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Der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz; Stand: 01.02.2011

6. Kommunales

6.1. Videoüberwachung öffentlicher Orte und Einrichtungen durch Kommunen

Auch in diesem Berichtszeitraum habe ich immer wieder Anfragen von Gemeinden zur Zulässigkeit einer Videoüberwachung kommunaler Einrichtungen und öffentlicher Orte erhalten. In der Regel begründeten die Gemeinden die beabsichtigte Videoüberwachung damit, dass sie Straftaten, insbesondere Sachbeschädigungen von öffentlichem Eigentum, verhindern solle. So wollte z.B. eine Gemeinde einen Straßenabschnitt vor einem Freibad videoüberwachen, der Jugendlichen als Treffpunkt dient. Zur Begründung verwies die Gemeinde auf zerbrochene Flaschen und Müllablagerungen in diesem Bereich. Verunreinigungen und Sachbeschädigungen waren auch der Anlass für eine andere Kommune, eine Videoüberwachung des Eingangsbereichs einer öffentlichen Toilette ins Auge zu fassen. Ich habe dazu auf Folgendes hingewiesen:

Die Videoüberwachung ist in Art. 21 a BayDSG geregelt. Danach ist eine Videoüberwachung der in Absatz 1 dieser Vorschrift genannten Orte und Anlagen zu den dort genannten Zwecken zulässig, wenn dies im Rahmen der Erfüllung öffentlicher Aufgaben oder in Ausübung des Hausrechts erforderlich ist. Dabei dürfen keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass überwiegende schutzwürdige Interessen der Betroffenen beeinträchtigt werden.

In der Gesetzesbegründung wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass mit der Einführung des Art. 21 a BayDSG keine Ausweitung der Videoüberwachung durch bayerische öffentliche Stellen beabsichtigt ist und eine flächendeckende Videoüberwachung auch weiterhin unzulässig bleibt. Die Maßnahmen dürfen stets nur zum Schutz der genannten Rechtsgüter erfolgen. Es ist dabei in jedem Einzelfall zu prüfen, ob es überhaupt erforderlich ist, personenbezogene Daten zu erheben und ggf. zu speichern und ob es erforderlich ist, dies mittels Videotechnik zu tun. Erforderlich bedeutet, dass die Kenntnis der Daten zur Erreichung des Zwecks objektiv geeignet ist und im Verhältnis zu dem angestrebten Zweck auch angemessen erscheint.

Eine Videoüberwachung ist unzulässig, wenn weniger einschneidende Maßnahmen zum gleichen Ziel führen. Zu prüfen sind Anlass, der räumliche Überwachungsbereich, der Zeitraum der Überwachung und die Frage, welche Art der Videoüberwachung (Videobeobachtung, Videoaufzeichnung) zur Erreichung des Zwecks erforderlich ist. Soweit Mitarbeiter betroffen sind, sind die Beteiligungsrechte der Personalvertretung zu beachten.

Zur Frage, was unter "Erforderlichkeit" zu verstehen ist, hat das Bundesverfassungsgericht in einem Beschluss vom 23.02.2007 (1 BvR 2368/06) festgestellt, dass eine Videoüberwachung öffentlicher Orte und Einrichtungen mit Aufzeichnung des gewonnenen Bildmaterials einen erheblichen Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen darstellt, wenn überwiegend Personen erfasst werden, die in keiner Beziehung zu einem konkreten Fehlverhalten stehen und den Eingriff durch ihr Verhalten nicht veranlasst haben. Eine Videoüberwachung öffentlicher Einrichtungen und Orte kann danach unter Beachtung der o.g. Grundsätze nur dann in Betracht kommen, wenn es sich um nachhaltige und schwerwiegende Beeinträchtigungen handelt.

Die Gemeinden hätten danach mit konkreten Angaben belegen müssen, dass der überwachte Bereich deutlich gefährlicher als der Rest des Gemeindegebietes oder vergleichbarer anderer Gemeinden ist.

