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Der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz; Stand: 18.12.1998

5. Polizei

5.1. Schwerpunkte

Schwerpunkte meiner Tätigkeit im Polizeibereich waren

  • allgemeine Kontrolle von Dateien und Karteien, insbesondere des Kriminalaktennachweises (KAN), der Datei polizeiliche Sachbearbeitung/Vorgangsverwaltung-Verbrechensbekämpfung (PSV), des Schengener Informationssystems (SIS), der Staatsschutzdatei Bayern (SDBY) sowie von Dateien zur Gefahrenabwehr und Strafverfolgung (sog. GAST-Dateien)
  • Überprüfung von Errichtungsanordnungen für polizeiliche Dateien (Personen- und Fall-Auskunftsdatei - PFAD, System zur Verknüpfung von Gewaltverbrechen - VICLAS, Arbeitsdatei "Rauschgift", Datei "Pkw-Aufbrüche/Einbruchdiebstähle", sowie verschiedene GAST-Dateien)
  • Kontrolle von Datenerhebungsmaßnahmen
  • Kontrolle von Datenübermittlungen
  • Kontrolle von Abfragen polizeilicher Informationssysteme
  • Kontrolle der Auskunftserteilung an Betroffene über Speicherungen in Dateien
  • Mitwirkung an Gesetzen und Richtlinien
  • Mitwirkung im Arbeitskreis Sicherheit
  • sonstige Bürgereingaben

Ein- und mehrtägige Prüfungen habe ich beim Bayerischen Landeskriminalamt, verschiedenen Polizeipräsidien, Polizei- und Kriminalpolizeidirektionen und deren nachgeordneten Dienststellen vorgenommen.

5.2. Ergebnis meiner Prüfungen und Bewertung von Grundsatzthemen

Bei meinen Prüfungen und aufgrund von Bürgereingaben habe ich festgestellt, daß datenschutzrechtliche Verstöße bei der bayerischen Polizei z.T. auf Fehlleistungen einzelner Bediensteter beruhen, aber auch auf systemimmanente Mängel zurückzuführen sind. Die wesentlichen Fehler und Mängel führe ich in nachstehender Darstellung auf. Diese Feststellungen wären aber ohne den Hinweis unvollständig, daß unsere Prüfungen in weiten Bereichen auch keine datenschutzrechtlichen Mängel ergeben haben.

5.3. Allgemeine Kontrolle von Dateien und Karteien

5.3.1. Kriminalaktennachweis (KAN)

Der Kriminalaktennachweis der Bayerischen Polizei (KAN) ist ein landesweites polizeiliches elektronisches Informationssystem und wesentlicher Bestandteil des Dateiensystems "Personen- und Fall-Auskunftsdatei-Bayern" (PFAD). Sein Hauptzweck ist die Erteilung einer aktuellen Kurzauskunft über die in Kriminalakten enthaltenen Unterlagen zu Straftaten, schwerwiegenden Ordnungswidrigkeiten sowie über Unterlagen und Hinweise, die der Gefahrenabwehr oder vorbeugenden Kriminalitätsbekämpfung dienen. Zugangs- bzw. abfrageberechtigt sind in der Regel alle bayerischen Polizeivollzugsbeamten sowie Angestellte der Polizei, wenn diesen bestimmte Aufgaben besonders übertragen wurden. Der Zugriff wird aufgaben- und funktionsbezogen im Rahmen eines Ebenen- und Zugriffsschutzkonzepts durch abgestufte Berechtigungen festgelegt.

Die Rechtsgrundlage für die Speicherung personenbezogener Daten im Kriminalaktennachweis (KAN) ist Art. 38 Polizeiaufgabengesetz (PAG). Nach dieser Vorschrift kann die Polizei personenbezogene Daten in Dateien speichern, verändern und nutzen, soweit dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben, zu einer zeitlich befristeten Dokumentation oder zur Vorgangsverwaltung erforderlich ist. Sie kann insbesondere personenbezogene Daten, die sie im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungsverfahren oder von Personen gewonnen hat, die verdächtig sind, eine Straftat begangen zu haben, speichern, verändern und nutzen, "soweit dies zur Gefahrenabwehr, insbesondere zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erforderlich ist. Entfällt der der Speicherung zugrundeliegende Verdacht, sind die Daten zu löschen."

Im Oktober 1997 wurde der Öffentlichkeit wie auch mir durch einen Pressebericht bekannt, daß personenbezogene Daten auf unzulässige Weise durch die Polizei an die Presse übermittelt worden waren. Wie sich herausstellte, war die weitere Speicherung dieser Daten unzulässig, weil der Tatverdacht gegen die betroffene Person entfallen war und dies der Polizei von der Staatsanwaltschaft auch mitgeteilt worden war. Die vorgeschriebene Löschung war jedoch unterblieben. Dies habe ich beanstandet.

Dem Pressebericht war auch zu entnehmen, daß im Kriminalaktennachweis der Bayerischen Polizei 800.000 Personen gespeichert sein sollen.

Den Sachverhalt und die m.E. sehr hohe berichtete Anzahl der Personendatensätze im bayerischen KAN habe ich zum Anlaß genommen, eine Querschnittsprüfung der Speicherpraxis der bayerischen Polizei im Kriminalaktennachweis vorzunehmen. Gleichzeitig habe ich die Anzahl der Personendatensätze in vergleichbaren polizeilichen Informationssystemen der anderen deutschen Länder und des Bundes erhoben.

Ziel meiner Prüfung war es, festzustellen, ob das System der Speicherung personenbezogener Daten und deren Überprüfung nach Abschluß des strafrechtlichen Verfahrens datenschutzgerechte Ergebnisse gewährleistet, insbesondere sicherstellt, daß die gesetzlichen Speichervoraussetzungen vorliegen. Schwerpunkt meiner Prüfung war, ob der für die Speicherung erforderliche Tatverdacht nach Verfahrenseinstellung gem. § 170 Abs. 2 StPO fortbestand und ob die Polizei von der Staatsanwaltschaft bei Wegfall des Tatverdachts entsprechend unterrichtet wurde.

Geprüft habe ich 211 Datenspeicherungen bei verschiedenen bayerischen Polizeidienststellen und 4 Datenspeicherungen, die mir aufgrund von Eingaben bekannt geworden waren. Die Prüfung ergab folgendes:

  • Statt der in der Pressemeldung genannten 800.000 Personendatensätze waren im Kriminalaktennachweis der bayerischen Polizei tatsächlich 1,31 Millionen Personendatensätze gespeichert. Im Vergleich entspricht das 10,8% der Wohnbevölkerung Bayerns und liegt damit weit über dem Durchschnitt von 5,93 % in den Ländern. Nach Berlin (16,5%) bedeutet das die prozentual zweithöchste Speicherung in der Bundesrepublik Deutschland.
  • Von den 215 geprüften Fällen waren 149 im KAN bzw. in der Kriminalakte mit personenbezogenen Daten gespeichert. Bei 16 der gespeicherten Fälle (10,7 %) war der Tatverdacht entfallen bzw. konnte m.E. kein Tatverdacht von ausreichender Substanz festgestellt werden, der eine Weiterspeicherung trotz Einstellung des Strafverfahrens durch die Staatsanwaltschaft gerechtfertigt hätte.
  • In 5 der obengenannten 16 Fälle unterließ die Staatsanwaltschaft die auch nach Auffassung des Staatsministeriums der Justiz gebotene Mitteilung, daß der Tatverdacht entfallen ist. In 2 weiteren Fällen führte die Mitteilung bei der Polizei nicht zur Löschung. Auch in den restlichen 9 Fällen war ein Tatverdacht von ausreichender Substanz nicht mehr gegeben war. Die Speicherungen blieben gleichwohl bestehen.
  • In etwa 30 von 149 Fällen fehlte die Mitteilung der Staatsanwaltschaft über den Verfahrensausgang in der Kriminalakte der Polizei, bzw. war das Formblatt mit dem die Mitteilung erfolgt, nicht ausgefüllt. Das sind etwa 20 % der geprüften Fälle.

Das Ergebnis meiner Prüfung bewerte ich wie folgt:

5.3.1.1. Speicherung nach Verfahrenseinstellung

Im Vergleich zur Mehrzahl der anderen deutschen Länder, insbesondere zu allen Flächenländern, ist die Anzahl der im bayerischen KAN gespeicherten Personendatensätze hoch, auch wenn dabei zu berücksichtigen ist, daß Faktoren, wie z.B. die jeweilige Kriminalitäts- und Aufklärungsquote (eine hohe Aufklärungsquote bewirkt zwangsläufig eine höhere Anzahl von Datensätzen Tatverdächtiger) und der Anteil Bayerns an Außengrenzen und der damit verbundenen erhöhten Speicherung ausländischer Tatverdächtiger eine Rolle spielen. Andererseits findet in Bayern gemäß Nr. 1.2 der Anlage 3 zu den PpS-Richtlinien in der Regel keine polizeiliche Prüfung des Fortbestehens des Tatverdachts nach Verfahrenseinstellungen gem. § 170 Abs. 2 StPO statt, was ich wesentlich für mitursächlich für die hohe Zahl der KAN-Speicherungen ansehe. Diese Richtlinien war zwar seinerzeit mit dem damaligen Landesbeauftragten für den Datenschutz abgestimmt. Die Ergebnisse meiner datenschutzrechtlichen Querschnittsprüfung haben mir aber gezeigt, daß dieses Verfahren nicht geeignet ist, die Einhaltung der gesetzlichen Speichervoraussetzungen - Fortbestehen eines Tatverdachts - zu gewährleisten.

Die Staatsanwaltschaft ist zwar gehalten, der Polizei den Verfahrensausgang mitzuteilen, sie prüft aber nicht, ob ein für die polizeiliche Speicherung erforderliche Tatverdacht von ausreichender Substanz noch gegeben ist. Diese Prüfung obliegt der Polizei als speichernde Stelle.

Die fehlende Prüfung hat zur Folge, daß nach Verfahrenseinstellung auch Fälle gespeichert werden, bei denen ein die weitere Speicherung rechtfertigender Tatverdacht von Substanz nicht mehr gegeben ist. Durch eine solche Speicherung kann der Betroffene erheblich belastet werden, sei es durch intensive polizeiliche Kontrollen im Einzelfall oder durch die Gefahr, unbegründet in den Kreis der Verdächtigen einer Straftat mit einbezogen zu werden. Auch können solche Speicherungen anderen öffentlichen Stellen, z.B. im Rahmen von Zuverlässigkeitsprüfungen, mitgeteilt werden, was höchst nachteilige Folgen für den Betroffenen haben kann.

Hier besteht ein gravierendes Handlungsdefizit seitens der Polizei.

Der Staatsminister des Innern hat eine Überprüfung der Richtlinien für die Führung polizeilicher personenbezogener Sammlungen zugesagt.

Verbessert werden sollte auch die meinen Feststellungen zufolge lückenhafte Unterrichtung der Polizei über den Verfahrensausgang durch die Staatsanwaltschaften. Das Justizministerium hat die Staatsanwaltschaften auf die Bedeutung und die Notwendigkeit der Mitteilung über den Verfahrensausgang und ggf. des Wegfalls des Tatverdachts hingewiesen.

Darüberhinaus sollte die Polizei von der Staatsanwaltschaft in jedem Fall, in dem der Tatverdacht entfallen ist, hierüber informiert werden, damit sie der gesetzlichen Löschungsverpflichtung nachkommen kann. Die Anordnung einer solchen Mitteilung an die Polizei darf nicht, wie bisher, davon abhängig gemacht werden, ob der Beschuldigte vernommen wurde oder ob er ein besonderes Interesse an der Mitteilung der Einstellung hat.

Ferner habe ich auch darauf hingewiesen, daß der Beschuldigte in Fällen, in denen er keine Kenntnis vom Verfahren hat, auch nicht mit der Möglichkeit der Speicherung in polizeilichen Dateien rechnet. Um seine grundsätzlich bestehenden Rechte auf Auskunft, ggf. Berichtigung, Sperrung oder Löschung gegenüber der Polizei wahrnehmen zu können, halte ich es für erforderlich, daß er über die Einstellung des Verfahrens informiert wird. Der Beschuldigte hat - selbst wenn er völlig unschuldig in Verdacht geraten ist - ohne entsprechende Mitteilung keine Chance, auf eine Löschung in polizeilichen Dateien hinzuwirken. Ich habe daher gegenüber dem Staatsministerium der Justiz ausgeführt, daß das Gesetz verfassungskonform dahingehend auszulegen ist, daß auch jeder Beschuldigte, der vom Verfahren keine Kenntnis hat, über die Einstellung zu informieren ist.

Das Justizministerium hat mir mitgeteilt, daß meine beiden letztgenannten Forderung mit den Leitern der Staatsanwaltschaften besprochen und ich über das Ergebnis unterrichtet werde.

Weitere Forderungen an das Staatsministerium des Innern zur Reduzierung der hohen Anzahl von KAN-Speicherungen sind in den nachfolgenden Beiträgen erläutert.

5.3.1.2. Speicherungsfristen

Nach dem Polizeiaufgabengesetz (PAG) ist die Dauer der Speicherung auf das erforderliche Maß zu beschränken. Für automatisierte Dateien sind Termine festzulegen, an denen spätestens überprüft werden muß, ob die suchfähige Speicherung von Daten weiterhin erforderlich ist (Prüfungstermine). Dabei sind Speicherungszweck sowie Art und Bedeutung des Anlasses der Speicherung zu berücksichtigen. Die festzulegenden Prüftermine und Aufbewahrungsfristen dürfen bei Erwachsenen 10 Jahre, bei Jugendlichen 5 Jahre und bei Kindern 2 Jahre nicht überschreiten. Diese Fristen sind Höchstfristen und nicht etwa Regelfristen, wie in der Vollzugsbekanntmachung zum Polizeiaufgabengesetz festgelegt wird. Dies hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil vom 04.06.1996 entschieden. Dem entspricht die polizeiliche Speicherungspraxis nicht, die sich nach meinen Erkenntnissen grundsätzlich an der Höchstfrist orientiert. Diese generalisierende und zu wenig differenzierte Vergabe der Fristen halte ich deshalb für unzulässig. Die von mir angeforderte Stellungnahme des Staatsministeriums des Innern hierzu steht noch aus.

