Sie sind hier: > Start > Infothek > AKI 21: Datenschutz beim presserechtlichen Auskunftsanspruch nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. September 2018, Az. 7 C 5.17
Der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz; Stand: 13.05.2019
Aktuelle Kurz-Information 21: Datenschutz beim presserechtlichen Auskunftsanspruch nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. September 2018, Az. 7 C 5.17
Stichwörter: Auskunftsanspruch, presserechtlicher - "Normgestaltungsverbot" - Rechtsgrundlagen für Verarbeitungen (Art. 6 DSGVO) - Übermittlungsbefugnis (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayDSG)
Das Bundesverwaltungsgericht hat sich in einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 27. September 2018, Az. 7 C 5/17, im Internet abrufbar unter https://www.bverwg.de/270918U7C5.17.0 (externer Link)) erstmals nach der Datenschutzreform 2018 zu der Frage geäußert, inwiefern Interessen am Schutz personenbezogener Daten dem presserechtlichen Auskunftsanspruch gegenüber bayerischen Behörden (Art. 4 Bayerisches Pressegesetz - BayPrG) entgegenstehen können.
Der Entscheidung lag eine Verwaltungsstreitsache zugrunde, in welcher ein Journalist von der Verwaltung des Bayerischen Landtags Informationen einen Abgeordneten betreffend zu erlangen suchte.
1. Konkretisierung des presserechtlichen Auskunftsanspruchs nach der Datenschutzreform 2018
Von besonderem Interesse für die Verwaltungspraxis der bayerischen öffentlichen Stellen beim Umgang mit Presseanfragen, die (auch) auf Auskunft über personenbezogene Daten zielen, sind die Ausführungen, welche die Entscheidung zum Zusammenspiel von Art. 4 BayPrG und dem neuen Datenschutzrecht enthält. Art. 4 BayPrG hat folgenden Wortlaut:
"(1) 1Die Presse hat gegenüber Behörden ein Recht auf Auskunft. 2Sie kann es nur durch Redakteure oder andere von ihnen genügend ausgewiesene Mitarbeiter von Zeitungen oder Zeitschriften ausüben.
(2) 1Das Recht auf Auskunft kann nur gegenüber dem Behördenleiter und den von ihm Beauftragten geltend gemacht werden. 2Die Auskunft darf nur verweigert werden, soweit auf Grund beamtenrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Vorschriften eine Verschwiegenheitspflicht besteht."
Den presserechtlichen Auskunftsanspruch vermittelt Art. 4 Abs. 1 Satz 1 BayPrG, während Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BayPrG in Fällen bestimmter Verschwiegenheitspflichten ein Weigerungsrecht der Behörde vorsieht. Die Pressegesetze anderer Bundesländer enthalten zum Schutz personenbezogener Daten - anders als das bayerische Recht - Abwägungsklauseln, so etwa § 4 Gesetz über die Presse (des Landes Baden-Württemberg - im Folgenden: LPrG BW):
"(1) Die Behörden sind verpflichtet, den Vertretern der Presse die der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe dienenden Auskünfte zu erteilen.
(2) Auskünfte können verweigert werden, soweit [...]
3. ein überwiegendes öffentliches oder schutzwürdiges privates Interesse verletzt würde oder [...]."
Auch bei dieser Vorschrift steht der anspruchsvermittelnden Bestimmung (§ 4 Abs. 1 LPrG BW) ein Weigerungsrecht (hier: § 4 Abs. 2 Nr. 3 LPrG BW) gegenüber. Dieses Weigerungsrecht fragt aber nicht - wie Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BayPrG - nach einer Verschwiegenheitspflicht, sondern gibt der Behörde eine Interessenabwägung auf, in die auf der einen Seite das Auskunftsinteresse der Presse und auf der anderen Seite ein schutzwürdiges privates Interesse - wie etwa das Interesse am Schutz personenbezogener Daten - einzustellen ist.