Diese Voraussetzung lag in den oben beispielhaft genannten Fällen offenkundig nicht vor. Von einer Videoüberwachung wären hier überwiegend Personen betroffen gewesen, die sich völlig korrekt verhalten und keinerlei Anlass für eine Videoüberwachung geben. Zur Videoüberwachung öffentlicher Toilettenanlagen habe ich mich im Übrigen bereits in meinem 22. Tätigkeitsbericht, Nr. 8.8, geäußert.

Eine Arbeitsgruppe kommunaler Datenschutzbeauftragter größerer bayerischer Städte sowie eines Vertreters des Bayerischen Staatsministeriums des Innern hat ein Prüfungsschema zur Videoüberwachung und ein Muster einer allgemeinen Beschreibung der eingesetzten Videoaufzeichnungsanlage und der technisch-organisatorischen Maßnahmen nach Art. 21 a Abs. 6 i.V.m. Art. 7 und 8 BayDSG entwickelt. Die beiden Dokumente, an deren Ausarbeitung ich beteiligt war, habe ich auf meiner Homepage (www.datenschutz-bayern.de) veröffentlicht.

Zur weiteren Information verweise ich auf meine Beiträge Nr. 9.1 und 9.2 im 23. Tätigkeitsbericht.

6.2. Videoüberwachung eines Wahllokals

In einer Gemeinde war im Rahmen der Bezirks- und Landtagswahl 2008 ein Wahllokal in einer Bankfiliale eingerichtet worden. Auch am Wahltag waren die dort (in Banken üblicherweise) installierten Videokameras während der Abstimmungszeit in Betrieb. Ein Abschalten oder Verdecken der Kameras schied aus Sicherheitsgründen aus. Ein Bürger, der sich mit einer Eingabe an den Bayerischen Landtag gewandt hatte, sah darin eine Verletzung des Grundsatzes der geheimen Wahl. Bei der anschließenden Überprüfung wurde festgestellt, dass eine der Kameras von hinten in eine der Wahlkabinen gerichtet war und es nicht ausgeschlossen schien, dass bei einer entsprechenden Sitzposition oder durch die Handbewegung des Wählers beim Ankreuzen insbesondere des großen Stimmzettels eine direkte Beobachtung der Stimmabgabe oder zumindest ein Rückschluss darauf durch die Kamera möglich gewesen wäre. Nach Angaben der Bank sei das Bildmaterial der jeweils letzten 15 Minuten fortlaufend zwischengespeichert worden, eine Einsichtnahme oder Auswertung habe jedoch nicht stattgefunden.

Soweit auf Grund allgemein wahrnehmbarer Überwachungseinrichtungen eine unbeobachtete und unbefangene Stimmabgabe nicht uneingeschränkt sichergestellt werden kann, ist es jedenfalls nicht auszuschließen, dass sich Wähler bereits durch die Wahrnehmung solcher Überwachungsmöglichkeiten in ihrer freien Wahlentscheidung beeinflusst sehen können.

Gleichzeitig war mit der Videoüberwachung des Wahllokals eine unzulässige Erhebung und Speicherung personenbezogener Daten der von der Kamera erfassten und auf den Bildern identifizierbaren Personen verbunden. Soweit das Gebrauchmachen vom Wahlrecht oder gar die Wahlentscheidung mittels Videoüberwachung festgehalten werden, liegt darin eine zusätzliche Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der betroffenen Wähler. Die politische Meinung stellt zudem ein besonders sensibles personenbezogenes Datum im Sinne der EG-Datenschutzrichtlinie dar. Ein Bürger, der zur Wahl geht, muss keinesfalls damit rechnen, dass ein Wahllokal videoüberwacht wird. Eine solche Maßnahme stellt einen erheblichen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der betroffenen Personen dar.

Das Bayerische Staatsministerium des Inneren hat in der Folge auch in der Wahlanweisung für die Bundestagswahl 2009 darauf hingewiesen, dass Räume mit Videoüberwachung als Wahlräume nicht in Betracht kommen. Diese Klarstellung begrüße ich.