5.3.1.3. Automatische Fristenverlängerung

Eine weitere Ursache für die hohe Anzahl von KAN-Speicherungen sehe ich in der polizeilichen Praxis, eine Speicherung nach Ablauf der Speicherungsfrist dann nicht zu löschen, wenn eine oder mehrere weitere Speicherungen zur selben Person mit längerer Speicherungsfrist erfaßt sind oder während des Laufs der Erstspeicherung erfaßt werden. Nach dieser Praxis ist für die Speicherungsdauer nicht die für einen Vorgang vergebene Einzelfrist maßgebend, sondern beim Vorhandensein oder Hinzutreten weiterer Speicherungen die längste vergebene Frist. So verlängert sich z.B. die Speicherungsfrist für einen Vorgang, der nach 10 Jahren kurz vor der Löschung steht, bei der Speicherung eines neuen Vorgangs um weitere 10 Jahre auf insgesamt 20 Jahre, wenn der hinzukommende Vorgang seinerseits mit einer Speicherungsdauer von 10 Jahren erfaßt wird. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Urteil vom 4. Juni 1996 unter Hinweis, daß die Formulierung in Art. 38 Abs. 2 Satz 5 PAG diese Rechtsfolge nicht trage, dazu ausgeführt, daß die für jedes einzelne Ereignis vergebene Speicherungsfrist für sich allein zu betrachten ist. Dies bedeutet eine getrennte Berechnung des Fristlaufs für jedes einzelne Verfahren, so daß die jeweilige Speicherung nach Ablauf der individuellen Frist zu löschen und der Vorgang zu vernichten ist.

Die Stellungnahme des Staatsministeriums des Innern , das ich auf die Problematik ausdrücklich hingewiesen habe, steht noch aus.

5.3.1.4. Vergabe von personenbezogenen Hinweisen (PHW)

Zu Datenspeicherungen im Kriminalaktennachweis (KAN) können zusätzlich sogenannte personenbezogene Hinweise (PHW) vergeben werden. Sie dienen der Eigensicherung einschreitender Beamter, der Einleitung gezielter Fahndungsmaßnahmen, der Unterstützung von Ermittlungen und dem Schutze Betroffener bei polizeilichen Maßnahmen. Die Art der personenbezogenen Hinweise und deren Speicherungsvoraussetzungen sind in der Errichtungsanordnung PFAD (vgl. 17. Tätigkeitsbericht Nr. 5.7) abschließend definiert. Die Speicherung von personenbezogenen Hinweisen habe ich bei zwei Polizeidirektionen geprüft. Insbesondere bei zwei Arten personenbezogener Hinweise habe ich datenschutzrechtliche Defizite festgestellt:

  • Personenbezogene Hinweis ANST (Ansteckungsgefahr)

    Dieser personenbezogene Hinweis (PHW) darf nach der Errichtungsanordnung nur vergeben werden, wenn der Betroffene unter einer nach § 3 des Bundesseuchengesetzes meldepflichtigen Krankheit leidet oder wenn ein ärztlicher Hinweis vorliegt, daß er gem. § 2 des Gesetzes krank, krankheitsverdächtig, ansteckungsverdächtig, Ausscheider oder ausscheidungsverdächtig ist und eine Ansteckung eine schwerwiegende Gesundheitsgefährdung bedeuten würde. Der Hinweis muß vom Arzt zumindest mündlich vorliegen oder von einer öffentlichen Stelle schriftlich oder mündlich mitgeteilt werden, wobei bei mündlicher Mitteilung umgehend eine schriftliche Bestätigung einzuholen ist, oder die Hinweise müssen auf "konkreten, glaubhaften Angaben des Betroffenen oder naher Angehöriger" beruhen. Der Hinweisgeber ist in der Kriminalakte zu dokumentieren (wer, wann, was).

    Wegen der Möglichkeit einer Speicherung des PHW aufgrund "konkreter glaubhafter Angaben naher Angehöriger", habe ich mich an das Staatsministerium des Innern gewandt. Die Speicherung einer Person als "ansteckungsgefährlich" stellt einen gravierenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen dar. Beruht die Datenspeicherung ausschließlich auf den Angaben Dritter, sind die Daten so lange ungesichert, bis deren Richtigkeit durch die Angaben des Betroffenen oder durch ein ärztliches Gutachten bestätigt werden. So könnte beispielsweise ein naher Angehöriger - auch dieser Begriff ist auslegungsfähig - aus persönlichen Gründen falsche Angaben über die Ansteckungsgefahr eines Betroffenen machen. Dem Betroffenen sollte deshalb in diesen Fällen Gelegenheit gegeben werden, der Speicherung entgegengetreten zu können.

    Das Staatsministerium des Innern hat diese Forderung abgelehnt.

    Die Dauer der zulässigen Speicherung des personenbezogenen Hinweises ANST beträgt nach der Errichtungsanordnung PFAD zwei Jahre. Bei meiner Prüfung einer Polizeidirektion habe ich festgestellt, daß die Speicherungen in mehreren Fällen verlängert wurden, obwohl keine neuen Erkenntnisse vorlagen, die die Annahme von Ansteckungsgefahr positiv belegt hätten. Nach meiner Auffassung ist keine Verlängerung der Speicherung zulässig, sondern nur eine Neuvergabe mit erneuter Prüfung des Vorliegens der Vergabevoraussetzungen. Die Unkenntnis über den Krankheitsverlauf ist für eine erneute Speicherung grundsätzlich nicht ausreichend. Auch in diesem Fall ist die Speicherung regelmäßig nach zwei Jahren zu löschen. Die unzulässig verlängerten Speicherungen wurden auf meine Aufforderung von der Polizei gelöscht. In zwei Fällen hielt ich die Neuvergabe des personenbezogenen Hinweises ausnahmsweise für vertretbar, da die beiden Personen untergetaucht zu sein schienen und die Umstände dafür sprachen, daß sie sich bislang keiner ärztlichen Behandlung unterzogen hatten oder unterziehen werden.

    Bei beiden Polizeidirektionen habe ich bei meiner Prüfung festgestellt, daß einige Speicherungen des personenbezogenen Hinweises ANST erfolgt sind, obwohl weder ein Vermerk über eine ärztliche mündliche Mitteilung noch eine entsprechende schriftliche Mitteilung oder Bestätigung einer öffentlichen Stelle vorlag. Die Polizei wurde von mir aufgefordert, die fehlenden Mitteilungen unverzüglich einzuholen und diese zu dokumentieren oder die personenbezogenen Hinweise zu löschen. Eine Polizeidirektion hat daraufhin die erforderlichen ärztlichen Mitteilungen erholt, bei der anderen Polizeidirektion steht das Ergebnis noch aus.
  • Personenbezogener Hinweis GEKR (Geisteskrank)

    Der personenbezogene Hinweis (PHW) GEKR darf nach der Errichtungsanordnung nur erfaßt werden, wenn ärztlich festgestellt ist, daß der Betroffene an einer Geisteskrankheit leidet. Dazu genügt die mündliche Aussage des Arztes oder die mündliche Übermittlung einer solchen ärztlichen Feststellung durch eine Behörde, die jedoch umgehend schriftlich zu bestätigen ist. Die mündliche Übermittlung ist in der Kriminalakte zu dokumentieren (wer, wann und was). Auch bei meiner Überprüfung dieser Datenspeicherungen habe ich festgestellt, daß bei drei von zehn Datensätzen keine ärztliche Feststellung der Geisteskrankheit dokumentiert war. Die Polizeidirektion wurde aufgefordert, diese unverzüglich nachzuholen oder bei fehlenden Voraussetzungen die personenbezogenen Hinweise unverzüglich zu löschen. Das Ergebnis steht noch aus.

5.3.1.5. Speicherung von Fällen geringerer Bedeutung

Gem. Art 38 Abs. 2 Satz 4 PAG sind in Fällen von geringerer Bedeutung kürzere Fristen festzusetzen. Das Staatsministerium des Innern hat der Polizei Regelbeispiele für Fälle geringerer Bedeutung in Richtlinien vorgegeben. Hiernach handelt es sich um einzelne fahrlässig begangene Straftaten, Privatklagedelikte, Ordnungswidrigkeiten und ähnliches. Die Regelspeicherungsfrist für diese Delikte ist auf 5 Jahre festgelegt. Sie dürfen als alleinige Unterlage nicht im KAN nachgewiesen werden, sondern nur in der Datei PSV (vgl. Nr. 5.3.2). Die einschränkende Aufzählung von Regelbeispielen von Fällen geringerer Bedeutung, an der sich die polizeiliche Praxis ausrichtet, und die pauschale Speicherung solcher Fälle für 5 Jahre wird der gesetzlichen Regelung nicht gerecht. Bei allen Straftatbeständen (ausgenommen schwere und schwerste Straftaten) können Fälle geringerer Bedeutung in Betracht kommen. Dies ist jeweils im Rahmen einer Einzelfallprüfung unter Berücksichtigung relevanter Entscheidungskriterien, wie z.B. Bedeutung der Tat, Schuldgehalt, Wiederholungsgefahr, Motiv etc. von der Polizei zu beurteilen.

Auch hierzu steht die Stellungnahme des Staatsministeriums des Innern noch aus.

5.3.1.6. Sperren von Daten

Im Rahmen meiner datenschutzrechtlichen Prüfung von Datenspeicherungen der Polizei aufgrund einer Bürgereingabe stellte ich fest, daß ein Polizeipräsidium die gespeicherten Daten aufgrund meiner Anfrage gelöscht hatte. Nach den Angaben des von der Speicherung betroffenen Bürgers und nach meinen Erkenntnissen gab es Anhaltspunkte dafür, daß die Speicherungen bis zum Zeitpunkt der Löschung unzulässig gewesen sein könnten. Durch die Löschung der Daten und die Vernichtung der Unterlagen war eine Prüfung der Zulässigkeit der früheren Speicherungen nur mehr bedingt möglich, so daß ich letztendlich nicht feststellen konnte, ob ein datenschutzrechtlicher Verstoß vorgelegen hatte. Diese vorzeitige Löschung war unzulässig. Gem. Art. 45 Abs. 2 PAG sind in Dateien suchfähig gespeicherte personenbezogene Daten zwar zu löschen und die zu dem Betroffenen geführten Akten zu vernichten, wenn ihre Speicherung unzulässig war. Gem. Art. 45 Abs. 3 PAG hat die Löschung und Vernichtung jedoch zu unterbleiben, wenn Grund zu der Annahme besteht, daß schutzwürdige Interessen des Betroffenen beeinträchtigt würden. In diesen Fällen sind die Daten zu sperren und mit einem Sperrvermerk zu versehen. Die schutzwürdigen Interessen des Betroffenen waren in diesem Fall beeinträchtigt, weil er gegen die möglicherweise unzulässige Speicherung im Kriminalaktennachweis vorgehen wollte, und dazu u.a. den Landesbeauftragten für den Datenschutz um Überprüfung gebeten hatte. Deshalb hätten die Daten wie vorgeschrieben nicht gelöscht sondern für den allgemeinen Zugriff gesperrt werden müssen, bis meine datenschutzrechtliche Prüfung sowie die evtl. Inanspruchnahme von Rechtsschutz seitens des Betroffenen abgeschlossen gewesen wären. Es bedarf deshalb vor Löschung der Daten grundsätzlich einer sorgfältigen Prüfung im Hinblick auf offenkundige schutzwürdige Interessen des Betroffenen, insbesondere wenn sich sein Antrag auf Auskunft beschränkt und nicht auch ausdrücklich die Löschung seiner Daten zum Gegenstand hat. Die Polizei teilte mir mit, daß eine Sperrung von Daten im Kriminalaktennachweis technisch nicht möglich sei, so daß nur die Löschung bzw. Weiterspeicherung in Betracht komme. Ich habe daraufhin das Staatsministerium des Innern aufgefordert, die entsprechende technische Möglichkeit zu schaffen, um den gesetzlichen Vorgaben für eine Sperrung entsprechen zu können. Das Staatsministerium des Innern hat mir mitgeteilt, daß das Landeskriminalamt mit der unverzüglichen technischen Umsetzung der Möglichkeit der Sperrung von KAN-Daten beauftragt wurde.

5.3.1.7. Verlängerte Speicherungsfrist bei Sexualstraftätern

Vor dem Hintergrund der in jüngerer Zeit verstärkten Medienberichterstattung über Sexualmorde an Kindern hat das Staatsministerium des Innern eine Anordnung zur Verlängerung der Aufbewahrungsfristen personenbezogener Sammlungen der Polizei im Zusammenhang mit Sexualstraftaten und Straftaten mit sexuellem Hintergrund getroffen. Dabei ist in Abänderung zur bisherigen Nr. 38.6 der Vollzugsbekanntmachung zum PAG eine regelmäßige Fristverlängerung für Sexualdelikte festgelegt worden. Im einzelnen wurde angeordnet, daß bei Beschuldigten oder Tatverdächtigen einer Sexualstraftat oder anderer Gewaltdelikte mit sexuellem Hintergrund die in Art. 36 Abs. 1 PAG genannten Prognosekriterien (die gemäß Art. 38 Abs. 3 PAG die Festlegung einer längeren Aufbewahrungsfrist für die gespeicherten Daten ermöglichen) in der Regel erfüllt seien. Die Aussonderungsprüffrist beträgt in der Regel 20 Jahre.

Gegen die Verlängerung der Aufbewahrungszeiten auf 20 Jahre habe ich keine grundsätzlichen Bedenken geäußert. Im Rahmen eines umfangreichen Meinungsaustausches mit dem Innenministerium habe ich jedoch in Einzelpunkten eine - wie ich meine - datenschutzgerechte Ausgestaltung der neuen Vorschrift erreicht. Diese sieht nunmehr eine differenzierende Regelung für Kinder, Jugendliche und Erwachsene vor. Aus dem Bereich der Sexualstraftaten, die zu einer verlängerten Speicherungsdauer berechtigen, wurden Straftatbestände wie z.B. die Verbreitung pornographischer Schriften nach § 184 StGB oder jugendgefährdende Prostitution gemäß § 184 b StGB, die jeweils nur Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr vorsehen, ausgenommen. Schließlich konnte erreicht werden, daß von der Regelung neben den eigentlichen Sexualdelikten nicht alle Straftaten mit sexuellem Hintergrund, sondern nur Gewaltdelikte erfaßt werden. Hierdurch wird eine ausufernde Verlängerung der Aufbewahrungsfristen vermieden.

5.3.2. Datei polizeiliche Sachbearbeitung/Vorgangsverwaltung-Verbrechensbekämpfung (PSV)


Die Datei PSV ist ein elektronisches Datenverarbeitungssystem, das in erster Linie regional begrenzt bei den sog. Basisdienststellen, insbesondere bei den Polizeiinspektionen geführt wird. Mit ihr wurden die dort vormals manuell geführten Anzeigetagebücher und Neuigkeitsbögen abgelöst. Sie dient insbesondere dem Nachweis und dem Auffinden des zu einem polizeilich relevanten Ereignis angefallenen Schriftverkehrs für einen angemessenen Zeitraum, der zeitlich befristeten Dokumentation polizeilicher Maßnahmen, der Information der Polizeibeamten über die in ihrem Zuständigkeitsbereich angefallenen Ereignisse - insbesondere im Hinblick auf den durch den Schichtbetrieb bedingten fortlaufenden Wechsel der Beamten - und ist Grundlage für die Bearbeitung von Beschwerden, Eingaben, Anträgen und Anfragen.

