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Der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz; Stand: 01.08.2023

Aktuelle Kurz-Information 52: Bayerisches Krebsregistergesetz jetzt mit uneingeschränktem Widerspruchsrecht

Stichwörter: Bayerisches Krebsregistergesetz - Krebsregistergesetz, Widerspruchsrecht - Patientendaten - Widerspruchsrecht, Krebsregistergesetz | Stand: 1. August 2023

Was sind die Kernaussagen dieser Aktuellen Kurz-Information?

  • Nach Änderung von Art. 5 Abs. 1 Bayerisches Krebsregistergesetz haben Patientinnen und Patienten nun ein uneingeschränktes Widerspruchsrecht gegen die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten im Bayerischen Krebsregister.
  • Auf einen Widerspruch hin werden seit dem 1. August 2023 im Grundsatz sämtliche zur betroffenen Person im Krebsregister erfassten Daten, insbesondere alle Daten zur Krankheitsgeschichte gelöscht, nicht nur - wie bisher - allein die Identitätsdaten.

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Das Bayerische Krebsregistergesetz (BayKRegG) sieht die Errichtung eines Bayerischen Krebsregisters (im Folgenden: Krebsregister) vor, das vom Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) geführt wird. Es soll Informationen zu Ursachen und Entwicklung von Krebserkrankungen gewinnen. Zu den Aufgaben des Krebsregisters gehört die Untersuchung regionaler Verteilungen und zeitlicher Trends. Das Krebsregister liefert zudem an wissenschaftliche Einrichtungen epidemiologische Daten für die Erforschung der Ursachen von Krebserkrankungen und unterstützt die Bewertung präventiver und kurativer Maßnahmen. Daten über Krebserkrankungen bilden eine wichtige Grundlage für die Gesundheitsplanung und die Versorgungsforschung. Die Auswertung von Therapieverläufen kann wesentlich zur Qualitätssicherung in der Versorgung krebserkrankter Personen beitragen. Aus datenschutzrechtlicher Sicht verfolgt das Krebsregister legitime Interessen der öffentlichen Gesundheitsversorgung.

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Nach dem Bayerischen Krebsregistergesetz haben behandelnde Ärztinnen und Ärzte grundsätzlich Informationen zu an einem Tumor erkrankten Personen an das Krebsregister zu melden. Dazu legt das Gesetz verschiedene Meldeanlässe fest, wie etwa die erstmals gesicherte Diagnose einer Krebserkrankung, medizinische Befunde, die Durchführung von therapeutischen Maßnahmen oder Zweiterkrankungen.

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Personenbezogene Daten über Krebserkrankungen sind sehr sensibel, mitunter zudem schambehaftet. Als Gesundheitsdaten unterliegen sie der ärztlichen Schweigepflicht. Diese Pflicht schützt nicht nur das Vertrauensverhältnis zwischen behandelnden Ärztinnen und Ärzten einerseits und behandelten Patientinnen und Patienten andererseits, sondern auch die Intimsphäre der betroffenen Patientinnen und Patienten. Die grundsätzlich umfassende Meldepflicht nach dem Bayerischen Krebsregistergesetz durchbricht die ärztliche Schweigepflicht und greift erheblich in Grundrechte der Patientinnen und Patienten ein.

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Um die Gesamtregelung grundrechtskonform zu gestalten, sieht das Bayerische Krebsregistergesetz vor, dass betroffene Personen der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten im Krebsregister widersprechen können. Bislang galt dieses Widerspruchsrecht allerdings nur sehr eingeschränkt. Zum 1. August 2023 hat der Gesetzgeber die Regelung zum Widerspruchsrecht nun dahingehend geändert, dass betroffene Personen die Löschung aller ihrer bis dahin gespeicherten Patientendaten - umfassend und vollständig - erreichen können. Zudem führen Datenmeldungen von medizinischen Einrichtungen (Behandlern), die nach Einlegung eines Widerspruchs beim Krebsregister eingehen, dort künftig nicht mehr notwendig zur dauerhaften Speicherung und Weiterverarbeitung.