6.3. Anfertigen von Fotografien der Gäste einer Erlebnistherme

Gäste einer Erlebnistherme haben sich bei mir darüber beschwert, sie seien beim Betreten des Bades fotografiert worden. Ich bin der Eingabe nachgegangen und habe im Rahmen der Prüfung festgestellt:

Badegäste konnten die Therme nur mit einer Münze, einem sog. Chip-Coin benutzen. Dieser war mit einer Nummer versehen und ermöglichte dem Badegast den Zutritt zum Bad.

Bei Betreten des Bades am Drehkreuz sowie beim Zugang zur Sauna wurde mit Hilfe einer Videokamera ein Foto von jedem Badegast im Sinne einer Momentaufnahme erstellt. Dem jeweiligen Foto wurde die entsprechende Chip-Coin-Nummer zugeordnet.

Beim Verlassen der Therme musste das Drehkreuz mit einem entwerteten Chip-Coin bestückt werden. Der Badegast entwertete seinen Chip-Coin, indem er die in Anspruch genommenen Leistungen am Automaten oder an der Kasse bezahlte. Das Foto des Badegastes wurde im Anschluss daran im System automatisch gelöscht, wenn eine bestimmte Anzahl von Drehkreuzbewegungen erreicht wurde; die Speicherdauer lag je nach Besuchsandrang bei ca. zwei bis drei Tagen.

Verließ ein Badegast die Therme, ohne das Drehkreuz mit einem entwerteten Chip-Coin zu bestücken, wurde dieser Vorfall am Ende des Tages bei der Abrechnung festgestellt. Mit Hilfe des Software-Systems konnten dann die Fotos derjenigen Personen ausgedruckt werden, deren Chip-Coin nicht entwertet wurde.

Nach Auskunft der Therme diente das Anfertigen der Fotos dazu, bei Nichtbezahlung oder anderer Streitigkeiten den Coin einer Person zuordnen zu können. Beispielsweise wurde das Foto nach Aussage der Therme der Polizei vorgelegt, wenn dort ein Strafantrag gestellt wurde, weil sich ein Badegast unerlaubt aus dem Bad entfernt und seine Leistungen nicht beglichen hat.

Die Therme teilte außerdem mit, die Badegäste würden in der Haus- und Badeordnung, die im Eingangsbereich sowie an der Kasse ausgehängt sei, über das Chip-Coin-System informiert.

Diesen Sachverhalt habe ich aus datenschutzrechtlicher Sicht wie folgt bewertet:

Das Anfertigen von Fotografien der Badegäste war eine Erhebung personenbezogener Daten. Die Speicherung der Fotografien und die Verwendung der Fotografien der Personen, die ihren Chip-Coin nicht entwertet hatten, war eine Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten. Nach Art. 15 Abs. 1 BayDSG ist die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten nur zulässig, wenn das Bayerische Datenschutzgesetz oder eine andere Rechtsvorschrift sie erlaubt oder anordnet oder der Betroffene eingewilligt hat. Wie es sich aus dem Folgenden ergibt, erfolgte die Anfertigung, Speicherung und Nutzung der Fotografien weder auf einer Rechtsgrundlage noch lag eine wirksame Einwilligung der Betroffenen vor.

Da die Gäste beim Betreten des Bades und dem Zugang zur Sauna mit Hilfe einer Videokamera fotografiert wurden, war als Rechtsgrundlage für die Datenerhebung und
-speicherung zunächst Art. 21 a BayDSG, der die Videoüberwachung regelt, in Betracht zu ziehen. Ich habe allerdings bereits Zweifel, ob das Anfertigen eines Fotos (Momentaufnahme) als ein Fall der Videobeobachtung und der Videoaufzeichnung (Erfassen und Festhalten eines Geschehnisses in einem Bewegungsablauf) angesehen werden kann. Aber auch wenn man diese Frage bejaht, war Art. 21 a BayDSG nicht anwendbar, weil mit dem Chip-Coin-System (nur) das Vermögen der Therme, nicht aber in Art. 21 a Abs. 1 Nr. 1 und 2 BayDSG genannte Rechtsgüter geschützt werden sollten. Die Videoüberwachung nach Art. 21 a BayDSG dient dem Schutz der in dieser Vorschrift bezeichnenden Rechtsgüter, ist jedoch keine zulässige Maßnahme im allgemeinen Verwaltungsvollzug bzw. Betriebsablauf.

