredit-, Finanzinstitute und Spielbanken bei Feststellung von Tatsachen, die darauf schließen lassen, dass eine Finanztransaktion einer Geldwäsche dient oder im Fall ihrer Durchführung dienen würde, unverzüglich den Strafverfolgungsbehörden anzuzeigen. Ich habe festgestellt, dass die datenschutzrechtliche Problematik bei den Speicherungen in dieser Datei in der nicht selten relativ geringen Verdachtsschwelle liegt. So konnte mich die Polizei bei einigen Datensätzen von der Zulässigkeit der Speicherungen nur durch die Darlegung weiterer Erkenntnisse überzeugen. In wenigen Fällen, in denen aufgrund meiner Einschätzung die Speicherungsvoraussetzungen nicht erfüllt waren, hat die Polizei die Speicherungen gelöscht oder die Speicherungsfrist verkürzt.

6.7. Meldung und Speicherung extremistischer Gewalttäter

Im Berichtszeitraum war für mich eine Tendenz zur Ausweitung der polizeilichen Datenverarbeitung im Bereich "extremistischer Gewalt" feststellbar. Ihren Anfang nahm diese Entwicklung mit den Beschlüssen der Innenministerkonferenz am 24.11.2000. Ein Maßnahmenkatalog war als Beitrag zur effektiveren Bekämpfung des Rechtsextremismus beschlossen worden. Auf Initiative Bayerns wurden die ursprünglich nur für diesen Bereich geplanten Maßnahmen auch auf den linksextremistischen Bereich und den Bereich der politisch motivierten Ausländerkriminalität erweitert.

Dazu gehören zum einen die Schaffung bundesweiter Dateien zur Speicherung extremistischer Gewalttäter, sog. Gewalttäterdateien. Darüber hinaus wurden "personengebundene Hinweise" eingeführt, die extremistische Gewalttäter im bundesweiten Informationssystem der Polizei (INPOL) kennzeichnen sollen. Als weitere Maßnahme wurden die Speicherungskriterien sowie die Meldevoraussetzungen für den kriminalpolizeilichen Meldedienst (KPMD) und die bayerische Staatsschutzdatei (SDBY) erheblich erweitert.

Wegen einer Reihe von Kritikpunkten habe ich mich an das Staatsministerium des Innern gewandt und gemeinsam mit anderen Datenschutzbeauftragten der Länder den Bundesbeauftragten für den Datenschutz in seinen Bemühungen unterstützt, datenschutzrechtliche Verbesserungen zu erzielen:

  • Nach den Errichtungsanordnungen für die Gewalttäterdateien können auch "sonstige Personen" aufgrund präventiv-polizeilicher Maßnahmen, wie der Personalienfeststellung, gespeichert werden, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich die Person künftig an entsprechenden politisch-motivierten Straftaten von erheblicher Bedeutung beteiligen wird.

    Es bedarf zumindest der Konkretisierung, welche Tatsachen eine Speicherung rechtfertigen können. Dabei sind an die Prognose hohe Anforderungen zu stellen, die schriftlich begründet werden sollten. Darüber hinaus sollten bei der Speicherung von Daten dieses Personenkreises wesentlich kürzere Speicherungsfristen gelten als beispielsweise für Beschuldigte und Tatverdächtige.
  • Die Pflicht zur schriftlichen Dokumentation der Speicherungsgründe muss im Interesse des Betroffenen und der Selbstkontrolle der Polizei auch bei der Speicherung von personengebundenen Hinweisen gelten.
  • Eine Speicherung in den bundesweiten Gewalttäterdateien sollte nicht bei jeder politisch motivierten Straftat sondern nur vorgenommen werden, wenn aufgrund der konkreten Umstände von einer Straftat von länderübergreifender oder internationaler Bedeutung auszugehen ist. Eine Prüfung der Bedeutung der Straftat im Einzelfall sollte deshalb in den Errichtungsanordnungen festgelegt werden. Darüber hinaus sollte die Speicherung entsprechend der Bezeichnung der Dateien "Gewalttäter" - in den Errichtungsanordnungen - auf Gewalttaten von einiger Erheblichkeit beschränkt werden. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die bundesweite Abrufmöglichkeit dieser Daten und der daraus ggf. resultierenden Folgemaßnahmen der Polizei. Auch die Speicherung der personengebundenen Hinweise sollte ausdrücklich an die Voraussetzung "Gewalttätigkeit" geknüpft werden.
  • Für die Speicherung der personengebundenen Hinweise ist eine Speicherungsfrist vorgesehen, die sich nach der Laufzeit der Kriminalakte bzw. der erkennungsdienstlichen Unterlagen richtet. Ich halte es nicht für gerechtfertigt, dass bei Verlängerung der Frist der Kriminalakte die personengebundenen Hinweise auch in den Fällen mitgezogen werden, in denen keine einschlägigen Erkenntnisse hinzugetreten sind. Ich halte es deshalb für erforderlich, für die personengebundenen Hinweise eigenständige Prüffristen vorzusehen.

Auch gegen die Neufassung der Errichtungsanordnung für die Staatsschutzdatei Bayern (SDBY) und die damit verbundenen Modifizierung des kriminalpolizeilichen Meldedienstes (KPMD) habe ich erhebliche datenschutzrechtliche Bedenken geltend gemacht. Die dort vorgesehene Erfassung von Personen bei Straftaten jeglicher Art - soweit ein politisches Motiv zugrundegelegt werden kann - halte ich für zu weitgehend. Ich habe mich entschieden gegen eine mögliche Speicherung von Personen in einer Staatsschutzdatei gewandt, die in Ausübung ihres Grundrechts der Versammlungsfreiheit im Einzelfall die Grenzen der freien Meinungsäußerung durch einfache Beleidigung überschritten haben. Hierin sehe ich eine Gefahr, dass politisch engagierte Personen als "Staatsgegner" gespeichert werden.

Ich sehe in der Prüfung von Speicherungen wegen politisch motivierter Straftaten im nächsten Berichtszeitraum einen Schwerpunkt meiner Tätigkeit im Sicherheitsbereich.

6.8. Ausschreibung im geschützten Fahndungsbestand Landfriedensbruch

Der "geschützte Fahndungsbestand Landfriedensbruch und verwandte Straftaten" dient der Verhütung schwerer Straftaten im Zusammenhang mit politisch bestimmten öffentlichen Versammlungen oder Aufzügen. Der Zugriff auf diese Datei wird nur zu besonderen aktuellen Anlässen auf Anforderung der für den Einsatz zuständigen Polizeidienststelle und mit Zustimmung des Innenministers/Senators des betreffenden Landes für einen festgesetzten Zeit- und Fahndungsraum zur Abfrage freigegeben.

Nachdem der Fahndungsbestand anlässlich des G 8 Gipfeltreffens in Genua im Juli 2001 geöffnet worden war, wurde mehreren darin ausgeschriebenen Personen die Ausreise untersagt.

Bei meiner Prüfung einzelner von bayerischen Polizeidienststellen vorgenommenen Ausschreibungen habe ich festgestellt, dass bei den der jeweiligen Speicherung zu Grunde liegenden Erkenntnissen eine Meldung und damit eine Aufnahme in den geschützten Fahndungsbestand nicht zulässig war.

In einem Fall wurde dem Betroffenen vorgeworfen, während einer Versammlung ein rohes Ei geworfen und damit eine unbekannte Person am Rücken getroffen zu haben. Ich habe das Landeskriminalamt darauf hingewiesen, dass bei diesem Sachverhalt im Gegensatz zur polizeilichen Annahme keine gefährliche Körperverletzung vorliegt, sondern allenfalls der Verdacht einer versuchten Körperverletzung, Beleidigung und Sachbeschädigung besteht. Nach den Richtlinien für den kriminalpolizeilichen Meldedienst "Landfriedensbruch und verwandte Straftaten" sind zwar Fälle von Straftaten mit Gewalttätigkeiten gegen Leib oder Leben oder gegen fremde Sachen meldepflichtig. Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ist aber auf die Art und Schwere der jeweiligen konkreten Tat abzustellen. Bei geringfügigen Straftaten halte ich daher eine Speicherung angesichts der weit reichenden Folgen für den Betroffenen weder für erforderlich, noch für verhältnismäßig und daher für unzulässig. Im Hinblick darauf, dass in dem dargestellten Fall die angewandte Gewalt sowie auch der ggf. eingetretene Schaden gering und zudem der Verletzungsvorsatz angesichts des angewandten Tatmittels zweifelhaft war, habe ich das Landeskriminalamt aufgefordert, die Speicherung zu löschen. Dem ist das Landeskriminalamt nachgekommen.

Bei einer weiteren Person, die an der Ausreise gehindert wurde, hat meine Prüfung ebenfalls die Unzulässigkeit der Ausschreibung ergeben. Diese Person soll sich bei einer Versammlung wenige Minuten an einer Sitzblockblockade beteiligt haben. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegt in diesen Fällen ohne Hinzutreten weiterer Umstände mangels Gewalt keine Nötigung im strafrechtlichen Sinne vor. Anders als von der Polizei angenommen kann dem Betroffenen daher lediglich eine Störung der Versammlung zur Last gelegt werden. Diese Straftat ist aber für den geschützten Fahndungsbestand Landfriedensbruch nicht meldepflichtig. Dort ist zudem ausdrücklich ausgeführt, dass es sich bei Straftaten mit Gewalttätigkeiten um solche mit aggressivem Einsatz physischer Gewalt handeln muss, woran es hier fehlt. Ich habe daher das Landeskriminalamt aufgefordert, auch diese Speicherung zu löschen. Dieser Forderung ist das Landeskriminalamt zwischenzeitlich nachgekommen.

Schließlich habe ich im Rahmen meiner Prüfungen auch festgestellt, dass eine bekannte Persönlichkeit alleine auf Grund von in einem Leserbrief geäußerten Vermutungen im geschützten Fahndungsbestand Landfriedensbruch ausgeschrieben war. Bei einer Großdemonstration mit mehreren Tausend Teilnehmern, bei der auch die bekannte Persönlichkeit teilnahm, kam es unter anderem zu einer Sitzblockade einiger weniger Personen. Nachdem in dem Leserbrief behauptet worden war, auch die bekannte Person habe sich unter den blockierenden Demonstranten befunden, wurde gegen diese ein Ermittlungserfahren eingeleitet. Bei einer späteren Zeugenvernehmung des Verfassers des Artikels stellte dieser klar, dass es sich bei seiner Äußerung lediglich um eine Vermutung gehandelt habe, da er die ihm bekannte Person zu einem späteren Zeitpunkt in der Nähe habe stehen sehen. Obwohl auch vorhandene umfangreiche Videoaufzeichnungen keinen weiteren Tatverdacht ergaben, wurde die bekannte Persönlichkeit dennoch im geschützten Fahndungsbestand Landfriedensbruch ausgeschrieben.

Eine weitere bekannte Persönlichkeit, die ebenfalls bei dieser Demonstration von dem Verfasser des Artikels gesichtet und erwähnt wurde, wurde zwar nicht im geschützten Fahndungsbestand, wohl aber im Kriminalaktennachweis gespeichert, obwohl auch hier jeglicher Tatverdacht entfallen ist.

Es kann nicht angehen, dass jemand, der zufällig bei einer Demonstration gesehen wird, bei der vorher oder nachher durch Unbekannte eine Straftat begangen wird, gespeichert wird. Ich habe daher das zuständige Polizeipräsidium aufgefordert, sämtliche Speicherung der beiden Persönlichkeiten im Zusammenhang mit der Großdemonstration sowohl im Kriminalaktennachweis als auch im geschützten Fahndungsbestand zu löschen. Dem hat es in vollem Umfang entsprochen.

6.9. Vorratsdatenspeicherung bei Internet- und Telekommunikationsprovidern

Ein Gesetzesentwurf des Bundesrats, der im Bundestag vor der Bundestagswahl nicht mehr beraten wurde, sieht neben anderen Bestimmungen Neuregelungen im Telekommunikations- und im Teledienstedatenschutzgesetz vor, welche die Verpflichtung der Anbieter von Telekommunikations- und Telediensten zur Vorratsspeicherung von Bestands-, Verbindungs-, Nutzungs- und Abrechnungsdaten ermöglichen sollen. Diese Daten sollen von den Providern für bestimmte Mindestfristen gespeichert werden, damit der Polizei, aber auch dem Verfassungsschutz, dem Bundesnachrichtendienst, dem Militärischen Abschirmdienst und dem Zollkriminalamt bei evtl. Anlässen eine Nutzung zur Aufgabenerfüllung möglich ist.

Eine solche verdachtslose Speicherung, die rein vorsorglich für den Fall eines späteren Bedarfs durchgeführt wird, ist abzulehnen. Sie stellt eine tiefgreifende Einschränkung des Rechts auf unbeobachtete Telekommunikation dar, die ich für unverhältnismäßig halte, zumal die Daten der weit überwiegend rechtstreuen Bürger nicht benötigt werden. Aufgrund der Sensiblität der Daten, die die Aussagekraft von Inhaltsdaten sogar übertreffen können, solle es bei den bisherigen Zugriffsmöglichkeiten der oben genannten Sicherheitsbehörden bleiben. Eine flächendeckende Speicherung auf Vorrat hat auch die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder mit Nachdruck abgelehnt.

6.10. Errichtungsanordnungen für GAST-Dateien

Auch in diesem Berichtszeitraum wurden mir von Polizeidienststellen wieder zahlreiche Errichtungsanordnungen für sog. GAST-Dateien (Dateien zur Gefahrenabwehr und Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten) vorgelegt. In den Errichtungsanordnungen müssen von der speichernden Stelle u. a. der Zweck der Datei, der betroffene Personenkreis, Art und Umfang der zu speichernden personenbezogenen Daten, die Eingabe- und Zugriffsberechtigungen sowie die Aussonderungsprüffristen festgelegt werden.

Gegen die überwiegende Zahl dieser Errichtungsanordnungen bestanden aus datenschutzrechtlicher Sicht keine Einwände. Bei einzelnen wurden die Speicherungskriterien und -fristen von der Polizei auf meine Forderung hin datenschutzkonform geändert oder ergänzt. Beispielhaft möchte ich auf zwei Errichtungsanordnungen eingehen, die besondere datenschutzrechtliche Probleme aufwiesen:

Ein Polizeipräsidium wollte zur Bekämpfung der Urkundenkriminalität alle in seinem Zuständigkeitsbereich festgestellten Inhaber von Personalausweisen/Pässen von EU-Staaten zum Zwecke der Überprüfung speichern. Zugrunde lagen Erkenntnisse über mehr als 500.000 entwendete Blankopersonalausweise und -reisepässe eines bestimmtes Staats im Jahr 1998, die mit fiktiven oder existenten Personalien ausgefüllt und anschließend zur Einreise in Staaten der EU, zur Beantragung von Aufenthaltserlaubnissen, Arbeitserlaubnissen und Sozialhilfe verwendet werden sollen.