Diese Grundstruktur aus einem Auskunftsanspruch und einem Anspruchsausschluss nach Maßgabe einer Abwägung ist auch bei dem verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch der Presse anzutreffen, den Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG) gewährt. Dieser Auskunftsanspruch greift ein, wenn es an einer einfachgesetzlichen Regelung fehlt. Er ist insbesondere im Bereich der Bundesverwaltung von Bedeutung (dazu etwa Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 16. März 2016, Az. 6 C 65/14, Rn. 16 ff., im Internet abrufbar unter https://www.bverwg.de/160316U6C65.14.0 (externer Link)).
Vor diesem Hintergrund hat das Bundesverwaltungsgericht die in den Vorinstanzen vertretene Auffassung nicht beanstandet, dass eine Verschwiegenheitspflicht auch auf Grundrechten Dritter - insbesondere dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung - beruhen kann und in diesem Zusammenhang die widerstreitenden Interessen am Zugang und an der Vertraulichkeit im Wege praktischer Konkordanz zum Ausgleich zu bringen sind (Urteil, Rn. 14).
Das Bundesverwaltungsgericht hat zur "inhaltlichen Ausfüllung und Konkretisierung" (Urteil, Rn. 28) des in Art. 4 BayPrG eingeräumten Anspruchs Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. f Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) herangezogen (Urteil, Rn. 28). Dort heißt es:
"(1) Die Verarbeitung ist nur rechtmäßig, wenn mindestens eine der nachstehenden Bedingungen erfüllt ist:
[
]
f) die Verarbeitung ist zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen, insbesondere dann, wenn es sich bei der betroffenen Person um ein Kind handelt."
Was Fallgestaltungen betrifft, in welchen Zugang zu personenbezogenen Daten begehrt und gegebenenfalls gewährt wird, nähert sich der presserechtliche Auskunftsanspruch nach Art. 4 BayPrG bei diesem Verständnis anderen Landesrechten an, die Abwägungsklauseln wie in § 4 Abs. 2 Nr. 3 LPrG BW enthalten. Die Konvergenz mit dem verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch der Presse aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG wird ebenfalls erhöht.
Aus bayerischer Datenschutzsicht ist diese Rechtsprechung zu begrüßen. Bei der Anwendung von Art. 4 BayPrG wird auf eine pragmatische Weise derjenige Schutzstandard gewährleistet, welchen die Datenschutz-Grundverordnung für den Interessenausgleich zwischen einer betroffenen Person und einem ebenfalls grundrechtsberechtigten Zugangsinteressenten vorsieht.
2. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayDSG als Ermächtigung für eine Weitergabe personenbezogener Daten
Obwohl das Bundesverwaltungsgericht auch die Auffassung der Vorinstanz nicht beanstandet hat, "dass eine Abwägung nur dann eröffnet ist, wenn der mit der Weitergabe personenbezogener Daten verbundene Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung sich auf eine bereichsspezifische Ermächtigungsgrundlage stützen kann, die insbesondere den Anforderungen an die Normenklarheit genügt" (Urteil, Rn. 15), sieht es doch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Bayerisches Datenschutzgesetz (BayDSG) nicht als eine solche Ermächtigungsgrundlage an (Urteil, Rn. 24). Diese Vorschrift lautet:
"(1) 1Eine Übermittlung personenbezogener Daten ist zulässig, wenn [...]
2. der Empfänger eine nicht öffentliche Stelle ist, diese Stelle ein berechtigtes Interesse an ihrer Kenntnis glaubhaft darlegt und die betroffene Person kein schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Übermittlung hat; dies gilt auch, soweit die Daten zu anderen Zwecken als denjenigen, zu denen sie erhoben wurden, übermittelt werden."
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayDSG eine Konkretisierung von Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. f DSGVO, welcher zwar das Verbot, Vorschriften der Datenschutz-Grundverordnung im nationalen Recht zu wiederholen, ausnahmsweise nicht entgegenstehe (vgl. Erwägungsgrund 8 DSGVO, Urteil, Rn. 26). Diese Konkretisierung sei aber wegen Art. 6 Abs. 1 UAbs. 2 DSGVO nicht zulässig:
"Unterabsatz 1 Buchstabe f gilt nicht für die von Behörden in Erfüllung ihrer Aufgaben vorgenommene Verarbeitung."
