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Der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz; Stand: 25.05.2021

2. Schwerpunkt I: Datenschutzrechtliche Themen im Zusammenhang mit Verkehrsordnungswidrigkeiten

Datenschutzrechtliche Themen im Zusammenhang mit der Verfolgung und Ahndung von Verkehrsordnungswidrigkeiten habe ich in meinen Tätigkeitsberichten wiederholt erörtert, so unter anderem im 29. Tätigkeitsbericht 2019 unter Nr. 4.5, im 27. Tätigkeitsbericht 2016 unter Nr. 5.6 und im 26. Tätigkeitsbericht 2014 unter Nr. 5.5.1, Nr. 5.5.2 und Nr. 5.5.3. Zu den Verkehrsordnungswidrigkeiten zählen insbesondere Parkverstöße im ruhenden und Geschwindigkeitsverstöße im fließenden Verkehr.

Auch im Berichtszeitraum erreichten mich zahlreiche Anfragen und Beschwerden zum Datenschutz in Verfahren wegen Verkehrsordnungswidrigkeiten. Im Folgenden möchte ich insofern bedeutsame datenschutzrechtliche Fragen zusammenzufassend erläutern und insbesondere die Erfahrungen darstellen, die ich in meiner Prüfungs- und Beratungspraxis hierzu gewinnen konnte.

So gehe ich einleitend auf die Frage der Zuständigkeit zur Verfolgung und Ahndung von Verkehrsverstößen (Nr. 2.1) ein, sodann auf die zentrale Thematik der Zulässigkeit von Bildaufnahmen und ihre Grenzen (Nr. 2.2.1 und Nr. 2.2.2). Darüber hinaus stelle ich die datenschutzrechtlichen Bezüge der Fahrzeughalter- und Fahrzeugführerermittlung vor (Nr. 2.3 und Nr. 2.4). In diesen Zusammenhang gehören neben der Versendung von Anhörungs- und Zeugenfragenbögen (Nr. 2.4.1) unter anderem Lichtbildanforderung, -übermittlung und -abgleich (Nr. 2.4.2) sowie die Recherche des Fahrzeugführers im familiären Umfeld des Fahrzeughalters (Nr. 2.4.3) Außerdem zeige ich auf, welche datenschutzrechtlichen Vorgaben bei der Zustellung von Bescheiden (Nr. 2.5) sowie bei Speicherungen in den zuständigen Behörden (Nr. 2.6) zu beachten sind. Abschließend gehe ich auf die datenschutzrechtlichen Informationspflichten und auf die Betroffenenrechte ein (Nr. 2.7)

Vorab möchte ich darauf hinweisen, dass sich die folgenden Ausführungen auf typische Fallkonstellationen in Verkehrsordnungswidrigkeitenverfahren beziehen. Es mag Einzelfälle geben, in denen sich die datenschutzrechtliche Bewertung abweichend darstellen kann. Jede bei mir eingehende Beschwerde und Anfrage in diesem Zusammenhang überprüfe ich daher individuell.

Auch möchte ich anmerken, dass ein Verstoß gegen datenschutzrechtliche Vorschriften im Rahmen einer späteren gerichtlichen Beweiserhebung kein Beweisverwertungsverbot zur Folge haben muss. Die Entscheidung über die Verwertbarkeit trifft das zuständige Gericht im Rahmen einer Interessenabwägung in richterlicher Unabhängigkeit.

2.1. Zuständigkeit zur Verfolgung und Ahndung vonVerkehrsordnungswidrigkeiten

Nach § 35 Abs. 1 Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) ist für die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten die Verwaltungsbehörde zuständig, soweit nicht die Staatsanwaltschaft oder an ihrer Stelle für einzelne Verfolgungshandlungen der Richter hierzu berufen ist. Für die Ahndung von Ordnungswidrigkeiten ist ebenfalls die Verwaltungsbehörde zuständig, soweit nicht das Gericht hierzu berufen ist, vgl. § 35 Abs. 2 OWiG. Wer zuständige Verwaltungsbehörde ist, regelt in Bayern die sogenannte Zuständigkeitsverordnung (ZustV).

Die Zuständigkeit der Bayerischen Polizei zur Verfolgung und Ahndung von Verkehrsverstößen gemäß § 24 StVG, insbesondere von Verstößen im ruhenden Verkehr und von Geschwindigkeitsverstößen, folgt aus § 91 Abs. 1 und 2 ZustV.

Für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten im Sinne des § 24 Straßenverkehrsgesetz (StVG) besteht gemäß § 26 Abs. 1 StVG die Möglichkeit, neben der Polizei auch den Gemeinden die Befugnis zur Verfolgung und Ahndung hierfür zu übertragen ("Behörde [...], die von der Landesregierung durch Rechtsverordnung näher bestimmt wird"). Hiervon hat der bayerische Verordnungsgeber Gebrauch gemacht und eine Übertragung dieser Zuständigkeit auch an die Gemeinden angeordnet, vgl. § 88 Abs. 3 Satz 1 ZustV. Diese Zuständigkeitsregelung betrifft neben Ordnungswidrigkeiten im ruhenden Straßenverkehr (Parkraumüberwachung) vor allem auch Geschwindigkeitsverstöße. Die Gemeinde kann in diesen Fällen neben der Polizei die Verkehrsüberwachung selbst durchführen (sogenannte kommunale Verkehrsüberwachung) und etwaige Verstöße im Rahmen eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens (§§ 46 ff. OWiG) verfolgen und ahnden. Die Gemeinden können die Aufgabe an kommunale Zweckverbände (Zweckverbände für kommunale Verkehrsüberwachung) übertragen, die als Körperschaften des öffentlichen Rechts Aufgaben ihrer Mitgliedsgemeinden wahrnehmen. Sie können teilweise auch anderen Gemeinden die Aufgabenwahrnehmung im Rahmen einer Zweckvereinbarung anbieten.

Eine Übertragung dieser hoheitlichen Aufgabe der Verfolgung und Ahndung von Verkehrsordnungswidrigkeiten auf Private ist demgegenüber nur sehr bedingt zulässig. Mit dieser Frage hat sich das Bayerische Oberste Landesgericht in seinem Beschluss vom 29. Oktober 2019, 202 ObOWi 1600/19, eingehend befasst. Dabei ist es zu folgendem Ergebnis gelangt (Auszug aus den Leitsätzen):

"1. Die Heranziehung privater Dienstleister zur eigenständigen Feststellung und Verfolgung von Geschwindigkeitsverstößen im Rahmen der kommunalen Verkehrsüberwachung ist unzulässig. Macht die Gemeinde von der gesetzlichen Befugnis zur Verkehrsüberwachung Gebrauch, darf sie sich hierbei privater Dienstleister nur bedienen, wenn sichergestellt ist, dass sie ‚Herrin‘ des Verfahrens bleibt, wozu insbesondere die Vorgaben über Ort, Zeit, Dauer und Häufigkeit der Messungen, die Kontrolle des Messvorgangs, die Verantwortung für den ordnungsgemäßen Einsatz technischer Hilfsmittel und die Kontrolle über die Ermittlungsdaten gehören sowie die Entscheidung darüber, ob und gegen wen ein Bußgeldverfahren einzuleiten ist [...].

2. Nimmt die Gemeinde als Verfolgungsbehörde bei der Durchführung von Geschwindigkeitsmessungen oder deren Auswertung einen privaten Dienstleister in Anspruch, der ihr Personal nach den Bestimmungen des AÜG überlässt, und ist dieses Personal - unter Aufgabe der Abhängigkeiten und des Weisungsrechts der Entleihfirma - hinreichend in die räumlichen und organisatorischen Strukturen der Gemeinde integriert sowie der für das Verfahren zu-ständigen Organisationseinheit der Gemeinde zugeordnet und deren Leiter unterstellt, so ist das Handeln des überlassenen Mess- bzw. Auswertepersonals unmittelbar der Gemeinde als hoheitliche Tätigkeit zuzurechnen [...]. Im Rahmen der Auswertung von Messdaten durch Leiharbeitnehmer ist eine hinreichende Kontrolle der Gemeinde über die (digitalen) Ermittlungsdaten grundsätzlich nur dann hinreichend gewährleistet, wenn sich die Messdatensätze auf einem ausschließlich der Gemeinde oder dem von ihr mit der Auswertung betrauten Leiharbeitnehmer zugänglichen Speichermedium befinden. [...]