Diese generelle Überprüfung der Ausweise und die dafür vorgesehene Speicherung aller EU-Bürger im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums habe ich abgelehnt, da ein Fälschungsverdacht gegen diese Personen insgesamt nicht bestand. Die bloße Möglichkeit einer Fälschung im Einzelfall reicht für eine so weitgehende Maßnahme nicht aus. Erkenntnisse, die für eine Vielzahl gefälschter EU-Ausweise sprechen, hatte das Polizeipräsidium zwar hinsichtlich der Ausweise eines bestimmten EU-Staates genannt, nicht jedoch hinsichtlich der Ausweise aller anderen EU-Staaten.

Ich habe deshalb gefordert, die Speicherungsmöglichkeit in der Errichtungsanordnung entsprechend einzuschränken. Das Polizeipräsidium hat mir daraufhin mitgeteilt, dass nur Inhaber von EU-Ausweisen des bestimmten Staates kurzfristig zum Zwecke der Überprüfung gespeichert seien. Die Datei werde wegen des kurz bevorstehenden Abschlusses der Überprüfung gelöscht.

Eine andere Polizeidienststelle hat mir die Errichtungsanordnung für eine Datei zugesandt, deren Zweck es war, aus Sicherheitsgründen Mitarbeiter von Fremd- und Lieferfirmen, die in der Polizeidienststelle tätig werden oder dorthin liefern sollten, zu speichern, nachdem diese mittels Datenabgleich polizeilich überprüft worden waren.

Die Polizeidienststelle hat mir auf Anfrage mitgeteilt, dass die Arbeitgeber der für die Tätigkeit vorgesehenen Mitarbeiter gebeten werden, deren Identitätspapiere in Kopie an die zuständige Verwaltungsdienststelle der Polizei zu senden, damit diese mittels Abgleich mit polizeilichen Informationssystemen auf eine etwaige Sicherheitsgefährdung überprüft werden können. Eine Aufklärung über die Tatsache der Überprüfung oder die Einholung des Einverständnisses des Betroffenen mit der Überprüfung erfolge durch die Polizei nicht. Ob eine Aufklärung oder Befragung der Mitarbeiter durch die Firmen erfolge, sei der Polizei nicht bekannt.

Dieses Verfahren halte ich aus datenschutzrechtlicher Sicht für nicht akzeptabel, da dabei nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Daten ohne Kenntnis des Betroffenen erhoben, abgeglichen und gespeichert werden und das Ergebnis der polizeilichen Überprüfung allein dem Arbeitgeber bekannt wird. Dies entspricht nicht dem Unmittelbarkeitsgrundsatz in Art. 30 Abs. 2 Satz 1 Polizeiaufgabengesetz, der vorschreibt, dass die Daten grundsätzlich beim Betroffenen erhoben werden und dem grundsätzlichen Anspruch des Betroffenen zu wissen, was die Polizei über ihn weiß. Eine fachliche Notwendigkeit, diese Maßnahme ohne Kenntnis des Betroffenen durchzuführen, war für mich nicht ersichtlich. Ich habe es deshalb für erforderlich gehalten sicherzustellen, dass die polizeiliche Überprüfung mit freiwilliger, informierter sowie schriftlicher Einwilligung des Arbeitsnehmers erfolgt.

Da ich davon ausgegangen bin, dass diese Überprüfungsmaßnahmen in ähnlicher Weise auch bei anderen Polizeidienststellen durchgeführt werden, habe ich das Innenministerium um Überprüfung des Verfahrens und um Stellungnahme gebeten. Dieses hat mir mitgeteilt, es werde angeordnet, ab sofort durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass der Arbeitnehmer von der polizeilichen Überprüfung informiert wird. Damit soll er in die Lage versetzt werden, über die Erteilung oder Nichterteilung seiner Einwilligung zur Datenerhebung, zum Datenabgleich und zur Datenspeicherung zu entscheiden.

6.11. Rasterfahndung

Nach den Terroranschlägen am 11. September 2001 in den USA wurden bundesweit präventivpolizeiliche Rasterfahndungen zur Enttarnung potenzieller Attentäter (sog. Schläfer) durchgeführt. Ausgehend von den Erkenntnissen aus den USA über Persönlichkeitsmerkmale der Täter, die in Deutschland lebten und den Anschlag planten, wurden unter Koordination des Bundeskriminalamts, bestimmte auf den o.g. Personenkreis zutreffende Kriterien erarbeitet. Daraus wurde sodann ein weitgehend bundeseinheitliches Rasterprofil erstellt, mit dessen Hilfe Personen, die über längere Zeit unauffällig in Deutschland leben und Terrorakte planen, erkannt werden sollen. Bei der Rasterfahndung wurden zunächst von verschiedenen Stellen Daten zu Personen angefordert, die dem Täterprofil entsprechen. Diese Datenbestände wurden sodann gegeneinander oder mit anderen polizeilichen oder fremden Datensätzen maschinell abgeglichen. Als Ergebnis der Rastermaßnahme bleiben diejenigen Personen übrig, die alle vorgegebenen Kriterien erfüllen und deshalb einer näheren Überprüfung unterzogen werden. Zu diesen als "Prüffälle" bezeichneten Personen werden konventionelle polizeiliche Ermittlungen nach den allgemeinen Befugnissen des Polizeiaufgabengesetzes durchgeführt. Sämtliche im Rahmen der Rasterfahndungen übermittelten Daten wurden vom Landeskriminalamt vorübergehend in der Arbeitsdatei "Rasterfahndung BAO-USA" gespeichert.

Die ermittelten Prüffälle sind zudem in eine weitere Datei "Terror USA" eingestellt und an das Bundeskriminalamt übermittelt worden. Sie werden dort in einer Verbunddatei vorgehalten.

Rechtsgrundlage für die Rasterfahndung in Bayern ist Art. 44 Polizeiaufgabengesetz (PAG). Danach kann die Polizei von öffentlichen und nicht-öffentlichen Stellen die Übermittlung von personenbezogenen Daten bestimmter Personengruppen aus Dateien insbesondere Namen, Anschriften, Tag und Ort der Geburt und fahndungsspezifische Suchkriterien zum Zwecke des Abgleichs mit anderen Datenbeständen verlangen, soweit dies zur Abwehr von Straftaten von erheblicher Bedeutung erforderlich ist. Anders als in zahlreichen anderen Bundesländern wird die Rasterfahndung in Bayern nicht durch ein Gericht angeordnet, sondern durch den Dienststellenleiter mit Zustimmung des Staatsministeriums des Innern. Entsprechend der gesetzlichen Verpflichtung wurde ich unverzüglich unterrichtet, als das Landeskriminalamt im September 2001 die erste Rasterfahndungsanordnung erließ. Seitdem stehe ich in ständigem Kontakt mit dem Landeskriminalamt und überprüfe laufend die Durchführung der Rasterfahndung. Dabei informiere ich mich über den Stand der Rasterfahndung sowie eventuelle neue Maßnahmen und stelle sicher, dass die gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden. Die strikte Beachtung der gesetzlichen Regelungen halte ich gerade bei einer Rasterfahndung für besonders wichtig, da diese Maßnahme eine große Anzahl von völlig Unbeteiligten trifft und es sich selbst bei den Prüffällen in der weit überwiegenden Mehrzahl um Unbeteiligte handelt, die jedoch zahlreichen polizeilichen Maßnahmen ausgesetzt sein können. Daher ist auch besonderer Wert darauf zu legen, dass in die Rechte der Betroffenen nicht mehr als unbedingt erforderlich eingegriffen wird.

Der Umfang der Rasterfahndung und der davon Betroffenen zeigt sich an den Datenerhebungen des Landeskriminalamts. So wurden bei bayerischen Meldebehörden, Ausländerbehörden, Sozialämtern und Universitäten bzw. Hochschulen die Daten sämtlicher Personen angefordert, die folgendem Profil entsprechen:

  • männlich
  • 18 bis 40 Jahre
  • islamische Religionszugehörigkeit
  • Meldeanschrift bzw. Wohnort in Bayern
  • Student einer Universität bzw. Hochschule mit Schwerpunkt technischer/naturwissenschaftlicher Ausrichtung
  • legaler Aufenthaltsstatus
  • keine Sozialhilfe
  • Geburtsland und/oder Nationalität eines bestimmten Staates (z. B. Afghanistan)

Außerdem trat das Landeskriminalamt mit weiteren Rasterfahndungsanordnungen an die bayerische Industrie- und Handelskammer, die Betreiber kerntechnischer Anlagen und Forschungseinrichtungen in Bayern sowie bayerische Luftämter heran, um sich unter Bezug auf das Täterprofil Inhaber von Gefahrgutscheinen, Besucher bayerischer kerntechnischer Anlagen sowie Inhaber von Luftfahrscheinen und Flugschülern übermitteln zu lassen.

Insgesamt wurden von diesen Stellen ca. 174 000 Daten an das Landeskriminalamt übermittelt. Unter Berücksichtigung von Mehrfachnennungen und nach sonstiger Bereinigung handelte es sich um Personendatensätze zu ca. 94 000 Personen, die in die Rasterfahndung einbezogen wurden. Nach Durchführung der maschinellen Abgleiche blieben schließlich ca. 1900 Prüffälle übrig, die derzeit durch die Kriminalpolizeidienststellen näher überprüft werden. Die Abarbeitung der Prüffälle ist noch nicht abgeschlossen, sie wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Sobald sich bei der Bearbeitung herausstellt, dass eine erfasste Person nicht dem Grundraster unterfällt wird sie nach Auskunft des Landeskriminalamts ausgeschieden und in der Datei "Rasterfahndung BAO-USA" gelöscht. Dies habe ich an Hand von Stichproben überprüft und - abgesehen von Einzelfällen - die Richtigkeit der Auskunft festgestellt.

In der Presse wurde immer wieder über Urteile von Gerichten berichtet, die die Rasterfahndung in anderen Bundesländer für rechtswidrig erklärt haben. Diese Entscheidungen habe ich daraufhin überprüft, ob sich aus den jeweiligen Begründungen Rückschlüsse auf die Rechtmäßigkeit der Rasterfahndung in Bayern ergeben könnten. Dies war jedoch nicht der Fall, da die gesetzlichen Regelungen in den Ländern unterschiedlich sind. Im Gegensatz zu den landesrechtlichen Vorschriften der Länder, in denen entsprechende Urteile erlassen wurden, verlangt das Bayerische Polizeiaufgabengesetz nämlich nicht das Vorliegen einer gegenwärtigen Gefahr.

Auch in Bayern verlief die Rasterfahndung nicht immer reibungslos. So enthielten die ersten Rasterfahndungsanordnungen das Kriterium des Sozialhilfebezugs als ausschließendes Merkmal, obwohl nach den damals geltenden Vorschriften des Sozialgesetzbuchs eine Datenübermittlung an Polizeibehörden für die Zwecke einer Rasterfahndung nicht zulässig war. Nachdem ich das Landeskriminalamt auf diese Rechtslage hingewiesen hatte, habe ich in Zusammenarbeit mit dem Landeskriminalamt, dem Innenministerium und dem Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen ein Verfahren erarbeitet, das dennoch einen datenschutzkonformen Abgleich mit Sozialdaten zuließ. Um dies zu erreichen, musste sichergestellt werden, dass das Landeskriminalamt vom Inhalt der Sozialdaten keine Kenntnis erhält. Hierzu wurde ein sogenanntes Black-Box-Verfahren eingesetzt, bei dem die Anstalt für Kommunale Datenverarbeitung Bayern (AKDB) im Auftrag der jeweiligen Gemeinden den Abgleich zwischen dem zur Rasterfahndung erhobenen Datenbestand der Polizei und dem Bestand der Sozialhilfeempfänger vornahm. Der so erzeugte Datenbestand durfte nur zum Abgleich mit dem von den Universitäten und Hochschulen übermittelten Datenbestand verwendet und musste sodann als gesperrte Datei verwahrt werden. Ferner sicherte das Landeskriminalamt zu, dass auch keine sonstige Rekonstruktion der Sozialhilfeempfänger durch Abgleich der verfügbaren Datenbestände erfolgt. Durch diese Verfahrensweise war sichergestellt, dass das Landeskriminalamt keine Kenntnis davon erhält, welche Personen Sozialhilfe beziehen.

Zwischenzeitlich wurde das Sozialgesetzbuch durch das Terrorismusbekämpfungsgesetz dergestalt geändert, dass nunmehr bestimmte Sozialdaten auch zu Zwecken der Rasterfahndung an die Polizei übermittelt werden dürfen. Das angewandte Black-Box-Verfahren wäre daher nach heutiger Rechtslage nicht mehr erforderlich.

Im Januar 2002 wurden sowohl die Daten der Sozialhilfeempfänger bei der Anstalt für Kommunale Datenverarbeitung Bayern als auch die beim Landeskriminalamt unter Verschluss gehaltene Ergebnismenge des Abgleichs der Sozialdaten mit den polizeilichen Daten vernichtet, da die Datenbestände nicht mehr benötigt werden.

Besonderes Augenmerk habe ich auf die möglichst frühzeitige Löschung nicht mehr benötigter Daten gerichtet. Nach Art. 44 Abs. 3 PAG sind die übermittelten und im Zusammenhang mit der Maßnahme zusätzlich angefallenen Daten zu löschen und die Unterlagen, soweit sie nicht zur Verfolgung von Straftaten erforderlich sind, unverzüglich zu vernichten, sobald der Zweck der Maßnahme erreicht ist.