Erfaßt werden insbesondere auch bestimmte Straftaten und Ordnungswidrigkeiten, die als "Fälle geringerer Bedeutung" (vgl. Nr. 5.3.1.5) im Kriminalaktennachweis (KAN) nicht gespeichert werden dürfen.

In der Datei PSV werden die Eckdaten zu einem polizeilich relevanten Ereignis erfaßt, wie z.B. das Aktenzeichen, Bezeichnung des Ereignisses, Ereignisort und -zeit sowie die daran beteiligten Personen. Zum Zwecke der Vorgangsverwaltung und Dokumentation beträgt die regelmäßige Speicherungsdauer 5 Jahre.

5.3.2.1. Personenkategorien in der Datei PSV

In der Datei PSV werden die Personalien von den an einem Ereignis beteiligten Personen in zwei verschiedenen Personenkategorien erfaßt. Die Personenkategorie "B" bezeichnet Beschuldigte, Tatverdächtige, Beteiligte an einer Ordnungswidrigkeit oder Betroffene polizeilicher Maßnahmen. Die Kategorie "Z" bezeichnet Zeugen und ist in weitere Kategorien, wie Geschädigte, Mitteiler, Anzeigeerstatter usw. untergliedert.

Die Erfassung eines Betroffenen unter der Kategorie "B" ist m.E. nur zulässig, soweit der o.g. Status tatsächlich vorliegt. Dies ist insbesondere dann nicht mehr der Fall, wenn sich aufgrund der Mitteilung des Verfahrensausgangs durch die Staatsanwaltschaft oder aus sonstigen Gründen ergeben hat, daß der Tatverdacht gegen einen Beschuldigten, Tatverdächtigen oder Betroffenen entfallen ist, deshalb auch ggf. vorhandene Speicherungen im Kriminalaktennachweis (KAN) zu löschen sind (vgl. 5.3.1). Mit der Weiterspeicherung einer nunmehr unverdächtigen Person unter der "B"-Kategorie (Beschuldiger etc.) wird der Betroffene in unzumutbarer und unzulässiger Weise belastet, auch wenn die Speicherungen insbesondere nur internen Zwecken dient, sie sich aber im künftigen Verhalten der Polizei gegenüber dem Betroffenen negativ auswirken kann. Bei meiner Prüfung verschiedener Polizeidienststellen habe ich festgestellt, daß die vorgeschriebene Umschreibung von "B" auf "Z"-Personalie in zahlreichen Fällen nicht erfolgt ist. Die Verpflichtung ist in der für den Kriminalaktennachweis (KAN) und die Datei PSV ergangenen Errichtungsanordnung PFAD (vgl. 17. Tätigkeitsbericht Nr. 5.7) festgelegt, die von der Polizei zu beachten ist. Auf meine Feststellungen habe ich die betroffenen Polizeidienststellen hingewiesen und zur Beachtung aufgefordert.

5.3.2.2. Schlagwortvergabe in der Datei PSV

In der Datei PSV können zu einem erfaßten Ereignis ein oder mehrere Schlagworte vergeben werden. Diese dienen der Polizei als zusätzlicher Hinweis auf die Art des Ereignisses oder als zusätzliche Information zu den erfaßten Personen für künftiges Einschreiten und als zusätzliches Recherchekriterium. Etwa 200 Schlagworte stehen zur Verfügung. Bei einer Polizeidirektion habe ich überprüft ob verschiedene von mir ausgewählte Schlagworte korrekt, insbesondere zutreffend vergeben wurden. Bei meiner Überprüfung der Vergabe des Schlagwortes AFPE (Auffällige Person) habe ich festgestellt, daß bei 5 von 10 Speicherungen das Schlagwort unzutreffend vergeben wurde. Die offizielle Definition des Schlagworts lautet: "Feststellungen im Rahmen der vorbeugenden Verbrechensbekämpfung ohne konkreten Tatverdacht". Das Schlagwort wurde u.a. aber vergeben, zu einer Frau, die aufgrund einer Bauchspeicheldrüsenerkrankung einen Schwächeanfall erlitten hatte, zu zwei betrunkenen Personen, die beide für kurze Zeit in polizeilichem Gewahrsam waren und zu zwei Personen, die einen Suizidversuch unternommen hatten.

Nachdem trotz internen Gebrauchs der Datei PSV eine Belastung der Gespeicherten durch die Eintragung "Auffällige Person" zu befürchten ist, insbesondere bei deren erneuten Kontakten mit der Polizei, halte ich es für unbedingt erforderlich, die entsprechenden Schlagworte nur anhand der offiziellen Definition bei zutreffenden Sachverhalten zu vergeben. Bei meiner Prüfung stellte ich jedoch erhebliche Defizite bei der Kenntnis der Bedeutung verschiedener Schlagworte fest. Die betroffene Polizeidirektion hat auf meine Aufforderung entsprechende Schulungsmaßnahmen zum Ausgleich dieser Defizite vorgenommen und die unzutreffenden Speicherungen berichtigt.

5.3.3. Schengener Informationssystem (SIS)

Aufgrund des Schengener Übereinkommens und des Durchführungsübereinkommens (SDÜ) hierzu wurde durch die Aufhebung der Kontrollen an den Binnengrenzen der Vertragsparteien und die Einführung des Grundsatzes der einmaligen Kontrolle bei der Einreise in den Schengener Raum als Ausgleichsmaßnahmen u.a. das Schengener Informationssystems (SIS) eingeführt. Von den Vertragsparteien werden u.a. Daten zu Personen gespeichert, die von der Polizei gesucht oder überwacht werden, vermißte Personen oder Personen, die in Gewahrsam zu nehmen sind, insbesondere Minderjährige sowie Personen, denen die Einreise in das Schengener Hoheitsgebiet zu verweigern ist oder, deren Identität mißbräuchlich von anderen Personen verwendet wird. In Bayern ist das SIS über das Informationssystem der Bayerischen Polizei (IBP) erschließbar. So können über dieses System sowohl der Kriminalaktennachweis (KAN) wie auch das Schengener Informationssystem (SIS) abgerufen werden. Die Voraussetzungen für die Speicherung der personenbezogenen Daten sind im Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ) geregelt. Bei meiner Überprüfung einer Datenspeicherung im SIS aufgrund einer Bürgereingabe habe ich festgestellt, daß die Speicherung der Ausschreibung des Betroffenen zur Einreiseverweigerung den Voraussetzungen des SDÜ bezüglich der Dauer des illegalen Aufenthalts nicht entsprach. Das betreffende Polizeipräsidium hat die Speicherung auf meine Aufforderung hin unverzüglich gelöscht. Die betroffenen Polizeidienststellen wurden vom Polizeipräsidium auf den Mangel hingewiesen und zur künftigen Beachtung angehalten.

5.3.4. Weltwirtschaftsgipfel 1992

Bereits in meinen letzten Tätigkeitsberichten (vgl. zuletzt meinen 17. Tätigkeitsbericht Nr. 5.4.1) hatte ich von den Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit den Vorkommnissen bei der Begrüßungszeremonie zum Weltwirtschaftsgipfel 1992 in München berichtet.

Ich hatte die Polizei darauf hingewiesen, daß nach meiner Auffassung allein die Teilnahme an Störhandlungen beim Weltwirtschaftsgipfel oder an geringfügigen Widerstandshandlungen, Beleidigungen und ähnlichen Delikten im Zusammenhang mit der Festnahme der Betroffenen ohne sonstige einschlägige Vorerkenntnisse die Speicherung in einer Staatsschutzdatei oder die Vergabe des KAN-Merkers 6 (bundesweite Speicherung) nicht rechtfertigt.

Inzwischen sind keine Personen mehr allein wegen Vorkommnissen im Zusammenhang mit dem Weltwirtschaftsgipfel 1992 gespeichert.

5.3.5. Dateien zur Gefahrenabwehr und zur Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten (GAST)

Gem. Art. 47 Polizeiaufgabengesetz (PAG) hat die Polizei für den erstmaligen Einsatz von automatisierten Verfahren, mit denen personenbezogene Daten verarbeitet werden, in einer Errichtungsanordnung, die der Zustimmung des Staatsministeriums des Innern bedarf, die zu speichernden Inhalte der Datei festzulegen. Das Staatsministerium des Innern kann hierzu Rahmenregelungen durch Verwaltungsvorschrift erlassen. Bei der Datei GAST handelt es sich um eine solche vom Staatsministerium des Innern erlassene Rahmenregelung im Sinne dieser Vorschrift, in der der zulässige Umfang der zu speichernden Daten festgelegt wurde. Innerhalb dieses vorgegebenen Rahmens können die Polizeipräsidien bei Bedarf anlaßbezogen Dateien einrichten. Die Dateien können sowohl der Gefahrenabwehr als auch der Verfolgung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten (GAST) dienen. Zumeist handelt es sich um sog. deliktsgruppenspezifische Dateien, die der polizeilichen Aufgabenerfüllung in Bezug auf bestimmte Erscheinungsformen der Kriminalität dienen sollen. Diese werden mir regelmäßig zur Kenntnisnahme und datenschutzrechtlichen Prüfung von den Polizeipräsidien zugesandt (vgl. Nr. 5.4). Im Rahmen meiner datenschutzrechtlichen Prüfungen von Polizeidienststellen habe ich die Speicherungen in mehreren dieser Dateien geprüft. Eine Auswahl meiner Prüfungsfeststellungen ist im folgenden dargestellt:

5.3.5.1. Arbeitsdatei „Lagebild“ (LAGEB)

Die Datei dient einem Polizeipräsidium und seinen Direktionen zur Erstellung eines aktuellen Lagebildes mittels eines EDV-unterstützten Meldewesen, der Zusammenführung der aus den Neuigkeitsmeldungen der einzelnen Polizeidienststellen gewonnen Informationen bei den Polizeidirektionen und bei dem Polizeipräsidium. Erfaßt werden Delikte der Eigentumskriminalität, Straftaten gegen höchstpersönliche Rechtsgüter sowie sonstige Ereignisse, Fahndungsansätze/-hinweise und -ersuchen. Eine themenmäßige Aufarbeitung ist durch eine Schlagwortliste möglich, die 190 verschiedene Begriffe enthält.

Bei einer Polizeidirektion habe ich Datenspeicherungen zu verschiedenen ausgewählten Schlagworten überprüft. Kritik habe ich insbesondere an den Speicherungen mit dem Schlagwort "Landfahrbewegung - LAND"geübt. Die Speicherungen betreffen polizeiliche Erkenntnisse über den Aufenthalt von Landfahrern unterschiedlicher Nationalität auf öffentlichen Plätzen in verschiedenen Orten des Direktionsbereiches. In Einzelfällen ist der Name des verantwortlichen Sippenführers gespeichert. Ferner wurden in den meisten Fällen alle Kfz-Kennzeichen der festgestellten Zug- und Wohnwagen dokumentiert. Mit einer Ausnahme waren im Zusammenhang mit der Feststellung der Landfahrer keine Sicherheitsstörungen dokumentiert. Auf Nachfrage wurde seitens der Polizeidirektion erklärt, daß die Speicherung von Landfahrerbewegungen im Rahmen der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten insbesondere auf dem Einbruchsektor erforderlich sei. Dadurch sollen die Dienststellen aktuell über den Aufenthalt von Landfahrersippen im Zuständigkeitsbereich informiert werden. Dies diene zum einen der Unterstützung der Fahndung aber auch zum anderen als begleitende Maßnahme bei der Ermittlung von Straftaten, die nach dem Aufenthalt dieser Personengruppen bekannt werden.

Aus datenschutzrechtlicher Sicht habe ich gegen eine solche generelle personenbezogene Erfassung von Landfahrern bzw. ihrer Fahrzeuge große Bedenken. Auf meine erneute Nachfrage wurde mir das Beispiel eines Einbruchdiebstahl genannt, bei welchem drei tatverdächtige Landfahrer festgenommen und das Diebesgut sichergestellt wurde. Der - wenn auch nur beispielhaft - aufgeführte Vorgang rechtfertigt keinesfalls die pauschale Speicherung einer ganzen Gruppe zur vorbeugenden Verbrechensbekämpfung und damit ihre polizeiliche Einschätzung als potentielle Rechtsbrecher. Die generelle Speicherung von Landfahrern (Aufenthalt, Name des verantwortlichen Sippenführers, Kfz-Kennzeichen) halte ich für unzulässig, da sie eine ungerechtfertigte Diskriminierung einer ganzen Bevölkerungsgruppe darstellt. Ich habe gegenüber der betreffenden Polizeidirektion eine förmliche Beanstandung angekündigt und das Staatsministerium des Innern hiervon in Kenntnis gesetzt. In Ihrer Stellungnahme teilte dazu mir die Polizei lediglich mit, daß das Schlagwort "LAND" nunmehr in "ILAN" (offenbar: Informationen über Landfahrer) geändert wurde und daß Angehörige der Volksgruppe Sinti und Roma ähnlich wie Drückerkolonnen aufgrund ihrer Beweglichkeit zu den polizeilich relevanten Gruppen gehören, hinsichtlich derer die polizeiliche Erfahrung bestehe, daß von ihnen Gefahren für die öffentliche Sicherheit ausgehen können. Eine Speicherung sei nach der Rahmenerrichtungsanordnung GAST(vgl. Nr. 5.3.5) zulässig.

Dies trifft jedenfalls nicht zu. Rein abstrakte Gefahrenverursacher werden von dem Personenkreis der der Rahmenerrichtungsanordnung GAST nicht erfaßt. Ich habe das Staatsministerium des Innern deshalb aufgefordert, die pauschale und damit diskriminierende Speicherung von Sinti- und Roma-Gruppen zu unterbinden.
Das Minsterium hat eine Prüfung zugesagt und die Verwendung des Schlagwortes "ILAN" zunächst mit sofortiger Wirkung gesperrt. Bis zum Abschluß der Prüfung sei die Erhebung personenbezogener Daten in diesem Zusammenhang nur bei konkret eingetretenen Sicherheitsstörungen (z.B. Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten und Straftaten) zulässig.

Vom Innenministerium erwarte ich eine zeitnahe Mitteilung des Prüfungsergebnisses. Die Beibehaltung der ursprünglichen Verfahrensweise halte ich - wie oben ausgeführt - nicht für zulässig.