Darüber hinaus wurden durch die Maßnahme überwiegende schutzwürdige Interessen der Badegäste, die sich vertragstreu verhalten und ihre in Anspruch genommenen Leistungen bezahlen, beeinträchtigt (Art. 21 a Abs. 1 Satz 2 BayDSG).

Im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23.02.2007
- 1 BvR 2368/06 - (städtische Videoüberwachung eines Kunstwerks in Regensburg) konnte das Fotografieren der Badegäste auch nicht auf Art. 16 Abs. 1 und Art. 17 Abs. 1 BayDSG gestützt werden. Von den Personen, die die Therme nutzen, bezahlt nur eine verschwindend geringe Minderheit die in Anspruch genommenen Leistungen nicht. Es wurden daher ganz überwiegend Personen fotografiert, die keinen Anlass für diese Maßnahme gegeben haben. Angesichts des erheblichen Gewichts der Grundrechtsbeeinträchtigung dieser Personen konnte die Aufnahme und das Speichern von Bildern nicht auf die allgemeinen Vorschriften über die Datenerhebung und -speicherung des Bayerischen Datenschutzgesetzes gestützt werden.

Die Datenerhebung und -speicherung erfolgte auch nicht mit Einwilligung der Betroffenen (Art. 15 Abs. 1 Nr. 2 BayDSG). Zwar wurde nach Mitteilung der Therme in der Haus- und Badeordnung, die im Eingangsbereich sowie an der Kasse aushängt, über das Chip-Coin-System informiert. Der bloße Aushang einer Haus- und Badeordnung erfüllt jedoch nicht die Voraussetzung eines Hinweises nach Art. 15 Abs. 2 BayDSG. Die Gäste rechnen auch regelmäßig weder mit derart außergewöhnlichen Kontrollverfahren, noch dass darüber lediglich in einer allgemeinen Hausordnung informiert wird.

Darüber hinaus käme eine (konkludente) Einwilligung durch den Erwerb des Chip-Coins und die Nutzung der Therme als Ausnahme vom grundsätzlichen Erfordernis der Schriftform auch deswegen nicht in Betracht, weil es an der Freiwilligkeit der Einwilligung fehlen würde. Die Teilnahme an dem Chip-Coin-System war zwingend. Die Personen, die die Therme benutzen wollten, hatten keine Alternative.

Im Ergebnis war daher weder eine Rechtsgrundlage für die mit der Anfertigung der Fotografien verbundenen Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht der betroffenen Badegäste vorhanden noch lag eine wirksame Einwilligung der Betroffenen in das Verfahren vor. Ich habe deshalb die Therme aufgefordert, das Anfertigen von Fotografien der Badegäste zu unterlassen und noch gespeicherte Fotografien unverzüglich zu löschen.

6.4. Information der Presse über kommunale Angelegenheiten

Bürger, die sich gegen ein Verfahren nach dem Flurbereinigungsgesetz ausgesprochen hatten, fanden sich plötzlich in der örtlichen Presseberichterstattung wieder. Die Gemeinde hatte eine entsprechende Unterschriftenliste weitergegeben. Ich habe diesen Vorfall zum Anlass genommen, erneut darauf hinzuweisen, dass die Gemeinden bei der Unterrichtung der Presse über kommunale Angelegenheiten den Datenschutz nicht außer Acht lassen dürfen.