Obwohl jedoch der Datenabgleich und damit die Rastermaßnahmen nach Auffassung des Landeskriminalamts zwischenzeitlich abgeschlossen sind, hat das Landeskriminalamt die Datei "Rasterfahndung BAO-USA", in der sämtliche angefallenen Daten gespeichert sind, noch nicht gelöscht sondern lediglich gesperrt. Ebenso wie das Innenministerium vertritt es die Auffassung, dies sei erforderlich, da nicht auszuschließen sei, dass sie für eine neu angeordnete Rasterfahndung wieder benötigt werden. Meiner Ansicht nach widerspricht eine solche vorsorgliche Vorratsdatenspeicherung der gesetzlichen Regelung. Da der Zweck der Maßnahme, für den die Daten erhoben wurden erreicht ist, sind die nicht mehr erforderlichen Daten unverzüglich zu löschen. Zweck der Maßnahme ist die Durchführung des Abgleichs mit den in den Rasterfahndungsanordnungen aufgeführten Daten zur Ermittlung von Trefferfällen. Diese stehen nach Angaben des Landeskriminalamts bereits fest und können abgearbeitet werden. Ich habe daher das Landeskriminalamt aufgefordert, die Arbeitsdatei "Rasterfahndung BAO-USA" sowie die entsprechenden Unterlagen unverzüglich zu löschen, soweit sie nicht zur Verfolgung von Straftaten erforderlich sind. Das Landeskriminalamt hat dies mit der Begründung abgelehnt, der Zweck der Rasterfahndung sei noch nicht erreicht, da die Prüffälle noch nicht vollständig abgearbeitet seien. Auch wenn derzeit keine Notwendigkeit gesehen werde, auf die Daten zuzugreifen, sei die Maßnahme insgesamt noch nicht beendet. Ein Zugriff müsse aber bis zum Abschluss der Maßnahmen gewährleistet werden. Das Innenministerium, das die Auffassung des Landeskriminalamts teilt, hat dementsprechend der weiteren Aufbewahrung der Daten bis zum Abschluss der Rastermaßnahmen befristet zugestimmt.

Ich halte diese Ansicht aus den o.g. Gründen nicht für zutreffend und werde deshalb eine Beanstandung prüfen.

6.12. DNA-Analyse zu Strafverfolgungszwecken

6.12.1. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 14.12.2000

Am 14.12.2000 hat das Bundesverfassungsgericht in einem Beschluss (NJW 2001, Seite 879 ff) über die gesetzlichen Grundlagen für eine richterlich angeordnete Entnahme von Körperzellen und deren molekulargenetische Untersuchung zur Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren entschieden und diese für verfassungsgemäß befunden. In diesem Beschluss, der durch ein Urteil vom 15.03.2001 (NJW 2001, Seite 2320 ff) ergänzt und fortgeführt wurde, hat das Bundesverfassungsgericht in sehr detaillierter Form Vorgaben für die Anwendung und Auslegung der gesetzlichen Grundlagen für eine DNA-Analyse zu Strafverfolgungszwecken gemacht. Hierbei hat es hervorgehoben, dass nach der gesetzlichen Regelung eine molekulargenetische Untersuchung nur angeordnet werden darf, wenn bei dem Betroffenen eine Straftat von erheblicher Bedeutung vorliegt. Dies ist nach der gerichtlichen Definition eine Straftat, die mindestens dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzurechnen ist, den Rechtsfrieden empfindlich stört und dazu geeignet ist, das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen. Erfüllt eine Tat eines der vom Gesetzgeber aufgeführten Regelbeispiele, so ist damit nicht automatisch eine Straftat von erheblicher Bedeutung gegeben. Jede Tat muss im Einzelfall auf ihr Gewicht und ihre Bedeutung für Rechtsfrieden und Sicherheitsgefühl hin überprüft werden. Die Entscheidung über das Vorliegen einer Anlasstat sowie über die Annahme, dass auch künftig gegen den Betroffenen Strafverfahren wegen einer derartigen Straftat zu führen sind, setzt dabei voraus, dass ihr eine zureichende Sachaufklärung insbesondere durch Beiziehung der verfügbaren Straf- und Vollstreckungsakten, des Bewährungsheftes und zeitnaher Auskünfte aus dem Bundeszentralregister vorausgegangen ist und in den Entscheidungsgründen die bedeutsamen Umstände abgewogen werden. Gegebenenfalls ist sogar eine zusätzliche Beweiserhebung, etwa durch die Einholung ärztlicher Aufklärung oder Einsichtsnahme in den Betreuungsakt zu betreiben. Schließlich müssen die Tatsachen, auf denen die Entscheidung beruht, nachvollziehbar dokumentiert werden.

In Reaktion auf diese Rechtsprechung hat das Staatsministerium des Innern die Dienststellen der Bayerischen Polizei auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes hingewiesen und für die erforderliche Dokumentation bezüglich Anlasstat und Prognose künftiger Strafverfahren die Verwendung eines einheitlichen Formblattes angeordnet. Allerdings musste ich anlässlich einer Prüfung der praktischen Umsetzung des DNA- Identitätsfeststellungsgesetzes bei einer Polizeidirektion feststellen, dass dort neben einem Auszug aus der Datei Kriminalaktennachweis (KAN) sowie dem Bundeszentralregister in sämtlichen Fällen lediglich die bei der durchführenden Dienststelle vorliegenden eigenen Kriminalakten zur Aufklärung des Sachverhaltes beigezogen wurden. So wurden bspw. bei einem Betroffenen nur die polizeilichen Akten zu zwei Verurteilungen herangezogen, die Einbruchsdiebstähle in ein Vereinsheim bzw. mehrere Bauwägen betrafen, die der Betroffene als Heranwachsender sämtlich innerhalb eines Zeitraumes von 1 Woche und in betrunkenem Zustand begangen hatte. Unterlagen zu einer weiteren, zeitlich nachfolgenden Verurteilung, ebenfalls wegen schweren Diebstahls, wurden nicht beigezogen, da die Kriminalakten hierzu nicht bei der durchführenden Dienststelle geführt wurden. Da aber gerade bei einem heranwachsenden Täter bei Taten innerhalb eines zeitlich eng begrenzten Rahmens besondere Faktoren mit Ausnahmecharakter für dessen Straffälligkeit verantwortlich sein können, hätten Unterlagen über sein weiteres Auftreten zur Beurteilung, ob weitere Strafverfahren gegen ihn zu befürchten sind, herangezogen werden müssen. Auf meine Intervention, auch gegenüber dem Staatsministerium des Innern, hat sich die betreffende Dienststelle zwischenzeitlich bereit erklärt, zur Überprüfung ihrer Prognose auch die Strafakten zu der nachfolgenden Verurteilung beizuziehen, um die weitere Entwicklung des Betroffenen zu berücksichtigen. In diesem Zusammenhang habe ich gegenüber dem Staatsministerium des Innern auch darauf hingewiesen, dass die Beiziehung lediglich der bei der Polizei geführten Kriminalakten nicht dem vom Bundesverfassungsgericht geforderten Gebot bestmöglicher Sachaufklärung entspricht, da die vom Gericht hierzu beispielhaft aufgeführten Unterlagen zur Überprüfung der Prognose in der Regel zusätzliche Erkenntnisse, etwa über Begutachtungen oder die weitere Führung des Betroffenen nach der Verurteilung, enthalten, die im Kriminalakt nicht erfasst sind. Das Innenministerium hat mir hierzu mitgeteilt, dass im Einzelfall, sofern die polizeiliche Akte kein ausreichendes Material für eine ausgewogene Prognoseentscheidung beinhaltet, die Möglichkeit der zusätzlichen Anforderung von Justizakten besteht.

Anlässlich meiner Rechtsprüfung habe ich aber auch festgestellt, dass der Begriff der Straftat von erheblicher Bedeutung als Anlasstat für eine DNA-Analyse bisweilen sehr schematisch und nicht im Sinne der vom Bundesverfassungsgericht geforderten Einzelfallprüfung angewendet wurde. Als problematisch erwies sich hierbei insbesondere die im Gesetz genannte Katalogtat eines Diebstahls im besonders schweren Fall. Gerade bei diesen Delikten besteht ein besonderes Bedürfnis, zu prüfen, ob die konkrete Tat wegen ihres Gewichtes und Ihren Auswirkungen auf den Rechtsfrieden sowie das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung als eine Tat von erheblicher Bedeutung einzustufen ist. Dass dem nicht in jedem Fall Rechnung getragen wurde, konnte ich bei einem Vorgang feststellen, in dem ein 7 Jahre zurückliegender Diebstahl eines abgesperrten Fahrrades im Wert von 490,-DM zum Anlass für eine DNA-Analyse genommen wurde. Auch meine Korrespondenz mit dem Staatsministerium des Innern konnte bislang keine andere Beurteilung des Falles bewirken.

6.12.2. Formblatt für die Einwilligung in eine DNA-Analyse

Bei der Durchführung von DNA-Analysen zu Strafverfolgungszwecken sowie bei den hierfür erforderlichen Probenentnahmen hat die Polizei in Bayern von Anfang an versucht, diese auf Grundlage einer Einwilligung der Betroffenen, ohne richterlichen Beschluss durchzuführen (siehe zu meinen grundsätzlichen Bedenken gegen die "Einwilligungslösung" 19. Tätigkeitsbericht Nr. 7.2.3.1). Zur Einholung einer solchen Einverständniserklärung verwendete sie bisher zwei Formblätter, in denen die Betroffenen zur Speichelabgabe vorgeladen wurden bzw. ihr Einverständnis mit der Maßnahme erklären sollten. Auch wenn ich weiterhin Bedenken gegen die Durchführung molekulargenetischer Untersuchungen auf der Grundlage einer Einverständniserklärung der Betroffenen habe, habe ich dennoch gegenüber dem Staatsministerium des Innern die Berücksichtigung datenschutzrechtlicher Mindestanforderungen bei der praktischen Umsetzung gefordert. Besonders wichtig war mir hierbei, dass die mit dem Formblatt verbundenen Hinweise über Voraussetzungen und Folgen einer Einverständniserklärung den Betroffenen so frühzeitig zugesandt werden, dass diesen ausreichend Zeit für eine ausgewogene Entscheidung und ggf. die Beratung mit einer Vertrauensperson bleibt. Weiterhin sollten die Betroffenen in dem Formblatt über die voraussichtliche Speicherungsdauer der aus der DNA-Analyse gewonnenen Daten sowie über die Möglichkeit, ihr einmal erteiltes Einverständnis zu widerrufen, aufgeklärt werden. Schließlich habe ich die Bezeichnung des zur Terminsbestimmung versandten Formblattes als "Vorladung" kritisiert, da hierdurch der unzutreffende Eindruck entstehen könnte, es bestehe eine Pflicht, zu der Speichelabgabe zu erscheinen.

Das Staatsministerium des Innern war zunächst in keinem dieser Punkte bereit, meinen Forderungen zu entsprechen, hat dies im weiteren aber revidiert.

In seiner Entscheidung vom Dezember 2000 hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass das Interesse der Betroffenen an einem effektiven Grundrechtsschutz durch den gesetzlich vorgeschriebenen Richtervorbehalt berücksichtigt wird. Vor dem Hintergrund dieses deutlichen Hinweises auf die absolute Bedeutung des Richtervorbehaltes, die eine Ersetzung des gesetzlichen Schutzsystems durch die Einwilligung als höchst problematisch erscheinen lässt, habe ich gegenüber dem Staatsministerium des Innern erneut auf meine Forderungen rekurriert und verlangt, die Betroffenen in einprägsamer Weise darüber aufzuklären, dass sie mit der Erteilung ihrer Einwilligung auf den gesetzlichen Schutzmechanismus der richterlichen Prüfung, Prognose und Entscheidung verzichten.

Diesen Hinweis hat das Ministerium bei der Gestaltung seiner Formblätter übernommen. Zur Frage einer frühzeitigen Aufklärung der Betroffenen konnte ich erreichen, dass nunmehr auch Gefangene zunächst über die vorgesehenen Maßnahmen und ihre Rechtsfolgen schriftlich belehrt werden, bevor ein Polizeibeamter sie zur Erteilung ihres Einverständnisses mit der Abgabe einer Speichelprobe und deren molekulargenetischer Analyse aufsucht. Tatsächlich waren bisher Strafgefangene nicht vorab von dem Termin zur Speichelentnahme informiert worden und sollten die Abgabe ihrer Einwilligung unmittelbar beim ersten Besuch des Polizeibeamten entscheiden.

Zur Einführung einer Belehrung über die Fristen, nach denen die Speicherung der gewonnenen Daten in der DNA-Analyse-Datei zu prüfen ist, sowie über die Möglichkeit, eine einmal erklärte Einwilligung zu widerrufen, ist das Staatsministerium des Innern jedoch weiterhin nicht bereit. Immerhin soll das Anschreiben an die Betroffenen, in dem die Termine zur Entnahme einer Speichelprobe vorgeschlagen werden, nun nicht mehr als "Vorladung" bezeichnet werden.

Angesichts der trotz der Lücken doch weitgehenden Aufnahme meiner Vorschläge zur Verbesserung der Information des Einwilligenden habe ich ungeachtet meiner grundsätzlichen Vorbehalte gegen das praktizierte Verfahren von einer Beanstandung abgesehen. Seit Juni 2002 finden die neuen Formblätter bei allen Dienststellen der Bayerischen Polizei Verwendung.

6.12.3. Einwilligungserklärung im Maßregelvollzug

Für im Maßregelvollzug befindliche Personen konnten meine Vorbehalte jedoch nicht behoben werden. Die Unterbringung in einer Anstalt des Maßregelvollzuges wird durch das Gericht insbesondere angeordnet, wenn jemand eine Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit oder der verminderten Schuldfähigkeit begangen hat und eine Gesamtwürdigung ergibt, dass von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Die Einholung eines Einverständnisses des Betroffenen zur Durchführung einer DNA-Analyse ist bei diesen Personen bereits deswegen problematisch, weil sie sich aufgrund ihrer Unterbringung in einer besonderen Zwangssituation befinden und von einer Einwilligung Vergünstigungen oder von deren Ablehnung Nachteile im Vollzug erwarten könnten. Die Unterbringung im Maßregelvollzug setzt aber zusätzlich eine Störung der geistigen Gesundheit voraus, aufgrund derer erhebliche Zweifel an der Fähigkeit der Untergebrachten zur Willensbildung sowie zur Abschätzung möglicher Folgen ihrer Entscheidung bestehen. Bei diesem Personenkreis komme eine Einverständniserklärung überhaupt nur dann als Grundlage intensiver Grundrechtseingriffe, wie der DNA-Analyse und Speicherung in Frage, wenn Zweifel an der Autonomie der Entscheidung definitiv ausgeschlossen sind.

Vor diesem Hintergrund habe ich die Durchführung der DNA-Analyse aufgrund Einwilligung der Betroffenen im Maßregelvollzug bei einer Polizeidirektion überprüft. Hierbei habe ich in mehreren Fällen festgestellt, dass selbst bei aus dem Kriminalakt ersichtlichen Umständen, die Anlass für Zweifel an der Entscheidungs- und Steuerungsfähigkeit geben mussten, eine weitere Aufklärung unterblieb und dennoch eine Einwilligung des Betroffenen eingeholt wurde, aufgrund derer dann die DNA-Analyse durchgeführt wurde. Am offenkundigsten war dies bei einem Betroffenen der Fall, den der polizeiliche Sachbearbeiter im Ermittlungsverfahren als geistig weit zurückgeblieben eingeschätzt hatte und über den im Kriminalakt vermerkt war, dass er unter anderem wegen seiner Intelligenzminderung als zu 80 % schwerbehindert gilt. Obwohl zudem seine Vernehmung im Ermittlungsverfahren nur mit Dolmetscher durchgeführt werden konnte, wurde (ohne Dolmetscher) eine Einverständniserklärung von ihm erholt und diese zur Grundlage für eine DNA-Analyse gemacht. In ihrer Stellungnahme zu diesem und weiteren von mir aufgezeigten Fällen führte die Polizei hierzu aus, dass sich für die jeweiligen Sachbearbeiter zum Zeitpunkt ihrer Maßnahme keine Zweifel an der Einwilligungsfähigkeit ergeben hätten. In einem Fall wurde das sogar damit begründet, dass sich weitere Unterlagen, wie ein psychiatrisches Gutachten oder eine Urteilsbegründung nicht im Kriminalakt befunden hätten.