3. Auch sonst darf sich die Gemeinde der (technischen) Hilfe eines privaten Dienstleisters bedienen, wenn diese nicht in Bereiche eingreift, die ausschließlich hoheitliches Handeln erfordern und sichergestellt ist, dass die Verantwortung für den ordnungsgemäßen Einsatz technischer Hilfsmittel sowohl bei der Messung selbst als auch bei der Auswertung bei ihr verbleibt. [...]

4. Die Gemeinde bleibt jedenfalls dann ,Herrin‘ des Verfahrens, wenn sich die Tätigkeit des Dienstleisters auf die Aufbereitung der Daten einer Messreihe (etwa durch Vergrößerung bzw. Aufhellung von Bildern oder sonstige rein qualitative Bildbearbeitungen) beschränkt und die Resultate anschließend durch die Gemeinde selbst oder das an sie entliehene Auswertepersonal einer Kontrolle auf Vollständigkeit, Authentizität und Integrität sowie Verwertbarkeit unterzogen werden. Dabei muss sichergestellt sein, dass die Bestimmungen des Datenschutzes durch den privaten Dienstleister strikt eingehalten werden und dieser nach der Rückübertragung keinen Zugriff mehr auf die Daten hat. Dies schließt eine Vorselektion der Daten, etwa durch Vorenthaltung wegen mangelnder Beweiseignung, seitens des privaten Dienstleisters aus [...]."

Die nachfolgenden Ausführungen gelten für die Durchführung von Ermittlungsverfahren in Bayern durch die Bayerische Polizei, die Gemeinden und die Zweckverbände für kommunale Verkehrsüberwachung als zuständige Verwaltungsbehörden.

2.2. Ermittlung, Feststellung und Nachweis eines Verstoßes

2.2.1. Bildaufnahmen im ruhenden Verkehr

Ausgehend von Bürgereingaben und Behördenanfragen habe ich mich mit der Frage beschäftigt, unter welchen Voraussetzungen bei der Verfolgung von Verkehrsordnungswidrigkeiten im Zusammenhang mit Parkverstößen von den Behörden Bildaufnahmen angefertigt werden dürfen. Bei der Anfertigung von Bildaufnahmen handelt es sich um eine Verarbeitung in Form der Erhebung personenbezogener Daten (in der Regel des Kraftfahrzeugs mit Kfz-Kennzeichen) zum Zwecke der Feststellung und der Nachweisbarkeit eines Verstoßes.

Die Anfertigung von Lichtbildern zur Verfolgung von Parkverstößen findet ihre Rechtsgrundlage in § 100h Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Strafprozessordnung (StPO) in Verbindung mit § 46 Abs. 1 OWiG.

§ 100h StPO

Weitere Maßnahmen außerhalb von Wohnraum

(1) 1Auch ohne Wissen der betroffenen Personen dürfen außerhalb von Wohnungen

  1. Bildaufnahmen hergestellt werden,
  2. sonstige besondere für Observationszwecke bestimmte technische Mittel verwendet werden,

wenn die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes eines Beschuldigten auf andere Weise weniger erfolgversprechend oder erschwert wäre. 2Eine Maßnahme nach Satz 1 Nr. 2 ist nur zulässig, wenn Gegenstand der Untersuchung eine Straftat von erheblicher Bedeutung ist.

(2) 1Die Maßnahmen dürfen sich nur gegen einen Beschuldigten richten. 2Gegen andere Personen sind

  1. Maßnahmen nach Absatz 1 Nr. 1 nur zulässig, wenn die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes eines Beschuldigten auf andere Weise erheblich weniger erfolgversprechend oder wesentlich erschwert wäre,
  2. Maßnahmen nach Absatz 1 Nr. 2 nur zulässig, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie mit einem Beschuldigten in Verbindung stehen oder eine solche Verbindung hergestellt wird, die Maßnahme zur Erforschung des Sachverhalts oder zur Ermittlung des Aufenthaltsortes eines Beschuldigten führen wird und dies auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre.

(3) Die Maßnahmen dürfen auch durchgeführt werden, wenn Dritte unvermeidbar mitbetroffen werden.

(4) § 100d Absatz 1 und 2 gilt entsprechend.

§ 46 Abs. 1 OWiG

Anwendung der Vorschriften über das Strafverfahren

(1) Für das Bußgeldverfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, sinngemäß die Vorschriften der allgemeinen Gesetze über das Strafverfahren, namentlich der Strafprozeßordnung, des Gerichtsverfassungsgesetzes und des Jugendgerichtsgesetzes.

[...]

Grundsätzlich begegnet die Anfertigung von Lichtbildern der betreffenden Fahrzeuge oder des betreffenden Umfeldes bei Parkverstößen durch die zuständigen Ordnungswidrigkeitenbehörden an sich keinen Einwänden. Dies gilt jedenfalls, soweit Lichtbilder von dem betreffenden Fahrzeug und der konkreten Verkehrssituation angefertigt werden, die zur Verfolgung des Vorwurfs erforderlich sind und dabei nicht gezielt etwa Personen oder Fahrzeuge erfasst werden, die mit der Verfolgung des Verkehrsverstoßes in keinerlei Zusammenhang stehen. Grundlegende datenschutzrechtliche Bedenken habe ich hingegen, soweit personenbezogene Inhalte der - gegebenenfalls zulässig angefertigten - Lichtbilder, welche zur Verfolgung des Parkverstoßes nicht erforderlich sind, nicht unkenntlich gemacht werden. Dazu zählen insbesondere Passanten im Hintergrund oder Kennzeichen anderer unbeteiligter Fahrzeuge. Bereits bei der Anfertigung der Lichtbilder ist darauf zu achten, solche überschießenden Datenerhebungen zu vermeiden. Gelingt dies im Einzelfall nicht, ist eine entsprechende Schwärzung von unbeteiligten Personen (Gesichter) und unbeteiligten Fahrzeugen (Kennzeichen) auf den Fotos erforderlich. Dabei ist die gebotene Schwärzung zur Sicherung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung so früh als möglich und damit nicht erst auf den eventuellen Ausdrucken der Fotos, sondern grundsätzlich bereits im elektronischen Bearbeitungssystem selbst durchzuführen.

Entscheidend ist damit auch, dass ein konkreter Vorwurf im Raum steht und anlassbezogen Bildaufnahmen getätigt werden. Unzulässig ist es hingegen, vorsorglich Bildaufnahmen herzustellen, wenn noch gar kein Verstoß - beispielweise vor Ablauf der bezahlten Parkzeit - im Raum steht.

Das Anfertigen von Lichtbildaufnahmen zur Feststellung und Dokumentation von Parkverstößen kann auch zusätzlich zu einer Zeugenaussage grundsätzlich als erforderlich angesehen werden. Die Lichtbilder sind als Augenscheinsobjekt im Bußgeldverfahren - auch vor Gericht - grundsätzlich verwertbar und stellen damit neben der Zeugenaussage der Beschäftigten der Verkehrsüberwachung ein weiteres Beweismittel dar, welches zudem von anderer Art (Augenschein statt Zeugenbeweis) und damit anderer Qualität ist.

Hinsichtlich des technisch-organisatorischen Verfahrens der Erstellung und Speicherung der Fotos sind dem Stand der Technik entsprechende Maßnahmen zur Sicherstellung von Datenschutz und Datensicherheit zu treffen, die insbesondere die Vertraulichkeit und die Unversehrtheit der Daten gewährleisten.

2.2.2. Bildaufnahmen zur Feststellung von Geschwindigkeits- und Abstandsverstößen

Im fließenden Verkehr kommen zur Feststellung von Verstößen gegen Geschwindigkeitsbeschränkungen oder Regeln zum Mindestabstand neben Bildaufnahmen - wie dem Messfoto bei einer Radarmessung - auch videogestützte Messungen in Betracht. Dabei werden neben dem Kfz-Kennzeichen im Fahrgastraum befindliche Personen - insbesondere die Fahrerin oder der Fahrer - aufgenommen, also personenbezogene Daten verarbeitet. Rechtsgrundlage für die Anfertigung solcher Aufnahmen - sowohl von statischen Lichtbildern als auch von Videos - ist § 100h Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 StPO in Verbindung mit § 46 Abs. 1 OWiG.