1. Änderung der gesetzlichen Regelungen

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Die Vorschrift des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 BayKRegG sah in ihrer bisherigen Fassung ausdrücklich eine Begrenzung des Widerspruchsrechts auf Identitätsdaten vor. Somit bewirkte der Widerspruch lediglich eine Ersetzung der Identitätsdaten durch ein Pseudonym. Die Daten zur Krankheitsgeschichte blieben im Krebsregister gespeichert und standen somit grundsätzlich - etwa für wissenschaftliche Forschungszwecke - weiterhin zur Verfügung. Schon frühzeitig habe ich darauf hingewiesen, dass eine solche Regelung das Widerspruchsrecht weitgehend leerlaufen lässt und damit den Willen der Patientinnen und Patienten letztlich nicht respektiert. Die Bayerische Staatsregierung begründete die ursprüngliche Regelung im Gesetzgebungsverfahren 2016/2017 damit, dass das Krebsregister seine Zwecke nur erfüllen könne, wenn bei mindestens 90 % aller relevanten Meldeanlässe die geforderten Informationen auch übermittelt würden.

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Allerdings hatte der Gesetzgeber mit Art. 5 Abs. 3 BayKRegG in der bis zum 31. Juli 2023 geltenden Fassung eine zusätzliche Vorgabe ins Gesetz eingefügt, wonach die Einschränkung des Widerspruchsrechts zwei Jahre nach dem Inkrafttreten des Bayerischen Krebsregistergesetzes unter den Gesichtspunkten eines wirksamen Datenschutzes und einer ausreichenden Qualitätssicherung überprüft werden musste. Diese Evaluierung hat das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege gemeinsam mit dem LGL mittlerweile abgeschlossen. Sie ergab, dass auch im Falle einer umfassenden und vollständigen Löschung der betreffenden Patientendaten aufgrund von Widersprüchen die Funktionsfähigkeit des Krebsregisters insgesamt nicht beeinträchtigt würde. Insbesondere erreichte die bisherige Anzahl von Widersprüchen nicht ansatzweise den kritischen Wert von 10 % der Meldeanlässe oder darüber.

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Folgerichtig wurde insbesondere Art. 5 Abs. 1 BayKRegG nun dahingehend geändert, dass im Falle eines Widerspruchs nicht nur die Identitätsdaten der betroffenen Personen, sondern sämtliche zu diesen Personen erfassten personenbezogenen Daten zu löschen sind. Art. 5 Abs. 1 BayKRegG lautet ab dem 1. August 2023:

"1Jeder kann der dauerhaften Speicherung der Identitätsdaten sowie der nach Art. 4 meldepflichtigen Daten im Bayerischen Krebsregister widersprechen, soweit sie ihn selbst oder eine seiner Personensorge oder Betreuung unterstehende Person betreffen. 2Diese Daten sind unverzüglich aus dem Bayerischen Krebsregister zu löschen, sobald ihre Kenntnis nicht mehr für gesetzliche Abrechnungszwecke erforderlich ist. 3Der Widerspruch ist schriftlich bei der Vertrauensstelle einzulegen. 4Er kann auch über Personen, die gemäß Art. 4 Abs. 2 Satz 3 über das Widerspruchsrecht belehrt haben, bei der Vertrauensstelle eingelegt werden. 5Der Widerspruch betrifft bereits erfasste Daten nach Satz 1 sowie künftig eingehende Meldungen. 6Unbeschadet der Löschung gemäß Satz 2 ist die Vertrauensstelle im Falle eines Widerspruchs befugt, die jeweiligen Identitätsdaten in einer gesondert zu führenden, vertraulichen Liste zu speichern und ausschließlich zu Zwecken eines Datenabgleichs mit zukünftigen Meldungen zu verwenden. 7Wurden Daten zu dieser Person von oder an ein anderes Landeskrebsregister gemeldet, ist dieses Landeskrebsregister über die Erhebung des Widerspruchs zu informieren."

2. Widerspruch der betroffenen Person

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Die Voraussetzungen zur Einlegung des Widerspruchs bleiben unverändert. Der Widerspruch ist auch weiterhin schriftlich bei der Vertrauensstelle einzulegen (Art. 5 Abs. 1 Satz 3 BayKRegG). Fristen sind dabei nicht zu beachten.