Bei Eingriffen einer Behörde in die Grundrechte eines Bürgers trifft aber diese die Pflicht, das Vorliegen einer hierzu erforderlichen Ermächtigungsgrundlage, in diesem Fall einer wirksamen Einwilligung, zu prüfen und, gegebenenfalls durch Einholung weiterer Informationen, zu belegen. Bei im Maßregelvollzug untergebrachten Personen ergeben sich bereits aus ihrer Unterbringung, die eine Störung der geistigen Gesundheit voraussetzt, Zweifel an deren Einsichts- und Steuerungsfähigkeit. Gerade bei pathologischen Störungen kann auch der unmittelbare Kontakt des polizeilichen Sachbearbeiters mit dem Betroffenen anlässlich der Einholung der Einverständniserklärung diesem als medizinischem Laien keine sicheren Erkenntnisse über die Fähigkeit des Betroffenen zur verantwortlichen Entscheidungsfindung vermitteln. Ausschlaggebend für die Frage, ob eine Einwilligung wirksam ist und somit Grundlage für einen Grundrechtseingriff sein kann, ist daher nicht die persönliche Einschätzung des jeweiligen Sachbearbeiters sondern die objektive Lage. Fortbestehende Zweifel müssen aber letztlich immer zur Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung führen. Ich habe mich daher an das Staatsministerium des Innern gewandt und gefordert, bei im Maßregelvollzug untergebrachten Personen DNA-Analysen zu Strafverfolgungszwecken nur noch aufgrund richterlicher Anordnung durchzuführen, andernfalls habe ich eine Beanstandung angedroht.


Das Innenministerium hat daraufhin angeordnet, dass in diesen Fällen regelmäßig eine richterliche Anordnung einzuholen sei, soweit Zweifel an der Einsichtsfähigkeit bestünden. Eine DNA-Maßnahme bei im Maßregelvollzug untergebrachten Personen auf freiwilliger Basis sei nur denkbar, wenn "eine einwilligungsbezogene ausreichende ärztliche Begutachtung" vorausginge und diese entsprechend dokumentiert werde. Diese Anordnung stellt zwar eine nicht unwesentliche Verbesserung dar, der sauberste Weg wäre für mich gleichwohl, im Maßregelvollzug immer eine richterliche Entscheidung einzuholen. In den von mir festgestellten Fällen, in denen Anhaltspunkte für eine ausgeschlossene oder verminderte Einsichtsfähigkeit vorliegen, wird eine richterliche Anordnung nachgeholt oder die Speicherung in der DNA-Analysedatei des Bundeskriminalamtes gelöscht werden müssen. Andernfalls werde ich, wie angekündigt, eine Beanstandung prüfen.

6.12.4. Einwilligungserklärung bei vorläufig Festgenommenen

Ein weiteres problematisches Vorgehen bei der Einholung von Einwilligungen für die DNA-Analyse musste ich anlässlich der Prüfung einer Polizeidienststelle feststellen. Nach meinen Feststellungen wird bei Beschuldigten, die sich nach ihrer Ergreifung im polizeilichen Gewahrsam befinden, die Entnahme der Speichelprobe zum Zwecke der DNA-Analyse und präventiven Speicherung im Rahmen der erkennungsdienstlichen Behandlung und die Belehrung sowie die Abnahme der vorherigen Einwilligungsklärung im Rahmen seiner Vernehmung durchgeführt. Ein solcher Betroffener steht durch seine Festnahme im Zusammenhang mit einer Straftat sowie durch die Vernehmungssituation unter einer großen psychischen Belastung. In einer derartigen Lage kann in der Regel von einer wirksamen Einwilligung mit der Durchführung einer DNA-Analyse zur zukünftigen Strafverfolgung nicht ausgegangen werden. Ich habe die betreffende Polizeidienststelle deshalb aufgefordert, diese Praxis zu beenden. Die Dienststelle hat eine Änderung ihrer bisherigen Vorgehensweise jedoch abgelehnt, da ein späteres Aufsuchen des Betroffenen in der Untersuchungshaft zu aufwändig sei bzw. sich der Betroffene bei Entlassung aus dem polizeilichen Gewahrsam der Maßnahme entziehen könnte.

In einem erneuten Schreiben an die Polizei habe ich darauf hingewiesen, dass die Analyse und Speicherung eines DNA-Musters einen erheblichen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen darstellt, zu dessen Schutz die Maßnahme unter den Vorbehalt einer richterlichen Entscheidung gestellt wurde. Eine Einwilligung des Betroffenen, die die richterliche Entscheidung ersetzen soll, kann, ungeachtet meiner generellen Einwände hiergegen, nur dann eine ausreichende Rechtsgrundlage für den Eingriff darstellen, wenn sie freiwillig und informiert erfolgt. Die besondere Situation aufgrund von Festnahme, Beschuldigtenvernehmung und weiteren repressiven Maßnahmen wird für eine klare, unbeeinflusste Entscheidung in vielen Fällen keinen Raum lassen. Eine solche Einwilligung, noch dazu wenn sie unter Zeitdruck abgegeben wird, halte ich regelmäßig für unwirksam. Ich habe daher die Polizeidienststelle nochmals aufgefordert, ihr bisher praktiziertes Verfahren nicht weiter fortzusetzen. Andernfalls werde ich - wie angekündigt - eine Beanstandung prüfen.

6.13. Videoüberwachung öffentlicher Straßen und Plätze

In meinem letzten Tätigkeitsbericht (Nr. 5.6.4) hatte ich darauf hingewiesen, dass ich die Schaffung einer gesetzlichen Regelung der Voraussetzungen einer Videoüberwachung öffentlicher Straßen und Plätze für dringend notwendig erachte. Zwischenzeitlich wurde das Polizeiaufgabengesetz um eine ausdrückliche Regelung zur polizeilichen Videoüberwachung ergänzt.

Nach Art. 32 Abs. 2 PAG neue Fassung kann die Polizei zur Abwehr einer im Einzelfall bestehenden Gefahr an öffentlich zugänglichen sog. verrufenen Orten sowie an öffentlich zugänglichen Orten, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass dort Ordnungswidrigkeiten von erheblicher Bedeutung begangen werden, offen Bild- und Tonaufnahmen oder -aufzeichnungen von Personen anfertigen.

Ich hatte stets betont, dass ich eine flächendeckende Beobachtung aus verfassungsrechtlichen Gründen für unzulässig halte, weil der davon ausgehende ständige Anpassungsdruck die freie Entfaltungsmöglichkeit des Menschen beeinträchtigt. Bezugnehmend auf von mir geäußerte Befürchtungen im Hinblick auf den im Zusammenhang mit den Vollzugshinweisen insoweit nicht eindeutigen Regelungsgehalt hat das Staatsministerium des Innern versichert, dass die gesetzliche Regelung nur kriminalitätsbelastete Orte (so genannte Kriminalitätsschwerpunkte) erfasse.

Zwischenzeitlich wurden auf der Grundlage dieser neuen Vorschrift in zwei Städten Kameras neu aufgebracht. So hat die Polizei eine Videoüberwachung auf dem Münchner Oktoberfest durchgeführt. Dabei wurden neun Kameras über das Gelände verteilt, um bei evtl. Vorkommnissen schneller und gezielter reagieren zu können. In der Videozentrale der Wiesn-Wache verfolgten ständig zwei Polizeibeamte auf den Bildschirmen das Geschehen, so dass bei Bedarf sofort Einsatzkräfte an einen Krisenpunkt entsandt werden konnten. Zusätzlich wurde das gesamte Geschehen auf Videobändern aufgezeichnet, was bei evtl. Strafanzeigen zu einem späteren Zeitpunkt der Aufklärung von Straftaten dienen sollte.

Die Münchner Polizei hat mich frühzeitig über die geplante Videoüberwachung unterrichtet. Außerdem habe ich mich auch direkt vor Ort über die Kamerastandorte und das gesamte Verfahren der Videoüberwachung informiert. Bei meiner Prüfung bin ich zu dem Ergebnis gelangt, dass aus datenschutzrechtlicher Sicht grundsätzlich keine Bedenken gegen die Anfertigung von Bildaufzeichnungen auf der Wiesn bestehen. Nach Art. 32 Abs. 2 Nr. 2 Polizeiaufgabengesetz (PAG) kann die Polizei an öffentlich zugänglichen Orten, von denen auf Grund tatsächlicher Anhaltspunkte anzunehmen ist, dass dort Personen Straftaten verabreden, vorbereiten oder verüben, offen Bild- und Tonaufzeichnungen von Personen anfertigen. Aus den mir vorliegenden Kriminalitätszahlen für die Wiesn 2000 und 2001 sind jeweils Hunderte von Straftaten ersichtlich, so dass von einem solchen Ort im Sinne des Gesetzes ausgegangen werden kann.

Ich hatte die Polizei jedoch rechtzeitig darauf hingewiesen, dass nach Art. 32 Abs. 2 Satz 2 PAG in geeigneter Weise auf die Bildaufnahmen und -aufzeichnungen hingewiesen werden soll. Das Polizeipräsidium München vertrat in einem Schreiben kurz vor Beginn der Wiesn die Auffassung, der gesetzlichen Hinweispflicht sei durch offensive Öffentlichkeitsarbeit Genüge getan. Demgegenüber habe ich einzelne Berichte über die Videoüberwachung in den Medien nicht als ausreichende Hinweise angesehen. Zum einen kann schon nicht davon ausgegangen werden, dass die aus Deutschland kommenden Besucher der Wiesn in ihrer Gesamtheit die Gelegenheit hatten, diese Berichte zu lesen. Zum anderen handelt es sich bei der Wiesn um ein Volksfest, zu dem eine Vielzahl internationaler Besucher aus der ganzen Welt anreisen. Es muss daher angenommen werden, dass ein großer Teil dieser Wiesnbesucher aus örtlichen und sprachlichen Gründen überhaupt nicht in der Lage ist, die Zeitungsberichte zu lesen und sich auf diesem Wege über die Videoüberwachung zu informieren. Ich habe deshalb vorgeschlagen, Hinweisschilder an den Eingängen zur Wiesn und am U-Bahn-Aufgang anzubringen, die das Polizeipräsidium München als Veranlasser der Videoüberwachung erkennen lassen und die im Hinblick auf die internationalen Besucher der Wiesn auch in englicher Sprache abgefasst sowie mit der grafischen Darstellung einer Kamera versehen sind.

Dem ist das Polizeipräsidium München - wenn auch wegen des Zeitablaufs erst einige Trage nach Wiesenbeginn - nachgekommen.

Die Nürnberger Polizei führt in der Innenstadt eine Videoüberwachung durch. In einem vom Staatsministerium des Innern initiierten dreimonatigen Pilotversuch soll dabei erstmals eine neuartige, nicht leitungsgebundene Videoüberwachungsanlage erprobt werden. Hierfür wurden zwei Kameras installiert, die permanent aufzeichnen. Nach sieben Tagen werden die Aufzeichnungen automatisch überschrieben. In der Umgebung der Kameras wurden mehrere Schilder, die auf die Videoüberwachung hinweisen, angebracht.

Zur Auswahl der nunmehr überwachten Örtlichkeiten wurde mitgeteilt, eine über den Zeitraum von ca. 3 ½ Jahren vorgenommene Auswertung des Lagebilds habe im Vergleich zum übrigen Stadtgebiet eine erhöhte Belastung mit Straftaten, Ordnungswidrigkeiten und Sicherheitsstörungen ergeben. Zur Überprüfung der gesetzlichen Voraussetzungen für die Videoüberwachung
habe ich mir die Kriminalitätszahlen für die betreffenden Bereiche vorlegen lassen. Während sich aus den genannten Sicherheitsstörungen und den pauschal aufgeführten Ordnungswidrigkeiten keine eindeutigen Schlüsse ziehen lassen, sprechen die zahlreichen registrierten Straftaten dafür, dass es sich um besonders kriminalitätsbelastete Orte handelt, an denen nach Art. 32 Abs. 2 Nr. 2 PAG eine Videoüberwachung statthaft ist.

Die Besonderheit des Pilotversuchs liegt darin, dass es sich erstmals um nicht kabelgebundene Kameras handelt, die nach Angaben des Innenministeriums in kürzester Zeit auf- und abgebaut und damit an die jeweiligen polizeilichen Brennpunkte versetzt werden können. Ich hatte daher die Gefahr gesehen, diese Mobilität könne dazu verführen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für den Einsatz der Kameras am jeweiligen Ort nicht genau genug geprüft werden. Daher habe ich mich bei einem Informationsgespräch in Nürnberg über die weiteren Planungen erkundigt und die Kameras vor Ort besichtigt. Dabei wurde mir zugesichert, dass die gesetzlichen Voraussetzungen vor einem Wechsel des Kamerastandorts gewissenhaft geprüft werden und ich über jeden Standortwechsel der Videokameras unverzüglich in Kenntnis gesetzt werde. Außerdem sei ein kurzfristiger und ständig wechselnder Einsatz der Kameras derzeit nicht geplant.

Auch das Polizeipräsidium Regensburg führte ein Pilotprojekt zur polizeilichen Videoüberwachung durch, das bereits abgeschlossen ist. Ich habe das Polizeipräsidium Regensburg nunmehr aufgefordert, mir die Erkenntnisse über die Auswirkungen der Videoüberwachung mitzuteilen. Eine solche Evaluierung der Maßnahme durch Auswertung der Kriminalitätszahlen für die Überwachungsgebiete sowie evtl. sonstiger Erkenntnisse (z.B. zur Kriminalitätsverlagerung) halte ich für die datenschutzrechtliche Beurteilung der Fortdauer der Videoüberwachung für erforderlich.