Das Bundesverfassungsgericht hat bereits 2009 festgestellt, dass eine videogestützte Verkehrskontrolle, bei der der gesamte Verkehr ohne konkreten Tatverdacht überwacht wird, unzulässig ist. Es liege insofern ein Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung vor, der einer gesetzlichen Grundlage bedürfe. Ein Jahr später hat das Bundesverfassungsgericht bestätigt, dass § 100h Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StPO als Rechtsgrundlage für die Anfertigung von Bildaufnahmen zum Beweis von Verkehrsverstoßen herangezogen werden könne. Die Erhebung personenbezogener Daten dürfe sich jedoch nur auf die das Fahrzeug führende Personen richten, die selbst Anlass zur Anfertigung von Bildaufnahmen gegeben hätten, bei denen also der Verdacht eines bußgeldbewehrten Verkehrsverstoßes bestehe.

Wird ein Geschwindigkeitsverstoß mittels Lasermessung festgestellt, so erfolgt in der Regel keine Bildaufnahme. Dies ist auch nicht erforderlich, da der Fahrzeugführer anschließend unmittelbar angehalten wird und seine personenbezogenen Daten zur weiteren Verfolgung und Ahndung des Verstoßes erhoben werden können. Es bedarf demnach keiner weiteren Identifizierung mittels Lichtbildaufnahme der Person, die den Verstoß zu verantworten hat.

2.3. Ermittlung der Fahrzeughalterin oder des Fahrzeughalters

Sowohl Verstöße im ruhenden Verkehr als auch Verstöße im fließenden Verkehr können es erforderlich machen, die jeweilige Fahrzeughalterin oder den jeweiligen Fahrzeughalter zu ermitteln. Diese müssen nicht immer Eigentümerin oder Eigentümer des Kraftfahrzeugs sein. Auch im Falle eines Leasingvertrages ist meist die Leasingnehmerin oder der Leasingnehmer - obwohl nicht Eigentümerin oder Eigentümer - Halterin oder Halter des Kraftfahrzeugs. Halterin oder Halter ist in der Regel diejenige Person, die bei der Zulassungsstelle als Halter(in) vermerkt und in der Zulassungsbescheinigung Teil II (früher Fahrzeugbrief) eingetragen ist.

Für das Verhalten des Fahrzeugs im Verkehr ist zwar in erster Linie die das Fahrzeug führende Person verantwortlich, die Halterin oder den Halter trifft aber eine Mitverantwortung unter anderem für die Auswahl und unter Umständen auch für die Überwachung der Fahrzeugführerin oder des Fahrzeugführers. Dies gilt auch dann, wenn die Halterin oder der Halter selbst nicht am Verkehr teilnimmt.

Die Fahrzeughalterin oder der Fahrzeughalter wird in der Regel mittels einer Abfrage des Kfz-Kennzeichens beim Kraftfahrtbundesamt ermittelt. Auf die Angabe des Kfz-Kennzeichens hin übermittelt das Kraftfahrtbundesamt die für eine Kontaktaufnahme erforderlichen personenbezogenen Daten. Rechtsgrundlage für die Anfrage beim Kraftfahrtbundesamt und damit für eine Erhebung personenbezogener Daten durch die für die Ahndung der jeweiligen Verkehrsordnungswidrigkeit zuständige Verwaltungsbehörde ist die sogenannte Ermittlungsgeneralklausel in § 161 Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 46 Abs. 1 und 2 OWiG. Eine Übermittlungsbefugnis für das Kraftfahrtbundesamt ergibt sich aus § 35 Abs. 1 Nr. 3 StVG. Danach ist eine Übermittlung an Behörden zulässig, wenn dies zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten erforderlich ist.

§ 161 StPO

Allgemeine Ermittlungsbefugnis der Staatsanwaltschaft

(1) 1Zu dem in § 160 Abs. 1 bis 3 bezeichneten Zweck ist die Staatsanwaltschaft befugt, von allen Behörden Auskunft zu verlangen und Ermittlungen jeder Art entweder selbst vorzunehmen oder durch die Behörden und Beamten des Polizeidienstes vornehmen zu lassen, soweit nicht andere gesetzliche Vorschriften ihre Befugnisse besonders regeln. 2Die Behörden und Beamten des Polizeidienstes sind verpflichtet, dem Ersuchen oder Auftrag der Staatsanwaltschaft zu genügen, und in diesem Falle befugt, von allen Behörden Auskunft zu verlangen.

[...]

§ 46 OWiG

Anwendung der Vorschriften über das Strafverfahren

(1) Für das Bußgeldverfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, sinngemäß die Vorschriften der allgemeinen Gesetze über das Strafverfahren, namentlich der Strafprozeßordnung, des Gerichtsverfassungsgesetzes und des Jugendgerichtsgesetzes.

(2) Die Verfolgungsbehörde hat, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, im Bußgeldverfahren dieselben Rechte und Pflichten wie die Staatsanwaltschaft bei der Verfolgung von Straftaten.

[...]

§ 35 Abs. 1 StVG

Übermittlung von Fahrzeugdaten und Halterdaten

(1) Die nach § 33 Absatz 1 gespeicherten Fahrzeugdaten und Halterdaten dürfen an Behörden und sonstige öffentliche Stellen im Geltungsbereich dieses Gesetzes sowie im Rahmen einer internetbasierten Zulassung an Personen im Sinne des § 6g Absatz 3 zur Erfüllung der Aufgaben der Zulassungsbehörde, des Kraftfahrt-Bundesamtes oder der Aufgaben des Empfängers nur übermittelt werden, wenn dies für die Zwecke nach § 32 Absatz 2 jeweils erforderlich ist

[...]

  1. zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten,

[...]

Eine solche Abfrage der Fahrzeughalterin oder des Fahrzeughalters erachte ich grundsätzlich dann als nicht erforderlich, wenn die Fahrzeugführerin oder der Fahrzeugführer an Ort und Stelle bereits identifiziert ist, wie beispielsweise im Falle einer Lasermessung (siehe Nr. 2.2.2). Es ist dabei in der Regel unerheblich, ob die das Fahrzeug führende Person auch Fahrzeughalterin oder Fahrzeughalter ist. Die oder der Verantwortliche ist dann bereits ermittelt und der Verstoß kann gegebenenfalls geahndet werden.

Auch im ruhenden Verkehr ist eine Anforderung der personenbezogenen Daten der Fahrzeughalterin oder des Fahrzeughalters beim Kraftfahrtbundesamt zur Verfolgung und Ahndung einer Verkehrsordnungswidrigkeit nicht stets erforderlich. Eine von mir durchgeführte datenschutzrechtliche Prüfung bei Gemeinden und Zweckverbänden betreffend den Datenschutz bei der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten im ruhenden Verkehr (siehe mein 29. Tätigkeitsbericht 2019 unter Nr. 4.5) kam zu dem Ergebnis, dass personenbezogene Daten von Kraftfahrzeughalterinnen und Kraftfahrzeughaltern zu oft abgerufen wurden. So kam es bereits routinemäßig zu einem automatisierten Abruf der Halterinnen- oder Halterdaten beim Kraftfahrtbundesamt, wenn wegen eines Parkverstoßes eine Verwarnung erteilt wurde. Aus datenschutzrechtlicher Sicht ist eine solche Datenerhebung noch vor Ablauf der im Ordnungswidrigkeitengesetz eingeräumten einwöchigen Zahlungsfrist nicht erforderlich. Wird das Verwarnungsgeld fristgerecht bezahlt, ist eine Erhebung der Halterinnen- oder Halterdaten zum falschgeparkten Kraftfahrzeug entbehrlich. Erst nach erfolgslosem Ablauf der Zahlungsfrist oder für den Fall, dass aus technischen Gründen kein Verwarnungszettel angebracht oder ausgestellt werden kann, ist für die Kontaktaufnahme ein Abruf der Halterinnen oder Halterdaten beim Kraftfahrtbundesamt erforderlich.

