Der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz; Stand: 14.02.2006
Abschied von Reinhard Vetter
Bayerischer Landesbeauftragter für den Datenschutz 1994 bis November 2005
Rede anläßlich der Abschiedsfeier im Bayerischen Landtag am 14. Februar 2006
(Es gilt das gesprochene Wort.)
April 1994 bis November 2005, fast zwölf Jahre Tätigkeit als Landesbeauftragter für den Datenschutz in Bayern: Anlass für Dank an Mitarbeiter und Kollegen, an den Dienstherren, Anlass für Bilanz und Ausblick, nicht zuletzt Anlass für alle Guten Wünsche für den neuen Landesbeauftragten.
Dank an meinen Stellvertreter Dr. Karl-Heinz Worzfeld und alle anderen Mitarbeiter. Ohne deren sorgfältige und gewissenhafte Arbeit wäre meine Tätigkeit als Landesbeauftragter so nicht möglich gewesen. Sie haben die Anfragen der Bürger bearbeitet, Prüfungen durchgeführt und Tätigkeitsberichte vorbereitet, sie haben mir stets mit Anregungen und Ratschlägen geholfen.
Dank an meine Kolleginnen und Kollegen Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder: In der Datenschutzkonferenz wurden zu den wachsenden und immer komplexer werdenden Fragen des Datenschutzes wesentliche und weiterführende Forderungen und Hinweise erarbeitet. Gesetzgebung und Konzeption von Datenschutzverfahren haben sie übernommen. Dank besonders für die immer objektive, ja freundschaftliche Zusammenarbeit in der Konferenz, aber auch außerhalb, wenn ich einmal nicht mehr weiter wusste.
Dank aber auch an den Dienstherrn sowohl persönlich wie als Datenschutzbeauftragter: Persönlich für die Loyalität und Unterstützung auch in schwierigen Lebenslagen. Als Datenschutzbeauftragter für die stete Unterstützung meiner Arbeit durch die notwendigen Ressourcen sowohl in personeller wie in sachlicher Hinsicht. Das gilt sowohl für die Staatskanzlei bis zur Umressortierung meiner Dienststelle 1998 in den Landtag, wie für das Präsidium und die Verwaltung des Landtags seither. Das gilt besonders auch für den Haushaltsausschuss des Landtags. Er hat ungeachtet der Sparnotwendigkeiten die Arbeitsfähigkeit der Dienststelle auch entsprechend der gestiegenen Aufgaben erhalten. Danken möchte ich auch der Datenschutzkommission beim Landtag, früher dem Datenschutzbeirat des Landesbeauftragten. Sie haben mich vielfach beraten und unterstützt.
Datenschutz ist in seinen Grundlagen wichtig wie eh und je: Das Recht auf Datenschutz ist ein wesentliches Freiheitsgrundrecht. Es ist grundlegender Bestandteil der Würde des Menschen und Voraussetzung für seine freie Entfaltung. Datenschutz ist eine der Voraussetzungen für die demokratische Teilhabe von Bürgerinnen und Bürgern am Staatsgeschehen. Eingriffe durch Hoheitsträger sind, für bestimmte Zwecke, nur im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit, auf klarer gesetzlicher Grundlage zulässig.
Anwendungsbereich und Eingriffswünsche haben sich in den fast zwölf Jahren meiner Amtszeit nicht nur quantitativ sondern qualitativ verändert: Die Abwicklung von immer mehr Lebens- und Arbeitsvorgängen über die digitale Datenverarbeitung und über digitale Medien erzeugt immer mehr Daten, die in immer leistungsfähigeren und verzweigteren Anlagen gespeichert, verarbeitet und übertragen werden können. Die Auswertbarkeit menschlichen Verhaltens steigt in nahezu exponentialem Maße.
Dazu kommen neue Erkenntnissmöglichkeiten wie die Auswertung von DNA - Spuren. Durch sie sind Bewegungsmuster der Menschen möglich geworden, dazu kommen später vielleicht auch Erkenntnisse von Eigenschaften.
Diesen größeren Möglichkeiten stehen wachsende Auswertungswünsche von "Bedarfsträgern" gegenüber: Die Gesetzgeber von Bund und Ländern schaffen zusätzliche Eingriffsbefugnisse zur Abwehr von Terrorismus und organisierter Kriminalität. Davon können nicht nur die sprichwörtlichen Terroristen oder organisiertenVerbrecher betroffen sein, sondern jeder Bürger und jede Bürgerin, die in das Raster der jeweiligen Vorfeldermittlungen passen.
Der Kontenabgleich "zur Förderung der steuerlichen Ehrlichkeit" ermöglicht Zugriffe verschiedener Behörden auf Kontobestandsdaten eines jeden Steuerbürgers.
Aber nicht nur vermehrte Auswertungs- und Eingriffswünsche sind Anlass für neue Datenverarbeitungskonzepte: Auch als solche begrüßenswerte Anliegen nach Verbesserungen zu Gunsten der Menschen sind Anlass für neue umfassende Datenverarbeitungsvorhaben: Die Gesundheitskarte soll eine effektivere Rezeptur ermöglichen und eine bessere Bereitstellung medizinischer Daten sowie eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen Kliniken und niedergelassenen Ärzten.
