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Der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz; Stand: 05.02.2025

Aktuelle Kurz-Information 28: Auskunft aus dem Melderegister an politische Parteien vor Wahlen

Stichwörter: Gruppenauskunft, Wahlwerbung - Melderegister, Widerspruch bei Wahlwerbung - Melderegisterauskunft, Wahlwerbung - Parteien, Wahlwerbung - Wahlwerbung, Widerspruch - Widerspruch, Wahlwerbung - Wählergruppen, Wahlwerbung | Stand: 23. Januar 2025

Was sind die Kernaussagen dieser Aktuellen Kurz-Information?

  • Politische Parteien können vor Wahlen Gruppenauskünfte aus dem Melderegister erhalten.
  • Bürgerinnen und Bürger können eine solche Auskunft durch Widerspruch bei der Meldebehörde verhindern.

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Insbesondere vor Wahlen erreichen mich vermehrt Anfragen, die Auskünfte aus dem Melderegister an politische Parteien betreffen. Mit solchen Auskünften gewinnen Parteien eine Datengrundlage für ihre Wahlwerbung. Eine Auskunft aus dem Melderegister an politische Parteien zum Zweck der Wahlwerbung ist nach Maßgabe der einschlägigen fachgesetzlichen Befugnis im Grundsatz zulässig. Bürgerinnen und Bürger haben es aber in der Hand, durch vorherigen Widerspruch bei der Meldebehörde eine solche Auskunft aus dem Melderegister zu verhindern. Die vorliegende Aktuelle Kurz-Information erklärt die insofern maßgeblichen Regelungen.

1. Erteilung einer Gruppenauskunft

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Eine Befugnis für die Meldebehörde, zum Zweck der Wahlwerbung an politische Parteien Auskunft aus dem Melderegister zu erteilen, enthält § 50 Abs. 1 Satz 1 Bundesmeldegesetz (BMG). Dort heißt es:

"Die Meldebehörde darf Parteien, Wählergruppen und anderen Trägern von Wahlvorschlägen im Zusammenhang mit Wahlen und Abstimmungen auf staatlicher und kommunaler Ebene in den sechs der Wahl oder Abstimmung vorangehenden Monaten Auskunft aus dem Melderegister über die in § 44 Absatz 1 Satz 1 bezeichneten Daten von Gruppen von Wahlberechtigten erteilen, soweit für deren Zusammensetzung das Lebensalter bestimmend ist."

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Die Befugnis steht ausdrücklich nur der Meldebehörde zu. Meldebehörden sind in Bayern die Gemeinden (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Bayerisches Gesetz zum Melde-, Pass- und Personalausweiswesen - BayGMPP). Hat eine Bürgerin oder ein Bürger mehrere Wohnungen, ist (nur) die Meldebehörde der aktuellen Hauptwohnung örtlich zuständig (vgl. Art. 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BayGMPP). Dies bedeutet insbesondere, dass die Meldebehörde einer früheren Hauptwohnung (zum Begriff: § 21 Abs. 2, § 22 BMG) sowie einer Nebenwohnung (zum Begriff: § 21 Abs. 3 BMG) eine Auskunft nach § 50 Abs. 1 BMG nicht erteilt.

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Erteilt werden darf die Auskunft an Parteien, Wählergruppen und andere Träger von Wahlvorschlägen. Das Gesetz verweist hier auf die vielfältigen wahlrechtlichen Regelungen; in Bayern sind insbesondere zu berücksichtigen:

  • für die Gemeinde- und Landkreiswahlen Art. 24 Abs. 1 und Art. 45 Abs. 1 Satz 1 Gemeinde- und Landkreiswahlgesetz (GLKrWG),
  • für die Landtagswahl Art. 23 Landeswahlgesetz (LWG),
  • für die Bezirkswahl Art. 4 Abs. 1 Nr. 4 Bezirkswahlgesetz (BezWG), Art. 23 LWG,
  • für die Bundestagswahl § 18 Abs. 1 Bundeswahlgesetz (BWG) und
  • für die Europawahl § 8 Abs. 1 Europawahlgesetz (EuWG).

Beispiel: So kann vor einer Bürgermeisterwahl Auskunft nicht nur an den Ortsverband einer politischen Partei erteilt werden, die seit jeher im Gemeinderat vertreten ist, sondern auch an die oder den Beauftragten eines Wahlvorschlags für die erste Bürgermeisterin oder den ersten Bürgermeister, mit dem eine unabhängige Kandidatin oder ein unabhängiger Kandidat erstmals die kommunalpolitische Bühne betritt (vgl. Art. 45 Abs. 1 Satz 1, Art. 24 Abs. 1 Satz 1, Art. 30 Abs. 1 Satz 1 GLKrWG).

