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Presseecho

Der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz


29.07.2009

Presseecho: "Grüne fordern das gläserne Rathaus" (Münchener Merkur vom 9.7.2009) / Grüne wollen das gläserne Rathaus (Süddeutsche Zeitung vom 24.7.2009) – zur Veröffentlichung von Sitzungsprotokollen im Internet

In Artikeln des Münchener Merkur und der Süddeutschen Zeitung wird über einen Beschluss im Münchener Stadtrat berichtet, Protokolle über Stadtratssitzungen künftig im Internet zu veröffentlichen. Danach sollen die Protokolle künftig die Redebeiträge von Stadtratsmitgliedern im Wortlaut wiedergeben. Beide Presseberichte weisen zutreffend darauf hin, dass der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz Bedenken gegen eine Veröffentlichung von solchen Wortlautprotokollen in Internet angemeldet habe.

Hintergrund dieser Haltung sind folgende Erwägungen:

Die Bürgerinnen und Bürger einer Stadt oder einer Gemeinde haben ein legitimes Anliegen zu erfahren, welche Entscheidungen die von ihnen gewählten Ratsmitglieder treffen. Die Veröffentlichung von Sitzungsprotokollen im zulässigen Rahmen soll auch die Verantwortlichkeit der örtlichen politischen Entscheidungsträger gegenüber ihren Wählern betonen. Transparenz ist insoweit auch Ausdruck des Demokratieprinzips. 

Eine Veröffentlichung von Sitzungsprotokollen mit dem Wortlaut der einzelnen Redebeiträge im Internet geht jedoch weit über den gesetzlich erlaubten Rahmen hinaus. Redebeiträge von Gemeinderatsmitgliedern beispielsweise in Cham oder Fürstenfeldbruck wären dann "live" von Lübeck, Dortmund, London oder anderen Orten aus nachvollziehbar. Beispielsweise werden dann Sprachfehler oder persönliche Macken eines Gemeinderatsmitglieds weltweit verbreitet.

Was zunächst gut klingt, kann erhebliche nachteilige Folgen für die Betroffenen haben. Das beginnt damit, dass allgemein zugängliche Daten von jedermann abgerufen und in tatsächlicher Hinsicht zu beliebigen Zwecken verwendet werden können. Sofern - wie dies häufig der Fall ist - die Erreichbarkeitsdaten von betroffenen Gemeinderatsmitgliedern ebenfalls veröffentlicht sind, lassen sich Daten beispielsweise ohne großen Aufwand zu kommerziellen Zwecken verwenden. 

Datenschutzbehörden anderer Bundesländer haben wiederholt die Erfahrung gemacht, dass die unkontrollierte, weltweite Veröffentlichung von Äußerungen bestimmter politischer Auffassungen zu Anfeindungen bis hin zu "schwarzen Listen" extremistischer Gegner führt. 

Solche und andere Risiken können dazu führen, dass sich insbesondere ehrenamtliche Gemeinderatsmitglieder in Sitzungen des Gemeinderats nicht mehr unbefangen äußern (können), wenn sie mit einer Veröffentlichung von Wortprotokollen im Internet rechnen. 

Überdies werden insbesondere in Gemeinderatssitzungen kleinerer Gemeinden auch Themen behandelt, die einen Personenbezug aufweisen können. In freier Rede fallen auch persönliche Anmerkungen, die keinen Bezug zur eigentlichen öffentlichen Angelegenheit aufweisen. 

In der Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern werden das legitime Interesse von Gemeindebürgern an der Behandlung der Angelegenheiten "ihrer" Gemeinde und die schutzwürdigen Belange in Einklang gebracht: Sitzungen des Gemeinderats sind grundsätzlich öffentlich. Die Niederschriften über öffentliche Sitzungen stehen zumindest allen Gemeindebürgern zur Einsicht frei. Eine Veröffentlichung von Wortprotokollen ist jedoch aus guten Gründen nicht vorgesehen.

Zur Öffentlichkeit der Gemeinderatssitzungen sieht Art. 52 der Gemeindeordnung vor:

"(1) Zeitpunkt und Ort der Sitzungen des Gemeinderats sind unter Angabe der Tagesordnung, spätestens am dritten Tag vor der Sitzung, ortsüblich bekanntzumachen. Ausnahmen bedürfen der Genehmigung des Gemeinderats.
(2) Die Sitzungen sind öffentlich, soweit nicht Rücksichten auf das Wohl der Allgemeinheit oder auf berechtigte Ansprüche einzelner entgegenstehen. Über den Ausschluss der Öffentlichkeit wird in nichtöffentlicher Sitzung beraten und entschieden.
(3) Die in nichtöffentlicher Sitzung gefassten Beschlüsse sind der Öffentlichkeit bekanntzugeben, sobald die Gründe für die Geheimhaltung weggefallen sind.
(4) Die Sitzungen haben in einem der Allgemeinheit zugänglichen Raum stattzufinden."

Das Recht zur Einsichtnahme ist in Art. 54 Absatz 3 der Gemeindeordnung geregelt:

"(3) Die Gemeinderatsmitglieder können jederzeit die Niederschrift einsehen und sich Abschriften der in öffentlicher Sitzung gefassten Beschlüsse erteilen lassen. Die Einsicht in die Niederschriften über öffentliche Sitzungen steht allen Gemeindebürgern frei; dasselbe gilt für auswärts wohnende Personen hinsichtlich ihres Grundbesitzes oder ihrer gewerblichen Niederlassungen im Gemeindegebiet."


München, 29.07.2009

Dr. Thomas Petri


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