Ich konnte erreichen, dass die verwendeten Softwareprogramme so umprogrammiert wurden, dass erst nach erfolglosem Ablauf der Zahlungsfrist eine automatisierte Abfrage der Halterinnen- oder Halterdaten beim Kraftfahrtbundesamt erfolgt. Als datenschutzrechtlich zulässig erachte ich hingegen die Möglichkeit eines manuellen Abrufs der Halterdaten für den Fall, dass aus technischen Gründen kein Strafzettel ausgestellt oder angebracht werden kann, so dass der Halter direkt angeschrieben werden muss.

2.4. Ermittlung der Fahrzeugführerin oder des Fahrzeugführers

Die für einen Verkehrsverstoß mit einem Kraftfahrzeug verantwortliche Person ist nicht immer dessen Halterin oder Halter. Beispielsweise kann es sich um einen Firmenwagen handeln, oder ein Familienmitglied ist mit dem Kraftfahrzeug gefahren.

Im Falle von Verstößen gegen die Geschwindigkeitsbeschränkungen und Vorgaben zum Mindestabstand ist es zur Verfolgung und Ahndung erforderlich, die jeweiligen Fahrzeugführerin oder den jeweiligen Fahrzeugführer zu ermitteln. In den Fällen einer Lasermessung ist diese Person in der Regel bereits identifiziert (siehe Nr. 2.2.2).

2.4.1. Anhörungs- und Zeugenfragebogen

Ist eine Feststellung der Person erforderlich, die den Verstoß im fließenden Verkehr begangen hat, erhält die Fahrzeughalterin oder der Fahrzeughalter entweder einen sogenannten Anhörungsbogen oder einen Zeugenfragebogen.

Nimmt die Verwaltungsbehörde in Anbetracht der vom Kraftfahrtbundesamt übermittelten Daten (siehe Nr. 2.3) an, dass auf einem Lichtbild oder Video die Halterin oder der Halter selbst als fahrzeugführende Person zu sehen ist (etwa weil das Geschlecht und ungefähre Alter übereinstimmen), versendet sie einen sogenannten Anhörungsbogen an die Fahrzeughalterin oder den Fahrzeughalter. Rechtsgrundlage hierfür ist § 55 OWiG. Sie oder er erhält damit den Status einer oder eines Betroffenen im Ordnungswidrigkeitenverfahren.

§ 55 OWiG

Anhörung des Betroffenen

(1) § 163a Abs. 1 der Strafprozeßordnung ist mit der Einschränkung anzuwenden, daß es genügt, wenn dem Betroffenen Gelegenheit gegeben wird, sich zu der Beschuldigung zu äußern.

(2) 1Der Betroffene braucht nicht darauf hingewiesen zu werden, daß er auch schon vor seiner Vernehmung einen von ihm zu wählenden Verteidiger befragen kann. 2§ 136 Absatz 1 Satz 3 bis 5 der Strafprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

Verpflichtend hat in den Anhörungsbögen eine Belehrung zu erfolgen. Die oder der Betroffene, der oder dem eine Ordnungswidrigkeit zur Last gelegt wird, ist darüber zu belehren, dass es ihr oder ihm nach dem Gesetz freisteht, sich zur Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen (§ 46 Abs. 1 OWiG in Verbindung mit § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO). Lediglich zu den Angaben über ihre oder seine Person ist die oder der Betroffene verpflichtet (§ 111 OWiG).

§ 136 StPO

Erste Vernehmung

(1) [...] 2Er ist darauf hinzuweisen, daß es ihm nach dem Gesetz freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen und jederzeit, auch schon vor seiner Vernehmung, einen von ihm zu wählenden Verteidiger zu befragen. [...]

§ 111 OWiG

Falsche Namensangabe

(1) Ordnungswidrig handelt, wer einer zuständigen Behörde, einem zuständigen Amtsträger oder einem zuständigen Soldaten der Bundeswehr über seinen Vor-, Familien- oder Geburtsnamen, den Ort oder Tag seiner Geburt, seinen Familienstand, seinen Beruf, seinen Wohnort, seine Wohnung oder seine Staatsangehörigkeit eine unrichtige Angabe macht oder die Angabe verweigert.

(2) Ordnungswidrig handelt auch der Täter, der fahrlässig nicht erkennt, daß die Behörde, der Amtsträger oder der Soldat zuständig ist.

(3) Die Ordnungswidrigkeit kann, wenn die Handlung nicht nach anderen Vorschriften geahndet werden kann, in den Fällen des Absatzes 1 mit einer Geldbuße bis zu eintausend Euro, in den Fällen des Absatzes 2 mit einer Geldbuße bis zu fünfhundert Euro geahndet werden.

Bestehen dagegen bei einem Lichtbild oder einem Video Zweifel, dass die Halterin oder der Halter die fahrzeugführende Person ist (dies ist in der Regel der Fall, wenn Geschlecht oder ungefähres Alter nicht übereinstimmen), wird an die Fahrzeughalterin oder den Fahrzeughalter ein sogenannter Zeugenfragebogen versendet.

Ist die Fahrzeughalterin oder der Fahrzeughalter Zeugin oder Zeuge, weil sie oder er das Fahrzeug zum Zeitpunkt des Verstoßes nicht geführt hat, ist sie oder er grundsätzlich verpflichtet, wahrheitsgemäß anzugeben, wer das Kraftfahrzeug geführt hat (§ 46 Abs. 1, 2 OWiG in Verbindung mit § 161a Abs. 1 Satz 1 StPO).

Zeuginnen und Zeugen sind darüber zu belehren, dass sie die Antwort auf solche Fragen verweigern dürfen, durch deren wahrheitsgemäße Beantwortung sie sich selbst oder in § 52 Abs. 1 StPO bezeichnete Angehörige (Verlobte, Ehegatten, Lebenspartner, bestimmte verwandte und verschwägerte Personen) der Gefahr der Verfolgung wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit aussetzen würden (§ 46 Abs. 1 OWiG in Verbindung mit § 55 StPO). Liegt ein solcher (Ausnahme-)Fall vor, müssen keine Angaben zur Fahrzeugführerin oder zum Fahrzeugführer gemacht werden.

Erforderlich ist also eine Belehrung über das Zeugnisverweigerungs- (§ 46 Abs. 1 OWiG in Verbindung mit § 52 StPO) und das Auskunftsverweigerungsrecht (§ 46 Abs. 1 OWiG in Verbindung mit § 55 StPO).

§ 52 StPO

Zeugnisverweigerungsrecht der Angehörigen des Beschuldigten

(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt

  1. der Verlobte des Beschuldigten;
  2. der Ehegatte des Beschuldigten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;

2a. der Lebenspartner des Beschuldigten, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht;

  1. wer mit dem Beschuldigten in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war.

(2) 1Haben Minderjährige wegen mangelnder Verstandesreife oder haben Minderjährige oder Betreute wegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung von der Bedeutung des Zeugnisverweigerungsrechts keine genügende Vorstellung, so dürfen sie nur vernommen werden, wenn sie zur Aussage bereit sind und auch ihr gesetzlicher Vertreter der Vernehmung zustimmt. 2Ist der gesetzliche Vertreter selbst Beschuldigter, so kann er über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts nicht entscheiden; das gleiche gilt für den nicht beschuldigten Elternteil, wenn die gesetzliche Vertretung beiden Eltern zusteht.

(3) 1Die zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Personen, in den Fällen des Absatzes 2 auch deren zur Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts befugte Vertreter, sind vor jeder Vernehmung über ihr Recht zu belehren. 2Sie können den Verzicht auf dieses Recht auch während der Vernehmung widerrufen.

§ 55 StPO

Auskunftsverweigerungsrecht

(1) Jeder Zeuge kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihm selbst oder einem der in § 52 Abs. 1 bezeichneten Angehörigen die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.

(2) Der Zeuge ist über sein Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren.

Eine solche Belehrung sollte vorsichtshalber aber im Anhörungsbogen an die oder den Betroffenen - neben der Belehrung gemäß § 46 Abs. 1 OWiG in Verbindung mit § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO, sogenanntes Aussageverweigerungsrecht - aufgenommen werden, wenn dort die Möglichkeit vorgesehen ist, die tatsächliche Fahrerin oder den tatsächlichen Fahrer anzugeben. Ist die Empfängerin oder der Empfänger des Anhörungsbogens nämlich entgegen der Vermutung der Verwaltungsbehörde nicht die Fahrerin oder der Fahrer, so hat sie oder er die Rolle einer Zeugin oder eines Zeugen - und sollte als solche oder solcher nicht "unbelehrt" bleiben.