5.3.5.2. Datei „Sittlichkeitsdelikte“ (SITTE)

Die GAST-Datei SITTE wird bei einer Polizeidirektion geführt. Nach der zur Datei ergangenen Errichtungsanordnung dient sie der Bekämpfung von Sittlichkeitsdelikten im Bereich der Polizeidirektion, insbesondere der Zuordnung von Tätern zu bislang ungeklärten Straftaten anhand des modus operandi, der Täterbeschreibung sowie der Auswahl des Opfers durch den Täter. Neben Taten und Tätern von Vergewaltigung, sexuellen Mißbrauch von Kindern, sexueller Nötigung und Exhibitionismus werden unter der Kategorie "Sonstiges" auch "Delikte" erfaßt, die oben genannte Bereichen nicht zuzuordnen sind. Bei meiner datenschutzrechtlichen Prüfung der Polizeidirektion habe ich insbesondere diese Speicherungen auf ihre Zulässigkeit hin überprüft. Dabei stellte ich aber auch eine Speicherung zu einer männlichen Person fest, die allein deshalb in der Datei erfaßt worden war, weil sie bei einer polizeilichen Verkehrskontrolle mit Frauenkleidern in ihrem Pkw angetroffen wurde. Nachdem weder Anhaltspunkte für die Begehung von Straftaten zu der Person vorlagen, noch ein Gefährdungspotential aus dieser Neigung erkennbar war, war ihre Speicherung alleine aufgrund ihrer offenkundigen straflosen sexuellen Neigung unzulässig. Die Polizeidirektion hat mir mitgeteilt, daß die Mitarbeiter unterrichtet wurden. Das zuständige Polizeipräsidium und das Staatsministerium des Innern wurden von mir über den Sachverhalt in Kenntnis gesetzt.

5.3.6. INPOL-Fahndungsbildschirm

Im Informationssystem der Polizei (INPOL) erfolgen bundesweit Speicherungen, wenn die Personen z.B. zur Festnahme oder Aufenthaltsermittlung von der Justiz gesucht werden. Durch Bürgereingaben wurde mir bekannt, daß erhebliche Probleme auftreten können, wenn ein gesuchter Straftäter mit einer anderen Person identische Personalien hat oder der Gesuchte die Personalien einer anderen realen Person verwendet. Wenn nun der rechtmäßige Träger der Personalien in eine polizeiliche Kontrolle gerät, kann es zu einschneidenden Maßnahmen der Polizei gegenüber der nicht gesuchten Person kommen.

Grundsätzlich hat die Polizei für diese Fälle Vorsorge getroffen. In den meisten Fällen erhält die nichtgesuchte betroffene Person, also der rechtmäßige Namensträger, eine schriftliche Bestätigung einer Polizeidienststelle, die ihn zusätzlich als rechtmäßigen Namensträger ausweist.

Diese Vorsorgemaßnahmen habe ich für ungenügend gehalten, weil es trotz dieses Hinweises gelegentlich zu einer Fehlinterpretation der einschreitenden Polizeibeamten kam und das Mißverständnis erst nach Stunden aufgeklärt werden konnte. Zur Vermeidung solcher Mißverständnisse der einschreitenden Polizeibeamten, habe ich gegenüber dem Staatsministerium des Innern verschiedene Vorschläge für die Formulierung eines Vermerks auf dem Fahndungsbildschirm gemacht, die zunächst nicht akzeptiert wurden. Nach weiterem Schriftwechsel hat sich das Staatsministerium des Innern bereit erklärt, zusätzliche und klarstellenderere Formulierungen zu verwenden, die auch meines Erachtens künftig zur Minimierung von Fehlinterpretationen beitragen können.

Auf dem INPOL-Fahndungsbildschirm wird auf die Existenz eines rechtmäßigen und nicht gesuchten Namensträgers hingewiesen.

5.4. Überprüfung von Errichtungsanordnungen für Dateien

Gem. Art. 47 Polizeiaufgabengesetz (PAG) bedarf es für den erstmaligen Einsatz von automatisierten Verfahren, mit denen personenbezogene Daten verarbeitet werden, einer Errichtungsanordnung, für die die Zustimmung des Staatsministerium des Innern notwendig ist. Diese ist dem Landesbeauftragten für den Datenschutz mitzuteilen. Auch in diesem Berichtszeitraum sind wieder zahlreiche Errichtungsanordnungen für polizeiliche Dateien bei mir eingegangen. Sie werden von mir in datenschutzrechtlicher Hinsicht geprüft. In vielen Fällen hat meine Überprüfung ergeben, daß datenschutzrechtliche Verbesserungen nötig waren. Aufgrund meiner Forderungen und Anregungen wurden zahlreiche Errichtungsanordnungen von der speichernden Stelle geändert oder ergänzt. Insbesondere wurden folgende datenschutzrechtliche Verbesserungen vorgenommen:

  • Verkürzung von Speicherungsfristen
  • Schaffung differenzierter Speicherungsfristen für die unterschiedlichen Personenkategorien (z.B. Beschuldigter, Zeuge)
  • Verzicht auf die Speicherung von Daten, die für den Dateienzweck nicht erforderlich sind
  • Schaffung von Dokumentationspflichten für die Nachprüfbarkeit der Speicherungen (z.B. Darstellung der Grundlagen für die Annahme der Polizei eine Person gehöre zu einer bestimmten belasteten Personengruppe)

Forderungen zu einzelnen Errichtungsanordnungen sind nachfolgend dargestellt:

5.4.1. Errichtungsanordnung zur Datei „System zur Verknüpfung von Gewaltverbrechen“ (VICLAS)

Das Staatsministerium des Innern hat mir die Errichtungsanordnung zur Datei "VICLAS" zugesandt. In einem zunächst bei einem Polizeipräsidium pilotierten und zwischenzeitlich bei der gesamten bayerischen Polizei eingesetzten Projekt sollen moderne Methoden zur Bekämpfung von Tötungsdelikten sowie Sexualdelikten unter Anwendung von Gewalt angewandt werden. Der Grundgedanke dieses neuen Verfahrens, welches in den USA und in Kanada seinen Ursprung hat, basiert insbesondere auf einer ausführlichen deliktsspezifischen Tatortanalyse und ggf. in geeigneten Fällen auf der Erstellung eines Täterprofils. Das Datenbanksystem VICLAS ergänzt diese beiden Instrumentarien, indem es ermöglicht, Serienzusammenhänge im Bereich der Tötungs- und Sexualdelikte auf überregionaler Ebene zu erkennen. Besonders vor dem Hintergrund der in der jüngsten Vergangenheit bekanntgewordenen Mord- und Mißbrauchsfälle, bei welchen insbesondere Kinder die Opfer waren, sehe ich die Notwendigkeit, Grundlagen für eine innovative Bekämpfung dieser Straftaten zu schaffen. Klarstellungsbedarf habe ich jedoch bei nachfolgendem Punkt gesehen und mich deshalb an das Staatsministerium des Innern gewandt:

Die Errichtungsanordnung sieht vor, daß "verdächtiges" Ansprechen von Kindern und Jugendlichen in der Datei VICLAS gespeichert werden soll. Ich habe das Staatsministerium des Innern gefragt, was darunter zu verstehen sei und wie die Grenzen zwischen Ansprechen und "verdächtigem Ansprechen" gezogen werden können. Das Ministerium hat mir dazu mitgeteilt, daß ein "verdächtiges" Ansprechen dann vorliege, wenn das Verhalten einer Person ein sexuelles tatrelevantes Motiv erkennen lasse. Ob diese Voraussetzung zutrifft und ob deshalb eine Speicherung dieses Sachverhalts in Betracht kommt, werde nach Prüfung des Sachverhalts durch die fachlich zuständige Kriminaldienststelle und anschließend durch die eigens für dieses Projekt ins Leben gerufene Analysegruppe entschieden. Auch sei der Zugriff auf die Datei auf die Analysegruppe der Kriminalpolizei beschränkt. Unter Berücksichtigung dieser Ausführungen halte ich die Speicherung vorgenannter Sachverhalte grundsätzlich für vertretbar. Gleichwohl habe ich der Polizei bereits angekündigt, Datenspeicherungen in VICLAS einer datenschutzrechtlichen Stichprobenprüfung zu unterziehen.

5.4.2. Errichtungsanordnung zur Arbeitsdatei „Rauschgift“ (ADR neu)

Die Datei dient der repressiven und präventiven Bekämpfung der Betäubungsmittelkriminalität einschließlich der Beschaffungs- und Begleitdelinquenz in Bayern. Der zu speichernde betroffene Personenkreis war in der Errichtungsanordnung teilweise zu weit gefaßt bzw. zu wenig konkret und deshalb weit auslegbar bezeichnet.
So sollten z.B. Personen gespeichert werden dürfen, deren Kenntnis erforderlich ist,

  • "zur polizeilichen Sachbearbeitung im Rahmen eines Falles der Betäubungsmittelkriminalität ohne Täterbezug oder"
  • "im Rahmen eines Falles der Betäubungsmittelkriminalität mit Anfangsverdacht, die Ermittlungen aber keinen strafrechtlichen Tatbestand ergaben."

Das Staatsministerium des Innern hat aufgrund meiner Anfrage diese beiden Personenkategorien aus der Errichtungsanordnung ersatzlos gestrichen. Gegen die mir zuletzt vorgelegten Fassung der Errichtungsanordnung bestanden keine datenschutzrechtlichen Bedenken mehr. Eine Prüfung der Speicherungspraxis in der Datei ADR neu habe ich für den nächsten Berichtszeitraum vorgesehen.

5.4.3. Errichtungsanordnung zur Datei „Pkw-Aufbrüche/Einbruchdiebstähle“

Die Datei soll die Bearbeitung von Pkw-Aufbrüchen/Einbruchdiebstählen innerhalb des Bereichs einer Polizeidirektion unterstützen. Neben Beschuldigten und Verdächtigen können auch Geschädigte, Fahrzeughalter, Mitteiler und Anzeigeerstatter gespeichert werden. Hierzu habe ich gegenüber dem Polizeipräsidium bemängelt, daß auch für den Kreis unbelasteter Personen ebenso wie für Straftäter die Vergabe der Höchstspeicherungsfrist von 10 Jahren vorgesehen ist. Die lange Speicherungsdauer von unbelasteten Personen halte ich in datenschutzrechtlicher Hinsicht für nicht vertretbar. Die Speicherung dieser Daten für einen angemessenen Zeitraum zum Zwecke der Vorgangsverwaltung, z.B. analog der Datei PSV für 5 Jahre erscheint erforderlich und damit zulässig. Das Polizeipräsidium teilte mir mit, daß auch unbelastete Personen wegen des Sachzusammenhangs ebenso lange wie Straftäter gespeichert bleiben müssen, z.B. um die Zuordnung von gestohlenem Gut auch bei späterem Auffinden gewährleisten zu können. Ich habe das Polizeipräsidium darauf hingewiesen, daß die Zuordnung von gestohlenem Gut auch aufgrund des Akteninhalts möglich sei und ich für eine so lange Speicherung von Geschädigten etc. in der Datei keine Erforderlichkeit sehe. Auch das Staatsministerium des Innern, an das ich mich deswegen gewandt habe, vertrat die Auffassung, daß es für die Verkürzung der Speicherungsfrist von Personen, die keine Täter oder Tatverdächtige sind, aus den vom Polizeipräsidium genannten Gründen keinen Anlaß sehe. Zudem sei der Deliktsbereich "Wohnungs- und Pkw-Einbrüche" erfahrungsgemäß durch einen nichtvernachlässigbaren Anteil vorgetäuschter Anzeigen belastet. Um diese oft schadensträchtigen Fälle erkennen zu können, könne auf die personenbezogene Speicherung von Mitteilern und Anzeigeerstattern nicht verzichtet werden.
Mit dieser Argumentation hat das Innenministerium eingeräumt, daß alle Geschädigten, Mitteiler und Anzeigeerstatter von der Polizei als potentiell Verdächtige vorgetäuschter Straftaten angesehen werden. Diese Sichtweise halte ich nicht für vertretbar. Sie führt zu einer unzulässigen Speicherung auf Vorrat, da konkrete Verdachtsgründe gegen die in der Datei erfaßten Personen zum Zeitpunkt der Speicherung nicht bestehen. Sollte sich im Einzelfall ein konkreter Verdacht einer Straftat gegen einen Angehörigen dieses Personenkreises ergeben, kann dieser als Tatverdächtiger für einen längeren Zeitraum gespeichert werden. Meinen Vorschlag, die Aussonderungsprüffrist bei Geschädigten, Mitteilern und Anzeigeerstattern in der Errichtungsanordnung auf maximal fünf Jahre festzulegen, hat das Staatsministerium des Innern bisher abgelehnt.

5.5. Kontrolle von Datenerhebungsmaßnahmen

5.5.1. Verdachts- und ereignisunabhängige Kontrollen

Bereits in meinem letzten Tätigkeitsbericht hatte ich unter Nr. 5.13 über meine Forderung gegenüber dem Staatsministerium des Innern berichtet, im Zusammenhang mit der in Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 PAG geschaffenen erweiterten Möglichkeit zur Durchführung verdachts- und ereignisunabhängiger polizeilicher Kontrollen begleitende Erhebungen und Auswertungen zur Beurteilung des Erfolges dieser Maßnahme durchzuführen. Für die Bewertung dieser zusätzlichen polizeilichen Eingriffsbefugnis ist eine Erfolgskontrolle, die insbesondere Zahl und Ort der getroffenen Maßnahmen sowie ihre Ergebnisse (Erfolge) beinhalten sollte, von erheblicher Bedeutung. Das Innenministerium hatte meine Anregung leider abgelehnt und dies mit einem unvertretbar hohen zusätzlichen Arbeitsaufwand sowie mit der Schwierigkeit begründet, Erfolge konkreten polizeilichen Maßnahmen zuzuordnen. Hiergegen hatte ich ausgeführt, daß es gerade bei verdachtsunabhängigen polizeilichen Kontrollen möglich sein sollte, die Zahl der durchgeführten polizeilichen Kontrollen (getrennt nach Bundesautobahnen, Europastraßen und anderen Straßen) der Zahl der Fälle gegenüberzustellen, bei denen Anhaltspunkte für grenzüberschreitende Kriminalität weitere polizeiliche Maßnahmen notwendig gemacht haben.

Inzwischen habe ich mich bemüht, mir durch schriftliche Anfragen beim Innenministerium und verschiedenen Polizeidienststellen sowie anhand mehrerer Informationsbesuche auch bei örtlichen Dienststellen einen Überblick über Zahl, Durchführung und Ergebnisse der verdachtsunabhängigen Kontrollen zu verschaffen. Dabei hat sich bestätigt, daß nach wie vor bei den Polizeidienststellen keine Übersicht über die durchgeführten verdachts- und ereignisunabhängigen Kontrollen und deren Erfolge besteht, so daß im Nachhinein weder die Anzahl der Kontrollmaßnahmen feststellbar, noch deren rechtliche Einordnung möglich ist. Offenbar werden nur herausragende Ereignisse an vorgesetzte Dienststellen gemeldet.