6.14. Bild- und Tonaufnahmen von Versammlungsteilnehmern

In meinem letzten Tätigkeitsbericht (Nr. 5.6.3) hatte ich die Voraussetzungen polizeilicher Bild- und Tonaufnahmen bei Versammlungen dargestellt und berichtet, dass ich die Polizei ausführlich auf diese Rechtslage hingewiesen und um künftige Beachtung gebeten hatte. Zum besseren Verständnis möchte ich nochmals auf die grundlegenden Prinzipien hinweisen:

Die Polizei kann Bild- und Tonaufnahmen zur Strafverfolgung oder zur Gefahrenabwehr anfertigen. Im erstgenannten Fall muss nach der Strafprozessordnung der Anfangsverdacht einer Straftat hinsichtlich der jeweiligen betroffenen Person vorliegen. In letzterem Fall erlaubt §§ 12a, 19a Versammlungsgesetz (VersammlG) die Anfertigung solcher Aufnahmen nur von solchen Versammlungsteilnehmern, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass von ihnen erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgehen. Nicht zulässig ist danach also insbesondere die vorsorgliche Anfertigung von Bildaufnahmen einer Vielzahl von Personen wegen zu erwartender Straftaten oder Gefahrenlagen.

Ich habe gehofft, dass sich die Polizei zukünftig an die gesetzlichen Vorgaben halten werde. Diese Hoffnung wurde aber leider enttäuscht.

Ein Landtagsabgeordneter hat mich über Beschwerden von Bürgern wegen intensiver Videoaufnahmen durch die Polizei anlässlich zweier Versammlungen gegen NPD-Auftritte in München informiert. Diese Information habe ich zum Anlass genommen, eine datenschutzrechtliche Überprüfung der Videografie vorzunehmen.

Bereits bei der Anforderung der Videobänder zur Einsichtnahme bin ich jedoch auf Schwierigkeiten gestoßen. Obwohl die Polizei mir mitgeteilt hatte, die Aufnahmen seien sowohl zur Strafverfolgung als auch zur Gefahrenabwehr angefertigt worden, verweigerte mir die Staatsanwaltschaft die Einsichtnahme in die Videobänder mit der Begründung, diese seien zum Zwecke der Strafverfolgung angefertigt worden. Meine Kontrollkompetenz ruhe daher nach Art. 30 Abs. 4 Satz 1 Bayerisches Datenschutzgesetz (BayDSG) bis zum Abschluss der Strafverfahren. Diese Verweigerung der Unterstützung durch die Staatsanwaltschaft halte ich für rechtswidrig, da die zitierte Rechtsvorschrift meine Kontrolle lediglich bezüglich der Erhebung personenbezogener Daten durch Strafverfolgungsbehörden bei der Verfolgung von Straftaten beschränkt. Soweit Bildaufnahmen aber - wie hier - ursprünglich nicht zu Zwecken der Strafverfolgung angefertigt wurden, unterliegen sie meiner uneingeschränkten datenschutzrechtlichen Kontrollzuständigkeit. Die Beurteilung der Frage, ob eine repressive oder präventive Datenerhebung vorliegt, und meine Kontrollkompetenz bereits vor Abschluss des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegeben ist, ist von mir in eigener Verantwortung zu prüfen.

Ich habe mich deshalb an das Staatsministerium der Justiz gewandt und darum gebeten, die Staatsanwaltschaft zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Unterstützungspflicht nach Art. 32 BayDSG anzuhalten. Daraufhin wurden mir schließlich nach Einbeziehung des Innenministeriums die Videobänder ausgehändigt.

Bei meiner anschließenden Prüfung habe ich festgestellt, dass die personenbezogenen Videoaufnahmen bei einer der beiden Versammlungen teilweise, bei der anderen überwiegend unzulässig waren. So wurden bei einer Großdemonstration u.a. einzelne friedliche Versammlungsteilnehmer oder bloße Zuschauer mittels Zoom nahe herangeholt und gefilmt, obwohl weder ein Anfangsverdacht einer Straftat nach § 152 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) noch Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass von ihnen erhebliche Gefahren ausgingen.

Wesentlich schwer wiegender stellte sich jedoch der Eingriff in die unbeeinträchtigte Wahrnehmung des Grundrechts auf Demonstrationsfreiheit bei der zweiten Versammlung dar. Dabei handelte es sich um eine relativ geringe Anzahl von Personen, die aufgelockert zusammenstanden und in ruhiger und absolut friedlicher Weise ihre Meinung z.B. durch Beisichführen einer roten Karte oder durch Diskussionen kundgaben. Die dabei angefertigten Videoaufzeichnungen, auf denen eine Reihe von Versammlungsteilnehmern einzeln, von Nahem und lange andauernd gefilmt wurden, konnten weder auf präventive noch auf repressive Befugnisnormen gestützt werden.

Die Anfertigung von Bild- und Tonaufnahmen zur Gefahrenabwehr ist nur bei einer gesicherten Gefahrenprognose bezüglich der gefilmten Personen zulässig. Die Argumentation der Polizei, man habe befürchtet, dass Personen, die im Vorfeld der Versammlung des Platzes verwiesen worden seien, zurückkehren könnten, greift daher nicht. Die bloße abstrakte Möglichkeit, dass des Platzes verwiesene Personen zurückkehren könnten, reicht für die nach dem Versammlungsgesetz erforderliche Gefahrenprognose bezüglich der von den Videoaufnahmen betroffenen friedlichen Versammlungsteilnehmern nicht aus. Ggf. hätten im Falle der Rückkehr der von der Verweisung betroffenen Personen diese gefilmt werden dürfen, keinesfalls jedoch die übrigen Versammlungsteilnehmer. Zu keinem Zeitpunkt waren Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass gerade von den aufgezeichneten Personen Gefahren ausgehen könnten. Die Situation war aufgrund der geringen Teilnehmerzahl auch überschaubar, die Möglichkeit einer Eskalation war nicht erkennbar.

Die Videoaufzeichnungen können entgegen der Auffassung der Polizei auch nicht auf die repressive Vorschrift des § 100 c Abs. 1 Nr. 1 a StPO gestützt werden, da zum Anordnungszeitpunkt kein Anfangsverdacht einer Straftat vorlag. Die Polizei führte hierzu u.a. aus, man habe die Situation zur Beweissicherung festhalten wollen, um damit das vom Leiter oder Veranstalter der nicht angemeldeten Versammlung begangene Vergehen nach § 26 VersammlG beweissicher verfolgen zu können. Diese Intension rechtfertigt aber die vorgenommene Aufzeichnung nicht. Zur Dokumentation, dass es sich um eine Versammlung handelte, hätte es genügt, für eine begrenzte Zeit Übersichtsaufnahmen des Gesamtgeschehens anzufertigen. Nicht erforderlich war es dafür jedoch, über längere Zeit hinweg einzelne, völlig unauffällige Personen heranzuzoomen und personenbezogen zu filmen.

Angesichts des schwer wiegenden Eingriffs in das Grundrecht der Versammlungsfreiheit und des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung habe ich diesen Rechtsverstoß förmlich beanstandet.

Auch in einem weiteren Fall habe ich festgestellt, dass eine polizeiliche Videoaufzeichnung bei einer Versammlung einer Rechtsgrundlage entbehrte. Dabei wurden drei Personen gefilmt, die in satirisch anmutender, bundeswehrähnlicher Kleidung ein Plakat bei sich führten. Auf meine Nachfrage, aus welchem Grund die Videoaufnahmen angefertigt wurden, teilte mir die Polizei zunächst mit, es habe der Verdacht eines Auflagenverstoßes bestanden. Nach Überprüfung des Auflagenbescheids habe ich die Polizei darauf hingewiesen, dass diesem keine Auflage zu entnehmen ist, gegen die die gefilmten Personen verstoßen haben könnten. Daraufhin hat die Polizei die Aufzeichnung damit begründet, es habe aufgrund der Verwendung von Uniformen der Verdacht bestanden, dass der Versammlungsleiter die Versammlung wesentlich anders durchführt, als es in der Anmeldung durch den Veranstalter angegeben war (§ 25 Nr. 1 VersammlG). Im Hinblick darauf, dass in der entsprechenden Anmeldung als Kundgebungsmittel sowohl Satire als auch szenische Darstellungen genannt wurden, habe ich die Polizei darauf hingewiesen, dass alleine aus dem Umstand, dass drei Personen als zusätzliches Mittel in uniformähnlicher Kleidung erschienen sind, kein Anfangsverdacht für eine Straftat nach § 25 Nr. 1 VersammlG angenommen werden kann. Für eine derartige Annahme müsste die Versammlung oder der Aufzug vielmehr wesentlich anders durchgeführt werden, als die Veranstalter bei der Anmeldung angegeben haben. Dies ist jedoch nur dann der Fall, wenn aufgrund der Abweichung eine Lage geschaffen wird, die es nicht mehr ermöglicht, die Veranstaltung hinreichend zu schützen oder wenn die Veranstaltung infolge der abweichenden Durchführung Interessen anderer oder Gemeinschaftsinteressen in unerträglichem Maße beeinträchtigen würde.

Ich habe die Polizei darum gebeten sicherzustellen, dass diese Rechtsauffassung künftig Beachtung findet.

Zusammenfassend habe ich aufgrund meiner Prüfungen den Eindruck gewonnen, dass die Polizei bei Versammlungen auch vorsorglich Videoaufzeichnungen für den Fall anfertigt, dass sich zu einem späteren Zeitpunkt Straftaten ergeben sollten. Einem solchen Vorgehen, das nicht den gesetzlichen Vorgaben entspricht, trete ich jedoch entschieden entgegen. Ich werde daher auch weiterhin durch Kontrollen darauf hinwirken, dass die Polizei die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anfertigung von Videoaufnahmen bei Versammlungen beachtet.

6.15. Automatische Gesichtsfeld- und Kennzeichenerkennung

Das Staatsministerium des Innern hatte mich davon in Kenntnis gesetzt, dass die bayerische Polizei Systeme zur automatischen Gesichtsfeld- und Kennzeichenerkennung in Probeversuchen testen wolle. Hierzu wurde ich um Stellungnahme aus datenschutzrechtlicher Sicht gebeten.

Nachdem meine Prüfung keine Bedenken gegen die Gesichtsfelderkennung ergeben hatte, wird sie nunmehr in der polizeilichen Praxis getestet. Dazu wird im Bereich von Grenzkontrollen bei Identitätszweifeln durch Einlesen der Fotos auf dem Ausweis und Ablichtung des Ausweisinhabers überprüft, ob dieser mit der auf dem Ausweis abgebildeten Person identisch ist. Der kontrollierende Beamte erhält als Ergebnis eine computerunterstützte Aussage, mit welcher Wahrscheinlichkeit das Passfoto mit der vorgezeigten Person übereinstimmt und kann dementsprechend über weitere polizeiliche Maßnahmen entscheiden. Es handelt sich damit um eine reine Personenverifikation, bei der das eingelesene Foto nicht mit einer Zentraldatei oder einer sonstigen Datei verglichen wird. Es wird auch weder eine Zentraldatei eingerichtet noch werden die erhobenen Daten über den Abgleichvorgang hinaus gespeichert.

Die automatische Kennzeichenerkennung soll in verschiedenen Bereichen getestet werden. So sollen im Rahmen von Geschwindigkeitsüberwachungen, bei Vorkontrollen zu bestimmten Veranstaltungen, an Grenzübergängen, im Rahmen des Objektschutzes sowie im Rahmen von Fahndungsmaßnahmen die Kennzeichen vorbeifahrender Kraftfahrzeuge eingelesen und automatisch mit dem Fahndungsbestand abgeglichen werden.

Nach Art. 43 Abs. 1 Satz 3 Polizeiaufgabengesetz (PAG) kann die Polizei im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung erlangte personenbezogene Daten mit dem Fahndungsbestand abgleichen. Voraussetzung für einen Abgleich ist demnach, dass die Kraftfahrzeugkennzeichen zunächst zur Erfüllung einer anderen polizeilichen Aufgabe und nicht lediglich zum Zwecke des Abgleichs erlangt worden sind.

Ausgehend davon halte ich aus datenschutzrechtlicher Sicht den geplanten Abgleich im Rahmen der Verkehrsüberwachung für zulässig. Dabei sollen nämlich nicht alle vorbeifahrenden Kraftfahrzeuge mit dem Fahndungsbestand abgeglichen werden, sondern nur diejenigen, die auf Grund einer Geschwindigkeitsüberschreitung ohnehin erfasst werden. Die Kennzeichen dieser Kraftfahrzeuge, die wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung "geblitzt" werden, sind im Rahmen einer anderweitigen Aufgabenerfüllung der Polizei erlangt und können daher mit dem Fahndungsbestand abgeglichen werden.

Auch soweit die automatische Kennzeichenerkennung an einer Kontrollstelle im Rahmen einer Ringalarmfahndung nach § 111 Strafprozessordnung durchgeführt werden soll, habe ich keine grundsätzlichen Bedenken geäußert. Eine solche Kontrollstelle dient nicht nur der Identitätsfeststellung, sondern auch der Ergreifung des Täters und der Sicherstellung von Beweismitteln und ist daher weiter als Art. 13 PAG. In den Fällen, in denen ein bestimmtes Kraftfahrzeugkennzeichen des flüchtigen Täters bekannt und ausgeschrieben ist, müssen ohnehin alle Kraftfahrzeugkennzeichen zum Zwecke des Abgleichs mit diesem Kennzeichen erhoben werden. Diese im Rahmen der strafverfolgenden Aufgabe der Polizei erhobenen Daten dürfen sodann auch mit dem Fahndungsbestand nach Art. 43 Abs.1 Satz 3 PAG abgeglichen werden. Gleiches gilt für den Fall, dass sich der Straftäter möglicherweise mit einem gestohlenen Kraftfahrzeug auf der Flucht befindet, da dann ebenfalls alle passierenden Kraftfahrzeugkennzeichen erhoben und mit dem gesamten Fahndungsbestand abgeglichen werden. Im Rahmen einer Ringalarmfahndung hielte ich die automatische Kennzeichenerkennung an Kontrollstellen daher nur dann für unzulässig, wenn feststeht, dass der Straftäter nicht mit einem Kraftfahrzeug auf der Flucht ist. Dann wären die Daten nicht im Rahmen einer anderweitigen Aufgabenerfüllung der Polizei erhoben, sondern ausschließlich zum Zwecke des Abgleichs mit dem Sachfahndungsbestand. Dies wäre nach Art. 43 Abs. 1 Satz 3 PAG aber unzulässig.