Sowohl auf dem Anhörungs- als auch dem Zeugenfragebogen ist regelmäßig ein "Blitzerfoto", abgebildet, damit die Fahrzeughalterin oder der Fahrzughalter entweder sich selbst erkennen oder die das Fahrzeug führende Person identifizieren kann. Im Rahmen der Ermittlung sind Bilder in der Form vorzulegen, dass unbeteiligte (insbesondere mitfahrende) Personen nicht zu erkennen sind.

In den vergangenen Jahren war ich schließlich mit mehreren Eingaben befasst, die sich gegen den Umfang der abgefragten Daten in Anhörungsbögen kommunaler Behörden wandten. So sollte insbesondere die Telefonnummer erhoben werden, die mit dem Hinweis auf die Sanktionierung nach § 111 OWiG als Pflichtangabe bezeichnet war. In einem Fall war zudem mit dem gleichen Hinweis nach dem "Wohnungsgeber" gefragt worden. Nach § 111 OWiG handelt ordnungswidrig, wer einer zuständigen Behörde über seinen Vor-, Familien- oder Geburtsnamen, den Ort oder Tag seiner Geburt, seinen Familienstand, seinen Beruf, seinen Wohnort, seine Wohnung oder seine Staatsangehörigkeit eine unrichtige Angabe macht oder die Angabe verweigert. Nicht aufgeführt in diesem Katalog sind die Telefonnummer sowie die Wohnungsgeberin oder der Wohnungsgeber.

Auf den von mir überprüften Anhörungsbögen fehlte nicht nur der Hinweis auf die Freiwilligkeit dieser Angaben. Im Gegenteil wurde durch den Hinweis auf § 111 OWiG gerade der Eindruck erweckt, dass die Verweigerung auch dieser Angaben bußgeldbewehrt sei. Die von mir geprüften Anhörungsbogenmuster wurden in der Folge neu gestaltet. Dabei wurden meiner Anregung entsprechend die Angabenblöcke "Pflichtangaben" und "freiwillige Angaben" geschaffen, räumlich getrennt und die Angabe "Telefonnummer" entsprechend korrekt zugeordnet. Der unklare Begriff "Wohnungsgeber" wurde durch "evtl. Hauptmieter" ersetzt.

2.4.2. Zulässigkeit eines Personalausweis- oder Passbildabgleichs

Richtet sich der Verdacht einer Verkehrsordnungswidrigkeit gegen die Fahrzeughalterin oder den Fahrzeughalter, so hat diese oder dieser regelmäßig einen Anhörungsbogen erhalten. Sendet sie oder er diesen nicht innerhalb einer angemessenen Frist zurück oder äußert sie oder er sich darin nicht zur Sache, halte ich den Abgleich eines aufgezeichneten Lichtbilds oder Videos mit dem Personalausweis- oder Passregister ohne weitere Zwischenschritte für zulässig. Die Halterin oder der Halter gibt in diesem Fall nämlich klar zu erkennen, dass sie oder er nicht bereit ist, an einer Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken.

Lassen die Umstände diese Annahme hingegen nicht zu, so ist entsprechend den im Folgenden dargestellten gesetzlichen Regelungen grundsätzlich zunächst zu versuchen, die benötigten Daten bei der Halterin oder dem Halter zu erheben. Äußert sich diese oder dieser beispielsweise dahingehend, dass sie oder er sich nicht mehr sicher sei, ob sie oder er selbst oder eine dritte Person gefahren sei, so ist sie oder er entweder aufzusuchen, vorzuladen oder um die Übersendung eines Lichtbildes ihrer oder seiner Person zu bitten.

Richtet sich der Verdacht gegen eine bestimmte andere Person wie beispielsweise gegen eine oder einen bestimmte(n) Beschäftigte(n) bei einem Firmenwagen oder einen Familienangehörigen der Fahrzeughalterin oder des Fahrzeughalters, so halte ich es ebenfalls in der Regel für unzulässig, ohne weitere Ermittlungsversuche bezüglich der bestimmten anderen Person einen Lichtbildabgleich mit dem Personalausweis- oder Passregister durchzuführen.

Die Erhebungsbefugnis für die Ordnungswidrigkeitenbehörde Daten - insbesondere Lichtbilder - von den Personalausweis- und Passbehörden anzufordern, ergibt sich aus § 161 Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 46 Abs. 1 und 2 OWiG

Gemäß § 24 Abs. 2 Personalausweisgesetz (PAuswG) sowie § 22 Abs. 2 Passgesetz (PassG) dürfen Personalausweis- oder Passbehörden anderen Behörden - und damit auch den Ordnungswidrigkeitenbehörden - auf deren Ersuchen Daten aus dem Personalausweis- oder Passregister (dazu zählen auch die Lichtbilder) nur übermitteln, wenn

  1. die ersuchende Behörde auf Grund von Gesetzen oder Rechtsverordnungen berechtigt ist, solche Daten zu erhalten,
  2. die ersuchende Behörde ohne Kenntnis der Daten nicht in der Lage wäre, eine ihr obliegende Aufgabe zu erfüllen und
  3. die Daten bei dem Betroffenen nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand erhoben werden können oder nach der Art der Aufgabe, zu deren Erfüllung die Daten erforderlich sind, von einer solchen Datenerhebung abgesehen werden muss.

Die Verantwortung für derartige Lichtbildübermittlungen trägt die ersuchende Behörde (vgl. § 24 Abs. 3 Satz 1 PAuswG, § 22 Abs. 3 Satz 1 PassG). Die ersuchende Behörde hat den Anlass des Ersuchens und die Herkunft der übermittelten Daten und Unterlagen aktenkundig zu machen (vgl. § 24 Abs. 3 Satz 3 PAuswG, § 22 Abs. 3 Satz 3 PassG).

§ 24 PAuswG

Verwendung im Personalausweisregister gespeicherter Daten

[...]

(3) Die ersuchende Behörde trägt die Verantwortung dafür, dass die Voraussetzungen des Abs. 2 vorliegen. Ein Ersuchen nach Abs. 2 darf nur von Bediensteten gestellt werden, die vom Behördenleiter dazu besonders ermächtigt sind. Die ersuchende Behörde hat den Anlass des Ersuchens und die Herkunft der übermittelten Daten und Unterlagen zu dokumentieren. Wird die Personalausweisbehörde vom Bundesamt für Verfassungsschutz, den Landesbehörden für Verfassungsschutz, dem Militärischen Abschirmdienst, dem Bundesnachrichtendienst, dem Bundeskriminalamt oder dem Generalbundesanwalt oder der Generalbundesanwältin um die Übermittlung von Daten ersucht, so hat die ersuchende Behörde den Familiennamen, die Vornamen und die Anschrift des Betroffenen unter Hinweis auf den Anlass der Übermittlung aufzuzeichnen. Die Aufzeichnungen sind gesondert aufzubewahren, durch technische und organisatorische Maßnahmen zu sichern und am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr der Übermittlung folgt, zu vernichten.

[...]

Aus datenschutzrechtlicher Sicht ist es daher erforderlich, dass die zuständige Sachbearbeiterin oder der zuständige Sachbearbeiter einen entsprechenden Aktenvermerk fertigt, der die Voraussetzungen für eine Lichtbildübermittlung dokumentiert und aus dem sich ergibt, dass ein ernsthafter Kontaktversuch unternommen worden ist.