Diese Vorschrift - so das Bundesverwaltungsgericht - schließe eine Anwendung von Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. f DSGVO in Bezug auf "jegliche Datenverarbeitung in Erfüllung hoheitlicher Funktionen" (Urteil, Rn. 26) aus. Wohl in Anbetracht der Einordnung des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayDSG als Konkretisierung von Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. f DSGVO hat das Bundesverwaltungsgericht nicht näher ausgeführt, ob die landesrechtliche Vorschrift auf die in Art. 6 Abs. 2 und 3 DSGVO erteilten Ermächtigungen für eine Regelung hoheitlicher Verarbeitungsbefugnisse gestützt werden kann. Diese Ermächtigungen berechtigen nicht zu einer Konkretisierung von Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. f DSGVO, sondern haben nur im Rahmen von Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. c und e DSGVO Bedeutung (vgl. Urteil, Rn. 26 am Anfang).
Aus bayerischer Datenschutzsicht möchte ich dazu anmerken:
a) Regelungsgehalt von Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. f und Art. 6 Abs. 1 UAbs. 2 DSGVO
Der bayerische Gesetzgeber hat in der amtlichen Normüberschrift von Art. 5 BayDSG mit dem Zusatz "(zu Art. 6 Abs. 2 bis 4 DSGVO)" zum Ausdruck gebracht, dass die Regelungen in Art. 5 BayDSG die Spielräume nutzen sollen, welche Art. 6 Abs. 2 bis 4 DSGVO den Mitgliedstaaten einräumen. Vor diesem Hintergrund versteht sich die in der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts angenommene Zuordnung zu Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. f DSGVO nicht von selbst.
Die Entscheidungsgründe verlassen sich für die Begründung der gewählten Zuordnung auf die Plausibilität der Annahme, dass eine Regelung mit einem Abwägungselement - wie sie Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayDSG enthält - nur eine unionsrechtliche Vorgabe ausgestalten kann, die ebenfalls ein solches Abwägungselement aufweist. Das trifft unter den Tatbeständen des Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 DSGVO - zumindest formal - nur auf Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. f DSGVO zu.
Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. f und Art. 6 Abs. 1 UAbs. 2 DSGVO bilden ein Regelungsgefüge. Danach kann eine Verarbeitung in Erfüllung hoheitlicher Funktionen nicht in Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. f DSGVO eine Rechtsgrundlage finden. Diese Vorgabe richtet sich in erster Linie an Verantwortliche, denen solche Funktionen zukommen, in Bayern also an die bayerischen öffentlichen Stellen (vgl. Art. 3 Abs. 2, Art. 1 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 BayDSG).
Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. f und Art. 6 Abs. 1 UAbs. 2 DSGVO sind aber auch an den nationalen Gesetzgeber adressiert: Im Hinblick auf den Anwendungsvorrang des Unionsrechts darf dieser keine Regelungslage schaffen, in welcher Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. f DSGVO die Funktion einer Rechtsgrundlage für Verarbeitungen in Erfüllung hoheitlicher Funktionen erlangt.
- Das könnte zum einen dadurch geschehen, dass der nationale Gesetzgeber die Vorschrift für solche Fälle - entgegen Art. 6 Abs. 1 UAbs. 2 DSGVO - für anwendbar erklärt (Variante 1).
- Zum anderen könnte der nationale Gesetzgeber eine "unerlaubte" Regelungslage auch dadurch herstellen, dass er im nationalen Recht in der (äußeren) Gestalt einer Verarbeitungsbefugnis eine Norm formuliert, die Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. f DSGVO strukturgleich ist (hier als "Normgestaltungsverbot" bezeichnet, Variante 2).