Für unzulässig halte ich die Fälle der Kennzeichenerkennung, bei denen die Polizei aus präventivpolizeilichen Gründen die Kennzeichen der passierenden Kraftfahrzeuge gerade zum Zwecke des Abgleichs mit dem Fahndungsbestand erheben will. So wird an zwei Grenzübergängen ab 01.10.2002 eine stationäre Kennzeichenerkennung durchgeführt, bei der jedes vorbeifahrende Kraftfahrzeugkennzeichen erfasst und mit dem Fahndungsbestand abgeglichen wird. Außerdem sollen im Rahmen von Vorkontrollen bei Veranstaltungen für einen bestimmten Zeitraum alle vorbeifahrenden Kraftfahrzeuge abgeglichen werden. Schließlich ist der mobile Einsatz eines Kennzeichenerkennungssystems auch für den Raum bzw. Objektschutz, z. B. vor Wohnblocks von US-Streitkräften, vorgesehen.

Das Innenministerium vertritt hierzu die Auffassung, diese Maßnahmen seien von der Vorschrift des Art. 13 PAG gedeckt, wonach die Polizei die Identität einer Person an den genannten Bereichen feststellen und die Aushändigung eines mitzuführenden Berechtigungsscheins (z. B. Fahrzeugschein) verlangen darf.

Demgegenüber bin ich der Ansicht, dass für diese Fälle derzeit eine gesetzliche Befugnis fehlt. Die mit dem Pilotversuch beabsichtigten Datenerhebungen und Abgleiche haben eine primäre andere Zielrichtung als die vom Innenministerium angeführte Identitätsfeststellung und gegenüber der gesetzlich geregelten Verfahrensweise eine neue Qualität. An Stelle der Durchführung der in Art. 13 PAG vorgesehenen individuellen Personenkontrollen mit evtl. Überprüfung von Berechtigungsscheinen sollen mittels automatisierter Kennzeichenerkennung nur Autokennzeichen erhoben und abgeglichen werden. Darüber hinaus wird durch den automatisierten Kennzeichenabgleich eine lückenlose Überprüfung aller passierenden Kraftfahrzeugekennzeichen ermöglicht, während bei der gesetzlich vorgesehenen Verfahrensweise regelmäßig nur eine stichprobenartige Kontrolle möglich ist.

Hinsichtlich Kontrollmaßnahmen, die auf das Erkennen von Störern abzielen - z.B. die genannten Kontrollmaßnahmen vor speziell gefährdeten Gebäuden oder Einrichtungen durch Abgleich mit "Gefährderlisten" -, könnte man als Erhebungs- und Abgleichsbefugnis an Art. 31 i.V.m. Art. 43 PAG denken, wonach zur Gefahrenabwehr Datenerhebungen zulässig sind und diese Daten dann mit anderen Datenbeständen abgeglichen werden können. Art. 31 ist aber derart allgemein gefasst, dass er nach meiner Auffassung eine solche neue und umfassende Datenerhebungsmaßnahme nicht abdecken würde. Auch diese Frage könnte mit der von mir für erforderlich gehaltenen Änderung des PAG geregelt werden.

Ich habe das Innenministerium deshalb auf die Unzulässigkeit der Maßnahme und die Notwendigkeit einer polizeigesetzlichen Regelung hingewiesen. Von einer Beanstandung der bereits praktizierten Kennzeichenerkennung an einer bayerischen Grenze habe ich im Hinblick auf die geringe Eingriffstiefe sowie die befristete Dauer von drei Monaten und ihres Charakters als Pilotversuch abgesehen.

6.16. Präventive Identitätsfeststellung und erkennungsdienstliche Behandlung

Ein Bürger hat sich an mich gewandt, weil er einer polizeilichen Personen- und Fahrzeugkontrolle unterzogen und in diesem Zusammenhang - zum Zwecke der späteren Identifizierbarkeit - mit einer Nummer vor seinem Körper fotografiert worden sei.

Im Rahmen meiner datenschutzrechtlicher Überprüfung hat mir die zuständige Polizeidirektion mitgeteilt, dass es in der Vergangenheit an einer bestimmten Örtlichkeit zu einer größeren Schlägerei zwischen zwei gegnerischen Gruppierungen gekommen sei, bei der einige Personen zum Teil schwer wiegende Verletzungen erlitten hätten. Aufgrund einer Warnung vor Racheakten habe die Polizei intensive Kontrollen durchgeführt. So seien u.a. im Rahmen einer Zufahrtskontrolle im Bereich der besagten Örtlichkeit die Personalien von Personen, die aufgrund der Gesamtumstände möglicherweise als Störer zu dem geplanten Treffen unterwegs gewesen seien, festgestellt und ein Lichtbild angefertigt worden. Die Maßnahmen hätten dazu gedient, die Betroffenen aus der Anonymität herauszureißen und spätere Straftäter nachträglich identifizieren zu können.

Die berichtete Vorgehensweise der Polizei entbehrt einer gesetzlichen Grundlage. Entgegen der Auffassung der Polizeidirektion kann die Anfertigung der Lichtbilder insbesondere nicht auf Art. 32 PAG gestützt werden. Zwar können nach Art. 32 PAG unter bestimmten Voraussetzungen Bildaufnahmen im Zusammenhang mit öffentlichen Veranstaltungen oder an bestimmten Orten angefertigt werden. Die Vorschrift ermächtigt die Polizei aber nur, unter den dort genannten Voraussetzungen einen Geschehensablauf auf Video aufzuzeichnen. Die Videoaufzeichnung dient dann z.B. im Fall des Art. 32 Abs. 1 PAG bei evtl. Ausschreitungen als Beweismaterial zur Dokumentation der Situation und ermöglicht der Polizei, anhand der Aufnahmen Störer ausfindig zu machen. Erst danach wird deren Identität ermittelt. Wird jedoch eine Person einzeln - noch dazu unter Vorhaltung einer Nummer - fotografiert und gleichzeitig deren Personalien festgehalten, liegt eine erkennungsdienstliche Maßnahme vor, deren Zulässigkeit sich ausschließlich nach § 81 b StPO und Art. 14 PAG richtet. Sofern die dort genannten Voraussetzungen nicht vorliegen, stellt sich die Maßnahme als unzulässig dar, ein hilfsweiser Rückgriff auf Art. 32 PAG ist ausgeschlossen.

Gegen den Petenten lagen keinerlei Anhaltspunkte hinsichtlich möglicher früherer Straftaten vor. Die Polizei befürchtete lediglich, er könne zu einem späteren Zeitpunkt in Straftaten verwickelt werden. Damit scheidet sowohl § 81 b StPO als auch die ohnehin subsidäre Landesvorschrift des Art. 14 PAG als Rechtsgrundlage für die erkennungsdienstliche Behandlung aus. § 81 b StPO erlaubt die erkennungsdienstliche Behandlung nur bei Beschuldigten, während Art. 14 PAG verlangt, dass der Betroffene verdächtig ist, eine Straftat begangen zu haben.

Ich habe die zuständige Polizeidirektion auf die Rechtslage hingewiesen und darauf aufmerksam gemacht, dass ich eine Beanstandung der Vorgehensweise prüfe. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Fragestellung hat diese den Vorgang dem Staatsministerium des Innern vorgelegt. Das Innenministerium vertritt die Auffassung, eine Bildaufnahme nach Art. 32 PAG könne gleichzeitig mit einer Identitätsfeststellung nach Art. 13 PAG vorgenommen werden. Der Unterschied zur Anfertigung von Lichtbildern im Rahmen einer erkennungsdienstlichen Maßnahme bestehe darin, dass der Betroffene für diese Maßnahme an- und festgehalten und zur Polizeidienststelle gebracht werden dürfe, dass er an der Durchführung der Maßnahme mitwirken müsse und diese ggf. auch mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden könne. Dagegen ermächtige Art. 32 PAG nur zur Anfertigung von Lichtbildern, ohne dass vom Betroffenen eine aktive Mithilfe verlangt werden könne. Als problematisch stelle sich die Vorgehensweise daher nur dann dar, wenn vom Betroffenen verlangt worden sei, sich die Nummer vor den Körper zu halten.

Der Auffassung des Innenministeriums kann ich nicht zustimmen. Die rechtliche Grundlage für die Maßnahme der Polizei kann nicht davon abhängen, ob die Polizei vom Petenten verlangt hat, sich die Nummer vor den Körper zu halten, ob der Petent dies freiwillig getan hat oder ob die Polizei sie ihm vor den Körper gehalten hat. Zwar ist es zutreffend, dass eine Identitätsfeststellung nach Art. 13 PAG neben oder während einer Bildaufnahme nach Art. 32 PAG durchgeführt werden darf. Wenn die Bildaufnahme und die Identitätsfeststellung aber - wie hier - dergestalt miteinander verknüpft werden, dass sie im Ergebnis einer erkennungsdienstlichen Behandlung gleichkommen, so müssen auch deren besondere gesetzliche Voraussetzungen erfüllt sein.

Unter Darlegung meiner Rechtsauffassung habe ich das Innenministerium erneut um Stellungnahme gebeten.

6.17. Einsatz besonderer Mittel der Datenerhebung

Bei einer Polizeidienststelle habe ich die Vornahme von verdeckten Datenerhebungsmaßnahmen nach Art. 33 Polizeiaufgabengesetz geprüft. Dabei handelt es sich um die längerfristige Observation, den verdeckten Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Bildaufnahmen oder -aufzeichnungen sowie zum Abhören oder zur Aufzeichnung des nicht-öffentlich gesprochenen Wortes und den Einsatz von verdeckten Ermittlern.

Diese Maßnahmen sind aufgrund ihres verdeckten Charakters und ihrer Eingriffsintensität in das informationelle Selbstbestimmungsrecht nur unter besonderen gesetzlichen Voraussetzungen zulässig. Bei den von mir geprüften Maßnahmen im Bereich der organisierten Kriminalität lagen diese Voraussetzungen zwar vor, die erforderlichen Anordnungen waren aber nicht in jedem Fall ausreichend präzisiert. So blieb es bei einer Anordnung offen, wer, wie und in welchem Umfang verdeckt videografiert werden sollte. Dies ist aber notwendig, um den konkreten Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung festzulegen und zu dokumentieren.

Des Weiteren waren die Maßnahmen zwar - wie gesetzlich vorgeschrieben - befristet. Sie waren aber zum Teil für einen sehr langen Zeitraum angeordnet worden. Eine schriftliche Regelung der Befristung des Einsatzes verdeckter Datenerhebungsmaßnahmen ist bei den Polizeidienststellen nicht vorhanden.

Ich bin der Auffassung, dass eine solche Maßnahme grundsätzlich höchstens für die Dauer von drei Monaten angeordnet werden sollte. In begründeten Einzelfällen könnte die Maßnahme nach erneuter Prüfung und Begründung befristet verlängert werden. Eine solche Befristung der Einzelanordnung auf höchstens drei Monate dient auch der Eigenkontrolle der Polizei. Ich habe deshalb gegenüber der Polizei angeregt, die Anordnungen künftig zu präzisieren, die regelmäßige Höchstdauer einer Anordnung (3 Monate) in einer Dienstanweisung festzulegen und die Überschreitung dieser Höchstdauer in besonderen Einzelfällen schriftlich zu begründen.

Die Polizeidienststelle hat mir ein geändertes Formblatt für die schriftlichen Anordnungen vorgelegt. Dieses enthält datenschutzrechtliche Verbesserungen. Insbesondere die darin vorgesehenen Angaben zu Art, Umfang und Dauer (Befristung) der Maßnahme, aber auch zu deren Anlass und Begründung kommen meiner Forderung nach Präzisierung, Nachvollziehbarkeit und Befristung entgegen. Leider ist die Polizei meiner Forderung nach einer regelmäßigen Anordnungshöchstdauer von drei Monaten nicht gefolgt.

6.18. Entbindung von der Schweigepflicht im Strafverfahren

Bei der Bayerischen Polizei findet seit Jahren das Formblatt "Einwilligung zur Weitergabe personenbezogener Daten" in einheitlicher Ausgestaltung Anwendung. Durch dessen Unterzeichnung ermächtigen Geschädigte und Zeugen, aber auch Beschuldigte die dort aufgeführten Behörden oder sonstigen Stellen (z. B. Krankenhaus, Arzt, Finanzamt, Geldinstitut), den Ermittlungsbehörden die zur Durchführung des Strafverfahrens erforderlichen Auskünfte über ihre personenbezogenen Daten zu geben sowie die notwendigen Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Ausgehend vom bisherigen Inhalt beabsichtigte die Polizei, ein insbesondere vom Layout her verbessertes Formblatt zu erstellen. Diese Gelegenheit habe ich genutzt, meine bereits im Jahre 1996 vorgetragenen, aber damals nicht berücksichtigten Bedenken erneut einzubringen und dadurch auch auf eine inhaltliche Verbesserung in datenschutzrechtlicher Sicht hinzuwirken.

Meine Kritik bezog sich - abgesehen von grundsätzlichen Vorbehalten gegen die Verwendung solcher Formblätter bei Beschuldigten in Strafverfahren - auf die datenschutzrechtlichen Hinweise auf dem Formblatt. Diese heben zwar hervor, dass die Einwilligung freiwillig ist. Nach Art. 15 Abs. 2 BayDSG ist der Betroffene jedoch unter Darlegung der Rechtsfolgen darauf hinzuweisen, dass er die Einwilligung verweigern kann. Die diesbezüglichen Ausführungen in den datenschutzrechtlichen Hinweisen des Formblatts in der derzeitigen Fassung entsprechen diesen Anforderungen nicht, da sie die darzulegenden Rechtsfolgen derart missverständlich darstellen, dass der Betroffene die Bedeutung und Tragweite seiner Einwilligung sowie die Folgen einer Verweigerung nicht beurteilen kann.

Bei dem gewählten Wortlaut wird für den Betroffenen nicht erkennbar, dass die Polizei in vielen Fällen ohne Zustimmung des Betroffenen keine Möglichkeit hat, die gewünschten Daten zu erhalten. So sind z. B. Geheimnisträger wie Ärzte nach § 203 StGB in der Regel daran gehindert, der Polizei Auskünfte über Patienten zu erteilen. Durch die Formulierung in den datenschutzrechtlichen Hinweisen des Formblatts wird jedoch der Eindruck erweckt, als könne die Polizei die benötigten Informationen von den genannten Stellen auch ohne Zustimmung des Betroffenen mittels richterlichen Anordnungen erhalten, so dass dessen Einwilligung die Einholung von Auskünften lediglich vereinfache und beschleunige.

Ich habe der mit der Erstellung des Formblatts betrauten Stelle daher einen Formulierungsvorschlag für die Fassung der datenschutzrechtlichen Hinweise unterbreitet, durch die derartige Missverständnisse ausgeräumt werden. Indem klar und verständlich darauf hingewiesen wird, dass ohne seine Einwilligung die genannten Behörden und Geheimnisträger nur bei Vorliegen der zum Teil strengen gesetzlichen Voraussetzungen zu Auskünften an die Ermittlungsbehörden berechtigt sind, wird dem Betroffenen seine Wahlmöglichkeit deutlich gemacht. Außerdem wird der Betroffene darauf hingewiesen, dass seine Einwilligung für die Zukunft widerruflich ist.