Zu beachten ist, dass eine Lichtbildübermittlung aus dem Pass- beziehungsweise Personalausweisregister per E-Mail ohne die Anwendung entsprechender Verschlüsselungsverfahren datenschutzrechtlich nicht zulässig ist. Zwar kann eine Lichtbildübermittlung gemäß § 22 Abs. 2 PassG beziehungsweise § 24 Abs. 2 PAuswG nach den gesetzlichen Bestimmungen des § 22a Abs. 1 PassG und § 25 Abs. 1 PAuswG auch durch Datenübertragung erfolgen. Es gelten aber § 6a Abs. 1 Satz 3 PassG beziehungsweise § 12 Abs. 1 Satz 3 PAuswG entsprechend. Danach haben die beteiligten Stellen dem jeweiligen Stand der Technik entsprechende Maßnahmen zur Sicherstellung von Datenschutz und Datensicherheit zu treffen, die insbesondere die Vertraulichkeit und Unversehrtheit der Daten sowie die Feststellbarkeit der übermittelnden Stelle gewährleisten. Im Falle der Nutzung allgemein zugänglicher Netze sind Verschlüsselungsverfahren anzuwenden, die dem jeweiligen Stand der Technik entsprechen.

§ 12 PAuswG

Form und Verfahren der Datenerfassung, -prüfung und -übermittlung

(1) Die Datenübermittlung von den Personalausweisbehörden an den Ausweishersteller zum Zweck der Ausweisherstellung, insbesondere die Übermittlung sämtlicher Ausweisantragsdaten, erfolgt durch Datenübertragung. Die Datenübertragung kann auch über Vermittlungsstellen erfolgen. Die beteiligten Stellen haben dem jeweiligen Stand der Technik entsprechende Maßnahmen zur Sicherstellung von Datenschutz und Datensicherheit zu treffen, die insbesondere die Vertraulichkeit und Unversehrtheit der Daten sowie die Feststellbarkeit der übermittelnden Stelle gewährleisten; im Falle der Nutzung allgemein zugänglicher Netze sind Verschlüsselungsverfahren anzuwenden, die dem jeweiligen Stand der Technik entsprechen.

[...]

2.4.3. Recherche des Fahrzeugführers im familiären Umfeld

Ergibt sich im Rahmen eines Verfahrens wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit, dass der Verkehrsverstoß nicht durch die Halterin oder den Halter des Fahrzeugs begangen wurde, und macht sie oder er keine Angaben zur Fahrzeugführerin oder zum Fahrzeugführer, stellt sich die Frage, welche Person das Fahrzeug geführt hat. Oft liegt es nahe, dass Fahrzeugführerin oder Fahrzeugführer eine angehörige Person der Halterin oder des Halters ist. Daher kann als Ermittlungsansatz auch eine Abfrage von Meldedaten in Betracht kommen. Datenschutzrechtlich ist eine solche Vorgehensweise wie folgt zu beurteilen:

Eine Befugnis zur Recherche im familiären Umfeld und damit zur Erhebung personenbezogener Daten von Angehörigen besteht für die Ordnungswidrigkeitenbehörde aufgrund der sogenannten Ermittlungsgeneralklausel gemäß § 161 Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 46 Abs. 1 und 2 OWiG.

Die Übermittlungsbefugnis betreffend Meldedaten von Angehörigen durch die Meldebehörde an die Ordnungswidrigkeitenbehörde ergibt sich aus dem Bundesmeldegesetz und der Meldedatenverordnung. Dabei ist danach zu differenzieren, ob eine Abfrage durch die Ordnungswidrigkeitenbehörde im Wege einer automatisierten Abfrage oder einer manuellen Abfrage erfolgt. Bei einer automatisierten Abfrage hat die Ordnungswidrigkeitenbehörde Zugriff auf einen zentralen Meldedatenbestand, vgl. Art. 7 Bayerisches Gesetz zur Ausführung des Bundesmeldegesetzes (BayAGBMG). Erfolgt eine manuelle Abfrage, so wendet sich die Ordnungswidrigkeitenbehörde an die zuständige Meldebehörde.

Die Zulässigkeit der Übermittlung von Meldedaten richtet sich bei automatisierten Abfragen nach § 38 Bundesmeldegesetz (BMG), Art. 10 Nr. 6 BayAGBMG sowie § 1 und §§ 5, 6 Meldedatenverordnung (MeldDV). Polizeibehörden haben dabei - im Vergleich zu Gemeinden - einen über den in § 5 Abs. 1 und 2 MeldDV genannten Datenumfang hinausgehenden Zugriff auf Meldedaten (§ 6 MeldDV).

Erfolgt eine manuelle Anfrage an die zuständige Meldebehörde, darf diese nach § 34 BMG anderen Behörden bestimmte Daten aus dem Melderegister übermitteln, wenn dies zur Erfüllung der in ihrer Zuständigkeit oder der Zuständigkeit des Empfängers liegenden Aufgaben erforderlich ist.

Hat die Fahrzeughalterin oder der Fahrzeughalter im Rahmen einer Anhörung keine Angaben zu der das Fahrzeug führenden Person gemacht, halte ich die Abfrage und Übermittlung der Meldedaten von Angehörigen der Fahrzeughalterin oder des Fahrzeughalters grundsätzlich für zulässig. Sie muss jedoch auf die Abfrage sowie Übermittlung der Daten der Personen beschränkt werden, die tatsächlich als Fahrerin oder Fahrer in Betracht kommen.

Soweit eine Eingrenzung des in Betracht kommenden "Täterinnen- und Täterkreises" möglich ist, muss diese daher bereits in dem Auskunftsersuchen gegenüber der Meldebehörde erfolgen, um die Übermittlung nicht erforderlicher Daten zu vermeiden. Dies geschieht in der Praxis häufig dadurch, dass auf dem Formschreiben angekreuzt wird, auf welche Angehörigen (Ehepartner, Sohn, Tochter, Mutter, Vater) sich die Anfrage bezieht. Ein derart eingeschränktes Auskunftsersuchen halte ich grundsätzlich für zulässig.

Dies bedeutet ferner, dass beispielsweise Meldedaten von Kindern nicht übermittelt werden dürfen. Soweit anhand eines "Tatfotos" weitere Personen - beispielsweise aufgrund ihres Alters oder Geschlechts - als Fahrzeugführerin oder Fahrzeugführer ausgeschieden werden können, dürfen ihre Daten ebenfalls nicht übermittelt werden. Schließlich dürfen keine Meldedaten von Personen, hinsichtlich derer aus sonstigen Gründen keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie das Fahrzeug geführt haben, übermittelt werden.

2.5. Zustellung von Bußgeldbescheiden

Bußgeldbescheide sind gemäß § 51 Abs. 2 OWiG förmlich zuzustellen. In der Regel erfolgt diese Zustellung durch die Post mit Zustellungsurkunde (PZU) (§ 51 Abs. 1 OWiG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, Art. 3 Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz - VwZVG). Diese Art der Zustellung hat im Vergleich zur Zustellung mittels Einschreiben die Vorteile, dass der Zustellungsvorgang beurkundet wird und die Möglichkeit einer Zustellung durch Niederlegung besteht.

Bei der Zustellung mit PZU ist nach Art. 3 Abs. 2 Satz 3 VwZVG für den notwendigen verschlossenen Umschlag der Vordruck nach der Zustellungsvordruckverordnung (ZustVV) zu verwenden. Nach Anlage 2 zu § 1 Nr. 2 ZustVV ist das Aktenzeichen auf dem Umschlag anzugeben, wobei nach § 2 Abs. 2 ZustVV auch Umschläge mit Sichtfenster verwendet werden dürfen. Bei Verwendung von Sichtfenstern bedarf es der Angabe des Aktenzeichens auf dem Umschlag nicht zwingend (§ 2 Abs. 2 Satz 2 ZustVV; die Regelung geht offenbar davon aus, dass das Aktenzeichen dann auf dem Sichtfenster erscheint). Die Angabe des Aktenzeichens auf dem verschlossenen Umschlag (auf dem Umschlag an sich oder im Sichtfenster des Umschlages) dient zur beweiskräftigen Identifizierung und späteren Zuordnung der im Umschlag einliegenden Briefsendung zur Zustellungsurkunde.

Angesichts der gesetzlichen Vorgaben der Zustellungsvordruckverordnung und der Notwendigkeit, die Zustellung und Zuordnung des konkreten innenliegenden Schriftstücks nachzuweisen, bestehen gegen die sichtbare Angabe des Aktenzeichens auf dem Umschlag oder im Sichtfenster keine datenschutzrechtlichen Bedenken.