Die Kommunen haben in jedem Fall zu prüfen, welche Informationen sie im Hinblick auf schutzwürdige Belange von Betroffenen und unter Rücksichtnahme auf das Wohl der Allgemeinheit der Presse geben dürfen. Sollen personenbezogene Daten übermittelt werden, hat die Gemeinde das aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz abgeleitete Recht der Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung zu beachten. Die Weitergabe personenbezogener Daten an die Presse ist eine Datenübermittlung an nicht-öffentliche Stellen, die ohne Einwilligung der Betroffenen nach Art. 19 Abs. 1 Nr. 2 Bayerisches Datenschutzgesetz nur zulässig ist, wenn die Presse ein berechtigtes Interesse an der Kenntnis der zu übermittelnden Daten glaubhaft macht, bzw. ein solches Interesse offenkundig ist, und dadurch schutzwürdige Belange der Betroffenen nicht beeinträchtigt werden. Will eine Gemeinde danach z.B. die Presse durch Übermittlung von Sitzungsvorlagen über Tagesordnungspunkte unterrichten, die in öffentlicher Gemeinderatssitzung behandelt werden, dann muss sie diese Sitzungsvorlagen durch Kürzen, Schwärzen etc. so abändern, dass sie nur noch Informationen enthalten, die ohne Bedenken der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden dürfen.

Im vorliegenden Fall wäre es danach zulässig gewesen, wenn die Gemeinde die Presse über die Tatsache, dass sich Bürger gegen ein Flurbereinigungsverfahren in der Kommune gewandt hatten, informiert hätte. Auch die Anzahl der geleisteten Unterschriften hätte mitgeteilt werden dürfen. Die Weiterleitung der Unterschriftenlisten selbst war jedoch ein grober Datenschutzverstoß, den ich beanstandet habe.

6.5. Veröffentlichung von Karten und Luftbildern zum Solarpotential auf Gebäuden durch Kommunen im Internet

Eine Kommune hatte in der örtlichen Presse mitgeteilt, sie beabsichtige, Luftbilder der Anwesen ihrer Bürger im Internet zu veröffentlichen. Gebe der Bürger seine Adresse ein, dann könne er ein Luftbild seines Anwesens sehen und erhalte Informationen zur solartechnischen Nutzung seines Gebäudes geliefert. Auf Beschwerden von Bürgern hin habe ich den Vorgang überprüft und dabei folgenden Sachverhalt festgestellt:

Aus den Internetseiten der Gemeinde konnte zur Ermittlung der Eignung von Gebäuden zur Solarstromerzeugung ein Straßenname gewählt werden. Anschließend wurden alle vorhandenen Hausnummern zur Auswahl angeboten. Für eine gewählte Hausnummer erhielt man dann die "Eignungsfläche in m²", den zu erwartenden "Stromertrag in kWh pro Jahr" und den Eignungsgrad.

Alternativ zur direkten Adressselektion konnte auch "per Maus" in einem digitalen Stadtplan oder in einem Satellitenbild gesucht werden. Die Auflösung des Satellitenbildes war relativ hoch, so dass beispielsweise parkende Autos gut zu erkennen waren. Im Bild ließ sich mit der Maus ein Rechteck selektieren, für das dann alle Häuser innerhalb dieser Fläche mit Adresse und Eignungsdaten angezeigt wurden.

Diesen Sachverhalt habe ich aus datenschutzrechtlicher Sicht wie folgt bewertet:

Die o.g. Eignungsdaten können über den Straßennamen und die Hausnummer in vielen Fällen aufgrund persönlicher Kenntnis, z.B. als Nachbar, oder unter Hinzuziehung von Telefonbüchern etc. den Grundstückseigentümern sowie den Bewohnern zugeordnet werden. Es handelt sich in diesen Fällen, soweit sich die Eignungsdaten auf natürliche Personen beziehen, um personenbezogene Daten im Sinn des i.S.d. Art. 4 Abs. 1 des Bayerischen Datenschutzgesetzes - BayDSG - (sachliche Verhältnisse bestimmter oder bestimmbarer natürlicher Personen). In diesem Zusammenhang verweise ich auch auf einen Beschluss der Obersten Aufsichtsbehörden für den Datenschutz im nichtöffentlichen Bereich (sog. Düsseldorfer Kreis) vom 13./14.11.2008.