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Nicht von § 50 Abs. 1 Satz 1 BMG erfasst sind Wahlen zu kommunalen Beiräten (etwa einem Ausländer- oder Seniorenbeirat).

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Die Auskunft darf nicht zu einem beliebigen Zeitpunkt erteilt werden, sondern nur in den sechs der Wahl vorangehenden Monaten.

Beispiel: In einer Gemeinde wird am 15. März 2020 der Gemeinderat neu gewählt. Eine Auskunft nach § 50 Abs. 1 Satz 1 BMG darf nur innerhalb eines Zeitraums vom 15. September 2019 (0:00 Uhr) bis zum 14. März 2020 (24:00 Uhr) erteilt werden.

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Die Auskunft nach § 50 Abs. 1 BMG ist eine Gruppenauskunft, die auf Antrag erteilt wird. Die Gruppenauskunft bezieht sich auf Wahlberechtigte. Auch insofern verweist das Gesetz auf wahlrechtliche Regelungen; in Bayern sind dies insbesondere

  • für die Gemeinde- und Landkreiswahlen Art. 1 GLKrWG,
  • für die Landtagswahl Art. 1 LWG,
  • für die Bezirkswahl Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 BezWG, Art. 1 LWG,
  • für die Bundestagswahl § 12 BWG und
  • für die Europawahl § 6 EuWG.

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Die Empfängerin oder der Empfänger muss mit ihrem oder seinem Antrag Angaben zur Zusammensetzung der Gruppe machen, für die sie oder er Melderegisterdaten erhalten möchte. Das - einzige - nach dem Gesetz zulässige Kriterium ist dabei das Lebensalter (etwa: "Wahlberechtigte, die im Zeitpunkt der Wahl 18 bis 24 Jahre alt sind"). Nicht zulässig ist es, gestaffelte Anträge mit dem Ziel zu stellen, die Kontaktdaten aller Wahlberechtigten im Zuständigkeitsbereich der Meldebehörde zu erlangen. Nicht zulässig sind auch alle anderen Auswahlkriterien wie etwa das Geschlecht oder - etwa vor einer Kommunalwahl (vgl. Art. 1 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 GLKrWG) - die Staatsangehörigkeit.

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§ 50 Abs. 1 Satz 1 BMG verschafft keinen gebundenen Zugangsanspruch. Die Meldebehörde entscheidet über die Erteilung der Auskunft vielmehr nach pflichtgemäßem Ermessen. Da sie insbesondere auch das Gleichheitsgebot zu beachten hat, darf sie nicht einzelne Parteien, Wählergruppen oder andere Träger von Wahlvorschlägen bevorzugen oder benachteiligen.

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Im Einzelfall unterbleibt eine Auskunft, wenn ihr für eine bestimmte wahlberechtigte Person eine Übermittlungssperre auf Grund eines Widerspruchs (siehe Rn. 14 ff.) oder eine Auskunftssperre (§ 50 Abs. 6 Satz 1, § 51 BMG) entgegensteht. Im Fall eines bedingten Sperrvermerks (§ 52 Abs. 1 BMG) sind die (zusätzlichen) Voraussetzungen von § 52 Abs. 2 BMG zu beachten; praktische Folge ist im Regelfall die Nichtbeauskunftung.

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Soweit eine Auskunft erteilt werden kann, darf sie den in § 44 Abs. 1 Satz 1 BMG bezeichneten Umfang nicht überschreiten. Die Partei, die Wählergruppe oder der andere Träger eines Wahlvorschlags erfährt dann von den Wahlberechtigten der benannten Altersstaffel jeweils:

Datum Hinweise
den Familiennamen
(§ 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BMG);
-
den oder die Vornamen unter Kennzeichnung des gebräuchlichen Vornamens (§ 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BMG); Eine Verwaltungspraxis, die - unter Beachtung des Gleichheitsgebots - jeweils nur den gebräuchlichen Vornamen beauskunftet, ist aus Datenschutzsicht nicht zu beanstanden.
einen Doktorgrad(§ 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BMG); -
die derzeitigen Anschriften(§ 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BMG). Eine Verwaltungspraxis, die - unter Beachtung des Gleichheitsgebots - jeweils nur die Anschrift der im Zuständigkeitsbereich der Meldebehörde liegenden (Haupt-)Wohnung beauskunftet, ist aus Datenschutzsicht zu empfehlen. Auf diese Weise wird von vornherein das Risiko minimiert, dass Rückschlüsse auf den Charakter einzelner Wohnungen als Haupt- oder Nebenwohnung gezogen werden können; welche Wohnungen Haupt- oder Nebenwohnungen sind, darf im Rahmen von § 44 Abs. 1 Satz 1 BMG nicht offengelegt werden.

