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Der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz; Stand: 20.04.2017

Kommunale Informationsfreiheitssatzungen nach dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Februar 2017, Az. 4 N 16.461

1 Ausgangslage

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat auf einen Normenkontrollantrag mit Beschluss vom 27. Februar 2017, Az. 4 N 16.461 (externer Link), die Informationsfreiheitssatzung einer oberbayerischen Gemeinde für unwirksam erklärt.

Die Satzung regelte ein voraussetzungsloses Informationszugangsrecht unter anderem für Gemeindeeinwohner hinsichtlich von Informationen in Angelegenheiten des eigenen Wirkungskreises der Gemeinde. Zum Schutz personenbezogener Daten sowie von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen eröffnete sich die Gemeinde in ihrer Satzung für verschiedene Fallgestaltungen Abwägungsspielräume zum Ausgleich von Transparenz- und Vertraulichkeitsinteresse.

Der Verwaltungsgerichtshof ließ in seiner Entscheidung offen, ob das Ende 2015 eingeführte allgemeine Recht auf Auskunft (Art. 36 Bayerisches Datenschutzgesetz - BayDSG) Maßstabwirkungen im Verhältnis zu kommunalen Informationsfreiheitssatzungen entfalten kann. Er hob hervor, dass die verfahrensgegenständliche Satzung auf Grund der allgemeinen Ermächtigung in Art. 23 Satz 1 Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern (GO) erlassen sei. Diese Ermächtigung gebe der Gemeinde nicht das Recht, Eingriffe in Grundrechte zu normieren, jedenfalls, wenn die gefundenen Regelungen hinter dem Schutzstandard des Gesetzesrechts zurückblieben. Dies habe die Gemeinde nicht beachtet, als sie in ihrer Satzung den Schutz personenbezogener Daten sowie von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen unter einen Abwägungsvorbehalt gestellt habe.

2 Datenschutzrechtliche Einordnung

Die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist aus datenschutzrechtlicher Sicht grundsätzlich zu begrüßen. Sie akzentuiert mit erfreulicher Deutlichkeit die Bedeutung, die dem grundrechtsbezogenen Vorbehalt des Gesetzes für den Schutz personenbezogener Daten zukommt. Sie enthält wichtige Überlegungen zur Funktion von Art. 36 BayDSG und bietet Kommunen, die den Erlass einer Informationsfreiheitssatzung erwägen, auch Hinweise für Gestaltungsmöglichkeiten bei der Rechtsetzung.

2.1 Grundsätzliche Zulässigkeit kommunaler Informationsfreiheitssatzungen

Nach meiner Auffassung ist der Erlass von kommunalen Informationsfreiheitssatzungen auch nach Inkrafttreten von Art. 36 BayDSG weiterhin auf Grundlage der allgemeinen Satzungsermächtigungen zulässig. Art. 36 BayDSG gibt den Bürgerinnen und Bürgern ein allgemeines Recht auf Auskunft, das sich auch gegen kommunale Rechtsträger richtet. Dieses Recht kann durch einen satzungsrechtlichen Informationszugangsanspruch unter Beachtung des Vorbehalts des Gesetzes ergänzt und konkretisiert werden.

Art. 36 BayDSG bewirkt nicht, dass kommunale Informationsfreiheitssatzungen außer Kraft treten bzw. nicht mehr neu erlassen werden dürfen. Die Norm regelt einen Mindeststandard von Informationszugang als Instrument bürgerschaftlicher Teilhabe, der auch im kommunalen Bereich sicherzustellen ist. Dem Gesetzgeber war das Vorhandensein kommunaler Informationsfreiheitssatzungen ausweislich der Entwurfsbegründung zum Bayerischen EGovernment-Gesetz bekannt. Sie enthält dagegen keine Anhaltspunkte, dass regional gefundene Regelungslösungen vereinheitlicht werden sollten. Insbesondere hat sich der Gesetzgeber zu einer Geltungsbeendigung der bestehenden Informationsfreiheitssatzungen nicht verhalten.

Art. 36 BayDSG ist im Hinblick auf den Vorrang des Gesetzes als eine Norm anzusehen, die für kommunale Rechtsetzungsakte grundsätzlich als Maßstabnorm in Betracht kommt. Sie ist allerdings nicht an den kommunalen Normgeber adressiert. Die Vorschrift enthält weder eine Ermächtigung zum Erlass von Informationsfreiheitssatzungen noch eine Reglung über den Inhalt solcher Satzungen, wie sie etwa in Art. 24 GO anzutreffen ist. Art. 36 BayDSG ist vielmehr auf das Verhältnis von Bürgerinnen und Bürgern einerseits und den öffentliche Stellen bildenden Rechtsträgern andererseits hin orientiert.

2.2 Kommunale Informationsfreiheitssatzungen und Datenschutz

Kommunale Informationsfreiheitssatzungen durften schon bisher keine datenschutzrechtlich unzulässigen Informationstransfers organisieren. Daran hat sich durch Inkrafttreten von Art. 36 BayDSG nichts geändert.

Die Formulierung der Vorschrift zeigt, dass das Schutzniveau für personenbezogene Daten durch das allgemeine Recht auf Auskunft nicht abgesenkt werden soll. Das kommt insbesondere in der Subsidiaritätsregel des Art. 36 Abs. 2 BayDSG sowie darin zum Ausdruck, dass der Informationszugang hinsichtlich personenbezogener Daten nach Art. 36 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayDSG nur unter den Voraussetzungen einer Übermittlung an nicht-öffentliche Stellen zulässig ist. Auf diesen Zusammenhang habe ich bereits kurz nach Inkrafttreten des Art. 36 BayDSG aufmerksam gemacht (vgl. den Beitrag Nr. 13.1 "Recht auf Auskunft" in meinem 27. Tätigkeitsbericht 2016).

Da die Gemeinden auf Grundlage der allgemeinen Satzungsermächtigungen keine Grundrechtseingriffe legitimieren, insbesondere keine Regelungen zur Abwägung von Informationszugangsinteressen mit gegenläufigen grundrechtlich geschützten Vertraulichkeitsinteressen erlassen dürfen, müssen ihre Informationsfreiheitssatzungen Anspruchsausschlüsse für den Fall vorsehen, dass es sich bei den Informationen, zu welchen Zugang begehrt wird, um personenbezogene Daten handelt. Regelungen dieser Art sind bereits in vielen Informationsfreiheitssatzungen enthalten.

2.3 Zukünftige Bedeutung kommunaler Informationsfreiheitssatzungen

Der Wert kommunaler Informationsfreiheitssatzungen dürfte zukünftig im Schwerpunkt darin liegen, das in Art. 36 BayDSG vorgesehene Regelungsprogramm zu ergänzen. So kommen insbesondere Selbstbindungen des betreffenden Rechtsträgers in Betracht, was etwa eine Bearbeitungsfrist, einen einheitlichen Ansprechpartner oder einen kommunalen Informationsfreiheitsbeauftragten betrifft. Jedenfalls soweit durch die Gewährung einer Information keine rechtlich geschützten Vertraulichkeitsinteressen berührt sind, wird die Kommune das Recht auf Informationszugang durch Auskunft auch um ein Recht auf Informationszugang durch Einsichtnahme etwa in relevante Unterlagen ergänzen können.

Ferner erscheint es nicht ausgeschlossen, hinsichtlich Dateien und Akten, die nur Informationen ohne Bezug auf rechtlich geschützte Vertraulichkeitsinteressen enthalten, Instrumente proaktiven Informationszugangs zu erproben. In diesem Rahmen könnten beispielsweise Regelungen zu einem kommunalen Transparenzportal erwogen werden.