Beschluss

der obersten Aufsichtsbehörden für den Datenschutz

im nicht-öffentlichen Bereich

am 13./14.11.2008 in Wiesbaden

Datenschutzrechtliche Bewertung von digitalen Straßenansichten

insbesondere im Internet

Bei digital erfassten Fotos von Gebäude- und Grundstücksansichten, die über Geokoordinaten eindeutig lokalisiert und damit einer Gebäudeadresse und dem Gebäudeeigentümer sowie den Bewohnern zugeordnet werden können, handelt es sich in der Regel um personenbezogene Daten, deren Erhebung und Verarbeitung nach dem Bundesdatenschutzgesetz zu beurteilen ist. Die Erhebung, Speicherung und Bereitstellung zum Abruf ist nur zulässig, wenn nicht schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen. Bei der Beurteilung schutzwürdiger Interessen ist von Bedeutung, für welche Zwecke die Bilddaten verwendet werden können und an wen diese übermittelt bzw. wie diese veröffentlicht werden. Die obersten Aufsichtsbehörden sind sich einig, dass die Veröffentlichung von georeferenziert und systematisch bereit gestellten Bilddaten unzulässig ist, wenn hierauf Gesichter, Kraftfahrzeugkennzeichen oder Hausnummern erkennbar sind. Den betroffenen Bewohnern und Grundstückeigentümern ist zudem die Möglichkeit einzuräumen, der Veröffentlichung der sie betreffenden Bilder zu widersprechen und dadurch die Bereitstellung der Klarbilder zu unterbinden. Keine schutzwürdigen Interessen bestehen, wenn die Darstellung der Gebäude und Grundstücke so verschleiert bzw. abstrakt erfolgt, dass keine individuellen Eigenschaften mehr erkennbar sind. Um die Möglichkeit zum Widerspruch schon vor der Erhebung zu eröffnen, sollte die geplante Datenerhebung mit einem Hinweis auf die Widerspruchsmöglichkeit rechtzeitig vorher bekannt gegeben werden. Die Widerspruchsmöglichkeit muss selbstverständlich auch noch nach der Veröffentlichung bestehen.

Danach handelt es sich bei digital erfassten Fotos von Gebäude- und Grundstücksansichten, die über Geokoordinaten eindeutig lokalisiert und damit einer Gebäudeadresse und dem Gebäudeeigentümer sowie den Bewohnern zugeordnet werden können, in der Regel um personenbezogene Daten.

Die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten ist nur zulässig, wenn das Bayerische Datenschutzgesetz oder eine andere Rechtsvorschrift sie erlaubt oder anordnet oder der Betroffene eingewilligt hat. Als besondere Rechtsvorschrift über den Datenschutz kommt hier Art. 8 Abs. 1 des Bayerischen Umweltinformationsgesetzes (BayUIG) in Betracht.

Das Umweltinformationsgesetz schafft den rechtlichen Rahmen für den freien Zugang zu Umweltinformationen. Nach meinem Dafürhalten handelt es sich bei der Veröffentlichung von Eignungsdaten zur Solarnutzung um Maßnahmen im Sinn des Art. 2 Abs. 2 Nr. 3 BayUIG. Nach dem BayUIG haben die informationspflichtigen Stellen den Informationszugang u.a. durch die Einrichtung öffentlich zugänglicher Informationsnetze und Datenbanken zu erleichtern.

Der Schutz privater Belange wird durch Art. 8 BayUIG gewährleistet. Nach Art. 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayUIG ist ein Antrag auf Zugang zu Umweltinformationen abzulehnen, soweit durch das Bekanntgeben der Informationen personenbezogene Daten offenbart und dadurch schutzwürdige Interessen der Betroffenen beeinträchtigt würden. Anderes gilt, wenn die Betroffenen zugestimmt haben oder das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiegt. Diese Vorschrift findet m.E. nicht nur Anwendung, wenn ein Antrag auf Zugang zu Umweltinformationen gestellt wird, sondern auch, wenn eine Behörde personenbezogene Umweltinformationen in das Internet einstellen will.