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Da sich die Melderegisterauskunft nach § 50 Abs. 1 Satz 1 BMG auf "Gruppen von Wahlberechtigten" bezieht, wahlberechtigt aber nur lebende Personen sind, stellt die Meldebehörde keine Datensätze bereit, in denen eine Angabe nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BMG zu machen wäre.

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Unzulässig ist nach § 50 Abs. 1 Satz 2 BMG eine Mitteilung von Geburtsdaten; Gleiches gilt im Hinblick auf die entstehenden "Altersrelationen" für eine Reihung nach dem Lebensalter. Unzulässig ist ferner die Mitteilung anderer Bestandteile des Meldedatensatzes, etwa des Geschlechts, des Geburtsorts oder der Staatsangehörigkeit (vgl. Rn. 8 am Ende).

2. Widerspruch

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Bürgerinnen und Bürger, die keine Wahlwerbung erhalten möchten, haben schon nach dem Bundesmeldegesetz die Möglichkeit, gegenüber der Meldebehörde einen Widerspruch zu erklären. Dazu bestimmt § 50 Abs. 5 Satz 1 BMG:

"Die betroffene Person hat das Recht, der Übermittlung ihrer Daten nach den Absätzen 1 bis 3 zu widersprechen; hierauf ist bei der Anmeldung nach § 17 Absatz 1 sowie einmal jährlich durch ortsübliche Bekanntmachung hinzuweisen."

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Für den Widerspruch ist keine besondere Form vorgeschrieben. Wer ihn erhebt, muss weder eine Begründung abgeben noch eine Frist beachten. Der Widerspruch ist kostenfrei und wirkt grundsätzlich auf Dauer. Eine Rücknahme ist möglich.

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Hinweis: Bei vielen bayerischen Meldebehörden steht für den Widerspruch ein Online-Verfahren zur Verfügung. Bürgerinnen und Bürger, die wissen möchten, ob dies auch bei ihrer Gemeinde der Fall ist, können dies unter https://www.freistaat.bayern/dokumente/leistung/33997662504 (externer Link) herausfinden.

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Auf Grund des Widerspruchs trägt die Meldebehörde im Melderegister eine Übermittlungssperre für Gruppenauskünfte mit dem Zweck "Wahlwerbung" ein (§ 50 Abs. 5 Satz 2, § 36 Abs. 2 Satz 2 BMG).

3. Zweckbindung und Löschung

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Melderegisterdaten, die nach § 50 Abs. 1 Satz 1 BMG mitgeteilt wurden, dürfen von einer Empfängerin oder einem Empfänger nur zum Zweck der Werbung für die Wahl verwendet werden, die Anlass für die Gruppenauskunft war; innerhalb eines Monats nach der Wahl sind sie zu löschen (vgl. § 50 Abs. 1 Satz 3 BMG). Die Daten dürfen also insbesondere nicht in eine "allgemeine" Adressdatenbank eingepflegt oder etwa für Gratulationszwecke verwendet werden. Datenschutzrechtlich betrachtet, schließt § 50 Abs. 1 Satz 3 BMG jede zweckändernde Weiterverarbeitung der "ehemaligen" Melderegisterdaten aus.

  1. Bayerischer Landesbeauftragter für den Datenschutz, 25. Tätigkeitsbericht 2012, Nr. 6.12. [Zurück]
  2. Die Frist aus § 50 Abs. 1 Satz 1 BMG ist eine Rückwärtsfrist, die spiegelbildlich entsprechend § 187 Abs. 1 und § 188 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch zu berechnen ist (dazu für eine Konstellation aus dem Gleichstellungsrecht Verwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 10. Dezember 2019, VG 5 K 93.19, BeckRS 2019, 42062, Rn. 85). [Zurück]
  3. Nr. 24.3 Satz 3 Gemeinde- und Landkreiswahlbekanntmachung vom 24. Oktober 2024 (BayMBl. Nr. 534); siehe auch Bayerischer Landesbeauftragter für den Datenschutz, 30. Tätigkeitsbericht 2020, Nr. 7.7. [Zurück]
  4. Vertiefend aus melderechtlicher Sicht Ehmann/Brunner, Die Wahl kommt – und mit ihr die Wahlwerbung, Stand 7/2021, S. 8, Internet: https://www.rehm-verlag.de/__STATIC__/newsletter/pass-ausweis- melderecht/2021/self/nl-pam-juli_august-2021_1627461653000.pdf. [Zurück]
  5. Näher dazu Brunner/Ehmann (Endnote 5), S. 6 f. [Zurück]
  6. So im Ergebnis auch Brunner/Ehmann (Endnote 5), S. 5, in kritischer Auseinandersetzung mit der Vorgängerversion dieses Beitrags. [Zurück]
  7. Näher dazu Brunner/Ehmann (Endnote 5), S. 4 f. [Zurück]
  8. Siehe Endnote 3. [Zurück]