Weiterhin ist nach Anlage 2 zu § 1 Nr. 2 ZustVV der Absender auf dem Umschlag anzugeben. § 21 Abs. 1 Allgemeine Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaates Bayern bestimmt ebenfalls, dass dienstliche Dokumente Angaben über ihren Absender enthalten müssen, wozu auch die Behördenbezeichnung zählt. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass der Empfänger des Schreibens ohne jeden Zweifel erkennen kann, dass es sich um ein amtliches Schriftstück handelt und aus welchem Geschäftsbereich dieses stammt. Dies gilt umso mehr, wenn mit der Zustellung des Schriftstücks Rechtsbehelfsfristen in Lauf gesetzt werden.

Vereinzelt erreichen mich Beschwerden, wonach sich die betroffenen Personen gegen die Angabe "Bayerisches Polizeiverwaltungsamt - Zentrale Bußgeldstelle" auf den Briefumschlägen wenden. Die Angabe "Bayerisches Polizeiverwaltungsamt - Zentrale Bußgeldstelle" ist ein feststehender Behördenbegriff und dient der genauen Bezeichnung der für den Erlass des Bußgeldbescheids verantwortlichen Behörde beziehungsweise Abteilung. Denn die behördeninterne Zuständigkeit für den Erlass von Bußgeldbescheiden sowie die Durchführung des Bußgeldverfahrens obliegt regelmäßig der Abteilung III des Bayerischen Polizeiverwaltungsamts (PVA), mithin der Zentralen Bußgeldstelle (ZBS) in Viechtach. Diese Abteilung tritt nach außen ausdrücklich als ZBS auf, um sich bewusst von der Abteilung II (Zentrale Verkehrsordnungswidrigkeitenstelle - Zentrale VOWi-Stelle) des PVA abzugrenzen. Um Verwechslungen mit eben dieser Abteilung zu vermeiden, insbesondere bei Einspruchseinlegung gegen einen Bußgeldbescheid, mit dessen Erlass der Zuständigkeitswechsel einhergeht, ist der Behördenzusatz erforderlich. Vor diesem Hintergrund bestehen daher auch gegen die zusätzliche Angabe der ZBS auf dem Briefumschlag keine datenschutzrechtlichen Einwände.

Schließlich ist auch die ausdrückliche Bezeichnung der Zustellung als "Förmliche Zustellung" auf dem Briefumschlag nicht zu beanstanden, da diese Bezeichnung ebenfalls vom Vordruck der Anlage 2 zu § 1 Nr. 2 ZustVV gefordert wird. Mit dieser ausdrücklichen Bezeichnung soll die gesetzlich vorgeschriebene Zustellung als solche nochmals eigens hervorgehoben und auf einen möglicherweise damit einhergehenden Fristenlauf hingewiesen werden.

2.6. Speicherung und Speicherfristen

2.6.1. Speicherung von Personen- und Vorgangsdaten desOrdnungwidrigkeitenverfahrens

Die Ordnungswidrigkeitenbehörden dürfen Personen- und Vorgangsdaten in Dateien verarbeiten, insbesondere speichern, soweit dies zum Zwecke des laufenden Verfahrens, zum Zwecke der künftigen Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten und zum Zwecke der Vorgangsverwaltung erforderlich ist.

Für Zwecke des laufenden Verfahrens sind die gespeicherten personen- und vorgangsbezogenen Daten mit der Erledigung des Ordnungswidrigkeitenverfahrens zu löschen, soweit ihre Speicherung nicht zum Zwecke der künftigen Verfolgung und zum Zwecke der Vorgangsverwaltung zulässig ist, vgl. § 489 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StPO in Verbindung mit § 49c Abs. 1 OWiG.

Zum Zwecke der künftigen Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten dürfen insbesondere die Personendaten der betroffenen Person, die zuständige Stelle und das Aktenzeichen sowie die nähere Bezeichnung der Verkehrsordnungswidrigkeit gespeichert werden. Nach festgesetzten Fristen ist zu prüfen, ob die gespeicherten Daten zu löschen sind. Diese Prüffristen betragen gem. § 49c Abs. 5 OWiG bei zum Tatzeitpunkt volljährigen Personen, gegenüber denen eine Geldbuße von mehr als 250 Euro ausgesprochen wurde, fünf Jahre und in allen übrigen Fällen zwei Jahre.

Für zum Zwecke der Vorgangsverwaltung gespeicherte personen- und vorgangsbezogene Daten sind zu löschen, sobald ihre Kenntnis zu diesem Zweck nicht mehr erforderlich ist, vgl. § 489 Abs. 1 Nr. 3 StPO in Verbindung mit § 49c Abs. 1 OWiG

Neben der Speicherung von Personen- und Vorgangsdaten in Dateien ist die Aufbewahrungsdauer von Schriftgut, wie beispielsweise (elektronischen) Akten, zu berücksichtigen.

Die konkret in Betracht kommenden Aufbewahrungsfristen richten sich nach verschiedenen Faktoren, wie beispielsweise der Art und Höhe der Ahndung.

2.6.2. Speicherung von Fahrverboten

Eine Speicherung von Fahrverboten erfolgt durch das Kraftfahrtbundesamt im sogenannten Fahreignungsregister, vgl. §§ 28 ff. StVG. Die Speicherdauer richtet sich hier nach der sogenannten Fristen für die Tilgung, vgl. § 29 StVG.

Neben einer Speicherung im Fahreignungsregister kommt auch eine Speicherung in den örtlichen Fahrerlaubnisregistern bei den Fahrerlaubnisbehörden in Betracht, vgl. § 50 Abs. 2 StVG.

2.7. Informationspflichten und Betroffenenrechte

2.7.1. Regelungsgefüge

Die obigen Ausführungen legen dar, dass eine Erhebung personenbezogener Daten entweder direkt bei der betroffenen Person oder etwa beim Kraftfahrtbundesamt, beim Fahrzeughalter oder den Meldebehörden stattfindet. Grundsätzlich löst die Erhebung personenbezogener Daten Informationspflichten nach Art. 13 und 14 DSGVO aus. Im Falle der Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten besteht allerdings eine rechtliche Besonderheit.

Neben der Datenschutz-Grundverordnung haben das Europäische Parlament und der Rat auch die Datenschutz-Richtlinie für Polizei und Strafjustiz erlassen. Diese Richtlinie enthält besondere Regelungen für die Verarbeitung personenbezogener Daten in den Bereichen der Strafverfolgung und -vollstreckung sowie der polizeilichen Gefahrenabwehr. In den Anwendungsbereich fällt aber auch die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten. Im Unterschied zur Datenschutz-Grundverordnung muss die Datenschutz-Richtlinie für Polizei und Strafjustiz in nationales Recht umgesetzt werden; unmittelbare Wirkungen im Verhältnis zwischen den betroffenen Personen und den öffentlichen Stellen kann sie grundsätzlich nicht entfalten.

Der bayerische Gesetzgeber hat für die Umsetzung der Datenschutz-Richtlinie für Polizei und Strafjustiz im BayDSG eine auf den ersten Blick ungewöhnliche Regelungslösung gewählt: Er hat die Geltung der Datenschutz-Grundverordnung auch für diesen Bereich angeordnet (Art. 2 Satz 1 BayDSG). In Teil 2 Kapitel 8 des Bayerischen Datenschutzgesetzes (Art. 28 ff. BayDSG) hat er dessen Regelungsgefüge dann für die Strafverfolgung und -vollstreckung sowie die polizeiliche Gefahrenabwehr, Ordnungswidrigkeitenverfolgung und -ahndung näher ausgestaltet.

Art. 28 Abs. 1 Satz 1 BayDSG nennt die Behörden, für die die Art. 28 ff. BayDSG gelten: Polizei, Gerichte in Strafsachen, Staatsanwaltschaften, Strafvollstreckungs- und Justizvollzugsbehörden sowie Behörden des Maßregelvollzugs. Darüber hinaus sind nach Art. 28 Abs. 1 Satz 2 BayDSG Behörden erfasst, die personenbezogene Daten verarbeiten, um Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten zu verfolgen oder zu ahnden. Art. 28 Abs. 2 BayDSG regelt, welche Vorschriften der Datenschutz-Grundverordnung anzuwenden sind, während Art. 28 Abs. 3 BayDSG einzelne Bestimmungen in Teil 2 Kapitel 1 bis 7 des Bayerischen Datenschutzgesetzes von einer Anwendung ausschließt und damit Ausnahmen zum Grundsatz des Art. 2 Satz 1 BayDSG festlegt. In Art. 29 bis 37 BayDSG finden sich ergänzende und modifizierende Vorschriften zu einzelnen Regelungsgegenständen.