Die Polizei hatte mir mitgeteilt, das Formblatt sei entsprechend meiner Anregungen geändert worden.

Einige Zeit später hat mich jedoch das Staatsministerium des Innern, das das Formblatt zu genehmigen hatte, darüber informiert, dass es der von der Polizei auf meine Initiative hin vorgeschlagenen Neufassung nicht zugestimmt hat. Daher wurde das bisherige Formblatt inhaltlich vollständig beibehalten und ohne die datenschutzrechtlich notwendigen Änderungen nur vom Layout her verbessert.

Ich halte diese Hinweise für unbedingt erforderlich und werde deshalb eine Beanstandung prüfen.

6.19. Datenübermittlung an die Presse

Auch in diesem Berichtszeitraum habe ich wieder polizeiliche Übermittlungen personenbezogener Daten an die Presse sowohl aufgrund von Zeitungsberichten als auch aufgrund von Bürgereingaben geprüft. In diesem Zusammenhang bin ich erneut an das Innenministerium mit der Frage nach der konkreten Rechtsgrundlage für die allgemeine polizeiliche Pressearbeit herangetreten. Eine spezielle Regelung für diesen wichtigen und besonders sensiblen Bereich existiert nämlich im Polizeiaufgabengesetz nicht, so dass auf eine der allgemeinen Vorschriften zurückgegriffen werden muss. Das Innenministerium vertritt hierzu die Auffassung, es handle sich bei der allgemeinen Pressearbeit um eine polizeiliche Aufgabe, zu deren Erfüllung Art. 41 Abs. 1 Nr. 1 Polizeiaufgabengesetz die Datenübermittlung zulässt. Dem stimme ich zu.

Die allgemeine Öffentlichkeitsarbeit erwächst aus dem im Demokratieprinzip fußenden Prinzip der Transparenz und Publizität des staatlichen Handelns. Wie auch das Innenministerium ausführt, stärkt die allgemeine Pressearbeit das Vertrauen der Gesellschaft in Sicherheitsbehörden und lässt in gewissem Maße eine öffentliche Kontrolle zu. Daneben dient ein Bericht über bestimmte Fälle (z.B. über einen Trickbetrüger und seine Masche) auch zugleich der Warnung und Abschreckung der Öffentlichkeit und damit der Gefahrenabwehr.

Entscheidend für die Rechtsmäßigkeit der Datenübermittlung an die Presse ist aber stets, dass die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen ausreichend gewahrt werden. Hierfür bedarf es in jedem Einzelfall einer Abwägung zwischen dem aus Art. 5 Grundgesetz abgeleiteten öffentlichen Informationsinteresse und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen. Im Rahmen der konkreten Abwägung unter Einbeziehung des hohen Stellenwerts der Pressefreiheit ist daher u.a. zu berücksichtigen, ob eine Information zum Verständnis des Falles unbedingt notwendig ist, ob es sich um eine Information aus der engeren Privatsphäre oder um äußere Umstände handelt und ob die Information einen Täter oder ein Opfer betrifft. Der Betroffene ist dabei grundsätzlich nicht derart konkret oder durch Angaben zu bezeichnen, die einzeln oder in ihrer Gesamtheit zu seiner Identifizierung führen. So kann eine Person auch ohne Angabe des Vor- oder Nachnamens allein durch Angabe des Alters, des Berufs und des Wohnorts für sein soziales Umfeld eindeutig kenntlich gemacht werden. Dies hat die Polizei durch ihre Berichterstattung grundsätzlich zu vermeiden. Besondere Maßgaben gelten für relative oder absolute Personen der Zeitgeschichte.

6.20. Reality-TV

Insbesondere bei privaten Fernsehsendern werden Beiträge über die tägliche Arbeit der Polizei ausgestrahlt. Bei diesen sog. Reality-TV-Sendungen unterrichtet die Polizei, in Einzelfällen auch in Bayern, die Presse vorab über bevorstehende Einsätze und gestattet ihr die Teilnahme daran, sowie die Anfertigung von Bild- und Tonaufzeichnungen. Diese Form der Zusammenarbeit von Polizei und Presse bei der Produktion von Sendungen über polizeiliche Einsätze ist aus datenschutzrechtlicher Sicht problematisch, da die Polizei der Presse personenbezogene Aufnahmen ermöglicht. Solchermaßen aktives und zielgerichtetes Ermöglichen und Fördern von Bild- und Tonaufzeichnungen der Presse durch die Polizei kommt einer polizeilichen Datenübermittlung an Private gleich, die nur unter den jeweiligen gesetzlichen Voraussetzungen (Art. 41 Abs. 1 und Abs. 2 Polizeiaufgabengesetz) zulässig ist.

Bei der Frage, ob die Polizei das Fernsehen überhaupt über bevorstehende Einsätze informieren und daran teilnehmen lassen darf, muss eine Güterabwägung vorgenommen werden. Bei den widerstreitenden Interessen ist auf der einen Seite insbesondere die Art des Einsatzes und die daraus resultierende mögliche Intensität eines Eingriffs in den Persönlichkeitsbereich des Betroffenen zu berücksichtigen (z.B. Begleitung bei normalen Streifengängen oder bei einer Hausdurchsuchung). Auf der anderen Seite steht das legitime Interesse der Öffentlichkeit, das über bloße Neugierde und Sensationslust hinausgehen muss, sowie das Prinzip der Transparenz und Publizität des staatlichen Handelns.

Wenn diese Abwägung ergibt, dass die Beteiligung des Fernsehens grundsätzlich zulässig ist, sollten in jedem Einzelfall folgende Grundsätze beachtet werden:

  • Die vom Fernsehen angefertigten Aufnahmen sollten nur eine Übersicht des Vorgangs ermöglichen, ohne den Betroffenen individuell erkennen zu lassen.
  • Eine Person darf nur dann erkennbar gefilmt werden, wenn sie zuvor nach hinreichender Aufklärung über den Umfang, die Dauer und den Verwendungszweck der Aufnahmen ihre Einwilligung erklärt hat. Dabei sollte auf die Freiwilligkeit der Aufnahme hingewiesen werden.
  • Ist eine Person trotzdem ohne vorherige Einwilligung erkennbar gefilmt worden, so soll derartiges Filmmaterial unverzüglich vernichtet bzw. gelöscht werden, wenn der Betroffene die Einwilligung nachträglich verweigert.
  • Auf Grund der besonderen Situation bei der Einwilligung zur Filmaufnahme soll eine zusätzliche schriftliche Einwilligung vor Sendung personenbezogenen Filmmaterials vorgesehen werden.
  • Soll das Filmmaterial für einen anderen Beitrag verwendet werden, bedarf es einer erneuten schriftlichen Einwilligung des Betroffenen.
  • Die Polizei sollte generell eine Sichtung des fertigen Filmmaterials vornehmen, um bei einer Verletzung von Persönlichkeitsrechten der Betroffenen ggf. einer Veröffentlichung widersprechen zu können.

Um mich über die Handhabung zu informieren hatte ich mich beispielhaft an ein Polizeipräsidium gewandt und mir die dortige Vorgehensweise erläutern lassen. Dabei habe ich festgestellt, dass bei den in diesem Polizeipräsidium mit der Presse geschlossenen Vereinbarungen teilweise Personen erkennbar gefilmt werden konnten, bevor bzw. ohne dass diese in die Aufnahmen eingewilligt haben. Ich habe mich daher unter Darstellung der o.g. Grundsätze an das Innenministerium gewandt und darauf hingewiesen, dass personenbezogene, polizeilich ermöglichte Aufnahmen ohne vorherige Einwilligung des Betroffenen datenschutzrechtlich problematisch sind.

Das Innenministerium hat mir daraufhin mitgeteilt, die Problematik bedürfe einer eingehenden Bewertung unter den Gesichtspunkten der polizeilichen Öffentlichkeitsarbeit und des Datenschutzes. Zusätzlich zu einer eingehenden rechtlichen Prüfung der Erforderlichkeit einer Richtlinie werde sich daher eine Arbeitsgruppe mit der Thematik befassen, um eine einheitliche und praxisgerechte Handhabung bei der bayerischen Polizei zu gewährleisten.

Ich werde die Angelegenheit weiter verfolgen.

6.21. Datenübermittlung an Fahrerlaubnisbehörden

Nach § 2 Abs. 12 Straßenverkehrsgesetz (StVG) hat die Polizei Informationen über Tatsachen, die auf nicht nur vorübergehende Mängel hinsichtlich der Eignung oder auf Mängel hinsichtlich der Befähigung einer Person zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen lassen, den Fahrerlaubnisbehörden zu übermitteln, soweit dies für die Überprüfung der Eignung oder Befähigung aus der Sicht der übermittelnden Stelle erforderlich ist. Soweit die mitgeteilten Informationen für die Beurteilung der Eignung oder Befähigung nicht erforderlich sind, sind die Unterlagen unverzüglich zu vernichten. Im Berichtszeitraum hat das Innenministerium ein Schreiben mit Vorgaben für den Vollzug dieser Vorschrift an die Regierungen, die Präsidien der Bayerischen Polizei und das Bayerische Landeskriminalamt gerichtet, um die einheitliche Erfüllung der gesetzlichen Informationspflicht sicherzustellen. Darin wird u.a. anhand von Beispielen näher erläutert, wann von einem nicht nur vorübergehenden Mangel hinsichtlich der körperlichen, geistigen oder charakterlichen Eignung oder der mangelnden Befähigung auszugehen ist. Außerdem wird aufgezeigt, wie die Fahrerlaubnisbehörden mit den übermittelten Unterlagen zu verfahren haben.

Ich habe das Innenministerium in zwei Punkten auf datenschutzrechtliche Bedenken aufmerksam gemacht:

So habe ich darauf hingewiesen, dass die Vorgaben insofern irreführend sind, als sie den Schluss nahe legen, dass eine Straftat dann an die Fahrerlaubnisbehörde zu melden sei, wenn sie entweder im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr oder mit der Kraftfahreignung steht. Diesbezüglich habe ich hervorgehoben, dass eine Straftat, die keinen Einfluss auf die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen hat und daher nicht mit dieser im Zusammenhang steht, nicht übermittelt werden darf, da eine derartige Information für die Fahrerlaubnisbehörde zur Überprüfung der Eignung nicht erforderlich sein kann. Ich habe daher angeregt diese Rechtslage klarzustellen.

Ferner habe ich hinsichtlich des Verfahrens bei der Fahrerlaubnisbehörde in den Fällen, in denen der Betroffene zwar keine Fahrerlaubnis besitzt oder beantragt hat, aber mit einer Antragstellung mit großer Wahrscheinlichkeit zu rechnen ist, auf eine Unstimmigkeit hingewiesen. Während ausdrücklich dargestellt wurde, dass die übermittelte Information nur so lange aufbewahrt werden darf, wie nach den Umständen des Einzelfalls mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einer Antragstellung in absehbarer Zeit zu rechnen ist, wurde gleichzeitig als diesbezügliche Höchstfrist 10 Jahre angegeben. Ich habe hierzu ausgeführt, dass bei einem derart langen Zeitraum nicht mehr von einer hohen Wahrscheinlichkeit mit einer Antragstellung in absehbarer Zeit gesprochen werden kann und habe daher - auch im Hinblick auf die Gefahr einer pauschalen Handhabung - die Streichung der Angabe einer Höchstfrist gefordert.

Das Innenministerium hat die Vorgaben zum Vollzug des § 2 Abs. 12 StVG entsprechend meinen Anregungen abgeändert, so dass diese keinen Bedenken mehr begegnen.

6.22. Übermittlung von Prostituiertendaten an Gesundheitsämter

Vor dem Hintergrund des zum 01.01.2001 in Kraft getretenen Infektionsschutzgesetzes (IfSG) hat das Staatsministerium für Gesundheit, Ernährung und Verbraucherschutz eine Bekanntmachung zum Vollzug des § 19 IfSG und des Polizeiaufgabengesetzes (PAG) herausgegeben, die an die Stelle von Bekanntmachungen zur früheren Rechtslage tritt. Darin werden neben den Aufgaben des Gesundheitsamts bezüglich der durch sexuelle Kontakte übertragbaren Krankheiten auch Vorgaben für die polizeiliche Aufgabenerfüllung in Bezug auf Prostitution allgemein und diesbezügliche Datenübermittlungen an Gesundheitsämter im Besonderen dargestellt.

Der mir zunächst übermittelte Entwurf sah vor, dass die Polizei dem Gesundheitsamt Personen, welche die Prostitution ausüben, meldet, um den Gesundheitsämtern die aufsuchende Beratung oder infektionsschutzrechtliche Anordnungen zu ermöglichen. Als Rechtsgrundlage für diese Datenübermittlung wurde Art. 40 Abs. 3 PAG genannt.

Ich habe das Staatsministerium für Gesundheit, Ernährung und Verbraucherschutz darauf hingewiesen, dass nach In-Kraft-Treten des Infektionsschutzgesetzes eine derart pauschale Übermittlung sämtlicher Personen, die der Prostitution nachgehen, nicht mehr zulässig ist.

Nach Art. 40 Abs. 3 PAG darf die Polizei von sich aus lediglich dann bei ihr vorhandene personenbezogene Daten an andere Behörden oder öffentliche Stellen, die für die Gefahrenabwehr zuständig sind, übermitteln, soweit die Kenntnis dieser Daten zur Erfüllung der Aufgaben des Empfängers erforderlich erscheint. Nach der bis zum 31.12.2000 geltenden Rechtslage waren sämtliche Prostituierte aufgrund von § 4 Abs. 1 Geschlechtskrankheitengesetz verpflichtet, dem Gesundheitsamt ein Gesundheitszeugnis vorzulegen. Die daraus resultierende Verpflichtung, sich in regelmäßigen Abständen einer Untersuchung durch das Gesundheitsamt zu unterziehen, konnte von Seiten des Gesundheitsamts mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden. Ausgehend hiervon hatte die Polizei die Personalien der Prostituierten nach Art. 40 Abs. 3 PAG dem Gesundheitsamt mitzuteilen.

Mit Einführung des IfSG wurde jedoch der generelle Zwang zu ärztlichen Untersuchungen abgeschafft. Das IfSG setzt vielmehr auf das Angebot freiwilliger Beratung und Untersuchung durch die Behörden des öffentlichen Gesundheitsdienstes. Die Gesundheitsämter können nur noch dann infektionsschutzrechtliche Anordnungen treffen, wenn im Einzelfall Erkenntnisse darüber vorliegen, dass eine Person durch ihr Verhalten Gesundheit und Leben anderer gefährdet. Sie bedürfen daher zur Erfüllung ihrer Aufgaben auch nicht mehr der Übermittlung sämtlicher Personen, die der Prostitution nachgehen. Eine pauschale Datenübermittlung nach Art. 40 Abs. 3 PAG ist damit unzulässig.