Art. 8 Abs. 1 Nr. 1 BayUIG

Soweit

  1. durch das Bekanntgeben der Informationen personenbezogene Daten offenbart und dadurch schutzwürdige Interessen der Betroffenen beeinträchtigt würden,
  2. Rechte am geistigen Eigentum, insbesondere Urheberrechte, durch das Zugänglichmachen von Umweltinformationen verletzt würden oder
  3. durch das Bekanntgeben Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse zugänglich gemacht würden oder die Informationen dem Steuergeheimnis oder dem Statistikgeheimnis unterliegen,

ist der Antrag abzulehnen, es sei denn, die Betroffenen haben zugestimmt oder das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiegt. Der Zugang zu Umweltinformationen über Emissionen kann nicht unter Berufung auf die in Nrn. 1 und 3 genannten Gründe abgelehnt werden. Vor der Entscheidung über die Offenbarung der durch Satz 1 Nrn. 1 bis 3 geschützten Informationen sind die Betroffenen anzuhören. Die informationspflichtige Stelle hat in der Regel von einer Betroffenheit im Sinn des Satzes 1 Nr. 3 auszugehen, soweit übermittelte Informationen als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse gekennzeichnet sind. Soweit die informationspflichtige Stelle dies verlangt, haben mögliche Betroffene im Einzelnen darzulegen, dass ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis vorliegt.

Die betroffenen Grundstückseigentümer haben im vorliegenden Fall ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse daran, dass die genannten Daten zur Solareignung ihres Gebäudes nicht ohne ihre Einwilligung im Internet weltweit veröffentlicht werden und sie u.a. von personenbezogener "maßgeschneiderter" Werbung für Hausdach-Solarmodule verschont bleiben. Demgegenüber besteht kein überwiegendes Interesse der Allgemeinheit an einer personenbezogenen Veröffentlichung dieser Daten. Hinzu kommt, dass nach Art. 8 Abs. 1 Satz 3 BayUIG die Betroffenen vor einer Entscheidung über die Offenbarung anzuhören sind.

Im Ergebnis sehe ich danach aus datenschutzrechtlicher Sicht folgende Möglichkeiten, die betroffenen Grundstückseigentümer auf das Solarenergiepotential der Dachflächen ihres Gebäudes aufmerksam zu machen:

  • Veröffentlichung der Daten im Internet mit informierter Einwilligung der Betroffenen;
  • Nur der jeweilige Grundstückseigentümer erhält mittels individuellem Login/Passwort Zugang zu seinen Daten. Diese Alternative erscheint nicht praktikabel, da es weniger Aufwand wäre, gleich die Ergebnisse (Fläche, Ertrag und Eignung) anstelle von Login/Passwort mitzuteilen;
  • Die Gemeinde behält die Eignungsdaten in ihrer Verwaltung und teilt sie nur dem jeweils Betroffenen auf dessen Anfrage hin mit. Auf diese Möglichkeit könnte z.B. im Amtsblatt oder in der örtlichen Tageszeitung hingewiesen werden.

6.6. Bekanntgabe personenbezogener Daten der Einwender im Zusammenhang mit der Aufstellung eines Bebauungsplans

Ein Bürger hat sich bei mir darüber beschwert, dass seine Einwendungen in einem Bebauungsplanverfahren von der Gemeinde personenbezogen an alle anderen Einwender übermittelt wurden. Die Überprüfung der Angelegenheit hat folgenden Sachverhalt ergeben: Die Niederschrift über die in öffentlicher Gemeinderatssitzung behandelten Einwendungen enthält neben den Namen und Vornamen sowie dem Wohnort der Bürger, die sich an dem Verfahren beteiligt haben, ihre Einwendungen, die Stellungnahme der Verwaltung zu dem jeweiligen Vorbringen im Einzelnen und in einer Zusammenfassung die Abstimmung darüber im Gemeinderat. Zu den Sammeleinwendungen wurde der Sitzungsniederschrift eine Namensliste der Einwender beigefügt. Die Gemeinde hat die Sitzungsniederschrift zu diesem Tagesordnungspunkt mi