Aus dem eben dargelegten Regelungsgefüge folgt, dass sowohl die Informationspflichten der Art. 13 und 14 DSGVO als auch die Betroffenenrechte gemäß Art. 15 ff. DSGVO nicht für den Bereich der Ordnungswidrigkeitenverfolgung und -ahndung gelten, vgl. Art. 28 Abs. 2 und 3 BayDSG. So findet sich in Art. 28 Abs. 2 BayDSG keine Verweisung auf Kapitel III der Datenschutz-Grundverordnung, wodurch die Art. 12 bis 23 DSGVO insgesamt von einer Anwendung ausgenommen sind. In Art. 28 Abs. 3 Nr. 2 BayDSG wird Teil 2 Kapitel 3 des Bayerischen Datenschutzgesetzes - Rechte der betroffenen Person - ebenfalls vollumfänglich ausgeschlossen. Hintergrund ist, dass die Informationspflichten sowie die Betroffenenrechte, deren Gewährleistung auch die Datenschutz-Richtlinie für Polizei und Strafjustiz fordert (Art. 12 ff. RLDSJ), in den jeweiligen Fachgesetzen geregelt sind. Damit möchte der Gesetzgeber den Bedürfnissen der jeweiligen fachspezifischen Rechtsmaterien besser gerecht werden.

Für den Bereich der Ordnungswidrigkeitenverfahren hat der Bundesgesetzgeber § 500 StPO geschaffen. Dieser ist über die Verweisung in § 46 Abs. 1 OWiG auch im Ordnungswidrigkeitenverfahren anwendbar.

Konsequenterweise müssen über die Verweisung nach § 500 Abs. 1 StPO in Ordnungswidrigkeitenverfahren neben der Strafprozessordnung (welche über § 46 Abs. 1 OWiG Anwendung findet) auch die §§ 45 ff. Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) beachtet werden. Dies gilt allerdings nur, soweit die Strafprozessordnung nicht etwas anderes bestimmt, vgl. § 500 Abs. 2 Nr. 1 StPO.

2.7.2. Informationspflichten

§ 55 BDSG, welcher zu Teil 3 des Bundesdatenschutzgesetzes (§§ 45 bis 84 BDSG) gehört, regelt ausdrücklich die Informationspflichten. Diese gelten über die Verweisungskette des § 46 Abs. 1 OWiG in Verbindung mit § 500 Abs. 1 StPO auch im Ordnungswidrigkeitenverfahren.

Zur Umsetzung der Informationspflichten in der Praxis weise ich auf meine entsprechende Orientierungshilfe hin. Die Empfehlungen können auch dann herangezogen werden, wenn § 55 BDSG eine verschlankte Art und Weise der Information im Gegensatz zu Art. 13 und 14 DSGVO verlangt. § 55 BDSG lautet:

§ 55 BDSG

Allgemeine Informationen zu Datenverarbeitungen

Der Verantwortliche hat in allgemeiner Form und für jedermann zugänglich Informationen zur Verfügung zu stellen über

  1. die Zwecke der von ihm vorgenommenen Verarbeitungen,
  2. die im Hinblick auf die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten bestehenden Rechte der betroffenen Personen auf Auskunft, Berichtigung, Löschung und Einschränkung der Verarbeitung,
  3. den Namen und die Kontaktdaten des Verantwortlichen und der oder des Datenschutzbeauftragten,
  4. das Recht, die Bundesbeauftragte oder den Bundesbeauftragten anzurufen, und
  5. die Erreichbarkeit der oder des Bundesbeauftragten.

2.7.3. Betroffenenrechte

Über die Verweisung des § 500 Abs. 1 StPO in Teil 3 des Bundesdatenschutzgesetzes sind auch die Regelungen der §§ 56 ff. BDSG über die Rechte der betroffenen Person im Grundsatz anwendbar. Im Gegensatz zu § 55 BDSG - Informationspflichten - wird diesen Betroffenenrechten nur eine untergeordnete Bedeutung in der Praxis zukommen. Denn es ist zu berücksichtigen, dass die §§ 56 ff. BDSG nur dann zur Anwendung gelangen, soweit das Ordnungswidrigkeitengesetz sowie die Strafprozessordnung nicht selbst bereits ausdrücklich Betroffenenrechte vorsehen, vgl. § 46 Abs. 1 OWiG und § 500 Abs. 2 Nr. 1 StPO.

Insoweit ist im Ordnungswidrigkeitenverfahren hinsichtlich der Betroffenenrechte zunächst zu prüfen, ob das Ordnungswidrigkeitengesetz selbst Betroffenenrechte vorsieht. Ist dies nicht der Fall, ist zu prüfen, ob die Betroffenenrechte in der Strafprozessordnung einschlägig sind, welche über § 46 Abs. 1 OWiG auch im Ordnungswidrigkeitenverfahren anwendbar sind. Ist auch in der Strafprozessordnung kein Recht vorhanden, so ist zu prüfen, ob über die Verweisung des § 500 Abs. 1 StPO die §§ 56 ff. BDSG angewendet werden können.

Neben den Betroffenenrechen besteht für die betroffene Person auch ein Akteneinsichtsrecht (§ 49 OWiG).

§ 49 OWiG

Akteneinsicht des Betroffenen und der Verwaltungsbehörde

(1) 1Die Verwaltungsbehörde gewährt dem Betroffenen auf Antrag Einsicht in die Akten, soweit der Untersuchungszweck, auch in einem anderen Straf- oder Bußgeldverfahren, nicht gefährdet werden kann und nicht überwiegende schutzwürdige Interessen Dritter entgegenstehen. 2Werden die Akten nicht elektronisch geführt, können an Stelle der Einsichtnahme in die Akten Kopien aus den Akten übermittelt werden.

(2) 1Ist die Staatsanwaltschaft Verfolgungsbehörde, so ist die sonst zuständige Verwaltungsbehörde befugt, die Akten, die dem Gericht vorliegen oder im gerichtlichen Verfahren vorzulegen wären, einzusehen sowie sichergestellte und beschlagnahmte Gegenstände zu besichtigen. 2Akten, die in Papierform geführt werden, werden der Verwaltungsbehörde auf Antrag zur Einsichtnahme übersandt.

  1. Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 29. Oktober 2019, 202 ObOWi 1600/19, BeckRS 2019, 31169 (gekürzt). [Zurück]
  2. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 11. August 2009, 2 BvR 941/08, BeckRS 2009, 37658. [Zurück]
  3. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 5. Juli 2010, 2 BvR 759/10, BeckRS 2010, 50877. [Zurück]
  4. COVID-19-Pandemie: Das Innenministerium ist an mich herangetreten und hat darum gebeten, während der COVID-19-Pandemie und den geltenden Kontaktbeschränkungen gerade von den persönlichen Nachschauen bei den betroffenen Personen oder auch den Halterinnen und Haltern Abstand nehmen zu dürfen, um Kontakte zu vermeiden beziehungsweise zu verringern und damit die Gefährdung sowohl der betroffenen Personen als auch des Personals zu minimieren. Vor dem Hintergrund des Infektionsgeschehens sei eine Datenerhebung bei den betroffenen Personen nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand im Sinne der § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 PAuswG und § 22 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 PassG möglich. Hiergegen habe ich nach Abwägung der Interessen – Infektions-, Gesundheits- und Datenschutz – unter der Prämisse zeitlicher Befristungen und jeweils neuer Prüfung der aktuell vorherrschenden Pandemielage keine Einwände erhoben. [Zurück]
  5. Vgl. insoweit die vorige Fußnote. [Zurück]
  6. Eingeführt durch Gesetz vom 20. November 2019 (BGBl. I S. 1724), in Kraft seit dem 26. November 2019. [Zurück]
  7. Bayerischer Landesbeauftragter für den Datenschutz, Informationspflichten des Verantwortliche, Stand 11/2028, Internet: https://www.datenschutz-bayern.de, Rubrik „Orientierungs- und Praxishilfen – Informationspflichten“. [Zurück]