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Inhaltlich stellt Art. 5 Abs. 1 Satz 1 BayKRegG nun ausdrücklich klar, dass vom Widerspruchsrecht neben den Identitätsdaten auch sämtliche nach Art. 4 BayKRegG meldepflichtigen Daten umfasst sind, also die erstmalige gesicherte Diagnose einer Krebserkrankung, der zu einer Krebserkrankung ergangene histologische, labortechnische oder zytologische Befund, die Art sowie der Zeitpunkt des Beginns und des Abschlusses einer therapeutischen Maßnahme, die Diagnose von Rezidiven, Metastasen, Zweittumoren und anderen Änderungen im Krankheitsverlauf sowie der Tod einer Person, die eine Krebserkrankung hatte.

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Soweit eine betroffene Person dies wünscht, kann sie den Widerspruch einschränken. Sie kann etwa nur hinsichtlich der Identitätsdaten widersprechen; in diesem Fall bleiben die nach Art. 4 BayKRegG meldepflichtigen Daten im Krebsregister pseudonymisiert erhalten. Außerdem kann sie - unabhängig von den Identitätsdaten - den Widerspruch auf einzelne der nach Art. 4 BayKRegG meldepflichtigen Daten begrenzen und so etwa erreichen, dass Befunde (Art. 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayKRegG) nicht gespeichert werden.

3. Folgen eines Widerspruchs

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Der Widerspruch führt zu einer grundsätzlichen Löschungspflicht in Bezug auf Daten im Krebsregister (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 BayKRegG). Bei einem umfassenden Widerspruch sind dies die Identitätsdaten sowie die nach Art. 4 BayKRegG meldepflichtigen Daten; bei einem beschränkten Widerspruch (siehe Rn. 10) können nur die Identitätsdaten und/oder einzelne nach Art. 4 BayKRegG meldepflichtige Daten zu löschen sein. Dies gilt auch für Daten, die am 1. August 2023 bereits im Krebsregister gespeichert sind.

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Soweit ein schriftlich bei der Vertrauensstelle eingelegter Widerspruch reicht, dürfen grundsätzlich weder pseudonymisierte noch personenidentifizierende oder darüber hinausgehende personenbezogene Daten der betroffenen Personen an etwaige Antragsteller übermittelt werden (Art. 13 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 BayKRegG). Auch dürfen keine weiteren personenbezogenen Daten bei der meldenden Einrichtung nachgefragt werden (Art. 13 Abs. 3 Satz 1 BayKRegG).

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Für Patientendaten, die vor Einlegung eines Widerspruchs bereits an eine dritte Stelle übermittelt worden sind, gilt Art. 13 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 1 BayKRegG in der Fassung ab 1. August 2023. Danach hat die dritte Stelle die empfangenen Patientendaten (unverzüglich) zu löschen, sobald sie von einem diesbezüglichen Widerspruch in Kenntnis gesetzt worden ist. In diesem Zusammenhang sieht die Gesetzesnovelle keinen Mitwirkungsakt der widerspruchsberechtigten Personen vor; insbesondere ist das In-Kenntnis-Setzen der empfangenden Stelle nicht davon abhängig, dass die krebsregisterführende Stelle von den widersprechenden Personen gesondert dazu aufgefordert wird.

4. Fazit

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Die Verabschiedung des Änderungsgesetzes zum Bayerischen Krebsregistergesetz noch in dieser Legislaturperiode ist aus datenschutzrechtlicher Sicht zu begrüßen. Der Gesetzgeber hat meine langjährige Kritik aufgegriffen und eine grundrechtlich ausgewogene Regelung gefunden. Der Patientenwille steht nun im Mittelpunkt. Das stärkt nicht nur die Vertrauenswürdigkeit des Krebsregisters, sondern auch die mit seinen Daten arbeitende Forschung. Es ist zu hoffen, dass das Krebsregister in Zukunft dauerhaft beides bieten kann: eine hochwertige Datenqualität für die medizinische Krebsforschung und zugleich einen hochwertigen Datenschutz für die betroffenen Patientinnen und Patienten.

  1. Siehe dazu bereits Bayerischer Landesbeauftragter für den Datenschutz, 27. Tätigkeitsbericht 2016, Nr. 7.3. [Zurück]
  2. Gesetz zur Änderung des Bayerischen Krebsregistergesetzes vom 24. Juli 2023 (GVBl. S. 430); Gesetzentwurf: Landtags-Drucksache 18/28529. [Zurück]
  3. Kontakt: https://www.lgl.bayern.de/gesundheit/krebsregister/ueber_das_krebsregister/kontakte/vertrauensstelle.htm (externer Link). [Zurück]