- Die in Art. 6 Abs. 1 UAbs. 2 DSGVO getroffene Regelung könnte zwar lediglich dahin verstanden werden, dass der unionale Normgeber Verarbeitungen in Erfüllung hoheitlicher Funktionen nicht bereits unionsrechtlich nach Maßgabe einer bloßen Interessenabwägung freigeben wollte. Auch wenn Erwägungsgrund 47 Satz 5 DSGVO in Richtung eines solchen Verständnisses weisen mag, darf aber der Kontext, in dem Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. f und Art. 6 Abs. 1 UAbs. 2 DSGVO stehen, nicht vernachlässigt werden. Verarbeitungen in Erfüllung hoheitlicher Funktionen sind schwerpunktmäßig Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. c und e DSGVO zugeordnet, wie insbesondere aus Art. 6 Abs. 3 UAbs. 1 DSGVO deutlich wird. Der Normgeber hat Art. 6 Abs. 2 und 3 DSGVO als Vorgaben für eine gesetzgeberische "Feinsteuerung" im öffentlichen Bereich konzipiert.
- Die Datenschutz-Grundverordnung greift hier (auch) eine nationale Sichtweise auf, nach welcher der Schutz des (nationalen) Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung gegenüber staatlichen Eingriffen wesentlich durch ausreichend bestimmte und auf konkrete Verarbeitungssituationen abgestimmte Befugnisse sichergestellt wird. Die (ausnahmsweise eröffnete) Ergänzung der Datenschutz-Grundverordnung durch nationales Recht findet insofern ihre Rechtfertigung gerade darin, dass so "spezifische Anforderungen für die Verarbeitung sowie sonstige Maßnahmen präziser" bestimmt werden (Art. 6 Abs. 2 DSGVO). Die in der Datenschutz-Grundverordnung angelegte "Stufung" von allgemeinen unionalen und besonderen nationalen Rechtsgrundlagen würde verfehlt, wenn jeder Mitgliedstaat für Verarbeitungen in Erfüllung hoheitlicher Funktionen eine an Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. f DSGVO angelehnte Generalklausel schaffen dürfte.
Wählt der nationale Gesetzgeber Variante 1, liegt die Missachtung einer unionsrechtlichen Vorgabe darin, dass er die von Art. 6 Abs. 1 UAbs. 2 DSGVO gezogene Grenze nicht beachtet. Entscheidet er sich dagegen für Variante 2, nimmt er die in Art. 6 Abs. 3 UAbs. 1 Buchst. b in Verbindung mit Art. 6 Abs. 3 UAbs. 2 DSGVO eingeräumte Ermächtigung auf eine Weise in Anspruch, die ihm durch Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. f und Art. 6 Abs. 1 UAbs. 2 DSGVO verschlossen ist.
b) Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayDSG als besondere Verarbeitungsbefugnis
Wie der Zusatz zur amtlichen Normüberschrift von Art. 5 BayDSG - "(zu Art. 6 Abs. 2 bis 4 DSGVO)" - belegt, hat der bayerische Gesetzgeber mit der in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayDSG getroffenen Regelung nicht Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. f DSGVO auf unzulässige Weise konkretisieren, sondern nach Art. 6 Abs. 3 UAbs. 1 Buchst. b DSGVO eine besondere Verarbeitungsbefugnis schaffen wollen. Die besondere Verarbeitungsbefugnis muss deshalb - neben den gewahrten Anforderungen von Art. 6 Abs. 3 UAbs. 2 DSGVO - insbesondere das aus Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. f und Art. 6 Abs. 1 UAbs. 2 DSGVO folgende "Normgestaltungsverbot" beachten. Auch diese Vorgabe hat der bayerische Gesetzgeber aber nicht verfehlt. Im Einzelnen:
Das aus Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. f und Art. 6 Abs. 1 UAbs. 2 DSGVO folgende "Normgestaltungsverbot" untersagt dem nationalen Gesetzgeber, eine Verarbeitungsbefugnis für Verarbeitungen in Erfüllung hoheitlicher Funktionen einzuführen, die mit Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. f DSGVO strukturgleich ist. Das geschieht, wenn für solche Fälle eine Verarbeitungsbefugnis formuliert wird, die entweder den Wortlaut von Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. f DSGVO übernimmt - dieser Fall liegt bei Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayDSG nicht vor - oder aber die in Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. f DSGVO enthaltenen Regelungselemente abbildet.