Das sog. Job - Card - Verfahren soll Entgelt - und Beschäftigungsdaten aller abhängig Beschäftigten in Deutschland für die Prüfung staatlicher Leistungen in einer zentralen Datei bereitstellen.
Auch hier besteht die Gefahr von Zweckänderungen und zusätzlichen Auswertungswünschen. Sie haben uns große Sorgen gemacht. Wir haben uns für effektive Steuerungsmöglichkeiten durch die betroffenen Menschen eingesetzt. Ich kann hier mit Dank an die verantwortlichen Stellen sagen, dass unsere Vorschläge zum großen Teil übernommen wurden. Ich kann nur wünschen, dass sie auch technisch effektiv umgesetzt werden.
Für all diese Eingriffswünsche und Datenverarbeitungskonzepte mögen im Einzelfall gute Gründe sprechen; Gründe aus denen auch Datenschutzbeauftragte sich nicht grundsätzlich gegen die jeweiligen Maßnahmen ausgesprochen haben und in Zukunft aussprechen.
Vielleicht muss in Zukunft aber noch mehr als bisher der Gesamtzusammenhang gesehen werden. Vielleicht muss noch mehr die Möglichkeit in den Blick genommen werden, dass einmal vorhandene Datenbestände und Strukturen der Erkenntnisgewinnung zu anderen Zwecken genutzt werden; zu Zwecken an die bei Einführung niemand gedacht hat, oder die vielleicht sogar weit von sich gewiesen wurden.
Wir müssen realistisch bleiben: Die Entwicklung wird weitergehen, die Auswertungswünsche aller Beteiligten werden weiter wachsen. Auch die Datenschutzbeauftragten werden sich, wie bisher, dieser Entwicklung stellen.
Ich sehe hier einen großen Markt für - ich darf immer noch sagen - unsere Tätigkeit: Aufgabe wird es weiter sein, für menschenfreundliche und Grundrechts - gerechte Datenverarbeitung zu sorgen: Für Datensparsamkeit, für Anonymisierung und Pseudonymisierung, für Datenschutz durch Technik, der nicht durch einen Federstrich des Gesetzgebers wieder aufgehoben werden kann.
Datenverarbeitung ist inzwischen Bereichs- und Länder - , ja Staaten übergreifend: Datenverarbeitung in Medizin und Forschung beschränkt sich nicht auf eine Arztpraxis oder Klinik, genauso wenig wie die Datenverarbeitung im Sicherheit- und Justiz Bereich sich auf ein Land oder einen Staat beschränkt.
Hier ist die enge Zusammenarbeit der vielen zuständigen Datenschutzkontrollstellen notwendig. Es sind Abstimmungsstrukturen notwendig, die es zum Beispiel einem Antragsteller aus dem Forschungsbereich ersparen, sich mit sechzehn Landesdatenschutzbeauftragten und diversen Datenschutzkontrollstellen im privaten Bereich auseinanderzusetzen.
Der engen Zusammenarbeit in den Datenschutzkonferenz, aber genauso mit den Kontrollstellen im privaten Bereich kommt hier größte Bedeutung zu. Das gleiche gilt in immer größeren Maße auch für die Zusammenarbeit auf europäischem und internationalem Gebiet.
Die EG - Datenschutzrichtlinie verlangt zu Recht eine unabhängige und effektive Kontrollinstanz. Ich kann mit großer Befriedigung feststellen, dass in den vergangenen nahezu zwölf Jahren nie versucht wurde, von staatlicher Seite in meine Tätigkeit Einfluss zu nehmen. Das gilt sowohl für die Zeit, in der meine Dienststelle der Staatskanzlei angegliedert war - aus der auch ich gekommen bin - , wie selbstverständlich seit meiner Zuordnung zum Landtag.
Das deutsche Datenschutzrecht gibt den Datenschutzbeauftragten die Möglichkeit, zu beanstanden und sich an Landtag, Regierung und Öffentlichkeit zu wenden. Die Effektivität des Datenschutzes hängt also zum einen vom Datenschutzbeauftragten selbst ab, wie überzeugend er seine Auffassung zu begründen vermag; zum anderen aber wesentlich auch von der Bereitschaft der geprüften Stellen, den Monita des Datenschutzbeauftragten zu folgen.
Ich kann hier im allgemeinen eine positive Bilanz ziehen, wenn auch in wenigen Einzelfällen die Politik anderer Auffassung blieb.
Auch ist meine Beanstandung des Erhebungsverfahrens des Büchergeldes noch offen. Ich kann nur hoffen, dass ein anderes Verfahren gefunden wird, als amtliche Unterlagen zur Hilfsbedürftigkeit der Eltern von den Klasslehrkräften ihrer Kinder sichten zu lassen.
Eine wesentliche Unterstützung meiner Tätigkeit lag in der Berichterstattung durch die Medien. Ich möchte auch diese Gelegenheit nutzen, mich hierfür herzlich zu bedanken.
Jetzt bleibt mir nur noch, Ihnen, lieber Herr Betzl, für Ihre Tätigkeit als Bayerischer Landesbeauftragter für den Datenschutz den Erfolg zu wünschen, den diese Arbeit zum Schutz der Grundrechte der Menschen verdient. Datenschutz ist Grundrechtsschutz. Ich wünsche Ihnen Glück und Erfolg und die Freude an der Arbeit, die ich auch daran hatte.
Reinhard Vetter, den 14.02.2006