Bei meinen Informationsbemühungen habe ich mein Augenmerk im besonderen auf die praktische Durchführung der in Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 PAG bestehenden Befugnis gerichtet, verdachtsunabhängige Kontrollen nicht nur auf Bundesautobahnen und Europastraßen, sondern auch auf "anderen Straßen von erheblicher Bedeutung für den grenzüberschreitenden Verkehr" durchzuführen. Bereits im Gesetzgebungsverfahren hatte ich mich erfolglos u.a. dafür eingesetzt, die diesbezüglich sehr weite Fassung des Gesetzestextes dadurch zu präzisieren, daß Kontrolleinsätze auf solchen "anderen Straßen" nur von der Dienststellenleitung befristet angeordnet werden dürfen, um eine Beschränkung auf das unbedingt notwendige Maß zu erreichen. Meine Feststellungen haben hierzu ergeben, daß der Begriff der "anderen Straße von erheblicher Bedeutung für den grenzüberschreitenden Verkehr" grundsätzlich nicht durch interne Richtlinien oder Anweisungen näher bestimmt wird und auch diesbezüglich eine Dokumentation der polizeilichen Kontrollen nicht erfolgt. Die Polizei vertritt die Auffassung, daß aufgrund der wandelbaren tatsächlichen Gegebenheiten, wie sie nach dem polizeilichen Lagebild zu erkennen sind (vgl. Nr. 13.7 Vollzugsbekanntmachung zu Art. 13 PAG), grundsätzlich auch durch den einzelnen Polizeibeamten vor Ort festgelegt werden könne, welche Straße zur Zeit als "andere Straße" im Sinne des Gesetzes gelte. Allerdings haben meine Feststellungen bei einer Polizeidirektion ergeben, daß dort die für Kontrollen in Frage kommenden Straßen anhand aktueller Lagebilder auf Direktions- bzw. Inspektionsebene per Anordnung festgelegt werden. Ich meine, daß diese Regelung geeignet wäre, aufgrund der Weite des gesetzlichen Tatbestands bestehende Mißbrauchsgefahren zu verringern.

Ich werde die Entwicklung bei der praktischen Anwendung dieser noch relativ neuen polizeirechtlichen Befugnisnorm weiter aufmerksam beobachten.

5.5.2. Einsatz technischer Mittel in Wohnungen zur Gefahrenabwehr (präventiver Lauschangriff)

Die Polizei kann und konnte schon vor der Einführung des großen Lauschangriffs zur Strafverfolgung unter bestimmten Voraussetzungen durch den verdeckten Einsatz technischer Mittel in oder aus Wohnungen personenbezogene Daten zum Zwecke der Gefahrenabwehr erheben. Die Maßnahme darf nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzug auch durch die im Polizeiaufgabengesetz genannten Dienststellenleiter angeordnet werden.

Alle fünf Maßnahmen aus den Jahren 1996 und 1997 habe ich bei einer Polizeidienststelle in datenschutzrechtlicher Hinsicht überprüft, wobei sich die Kontrolle nicht auf die Datenerhebung erstreckte, die gerichtlich überprüft worden ist.

Ich habe festgestellt, daß die richterliche Anordnung für jede einzelne Maßnahme vorlag. Gefahr im Verzug war in keinem Fall angenommen worden. Eine Benachrichtigung der von der Maßnahme betroffenen Personen erfolgte in den geprüften Fällen nicht. Eine solche vom Gesetz grundsätzlich vorgesehene Benachrichtigung unterblieb nach Angaben der Polizei, weil entweder wegen desselben Sachverhalts ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen den Betroffenen eingeleitet worden war oder weil eine Benachrichtigung nach Auffassung der Polizeidienststelle noch nicht ohne Gefährdung der öffentlichen Sicherheit möglich war. Das Polizeiaufgabengesetz läßt u.a. in diesen Fällen eine Ausnahme von der Benachrichtigungspflicht zu. Die Überprüfung ergab, daß in einem Fall der Nichtunterrichtung durch die von der Maßnahme Betroffenen, die dem organisierten Verbrechen zugeordnet werden können, weiterhin eine Gefährdung der Ermittlungen im Bereich der Organisierten Kriminalität und für Menschenleben gegeben war. In allen anderen Fällen wurde infolge des Ergebnisses der zunächst zur Gefahrenabwehr durchgeführten Überwachungsmaßnahmen gegen die Betroffenen ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet. Die Gründe für die Nichtunterrichtung waren zum Zeitpunkt meiner Prüfung gegeben.

Ich habe gefordert, die Tatsache und die Gründe einer Nichtunterrichtung des Betroffenen nachprüfbar zu dokumentieren und ein Wiedervorlageverfahren einzuführen um zu gewährleisten, daß bei Wegfall der Gründe für das Absehen von der Benachrichtigung diese unverzüglich nachgeholt werden kann. Die Polizeidienststelle hat mir die künftige Dokumentation und die wiederkehrende Prüfung des Vorliegens von Hinderungsgründen zugesagt. Darüber hinaus ist die Polizei nach entsprechender Aufforderung bereit, eine Niederschrift über die Vernichtung des anläßlich der Maßnahmen gewonnenen Ton- und Bildmaterials durchführen. Andere Dienststellen, bei denen solche Unterlagen vorhanden sind, werden künftig benachrichtigt, damit sie ihrerseits die Vernichtung vornehmen können.

5.5.3. Telefonüberwachungsmaßnahmen

Nach den §§ 100 a ff. der Strafprozeßordnung darf unter den dort genannten Voraussetzungen die Überwachung und Aufzeichnung des Fernmeldeverkehrs (Telefonüberwachung) angeordnet werden. Bei einem Polizeipräsidium habe ich eine Reihe von Telefonüberwachungsmaßnahmen in datenschutzrechtlicher Hinsicht überprüft. Geprüft habe ich insbesondere, ob die richterliche Anordnung für die Maßnahme vorhanden war bzw., soweit diese bei Gefahr im Verzug auf Anordnung der Staatsanwaltschaft erfolgte, ob die Maßnahme nach 3 Tagen richterlich bestätigt wurde. Desweiteren habe ich geprüft, ob die durch die Maßnahme erlangten Tonträger und Unterlagen, die zur Strafverfolgung nicht mehr erforderlich waren, unter Aufsicht der Staatsanwaltschaft vernichtet und über die Vernichtung Niederschriften gefertigt wurden.

Ich habe festgestellt, daß in allen geprüften Fällen eine richterliche Anordnung oder Bestätigung zur Durchführung von Telefonüberwachungsmaßnahmen vorgelegen hatte. Bei allen geprüften Vorgängen konnte ich anhand der vorhandenen Dokumentation die Anordnung und den Vollzug der Löschung der Tonträger feststellen. Nicht nachvollziehbar war, aufgrund durchweg fehlender Dokumentation, die etwaige Anfertigung von Abschriften oder Aufzeichnungen über Verbindungsdaten, deren Anzahl und Verbleib bzw. deren Vernichtung.

Das Polizeipräsidium habe ich aufgefordert auch insoweit eine ausreichende Dokumentation sicherzustellen. Diese sollte Art und Anzahl der durch die Maßnahme gewonnenen Unterlagen, deren Verbleib sowie Durchführung und der Zeitpunkt der Vernichtung erkennen lassen. Sollten keine Abschriften oder Aufzeichnungen angefertigt worden sein, sollte dies gleichfalls im Interesse der Nachvollziehbarkeit dokumentiert werden. Eine Mitteilung des Polizeipräsidiums über das Veranlaßte steht noch aus.

Nach der Strafprozeßordnung sind die durch die Telefonüberwachungsmaßnahmen erlangten Unterlagen unverzüglich zu vernichten, wenn sie zur Strafverfolgung nicht mehr erforderlich sind. Die Pflicht zur Vernichtung kann also auch schon während eines Strafverfahrens entstehen, wenn sich herausstellt, daß die Unterlagen für die Strafverfolgung nicht oder nicht mehr benötigt werden, sei es, daß keine relevanten Erkenntnisse gewonnen wurden oder beweiserhebendliche Erkenntnisse inzwischen durch andere Beweismittel bestätigt wurden. In einem von mir geprüften Fall hatte die Polizei der Staatsanwaltschaft mitgeteilt, daß sich aufgrund der Telefonüberwachung keine Hinweise auf die Straftat ergeben hätten. Die Anordnung der Staatsanwaltschaft das Material zu vernichten, erfolgte erst über zwölf Monate nach dieser Mitteilung der Polizei. Den Gründen dieser späten Löschanordnung werde ich noch nachgehen.

5.5.4. Einsatz von verdeckten Ermittlern/nicht offen ermittelnden Polizeibeamten

Bereits in meinem letzten Tätigkeitsbericht (Nr. 5.2.2) war ich auf Schwierigkeiten und praktische Bedeutung der Unterscheidung zwischen verdecktem Ermittler und nicht offen ermittelndem Polizeibeamten eingegangen. Ich hatte im einzelnen dargelegt, daß diese nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anhand einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmen ist.

Nachdem das Innenministerium eine entsprechende Ergänzung der Richtlinien, insbesondere die Klarstellung, daß ein Scheinaufkäufer nicht stets als nicht offen ermittelnder Polizeibeamter zu qualifizieren sei, abgelehnt hat, habe ich zur Feststellung der derzeitigen polizeilichen Praxis eine Reihe solcher Einsätze überprüft. Dabei habe ich festgestellt, daß die Abgrenzung zwischen verdecktem Ermittler und nicht offen ermittelnden Polizeibeamten vertretbar erschien. Insofern war eine deutliche Verbesserung im Vergleich zu meinen früheren Feststellungen zu verzeichnen. Der nicht offen ermittelnde Polizeibeamte wurde immer dann eingesetzt, wenn aufgrund der bisherigen polizeilichen Erkenntnisse nur mit einer kurzzeitigen Kontaktaufnahme mit dem Täter und dem schnellen Eintritt des Erfolges (Festnahme, Sicherstellung) zu rechnen war. In den von mir geprüften Fällen traf die entsprechende polizeiliche Prognose weitgehend zu. Seitens der geprüften Polizeidienststelle wurde mir mitgeteilt, daß ein verdeckter Ermittler immer dann eingesetzt werde, wenn der Einsatz eines nicht offen ermittelnden Polizeibeamten bei der Abwägung im Vorfeld erfolglos erscheint oder wenn absehbar sei, daß sich der Einsatz über längere Zeit bzw. über mehrere Kontakte hinziehen werde. Dies könne auch bei Scheinkaufverhandlungen ohne kurzfristig zu erwartenden Erfolg der Fall sein.

Insofern konnte ich feststellen, daß sich die polizeiliche Praxis an meinen Forderungen orientiert. Die Prüfung von konkreten Einsätzen dieser Art habe ich auch für den nächsten Berichtszeitraum vorgesehen.

5.5.5. Durchführung der DNA-Analyse (genetischer Fingerabdruck)

Am 22.03.1997 traten Bestimmungen in der Strafprozeßordnung in Kraft, welche die strafprozessualen Voraussetzungen für die Durchführung molekulargenetischer Untersuchungen (auch DNA- oder Genomanalyse genannt) regeln (vgl. Nr. 7.1.7). DNA-Analysen werden in Bayern in der Regel durch Sachverständige des Bayerischen Landeskriminalamtes durchgeführt. Die dortige praktische Durchführung war Gegenstand eines Informationsbesuches und später auch einer Prüfung.

Die Prüfung ergab im wesentlichen folgendes:

  • Anonymisierung

    Nach Angaben des BLKA werden mit zunehmender Tendenz derzeit 80% der Untersuchungsanträge in anonymisierter Form von der beantragenden Stelle (z.B. Polizei, Staatsanwaltschaft, Gericht) dem BLKA zugesandt. Trifft der Antrag in nicht-anonymisierter Form ein, wird dies beim BLKA nachgeholt, bevor der beauftragte Sachverständige den Auftrag erhält. Der vom BLKA definierte Anonymisierungsumfang wurde durch die Spurenkommission der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin festgelegt. Danach wird dem beauftragten Sachverständigen der Vorname, der erste Buchstabe des Familiennamens sowie das Geburtsjahr des Betroffenen zur Kenntnis gebracht. Das BLKA argumentierte, daß die Verwendung des Vornamens eines Betroffenen insbesondere wegen der Verwechslungsgefahr bei der Dechiffrierung durch die beantragende Stelle sowie wegen der Möglichkeit der Bestimmung von Geschlecht, verwandtschaftlicher Verhältnisse oder ethnischer Zugehörigkeiten notwendig sei. Außerdem sei aus der Sicht des BLKA mit dem Begriff "Name" nur der vollständige Nachname gemeint. Bei anderen gesetzlichen Bestimmungen werde nach Nach-, Geburts- oder Familienname und Vornamen unterschieden, in der Strafprozeßordnung werde der Vorname von der Mitteilung nicht ausdrücklich ausgeschlossen.

    Nach § 81 f Strafprozeßordnung ist dem Sachverständigen das Untersuchungsmaterial ohne Mitteilung des Namens, der Anschrift und des Geburtstages und -monats des Betroffenen zu übergeben. Es ist zutreffend, wie das BLKA ausführt, daß andere gesetzliche Bestimmungen deutlich die verschiedenen Namensarten unterscheiden. Gerade deshalb hätte der Gesetzgeber nicht "des Namens", sondern ausdrücklich "des Familiennamens" formuliert, wäre nur dieser gemeint. Der Begriff "Name" beinhaltet in diesem Zusammenhang nach meiner Auffassung jeglichen Namen oder Namensbestandteil, der eine erleichterte Identifizierung, wenn auch nur im Einzelfall, ermöglicht. Auch der Vorname kann im Einzelfall und im Hinblick auf vorhandenes Zusatzwissen zur Identifizierung geeignet und ausreichend sein. Die Verwendung des Vornamens beeinträchtigt den Schutzzweck der Vorschrift. Die Angabe des Geschlechtes und ggf. soweit erforderlich verwandtschaftlicher Verhältnisse oder ethnischer Zugehörigkeit ist dagegen durch die gesetzliche Regelung nicht ausgeschlossen und kann deshalb von der beantragenden Stelle mitgeteilt werden.

    Bei einer Einverständniserklärung des Betroffenen mit der molekulargenetischen Untersuchung hält das BLKA eine Anonymisierung der Daten nicht für erforderlich. Ich teile diese Auffassung nicht. Es trifft zwar zu, daß die Strafprozeßordnung hierfür keine Anforderungen aufstellt. Regelungsgegenstand ist insoweit allein die zwangsweise Entnahme von Körpermaterial und dessen molekulargenetische Untersuchung. Gleichwohl bin ich der Auffassung, daß derjenige, der sich freiwillig untersuchen läßt, datenschutzrechtlich nicht schlechter gestellt werden sollte wie derjenigen, bei dem die Untersuchung zwangsweise angeordnet wird. Die Einverständniserklärung des Betroffenen erstreckt sich auch nicht auf eine Nichtanonymisierung, sondern auf die Untersuchung selbst. Das BLKA hat sich in diesem Punkt meiner Auffassung angeschlossen und wird künftig auch diese Untersuchungen in anonymisierter Form durchführen.