Für Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. f DSGVO sind die folgende Regelungselemente charakteristisch:
- die Anwendbarkeit auf jede Art von Verarbeitung (vgl. Art. 4 Nr. 2 DSGVO);
- ein Erforderlichkeitsmaßstab, der sich auf Interessen (nicht: Aufgaben) bezieht;
- die Verortung dieser Interessen - wahlweise - beim Verantwortlichen oder bei einem Dritten (vgl. Art. 4 Nr. 10 DSGVO);
- ein Ausgleich mit gegenläufigen Interessen der betroffenen Person (die durch Grundrechte oder Grundfreiheiten fundiert sein können);
- eine Darlegungslast der betroffenen Person für die gegenläufigen Interessen ("sofern nicht").
Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayDSG ist demgegenüber nur auf den Verarbeitungsmodus "Übermittlung" anwendbar, und dies auch nur dann, wenn der Empfänger gerade eine nicht öffentliche Stelle ist. Beides führt im Vergleich mit Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. f DSGVO zu einer Verengung des Anwendungsbereichs. Einen Erforderlichkeitsmaßstab enthält Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayDSG nicht explizit; allerdings ist die Übermittlung dem Umfang nach durch das berechtigte Interesse des Empfängers begrenzt. Das Übermittlungsinteresse ist bei Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayDSG - anders als bei Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. f DSGVO - notwendig ein Interesse des Empfängers. Zudem deckt die Vorschrift nur eine Übermittlung auf Anfrage, nicht jedoch auf Initiative der öffentlichen Stelle. Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. f DSGVO ist in diesem Punkt indifferent.
Mit der unionsrechtlichen Bestimmung teilt Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayDSG (allein) die Berücksichtigung von Vertraulichkeitsinteressen der betroffenen Person. Beide Vorschriften verlangen in der Sache eine Prüfung, ob diese Interessen dem Verarbeitungsinteresse - bei Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayDSG speziell: dem Übermittlungsinteresse - entgegenstehen.
Dass der bayerische Gesetzgeber in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayDSG ein Merkmal verwendet hat, welches die Berücksichtigung von Interessen einer betroffenen Person sicherstellen soll, hat allerdings nicht zur Folge, dass die Übermittlungsbefugnis gegen das aus Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. f und Art. 6 Abs. 1 UAbs. 2 DSGVO folgende "Normgestaltungsverbot" verstößt.
Das "Normgestaltungsverbot" findet aus Sicht des Unionsrechts seine Rechtfertigung darin, dass Verarbeitungen in Erfüllung hoheitlicher Funktionen grundsätzlich durch spezifische gesetzliche Regelungen über Verarbeitungsbefugnisse oder ein Pflichtenprogramm gesteuert werden sollen, das einer Verarbeitung zugrunde liegt (vgl. Art. 6 Abs. 3 UAbs. 1, Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. c und e DSGVO). Solche spezifischen gesetzlichen Regelungen bilden über die Grenzen ihrer jeweiligen Regelungskontexte hinaus einen Gesamtzusammenhang, der das Verhältnis der Verantwortlichen mit öffentlichen Interessen auf der einen Seite und der betroffenen Personen mit ihren Rechten und Freiheiten auf der anderen Seite differenziert austariert. In diesen Regelungszusammenhang soll nicht durch generalklauselartige Verarbeitungsbefugnisse eingegriffen werden, die Verarbeitungen lediglich von einer Interessenabwägung abhängig machen.
Die in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayDSG geregelte besondere Verarbeitungsbefugnis bezieht sich auf die nicht initiative Übermittlung personenbezogener Daten an eine nicht öffentliche Stelle. Dabei handelt es sich um eine Situation, die in der Verwaltungspraxis regelmäßig (nur) dann eintritt, wenn im Rahmen einer Presseanfrage oder eines Informationszugangsantrags (insbesondere nach Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayDSG) die Offenlegung (auch) von personenbezogenen Daten begehrt wird. Als generalklauselartige Verarbeitungsbefugnis kann sie gerade nicht gewertet werden.