Ich habe daher eine Änderung der Bekanntmachung dahingehend gefordert, dass die Polizei die Personalien von Prostituierten nur dann an das Gesundheitsamt übermitteln darf, wenn im Einzelfall aufgrund konkreter Anhaltspunkte der Verdacht besteht, dass die Person andere gesundheitlich gefährdet, so dass das Gesundheitsamt Anordnungen treffen könnte.

Das Staatsministerium für Gesundheit, Ernährung und Verbraucherschutz hat meine Forderung aufgegriffen und die Bekanntmachung entsprechend geändert.

Das Innenministerium hat gegen die Änderung jedoch Bedenken geäußert, da diese zu einem Rückgang der dem Gesundheitsamt zur Verfügung stehenden Datenmenge führe und dadurch eigeninitiativ durch das Gesundheitsamt kein Kontakt mehr zu der möglichen Zielgruppe für das aufsuchende Angebot über Beratung und Untersuchung aufgenommen werden könne. Hierdurch könne das Ziel des Infektionsschutzgesetzes, die Bekämpfung von gefährlichen Krankheiten und somit der Schutz der Bevölkerung vor solchen Erkrankungen, nicht gewährleistet werden. Das Innenministerium hat daher angeregt, von den betroffenen Behörden diesbezügliche Erfahrungswerte einzufordern und ggf. eine Umformulierung der Bekanntmachung in Betracht zu ziehen.

Demgegenüber habe ich auf die Intention des Gesetzgebers bei Erlass des IfSG hingewiesen und eine der gesetzlichen Regelung widersprechende Vollzugsregelung abgelehnt. Der Bundesgesetzgeber war ausweislich der Gesetzbegründung der Auffassung, der Infektionsschutz sei durch Aufklärung und Eigenverantwortung der Prostituierten besser zu erreichen als durch äußeren Zwang. Eine namentliche Erfassung und Zwangsberatung scheidet daher nach der derzeitigen Gesetzeslage aus.

6.23. Auskunft über präventive Speicherungen bei laufenden Ermittlungsverfahren

In meinem letzten Tätigkeitsbericht (Nr. 5.8.4) hatte ich dargestellt, dass die Polizei Bürger mit ihren Auskunftsbegehren über die zu ihrer Person gespeicherten Daten an die zuständige Staatsanwaltschaft verweist, wenn ein Tatvorwurf in einem anhängigen Ermittlungsverfahren im Kriminalaktennachweis gespeichert ist. Das Innenministerium vertritt die Auffassung, Art. 48 Polizeiaufgabengesetz (PAG) umfasse nicht die Daten eines noch anhängigen Strafverfahrens, auch wenn diese Daten in polizeilichen Dateien zu präventiven Zwecken gespeichert würden, da hierfür alleine die Regelungen des Strafverfahrens maßgebend seien.

Ich hatte demgegenüber darauf hingewiesen, dass die Polizei als speichernde Stelle die datenschutzrechtliche Verantwortung trägt und dementsprechend ihrer grundsätzlichen Auskunftsverpflichtung nach Art. 48 PAG nachzukommen hat. Die Entscheidung gegenüber dem Bürger, ob ein gesetzlicher Auskunftsverweigerungsgrund vorliegt ist daher von der Polizei und nicht von der Staatsanwaltschaft zu treffen. Dabei hatte ich gegenüber dem Innenministerium auch ausgeführt, dass durch eine interne Abstimmung zwischen Polizei und Staatsanwaltschaft der Gefahr einer "Aushebelung" der Entscheidungsbefugnisse der Staatsanwaltschaft über die Auskunftserteilung aus einem laufenden Ermittlungsverfahren entgegengewirkt werden kann. So könne die Polizei die Auskunft nach Art. 48 Abs. 2 PAG grundsätzlich verweigern, wenn die Staatsanwaltschaft ihr Einvernehmen mit einer Auskunftserteilung an den Betroffenen aus Gründen der Gefährdung der Zwecke des Strafverfahrens ablehnt.

Die von mir in dieser Angelegenheit im letzten Tätigkeitsbericht angekündigte Abstimmung des Innenministeriums mit dem Justizministerium hat zu einem Vorschlag des Innenministeriums geführt, den ich ablehne. Danach soll die Polizei die Auskunft stets verweigern, wenn die Staatsanwaltschaft in einem laufenden Ermittlungsverfahren kein Einverständnis zur Auskunftserteilung erklärt hat. Außerdem soll künftig generell bei der Erledigung von Auskunftsersuchen bei der Polizei darauf hingewiesen werden, dass die Auskunft bezüglich laufender Ermittlungsverfahren nur erfolgt, soweit die zuständige Staatsanwaltschaft hierzu ihr Einvernehmen erteilt hat. Dadurch solle der Gefahr einer Ausforschung durch eine Negativauskunft vorgebeugt werden.

Ich habe mich auch gegen einen jeder Auskunftserteilung pauschal anzufügenden Hinweis, wonach die Auskunft im Falle eines laufenden Ermittlungsverfahrens möglicherweise unvollständig ist, ausgesprochen. Hierdurch bliebe für den Betroffenen stets unklar, ob tatsächlich keine Daten gespeichert sind oder nur eine unvollständige bzw. gar keine Auskunft erteilt wird. Ich habe das Innenministerium darauf hingewiesen, dass dies der gesetzgeberischen Entscheidung in Art. 48 Abs. 1 PAG widerspricht, wonach dem Betroffenen grundsätzlich Auskunft zu erteilen ist, sofern dem nicht im Einzelfall die im Gesetz genannten Gründe entgegenstehen.

Als Reaktion auf meine Ausführungen hat mir das Innenministerium mitgeteilt, dass nunmehr geprüft werde, ob eine Änderung des Art. 48 PAG erforderlich sei.

Derartige Überlegungen entbinden die Polizei jedoch nicht von der Verpflichtung, über die Erteilung von Auskünften bis zum evtl. In-Kraft-Treten einer verfassungskonformen Neureglung nach der derzeitigen Rechtslage zu entscheiden.

6.24. Generelle Auskunftsablehnung bei Betäubungsmittelhandel

In meinem letzten Tätigkeitsbericht (Nr. 5.8.3) hatte ich die Problematik der Auskunftserteilung bei Betäubungsmittelhandel dargestellt. Nach Art. 48 Abs. 2 Nr. 1 Polizeiaufgabengesetz (PAG) wird dem Betroffenen keine Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten Daten erteilt, soweit eine Gefährdung der Aufgabenerfüllung durch die Auskunftserteilung, insbesondere eine Ausforschung der Polizei, zu besorgen ist. Ausgehend hiervon sehen die Richtlinien der Polizei vor, dass ohne Einzelfallprüfung in allen Fällen des unbefugten Rauschgifthandels eine Auskunft unterbleibt.

Diese Regelung steht mit der Gesetzeslage nicht in Einklang. Ein entscheidender Bestandteil des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung ist für den Bürger die Möglichkeit, sich zu informieren, welche öffentliche Stelle was über ihn weiß. Ohne entsprechende Kenntnis hat der Bürger keine Möglichkeit, eventuelle Ansprüche, z.B. auf Berichtigung oder Löschung, durchzusetzen. Eine Verweigerung der Auskunftserteilung kann daher nur in besonderen Ausnahmen in Betracht kommen nach Beurteilung des Einzelfalls und unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. In den Fällen des unbefugten Rauschgifthandels ist dabei zu beachten, dass es sich um Sachverhalte handelt, die nach Art und Umfang derart verschieden sind, dass bei einer Auskunftserteilung nicht stets von einer Gefährdung der polizeilichen Aufgabenerfüllung ausgegangen werden kann. Im übrigen wird die Durchführung des Strafverfahrens dem Betroffenen in vielen Fällen bereits bekannt sein, so dass eine Geheimhaltung der polizeilichen Speicherung nicht erforderlich ist.

Die in dieser Angelegenheit mit dem Innenministerium geführten Besprechungen und die seinerzeit vom Ministerium und von mir unterbreiteten Vorschläge hatte ich bereits in meinem letzten Tätigkeitsbericht dargestellt. Zuletzt hatte das Innenministerium vorgeschlagen, dass bei leichteren Fällen des unbefugten Rauschgifthandels gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 Betäubungsmittelgesetz (BtMG) eine Auskunft erteilt werden könne, wenn eine Gefährdung der polizeilichen Aufgabenerfüllung in Folge der Auskunftserteilung nicht zu besorgen sei.

Eine derartige Regelung lehne ich ab, da sie der gesetzlichen Vorgabe des Art. 48 PAG aus mehreren Gründen widerspricht. Zum einen besteht nach Art. 48 PAG eine Auskunftspflicht, so dass die Auskunft in den dort genannten Fällen nicht nur erteilt werden kann, sondern zu erteilen ist. Zum anderen wird die Möglichkeit zur Auskunftserteilung durch die vom Innenministerium gewählte Formulierung lediglich für Fälle des Grunddelikts des § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG, nicht jedoch für Fälle des Handels mit sogenannten nicht geringen Mengen (§§ 29 a ff. BtMG), eingeräumt. Eine solche nicht geringe Menge liegt jedoch z. B. bei der weichen Droge Haschisch von durchschnittlicher Qualität bereits bei einer Menge von ca. 100 gr. vor. Eine solche Menge erlaubt für sich gesehen nicht den generellen Schluss, dass bei Auskunftserteilung stets eine Gefährdung der polizeilichen Aufgabenerfüllung zu besorgen sei, so dass eine generelle Auskunftsablehnung nicht in Betracht kommen kann. Schließlich würde durch die vorgeschlagene Formulierung das gesetzliche Verhältnis von Regel und Ausnahme ins Gegenteil verkehrt, da eine Auskunft lediglich dann erteilt werden soll, wenn eine Gefährdung der polizeilichen Aufgabenerfüllung hierdurch nicht zu besorgen ist. Dies bedeutet, dass in Fällen, in denen weder besondere Umstände für noch gegen eine Gefährdung der Aufgabenerfüllung sprechen, eine Auskunft nicht erteilt werden kann, so dass die Auskunft letztlich nur dann erteilt würde, wenn die Prüfung ausnahmsweise positiv ergibt, dass kein Auskunftsverweigerungsgrund vorliegt.

Nachdem ich das Innenministerium auf diese Bedenken hingewiesen hatte, fand erneut ein Gespräch statt, in dessen Folge ich erneut einen Regelungsvorschlag unterbreitete. Da das Betäubungsmittelgesetz den Begriff der leichteren Fälle des Betäubungsmittelhandels nicht kennt und dessen Aufnahme in die Richtlinien daher zu einer erheblichen Unsicherheit bei der Einordnung der jeweiligen Speicherung im Einzelfall führen würde, habe ich mich für eine klare Regelung anhand der verschiedenen gesetzlichen Tatbestände ausgesprochen. Danach soll bei bestimmten, konkret benannten Tatbeständen, die ich als leichtere Fälle ansehe, Auskunft zu erteilen sein, während die Auskunftserteilung bei den anderen, schweren Fällen grundsätzlich unterbleibt. Ich habe durch meinen Formulierungsvorschlag aber auch hervorgehoben, dass in beiden Fällen die Prüfung des Einzelfalls zu einem anderen Ergebnis führen kann.

Nach einer längeren Prüfung hat mir das Innenministerium nunmehr mitgeteilt, zur Erhaltung des Sicherheitszustands in diesem Deliktsbereich und unter Berücksichtigung datenschutzrechtlicher Erfordernisse sei eine Änderung des Art. 48 PAG in die Wege geleitet worden.

Der Änderungsentwurf bleibt abzuwarten. Das Innenministerium wird dabei aber die Schranken zu beachten haben, die sich aus der Auskunft als wesentlicher Bestandteil der Realisierungsmöglichkeit des Grundrechts auf Datenschutz ergeben.

6.25. Abfragen polizeilicher Informationssysteme

Bereits in meinen beiden letzten Tätigkeitsberichten habe ich mich mit der Problematik von Abfragen polizeilicher Informationssysteme befasst, die das soziale Umfeld des Polizeibediensteten betreffen.

Die von mir vorgeschlagenen Maßnahmen zur Verbesserung des Schutzes gegen Missbrauch, wie z. B. die Einbindung eines Vorgesetzten vor der Datenabfrage, hatte das Staatsministerium des Innern abgelehnt. Ich hatte daraufhin gebeten, diese Maßnahmen wenigstens als Empfehlung an die Polizeidienststellen weiterzugeben. Auch dies hat das Innenministerium u. a. mit der Begründung abgelehnt, dass dadurch bei einzelnen Beamten negative Auswirkungen auf die Motivation zur Durchführung dienstlich veranlasster Maßnahmen und Akzeptanzprobleme hinsichtlich datenschutzrechtlicher Regelungen zu befürchten seien.

Diese Begründung halte ich nicht für akzeptabel. Zwar gehe auch ich davon aus, dass die Polizeibeamten grundsätzlich gesetzes-, richtlinienkonform und sorgsam mit den Daten der Bürger umgehen. Allerdings sind nicht von ungefähr Hinweise von Bürgern bei mir eingegangen, dass Daten, die nur der Polizei zur Verfügung stehen, von unberechtigten Dritten verwendet werden. Freilich war ein Missbrauchsnachweis in diesen Fällen entweder nicht zu führen oder die Ermittlungen versprachen von vorne herein keinen Erfolg.

Dass aber tatsächlich Missbrauch stattfindet, wurde durch eine kürzlich bei mir eingegangene Eingabe deutlich. Während des Wahlkampfes vor den diesjährigen Kommunalwahlen in Bayern hatte ein bislang Unbekannter einen polizeilichen Dateiausdruck mit den längst gelöschten Daten eines Kommunalpolitikers öffentlich ausgehängt. Aufgrund des Sachverhalts lag die Annahme nahe, dass die personenbezogenen Daten des betroffenen Politikers bereits zu einem früheren Zeitpunkt mit dem Ziel, diesen später öffentlich zu diffamieren, in polizeilichen Informationssystemen abgefragt und ausgedruckt wurden. Leider konnte der Täter bislang nicht ermittelt werden.

Angesichts solcher Vorfälle habe ich kein Verständnis, dass sich das Innenministerium weigert, Maßnahmen, die geeignet sind, die Hemmschwelle gegen den Missbrauch zu erhöhen, wenigstens als Empfehlung an die Polizei weiterzugeben.