    Das BLKA ist weiter der Auffassung, daß diejenigen Fälle nicht anonymisiert werden müssen, über die von den Medien bereits unter voller Namensnennung berichtet wurde. Im Gegensatz dazu sehe ich gerade hier die Notwendigkeit, die Grundsätze der Unabhängigkeit und Unbefangenheit des beauftragten Sachverständigen zu wahren und dafür Sorge zu tragen, daß dem Sachverständigen eine anonyme neutrale Untersuchung ermöglicht wird. Das BLKA zeigte für meine Bedenken kein Verständnis und wird wohl in diesen Fällen weiterhin von einer Anonymisierung absehen. Ich werde mich deshalb mit dem Innenministerium in Verbindung setzen.
  • Praktische Umsetzung der Anonymisierung

    Bei meiner Prüfung einer Reihe von Unterlagen zu DNA-Analysen habe ich festgestellt, daß über die meines Erachtens ohnehin unzureichende Anonymisierung hinaus weitere Mängel vorhanden waren. Teilweise war das gesamte Geburtsdatum oder der Nachname nicht anonymisiert. In einigen Fällen waren die Namen trotz Überzeichnung mit schwarzem Fettstift ohne großen Aufwand lesbar. Es sollte daher bei der Anonymisierung besser darauf geachtet werden, daß die entsprechenden Daten nicht trotzdem lesbar bleiben.

    Das BLKA erklärte mir hierzu, daß dies ein technisches Problem sei, d.h. eine Frage der Qualität des verwendeten Schwärzungsstiftes und daß durch andere Maßnahmen der bereits jetzt erforderlichen Aufwand zur Anonymisierung in unvertretbarem Maß ansteigen würde. Dieses Argument lasse ich keinesfalls gelten. Die Anschaffung und Verwendung deckender Stifte kann keinen unverhältnismäßigen finanziellen Aufwand zur Sicherstellung des Datenschutzes in diesem Bereich bedeuten.
  • Vernichtung des Untersuchungsmaterials

    Nach Mitteilung des BLKA erfolgt die Vernichtung des Untersuchungsmaterials (isolierte DNA) sofort, wenn das Vergleichsmaterial nicht zu Spur paßt. Bei positiver Identität ist derzeit eine Aufbewahrungsdauer von zwei Jahren vorgesehen. Die Frist sei deshalb festgelegt worden, weil derzeit keine Rückmeldungsmechanismen seitens der beantragenden Dienststelle hinsichtlich des Ausgangs des Verfahrens existieren und sie sei angelehnt an die Regelungen für die Aufbewahrung von Blutproben zur Blutproben-Alkoholbestimmung, die sich in der Praxis bewährt haben. Künftig werde das BLKA den Ablauf der zwei Jahre als Aussonderungsprüffrist anwenden.

    Nach § 81 a Strafprozeßordnung sind dem Beschuldigten entnommene Blutproben oder sonstige Körperzellen unverzüglich zu vernichten, sobald sie für das Strafverfahren nicht mehr erforderlich sind. Die Festlegung einer Aussonderungsprüfung nach zwei Jahren erscheint mir willkürlich. Diese Frist kann in manchen Fällen zu lang, in anderen Fällen zu kurz sein. Sie wird der gesetzlichen Forderung einer unverzüglichen Vernichtung nicht gerecht. Daher wäre es meines Erachtens notwendig, daß die untersuchende Stelle bei Abschluß des Strafverfahrens über den Ausgang informiert wird.
  • Technisch-organisatorische Maßnahmen

    Das BLKA teilte mir mit, daß es folgende nach § 81 f Strafprozeßordnung erforderliche technisch-organisatorische Maßnahme zur Verhinderung molekulargenetischer Untersuchungen und einer unbefugten Kenntnisnahme durch Dritte getroffen habe:

    Verhinderung der unbefugten Kenntnisnahme Dritter durch ein abgeschlossenes Sicherheitssystem des BLKA insgesamt und insbesondere der befaßten Abteilung Kriminaltechnik, in dem die Untersuchungen vorgenommen und Untesuchungsmaterialien aufbewahrt werden. Desweiteren durch Anonymisierung von Spuren und Vergleichsmaterial, die eine namensgebundene Suche ausschließt.

    Verhinderung unzulässiger molekulargenetischer Untersuchungen durch organisatorische Maßnahmen. z.B. werden dienstlich ausschließlich Reagenzien und Bedarfsartikel zur Anwendung im erlaubten Untersuchungsumfang beschafft. Nicht erlaubte Untersuchungen würden auffallen. Die beteiligten Sachverständigen und Hilfskräfte sind auf Dienstpflicht zur Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften angewiesen. Dies wird vom Sachgebietsleiter regelmäßig überwacht. Außerdem sei es derzeit nicht möglich, mit molekulargenetischen Techniken besondere persönlichkeitsrelevante Merkmale, wie Charaktereigenschaften o.ä. festzustellen.

    Die getroffenen Maßnahmen erscheinen mir nach dem jetzigen Kenntnisstand ausreichend.

Meine Korrespondenz mit dem Bayerischen Landeskriminalamt ist noch nicht abgeschlossen.

5.5.6. Erkennungsdienstliche Behandlung

Im Zuge von Prüfungen bei Polizeipräsidien habe ich festgestellt, daß in mehreren Fällen Polaroidaufnahmen von Betroffenen angefertigt wurden, obwohl sie nicht Beschuldigte eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens oder einer konkreten Straftat verdächtig waren.

Als Rechtsgrundlage erkennungsdienstlicher Maßnahmen zur vorbeugenden Verbrechensbekämpfung kommen grundsätzlich § 81 b 2. Alt. StPO und Art. 14 Abs. 1 Nr. 2 PAG in Betracht. Nach § 81 b StPO dürfen Lichtbilder und Fingerabdrücke des Beschuldigten auch gegen seinen Willen aufgenommen sowie Messungen und ähnliche Maßnahmen an ihm vorgenommen werden, soweit es für die Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens oder für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist. Nach Art. 14 Abs. 1 Nr. 2 PAG kann die Polizei erkennungsdienstliche Maßnahmen vornehmen, wenn dies zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erforderlich ist, weil der Betroffene verdächtig ist, eine Tat begangen zu haben, die mit Strafe bedroht ist und wegen der Art und Ausführung der Tat die Gefahr der Wiederholung besteht.

In den festgestellten Fällen schied § 81 b 2. Alt. StPO als Rechtsgrundlage aus, weil die Betroffenen - wie gesagt - nicht Beschuldigte waren. Die zuständige Polizeidienststelle stützte die Maßnahmen auf Art. 14 Abs. 1 Nr. 2 PAG. Sie vertritt die Auffassung, daß Art. 14 PAG solche erkennungsdienstliche Maßnahmen regelt, die von der Polizei ausschließlich im präventiven Bereich angefertigt werden. Hier seien Fälle denkbar, bei denen auf Art. 14 Abs. 1 Nr. 2 PAG zurückgegriffen werden könne, wenn der Betroffene zwar nicht Beschuldigter ist, er aber ohne konkreten Tatverdacht - z.B. wegen angenommener Zugehörigkeit zu einer delinquenten Gruppierung - als Täter einer mit Strafe bedrohten Handlung in Betracht kommen kann.

Der Polizei gegenüber habe ich zum Ausdruck gebracht, daß die Bildaufnahmen auch nicht zulässigerweise auf Art. 14 Abs. 1 Nr. 2 PAG gestützt werden konnten, weil diese Vorschrift zwar die erkennungsdienstliche Behandlung von Personen ermöglicht, die etwa wegen Strafunmündigkeit, Schuldunfähigkeit oder bereits erfolgter rechtskräftiger Verurteilung nicht Beschuldigte sein können, ansonsten aber einen konkreten Tatverdacht voraussetzt. Es ist deshalb unzulässig, Art. 14 Abs. 1 Nr. 2 PAG in dem Sinne zu verstehen, daß diese Vorschrift die erkennungsdienstliche Behandlung eines jeden Nichtbeschuldigten gestattet, der aufgrund von einzelnen Erkennungsmerkmalen (z.B. punkerartige Kleidung, Besuch einschlägiger Lokale) Gruppierungen zugerechnet wird, aus denen heraus Straftaten begangen wurden. Dies stünde mit dem klaren Wortlaut der Vorschrift im Widerspruch.

Wegen der hiernach fehlenden gesetzlichen Voraussetzungen für die erkennungsdienstlichen Maßnahmen in den festgestellten Fällen werde ich das Polizeipräsidium auffordern, diese Praxis zu ändern und ggf. eine Beanstandung prüfen.

5.5.7. Bildaufnahmen bei Versammlungen

In meinem 17. Tätigkeitsbericht (Nr. 5.9.1) habe ich ausführlich zu der Frage Stellung genommen, unter welchen Voraussetzungen die Polizei bei Versammlungen Bild- und Tonaufnahmen anfertigen darf. Ich habe darauf hingewiesen, daß aufgrund der gesetzlichen Regelung in § 12 a Versammlungsgesetz einzelne Versammlungsteilnehmer nur dann gezielt beobachtet werden dürfen, wenn man aufgrund ihres Verhaltens oder aufgrund sonstiger Erkenntnisse mit Störungen durch diese Teilnehmer rechnen muß und wenn eine solche Beobachtung unter Berücksichtigung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit zur Abwehr der bevorstehenden Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung erforderlich und verhältnismäßig ist.

Aufgrund einer Eingabe habe ich davon Kenntnis erlangt, daß bei einer Protestveranstaltung gegen Atomkraft, die sich aus ca. 15 Teilnehmern zusammensetzte, von der Polizei Videoaufnahmen gefertigt wurden. Das Staatsministerium des Innern teilte mir hierzu mit, daß die Videoaufzeichnungen weder zum Zweck der Verfolgung etwaiger Verstöße gegen versammlungsrechtliche Auflagen noch zur Abwehr einer konkreten Gefahrenlage erstellt worden seien. Es habe sich vielmehr um reine Übersichtsaufnahmen gehandelt. Zweck der Aufnahmen sei ausschließlich die taktische Nachbereitung des Einsatzes auch im Hinblick auf mögliche zukünftige gleichgelagerte Einsatzlagen gewesen.

Als Übersichtsaufnahmen sind nur die Bildaufnahmen zu qualifizieren, die dazu dienen, ein Gesamtgeschehen festzuhalten. Auf die einzelnen Personen, die dabei zwangsläufig mit abgebildet werden, darf es nicht ankommen. Trotz fehlender spezialgesetzlicher Befugnisnormen hielt der Rechtsausschuß des Deutschen Bundestages Übersichtsaufnahmen für zulässig, weil sie nicht mit dem Ziel der Identifizierung einzelner Versammlungsteilnehmer hergestellt würden und deren Rechte daher nicht tangierten (BT-Drs. 11/4359, S. 17). Ich habe dazu ausgeführt, daß Übersichtsaufnahmen nicht zur Umgehung der in § 12 a VersammlG festgelegten Einschränkungen führen dürfen. Bei einer Versammlung mit lediglich 15 Teilnehmern sehe ich eine erhebliche Gefahr, daß durch die Videoaufzeichnung primär nicht der Verlauf der Versammlung als solcher, sondern die Identität und das Verhalten des individuellen Teilnehmers festgehalten wird.

Da im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für die Anfertigung von Individualaufnahmen nach § 12 a Versammlungsgesetz nicht vorlagen, war für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit entscheidend, ob es sich bei den erstellten Filmaufnahmen tatsächlich um sogenannte Übersichtsaufnahmen handelte. Die betreffenden Filme konnten von mir nicht mehr eingesehen werden, weil sie bereits kurze Zeit nach der Protestveranstaltung von der Polizei vernichtet worden waren. Es war ebenfalls nicht mehr möglich, zum Zwecke der zutreffenden Einordnung der Filmaufnahmen die genauen Umstände ihrer Anfertigung zu rekonstruieren. Die entscheidende Frage, ob im vorliegenden Fall tatsächlich nur Übersichtsaufnahmen angefertigt wurden, mußte daher letztlich offenbleiben.

Aufgrund dieser Erfahrung meine ich, daß in diesem äußerst sensiblen Grenzbereich zwischen möglichst unbeeinträchtigter Wahrnehmung des Grundrechts auf Demonstrationsfreiheit und notwendiger polizeilicher Aufgabenerfüllung im Interesse aller Beteiligter geeignete Vorkehrungen zur Gewährleistung einer effektiven datenschutzrechtlichen Kontrolle getroffen werden sollten, um eine spätere Überprüfung polizeilicher Bildaufzeichnungen bei Versammlungen zu ermöglichen. Nachdem das Staatsministerium des Innern dargelegt hat, daß eine Dokumentation der näheren Umstände der polizeilichen Anfertigung von Übersichtsaufnahmen nicht praktikabel sei, habe ich darum gebeten, in Zukunft bei Versammlungen angefertigte polizeiliche Bildaufnahmen zum Zwecke der datenschutzrechtlichen Kontrolle zunächst aufzubewahren und mich hiervon umgehend zu unterrichten.

5.6. Kontrolle von Datenübermittlungen

5.6.1. Erhebungen für Finanzbehörden

Im Rahmen der Prüfung eines Polizeipräsidiums und aufgrund von Eingaben habe ich festgestellt, daß Polizeidienststellen auf entsprechende Ersuchen verschiedener Bezirksfinanzdirektionen und Finanzämter den Aufenthaltsort der betroffenen Personen ermittelten und den anfragenden Finanzbehörden mitteilten.

Während die bloße Übermittlung bei der Polizei bereits vorhandener Daten zum Aufenthaltsort der Betroffenen bei Vorliegen schutzwürdiger Interessen zulässig war, fehlten in einer Reihe von Fällen die gesetzlichen Voraussetzungen für eine polizeiliche Datenerhebung nach dem Polizeiaufgabengesetz. Die Polizei darf zwar personenbezogene Daten auch zur Erfüllung der ihr durch andere Rechtsvorschriften übertragenen Aufgaben erheben. Darunter sind jedoch nur diejenigen spezialgesetzlichen Normen zu verstehen, die der Polizei im einzelnen bestimmte Aufgaben zuweisen. Die allgemeinen Vorschriften zur Amtshilfe, wie z.B. § 111 Abgabenordnung oder Art. 4 ff. Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz, fallen nicht darunter. Aus den Amtshilfevorschriften folgt auch keine generelle Befugnis der Polizei, Daten für andere Behörden zu erheben. Soweit die Polizei Amtshilfe leistet und dazu Rechtseingriffe notwendig sind (wie z.B. Datenerhebung), muß sie auf Befugnisse zurückgreifen, die ihr nach dem Polizeiaufgabengesetz oder nach speziellen Rechtsvorschriften zustehen.

In den von mir abschließend geprüften Fällen dienten die Aufenthaltsermittlungen allein der Amtshilfe für die ersuchenden Finanzbehörden. Ersichtlich erfolgte die polizeiliche Datenerhebung auch nicht zu dem Zweck der Durchführung von Bußgeld- oder Strafverfahren, so daß es an der erforderlichen Rechtsgrundlage für den mit der Datenerhebung verbundenen Rechtseingriff fehlte.

Das Staatsministerium des Innern hat mir mitgeteilt, daß die nachgeordneten Polizeibehörden im Rahmen von Dienstbesprechungen entsprechend informiert wurden.

5.6.2. Datenübermittlungen an die Presse/Presseerklärung

Ein Eingabensteller teilte mit, daß die örtliche Zeitung im Zusammenhang mit dem Brand in einem Wohnhaus u.a. berichtete, daß der Brand "aus Verzweiflung über die bevorstehende Trennung von ihrem Ehemann von einer 44jährigen Frau" gelegt worden sei.

Meine datenschutzrechtliche Prüfung hat ergeben, daß die örtlich zuständige Polizeidirektion eine Presseerklärung veröffentlicht hatte, in deren Rahmen bekanntgegeben wurde, daß der Brand in dem Wohnhaus aller Wahrscheinlichkeit nach von der 44jährigen Wohnungsinhaberin gelegt worden sei und daß das Motiv für die Tat die bevorstehende Trennung von ihrem Ehepartner gewesen sein dürfte.

Ich habe diese Presseerklärung zum Anlaß genommen, gegenüber der Polizei auf die grundsätzliche Problematik bei der Übermittlung personenbezogener Daten durch die Polizei an die Medien einzugehen. Ich habe darauf hingewiesen, daß die Polizei bei ihrer Entscheidung, welche Daten der Presse übermittelt werden, eine Güter- und Interessenabwägung durchführen muß. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die öffentliche Berichterstattung bei einer Straftat unter Namensnennung, Abbildung oder Darstellung des Beschuldigten regelmäßig eine erhebliche Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts darstellt (das auch für Straftäter gilt), auch weil der Betroffene dadurch ganz erhebliche langfristige persönliche oder berufliche Nachteile erleiden kann. Außerdem ist dem Persönlichkeitsrecht von Opfern, Zeugen und Familienangehörigen angemessen Rechnung zu tragen. Sensationsbedürfnisse können ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit nicht begründen (vgl. auch Nr. 8.1 der Richtlinie für die publizistische Arbeit nach Empfehlungen des Deutschen Presserats).

Die Polizei hat auch darauf zu achten, daß nicht nur die vollständige Bekanntgabe des Namens des Betroffenen eine Identifizierung ermöglicht, sondern auch Hinweise auf personenbezogene Angaben wie Wohnort, Alter, Beruf oder Familienverhältnisse usw. Rückschlüsse auf die Person des Täters oder des Opfers zulassen können.

Ich habe die Polizei darauf hingewiesen, daß nach meiner Auffassung die Presseerklärung der Polizei zu den Hintergründen des Wohnungsbrandes den datenschutzrechtlichen Anforderungen bei der Übermittlung personenbezogener Daten an die Medien nicht in vollem Umfang gerecht wird. Ein plausibler Grund dafür, daß die bevorstehende Trennung des Ehepartners als mögliches Tatmotiv für die Brandlegung durch die Wohnungsinhaberin bekanntgegeben wurde, ist nicht ersichtlich. Zur Befriedigung eines legitimen öffentlichen Informationsinteresses war es nicht erforderlich, über die ehelichen Differenzen der Betroffenen, die aufgrund der sonstigen Angaben (Alter der Wohnungsinhaberin, Ort und Zeitpunkt des Brandes) für Nachbarn und Bekannte identifizierbar war, zu berichten.

Das zuständige Polizeipräsidium hat sich dieser Beurteilung angeschlossen und mein Schreiben zum Anlaß genommen, in der präsidiumsinternen Informationsschrift einen Artikel zu dieser Thematik für alle nachgeordneten Dienststellen zu veröffentlichen.

5.7. Abfragen polizeilicher Informationssysteme

Die Abfrage polizeilicher Informationssysteme (z.B. des Kriminalaktennachweises) durch Polizeibedienstete ist eine Form der Datennutzung. Die Polizei darf personenbezogene Daten von polizeilich verantwortlichen Personen mit dem Inhalt polizeilicher Daten abgleichen. Personenbezogene Daten anderer Personen kann die Polizei nur abgleichen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß dies zur Erfüllung einer bestimmten polizeilichen Aufgabe erforderlich ist. Die Polizei kann ferner im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung erlangte personenbezogene Daten mit dem Fahndungsbestand abgleichen.

Einige polizeiliche Informationssysteme, wie z.B. der Kriminalaktennachweis (KAN), stehen einer Vielzahl von Polizeibeamten für dienstliche Abfragen zur Verfügung. Zur Erledigung polizeilicher Aufgaben, z.B. zur Festnahme von gesuchten Straftätern, dem Schutz von Polizeibeamten oder Dritten vor Gefahren für Leib oder Leben und der Aufklärung von Straftaten halte ich die hohe Anzahl der zur Abfrage Berechtigten grundsätzlich für begründet. Je größer der Kreis der Abfrageberechtigten, desto größer ist auch die potentielle Gefahr des Mißbrauchs.

Der ganz überwiegende Teil der wegen Abfragen von mir geprüften Eingaben betraf das soziale Umfeld von Polizeibediensteten. Eine unzweifelhaft mißbräuchliche Abfrage konnte ich nur in einem Fall feststellen. Gleichwohl sind solche Abfragen meines Erachtens datenschutzrechtlich nicht unproblematisch, weil die Grenze von der dienstlich veranlaßten zur mißbräuchlichen oder strafrechtlich relevanten Nutzung personenbezogener Daten nicht immer klar gezogen werden kann.

Im Hinblick darauf habe ich gefordert, daß dienstlich veranlaßte Abfragen im sozialem Umfeld bzw. in eigener Sache grundsätzlich nicht von dem Betroffenen, sondern - nach Unterrichtung des Vorgesetzten - von einem unbeteiligten Polizeibeamten durchgeführt werden sollten. Ein Polizeipräsidium hat in seiner eigenen Zuständigkeit bereits Regelungen dazu getroffenen. Eine landesweite Regelung entsprechender Maßnahmen zur Verbesserung des Datenschutzes halte ich für erforderlich. Das Staatsministerium des Innern hat dazu noch keine Stellungnahme abgegeben.

Bereits in der Vergangenheit habe ich immer wieder Maßnahmen zur Verbesserung des Datenschutzes bei Abfragen polizeilicher Informationssysteme gefordert (vgl. 16. Tätigkeitsbericht, Nr. 5.5.3, 17. Tätigkeitsbericht Nr. 5.5.6). Die insbesondere von mir geforderte Zusatzprotokollierung des Zweckes der Abfrage und eines eventuellen Aktenzeichens des betreffenden Vorgangs bei Abfragen im Informationssystem der Bayer. Polizei wurde vom Staatsministerium des Innern unter Berufung auf unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand und unzumutbarer Mehrbelastung der EDV-Anlagen abgelehnt. Nicht zuletzt auch infolge der Diskussion um den in der Öffentlichkeit bekannt gewordenen Fall einer unzulässigen Datenspeicherung und -nutzung (vgl. Nr. 5.3.1) hat der Staatsminister des Innern die Einrichtung eines Zufallsgenerators angeordnet, durch welchen stichprobenartig Abfragen im Kriminalaktennachweis ausgewählt und durch den Dienstvorgesetzten des abfragenden Polizeibeamten unverzüglich auf die Zulässigkeit des Abrufs überprüft werden. Dieses System wird zwischenzeitlich landesweit eingesetzt. Zur Minimierung der Gefahr mißbräuchlicher Benutzung eines Bildschirms durch einen Nichtberechtigten wurde ebenfalls neu eine Abschaltautomatik eingeführt, sobald der Bildschirm für kurze Zeit nicht benutzt wird. Beide Maßnahmen begrüße ich, weil damit auch aus meiner Sicht die Gefahr unberechtigter Abfragen nicht unerheblich vermindert wird.

5.8. Kontrolle der Auskunftserteilung über Speicherungen in Dateien

5.8.1. Voraussetzungen der Auskunftserteilung

Die allgemeine Prüfung bei einem Polizeipräsidium sowie eine Bürgereingabe haben ergeben, daß bei Anträgen auf Auskunftserteilung über die zu einer Person gespeicherten Daten präzisierende Angaben zu Art und Umfang der polizeilichen Datenspeicherungen verlangt wurden und zumindest in einem Fall dem Antrag nicht entsprochen wurde, weil die vom Antragsteller verlangten Angaben nicht erteilt wurden. Als Begründung für diese Verfahrensweise wurde angeführt, daß es bei der Polizei keinen zentralen Nachweis über alle im Zusammenhang mit polizeilichen Sachbehandlungen angefallenen und gespeicherten personenbezogenen Daten gebe.

Nach dem Polizeiaufgabengesetz sollen zwar in dem Antrag die Art der personenbezogenen Daten, über die Auskunft erteilt werden soll, und der Grund des Auskunftsverlangens näher bezeichnet werden. Ohne Hinweis des Betroffenen auf einen bestimmten Sachverhalt oder eine bestimmte polizeiliche personenbezogene Sammlung ist diesem aber grundsätzlich Auskunft über Speicherungen im Kriminalaktennachweis und der Datei PSV (vgl. Nr. 5.3.2) zu erteilen. Dies bedeutet, daß in diesem Rahmen auch dann Auskunft zu erteilen ist, wenn der Betroffene - meistens aus Unkenntnis - sein Auskunftsverlangen nicht präzisiert.

Das betreffende Polizeipräsidium hat mitgeteilt, daß Antragsteller in Zukunft unter Beachtung dieser Rechtsauffassung Auskunft erhalten.

5.8.2. Umfang der Auskunftserteilung

Nur wenn der Antrag des Betroffenen auf Erteilung der Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten Daten ohne Hinweis auf einen bestimmten Sachverhalt oder eine bestimmte polizeiliche personenbezogene Sammlung gestellt wird, darf sich die Polizei bei ihrer Auskunft auf Speicherungen im Kriminalaktennachweis und in der Datei polizeiliche Sachbearbeitung/Vorgangsverwaltung - Verbrechensbekämpfung (PSV) beschränken. Aufgrund einer Bürgereingabe habe ich festgestellt, daß dem Betroffenen von einer Polizeidirektion die Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten Daten in Anzeigetagebüchern und Neuigkeitsbögen verweigert wurde, obwohl er auf konkrete Sachverhalte, die eine polizeiliche Datenspeicherung vermuten ließen, hingewiesen hatte. Die Polizeidirektion hatte gegenüber dem Petenten die Auskunftsverweigerung damit erklärt, daß personenbezogene Daten in Anzeigetagebüchern und in Neuigkeitsbögen, die nicht Bestandteil einer Kriminalakte sind, den datenschutzrechtlichen Bestimmungen des Bayerischen Datenschutzgesetzes und des Polizeiaufgabengesetzes und damit dem Recht auf Auskunft nicht unterliegen würden.

Diese Auffassung ist falsch. Nach dem Polizeiaufgabengesetz kommt es für das Vorliegen eines Auskunftsanspruchs nicht darauf an, ob die personenbezogenen Daten in vormals von der Polizei manuell geführten Anzeigetagebüchern oder Neuigkeitsbögen oder in elektronischen Dateien erfaßt worden sind. In beiden Fällen liegen Datenspeicherungen vor, die grundsätzlich uneingeschränkt dem Auskunftsrecht unterfallen. Eine Auskunftsverweigerung mit dem Hinweis, Anzeigetagebücher und Neuigkeitsbögen seien interne polizeiliche Aufzeichnungen ist nicht zulässig.

Die Polizeidirektion hat auf mein Betreiben dem Petenten schließlich doch die Auskunft im vorgeschriebenen Umfang erteilt.

5.8.3. Ablehnung der Auskunft/Teilauskunft

Dem Betroffenen polizeilicher Datenspeicherungen ist grundsätzlich Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten Daten zu erteilen. Die Erteilung der Auskunft darf nur unter den im Gesetz genannten Voraussetzungen abgelehnt werden. Im Hinblick auf die Bedeutung der Auskunft für die Wahrnehmung weiterer Datenschutzrechte, wie Löschung und Sperrung, ist, wenn ein Versagungsgrund nur für einen Teil der gespeicherten personenbezogenen Daten vorliegt, die Auskunft im übrigen zu erteilen (sog. Teilauskunft). Wird dem Betroffenen die Auskunft ganz oder teilweise verweigert, ist er darauf hinzuweisen, daß er sich an den Landesbeauftragten für den Datenschutz wenden kann. Tut der Betroffene dies, prüfe ich, ob ausreichende Gründe für die Verweigerung der Auskunft vorgelegen haben und ob die Speicherung der personenbezogenen Daten, über die der Betroffene keine Auskunft erhält, zulässig ist.

Eine Reihe von Bürgern hat sich im Berichtszeitraum an mich gewandt. In zwei Fällen wurde den Petenten durch eine Polizeidirektion eine Auskunft mit dem Hinweis erteilt, daß dort keine weiteren Datenspeicherungen zu ihrer Person bestehen würden. Bei meiner Überprüfung habe ich allerdings festgestellt, daß diese Auskunft unrichtig war. Es handelte sich vielmehr jeweils nur um eine Teilauskunft, die als solche aber nicht erkennbar war. Ein solches Verhalten der Polizei ist unzulässig. Sie darf nicht, auch wenn die Polizei berechtigt ist, die Auskunft im Einzelfall teilweise zu verweigern, dem Betroffenen unzutreffende Auskünfte erteilen und ihn damit in die Irre führen. Auch Geheimhaltungsgründe können ein solches Verhalten nicht rechtfertigen. Vielmehr ist dem Betroffenen die Tatsache, daß nur eine Teilauskunft erteilt wurde, zu offenbaren.

Ich habe das zuständige Polizeipräsidium aufgefordert, dem Petenten die ihm zustehende Auskunft zu erteilen und für weitere derartige Verstöße eine Beanstandung angekündigt.

5.8.4. Generelle Ablehnung der Auskunft bei Betäubungsmittelhandel

Nach dem Polizeiaufgabengesetz unterbleibt die Auskunft u.a., soweit eine Gefährdung der Aufgabenerfüllung durch die Auskunftserteilung, insbesondere eine Ausforschung der Polizei, zu besorgen ist. Mit Blick hierauf hat das Staatsministerium des Innern festgelegt, daß ohne Einzelfallprüfung in allen Fällen des unbefugten Rauschgifthandels eine Auskunft unterbleibt.

Dieser Auffassung bin ich entgegengetreten. Die Möglichkeit für den Bürger, sich zu informieren, welche öffentliche Stelle was über ihn weiß, ist ein entscheidender Bestandteil des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung. Ohne entsprechende Kenntnis hat der Bürger keine Möglichkeit, evtl. bestehende Ansprüche z.B. auf Berichtigung oder Löschung seiner Daten durchzusetzen. Die Verweigerung der Auskunftserteilung stellt damit einen erheblichen Eingriff in seine Rechte dar, der unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auf besondere Ausnahmen nach Beurteilung des Einzelfalls zu beschränken ist.

Die generelle Ablehnung der Auskunftserteilung verstößt daher gegen das Gesetz. Art und Umfang des unbefugten Rauschgifthandels sind so verschiedenartig, daß nicht in allen Fällen der Auskunftserteilung eine Gefährdung der polizeilichen Aufgabenerfüllung angenommen werden kann. Dies gilt in besonderem Maße, wenn der Betroffene bereits von den gegen ihn geführten Ermittlungen und dem Tatvorwurf Kenntnis hat.
Das Staatsministerium des Innern ist nicht bereit, diese Praxis zu ändern. Ich muß deshalb insoweit eine Beanstandung prüfen.

5.9. Mitwirkung an Gesetzen und Richtlinien

5.9.1. Änderung des PAG (Anpassung an die Änderung des Art. 13 des Grundgesetzes)

Mit Wirkung zum 27. März 1998 wurde Art. 13 des Grundgesetzes geändert. Hierdurch wurde zum einen die Möglichkeit geschaffen, die akustische Wohnraumüberwachung (sogenannter großer Lauschangriff) für den Bereich der Strafverfolgung einzusetzen (vgl. hierzu Nr. 7.1.5), zum anderen die bereits in der alten Fassung des Art. 13 GG enthaltene Möglichkeit der Wohnraumüberwachung zu Zwecken der Gefahrenabwehr modifiziert.

Die Bayerische Staatsregierung hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die Anpassung des Polizeiaufgabengesetzes (PAG) und des Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes (BayVSG) an diese Novellierung des Grundgesetzes zum Inhalt hat. Hierzu habe ich gegenüber dem Staatsministerium des Innern ausführlich Stellung genommen.

Ich habe unter Bezugnahme auf die Diskussion der Ausgestaltung der strafprozessualen Vorschriften zum sogenannten großen Lauschangriff angeregt, unter Einschränkung der schon bisher nach dem PAG gegebenen Möglichkeiten zum Abhören von Wohnungen die Erhebung personenbezogener Daten mit technischen Mitteln aus einem mittels Amts- oder Berufsgeheimnis geschütztem Vertrauensverhältnis im Sinne der §§ 53, 53 a StPO in und aus Wohnungen nur zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person zuzulassen. Bei einem Einsatz technischer Mittel in wie auch außerhalb von Wohnungen sollte m.E. außerdem nicht in das Beichtgeheimnis eingegriffen werden. Die Datenerhebung in oder aus Wohnungen von Nichtstörern sollte nur zulässig sein, wenn die Gefahrenabwehr auf andere Weise nicht oder nicht rechtzeitig möglich wäre und dabei überwiegende Rechte und Pflichten dieser Personen nicht verletzt werden. Meines Erachtens ergibt sich die Berechtigung einer solchen Begrenzung um so mehr, wenn man bedenkt, daß der präventive Einsatz technischer Mittel in Wohnungen nicht nur auf Abhörmaßnahmen beschränkt ist, sondern auch Bildaufzeichnungen mit einschließt. Entsprechende Begrenzungen zum Schutz des Vertrauensverhältnisses von Amts- und Berufsgeheimnisträgern sollten auch bzgl. der Befugnis des Landesamtes für Verfassungsschutz zum verdeckten Einsatz besonderer technischer Mittel zur Informationsgewinnung im Schutzbereich des Art. 13 GG (Art. 6 Abs. 4 BayVSG) eingeführt werden.

Diese Vorschläge haben leider, aber nicht unerwartet, keine Berücksichtigung gefunden.

Ich habe gegenüber dem Innenministerium desweiteren angeregt, den Gesetzentwurf der Staatsregierung im wesentlichen in folgenden Punkten zu ändern:

  • Befristung des verdeckten Einsatzes technischer Mittel in Wohnungen nach dem PAG und dem BayVSG auf vier Wochen
  • Verweisung in Art. 6 des BayVSG auf § 7 Abs. 1 und 2 des G-10-Gesetzes, wonach die Maßnahmen unter Verantwortung eines Bediensteten vorzunehmen sind, der die Befähigung zum Richteramt hat, und die Maßnahmen unverzüglich zu beenden sind, wenn die Voraussetzungen der Anordnung nicht mehr vorliegen oder die Maßnahmen nicht mehr erforderlich sind.

Die Staatsregierung ist dem zum Teil nachgekommen, eine Befristung der Maßnahme ist jedoch nach dem geänderten Gesetzentwurf bis zu drei Monaten möglich. Das zwischenzeitlich vom Bayerischen Landtag beschlossene Gesetz ist zum 01.08.1998 in Kraft getreten.

5.9.2. Europol

Das Europäische Polizeiamt (Europol) wird in Kürze seine Tätigkeit auf der Grundlage des Europol-Übereinkommens aufnehmen. Diese Konvention ist inzwischen von allen EU-Staaten ratifiziert worden und am 01.10.1998 in Kraft getreten.

Eine Reihe von Durchführungs- und Ausführungsbestimmungen zur Konvention, von deren Inkrafttreten die Tätigkeitsaufnahme von Europol abhängt, sind bereits ratifiziert. Dies gilt z.B. für das Europol-Immunitätenprotokoll, das für Europol-Bedienstete u.a. Immunität vor strafrechtlicher Verfolgung vorsieht.

Bereits in meinem letzten Tätigkeitsbericht (Nr. 5.16) hatte ich über den ersten Entwurf der Durchführungsbestimmungen zu den sog. Arbeitsdateien zu Analysezwecken berichtet. Hierzu faßten die Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern auf ihrer 53. Konferenz am 17./18.04.1997 folgende Entschließung:

"Die DSB-Konferenz ist gemeinsam der Überzeugung, daß hinsichtlich Nichtverdächtiger und hinsichtlich nicht kriminalitätsbezogener Daten die Forderung des Europäischen Parlaments vom 17.09.1996 unterstützt werden soll.

Das Europäische Parlament hat in seiner Entschließung zur Achtung der Menschenrechte gefordert, ‘alle Informationen persönlichen Charakters, wie Angaben zur Religionszugehörigkeit, zu philosophischen oder religiösen Überzeugungen, Rasse, Gesundheit und sexuellen Gewohnheiten, von der Erfassung in Datenbanken von Europol auszuschließen.’"

Die nunmehr in Kraft getretenen Durchführungsbestimmungen sind im Vergleich zu dem ersten Entwurf wesentlich präziser und datenschutzfreundlicher gefaßt.

Eine wesentliche Voraussetzung für die Arbeitsaufnahme von Europol ist auch mit der Einsetzung der gemeinsamen Kontrollinstanz geschaffen worden. Sie überprüft, ob durch die Verarbeitung von Daten bei Europol die Rechte von Personen verletzt werden. Ihr Beschwerdeausschuß entscheidet verbindlich über Beschwerden der Betroffenen im Zusammenhang mit der Auskunftserteilung, der Überprüfung gespeicherter Daten sowie deren Berichtigung und Löschung. Die deutschen Datenschutzbeauftragten sind durch den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und den Landesbeauftragten von Sachsen-Anhalt in der gemeinsamen Kontrollinstanz vertreten. Sie haben sich bei den Beratungen der Geschäftsordnung der gemeinsamen Kontrollinstanz dafür eingesetzt, daß ihre Mitglieder Unabhängigkeit genießen, ihr Amt unparteilich wahrnehmen, die Behandlung von Beschwerden in einem fairen und grundsätzlich öffentlichen Verfahren erfolgt und der Anspruch der Betroffenen auf rechtliches Gehör gewahrt wird. Bei ihrer Mitarbeit in der gemeinsamen Kontrollinstanz werden sie auf die Einhaltung dieser Grundsätze achten.

Die Arbeitsaufnahme von Europol hängt u.a. noch vom Konsens über die Geschäftsordnung dieser gemeinsamen Kontrollinstanz ab. Dann wird Europol im Unterschied zur bisherigen vorläufigen Phase selbst Daten über Personen in eigenen Informations- und Analysedateien speichern, auswerten und an andere Stellen weitergeben.

Aus datenschutzrechtlicher Sicht behält die Kritik an dem strukturellen Mangel des Europol-Abkommens, daß eine parlamentarische Kontrolle der Behörde Europol fehlt, weiterhin ihre Berechtigung. Nicht befriedigend geregelt sind ferner die Rechtsschutzmöglichkeiten für den Bürger, der nur eingeschränkten Zugang zu ordentlichen Gerichten hat und weitgehend auf das Verfahren vor dem Beschwerdeausschuß der gemeinsamen Kontrollinstanz angewiesen ist. Wenig verständlich ist schließlich die Regelung über die Immunität für Europol-Bedienstete, die spätestens dann zu überdenken sein wird, wenn Europol - wie für die Zukunft geplant - einmal die Befugnis erhält, selbständig strafrechtliche Ermittlungsverfahren zu führen.

5.10. Datenschutzrechtliche Kontrolle während eines laufenden Ermittlungsverfahrens

Im Zusammenhang mit einem Ermittlungsverfahren wegen des Vorwurfs der unzulässigen Datenübermittlung durch einen Polizeibeamten bat ich zur Durchführung meiner datenschutzrechtlichen Prüfung die zuständige Polizeidienststelle um Mitteilung der bislang vorliegenden Ergebnisse der strafrechtlichen Ermittlungen. Polizei und Staatsanwaltschaft wiesen zunächst darauf hin, daß das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren noch nicht abgeschlossen sei. Erst nach weiteren Bemühungen erhielt ich die gewünschten Informationen.

Ich habe dies zum Anlaß genommen, gegenüber Staatsministerium des Innern, Staatsministerium der Justiz und Polizei klarzustellen, daß ich die Frage des Vorliegens datenschutzrechtlicher Verstöße unabhängig von strafrechtlichen Ermittlungsverfahren in gleicher Sache prüfen und dazu auch Einblick in die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsergebnisse nehmen kann:

Nach Art. 30 Abs. 4 Satz 1 BayDSG ist zwar die Kontrolle durch den Landesbeauftragten für den Datenschutz über die Erhebung personenbezogener Daten durch Strafverfolgungsbehörden bei der Verfolgung von Straftaten erst nach Abschluß des Strafverfahrens zulässig. Im übrigen ergibt sich aus dem Gesetz aber keine besondere Einschränkung der Kontrollkompetenz des Landesbeauftragten für den Datenschutz in Bezug auf ein noch nicht abgeschlossenes Strafverfahren. Meine Überprüfung, ob im konkreten Fall oder in anderen Fällen, in denen sich die Notwendigkeit einer datenschutzrechtlichen Überprüfung ergibt, ein Verstoß gegen Datenschutzbestimmungen stattgefunden hat, setzt den Abschluß des jeweiligen Strafverfahrens nicht voraus, da sie nicht die Rechtmäßigkeit der Datenerhebung im Strafverfahren durch Strafverfolgungsbehörden zum Gegenstand hat. Die datenschutzrechtliche Kontrolltätigkeit erfolgt in diesen Fällen vollkommen unabhängig von der Arbeit der Strafverfolgungsbehörden und auch ohne Bindung an gerichtliche Entscheidungen oder die Beurteilung durch die Staatsanwaltschaft. Ob es im Einzelfall zweckmäßig ist, vor Beendigung der datenschutzrechtlichen Prüfung und Beurteilung den Abschluß und Ausgang behördlicher oder gerichtlicher Verfahren abzuwarten, wird allein von mir beurteilt und entschieden.

Gemäß Art. 32 Abs. 1 Satz 2 BayDSG sind dem Landesbeauftragten für den Datenschutz alle zur Erfüllung seiner Aufgaben notwendigen Auskünfte zu geben und auf Anforderung alle Unterlagen über die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten zur Einsicht vorzulegen. Dies betrifft auch polizeiliche Ermittlungsunterlagen, Strafakten und Informationen aus diesen, soweit ihre Kenntnis zur Erfüllung meiner Aufgaben erforderlich ist.

Abschließend habe ich die Polizei darum gebeten, bei zukünftigen Anfragen die erforderlichen Auskünfte ohne Zeitverzögerung zu erteilen und der gesetzlichen Verpflichtung nach Art. 32 Abs. 1 Satz 2 BayDSG zu entsprechen.

5.11. Sonstige Bürgereingaben

Aufgrund von Presseveröffentlichungen im Zusammenhang mit einer unzulässigen Speicherung personenbezogener Daten im Kriminalaktennachweis der bayerischen Polizei und der mißbräuchlichen Verwendung personenbezogener Daten im Berichtszeitraum haben mit steigender Tendenz wieder zahlreiche Bürger Anhaltspunkte für datenschutzrechtliche Verstöße bei der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung ihrer personenbezogenen Daten durch die Polizei an mich herangetragen.

Schwerpunkt der Eingaben waren wiederum Vermutungen, daß Polizeibeamte personenbezogene Daten für private Zwecke oder in ihrem sozialen Umfeld mißbräuchlich nutzen (vgl. Nr. 5.7). Ein häufiger Anlaß für Eingaben war auch die oft intensive und wiederholte Überprüfung der betroffenen Bürger bei polizeilichen Kontrollen, die von diesen auf polizeiliche Datenspeicherungen zurückgeführt wurde. Eingaben kamen auch von Betroffenen, die z.B. nach Anträgen auf Erteilung einer Erlaubnis (z.B. Waffenerlaubnis) oder anläßlich seiner Bewerbung bei bestimmten öffentlichen oder sicherheitsgefährdeten Stellen von der Übermittlung polizeilicher personenbezogenen Daten erfahren hatten und wegen der Datenspeicherung und -übermittlung eine Ablehnung hinnehmen müßten. In solchen Fällen habe ich, soweit Anhaltspunkte auf Rechtsverletzungen vorlagen, die Zulässigkeit der polizeilichen Datenverarbeitung geprüft.

Meine datenschutzrechtliche Überprüfung dieser Sachverhalte hat ergeben, daß bei einem weit überwiegenden Teil der Beschwerdeführer keine Rechtsverletzungen vorgelegen hatten. In einigen Fällen habe ich Verstöße festgestellt. Zur Behebung dieser Mängel habe ich die betroffenen Polizeidienststellen im Einzelfall aufgefordert, Daten zu löschen, zu berichtigen, Speicherungsfristen zu verkürzen und polizeiliche Unterlagen zu vernichten. Bei gravierenden Verstößen habe ich eine förmliche Beanstandung ausgesprochen. Da die Verstöße meines Erachtens häufig auf die unzureichende Kenntnis datenschutzrechtlicher Bestimmungen zurückzuführen waren, habe ich stets besonderen Wert darauf gelegt, Maßnahmen zu fordern, welche geeignet sind, die Wissensdefizite bei Bediensteten der bayerischen Polizei zu minimieren, wie z.B. Regelungen, Dienstunterrichte, Besprechungen und dienstaufsichtliche Maßnahmen.