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Der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz; Stand: 01.02.2020

Aktuelle Kurz-Information 28: Auskunft aus dem Melderegister an politische Parteien vor Wahlen

Stichwörter: Melderegisterdaten, Auskunft an politische Parteien - Wahlwerbung - Widerspruch, Ablehnung von Wahlwerbung; Stand: 01.02.2020

Vor Wahlen erreichen mich vermehrt Anfragen, die Auskünfte aus dem Melderegister an politische Parteien betreffen. Mit solchen Auskünften gewinnen Parteien eine Datengrundlage für ihre Wahlwerbung. Zu diesem Thema habe ich mich zuletzt in meinem 28. Tätigkeitsbericht unter Nr. 7.8.1 geäußert. Zusammengefasst lässt sich - auch nach Geltungsbeginn der Datenschutz-Grundverordnung - weiterhin feststellen:

Eine Auskunft aus dem Melderegister an politische Parteien zum Zweck der Wahlwerbung ist nach Maßgabe der einschlägigen fachgesetzlichen Befugnis im Grundsatz zulässig. Bürgerinnen und Bürger haben es aber in der Hand, durch vorherigen Widerspruch bei der Meldebehörde eine Auskunft aus dem Melderegister zu verhindern. Hierzu ist aus Datenschutzsicht zu bemerken:

1. Erteilung einer Gruppenauskunft

Eine Befugnis für die Meldebehörde, zum Zweck der Wahlwerbung an politische Parteien Auskunft aus dem Melderegister zu erteilen, enthält § 50 Abs. 1 Satz 1 Bundesmeldegesetz (BMG). Dort heißt es:

"Die Meldebehörde darf Parteien, Wählergruppen und anderen Trägern von Wahlvorschlägen im Zusammenhang mit Wahlen und Abstimmungen auf staatlicher und kommunaler Ebene in den sechs der Wahl oder Abstimmung vorangehenden Monaten Auskunft aus dem Melderegister über die in § 44 Absatz 1 Satz 1 bezeichneten Daten von Gruppen von Wahlberechtigten erteilen, soweit für deren Zusammensetzung das Lebensalter bestimmend ist."

Die Befugnis steht ausdrücklich nur der Meldebehörde zu. Meldebehörden sind in Bayern die Gemeinden (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Bayerisches Gesetz zur Ausführung des Bundesmeldegesetzes - BayAGBMG). Hat eine Bürgerin oder ein Bürger mehrere Wohnungen, ist (nur) die Meldebehörde der aktuellen Hauptwohnung örtlich zuständig (vgl. Art. 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BayAGBMG). Dies bedeutet insbesondere, dass die Meldebehörde einer früheren Hauptwohnung (zum Begriff: § 21 Abs. 2, § 22 BMG) sowie einer Nebenwohnung (zum Begriff: § 21 Abs. 3 BMG) eine Auskunft nach § 50 Abs. 1 BMG nicht erteilt.

Erteilt werden darf die Auskunft an Parteien, Wählergruppen und andere Träger von Wahlvorschlägen. Das Gesetz verweist hier auf die vielfältigen wahlrechtlichen Regelungen; in Bayern sind insbesondere zu berücksichtigen:

  • für die Gemeinde- und Landkreiswahlen Art. 24 Abs. 1 und Art. 45 Abs. 1 Satz 1 Gemeinde- und Landkreiswahlgesetz (GLKrWG),
  • für die Landtagswahl Art. 23 Landeswahlgesetz (LWG),
  • für die Bezirkswahl Art. 4 Abs. 1 Nr. 4 Bezirkswahlgesetz (BezWG), Art. 23 LWG,
  • für die Bundestagswahl § 18 Abs. 1 Bundeswahlgesetz (BWG) und
  • für die Europawahl § 8 Abs. 1 Europawahlgesetz (EuWG).

Beispiel: So kann vor einer Bürgermeisterwahl Auskunft nicht nur an den Ortsverband einer politischen Partei erteilt werden, die seit jeher im Gemeinderat vertreten ist, sondern auch an die oder den Beauftragten eines Wahlvorschlags für den ersten Bürgermeister, mit dem eine unabhängige Kandidatin oder ein unabhängiger Kandidat erstmals die kommunalpolitische Bühne betritt (vgl. Art. 45 Abs. 1 Satz 1, Art. 24 Abs. 1 Satz 1, Art. 30 Abs. 1 Satz 1 GLKrWG).

Nicht von § 50 Abs. 1 Satz 1 BMG erfasst sind Wahlen zu kommunalen Beiräten (etwa einem Ausländer- oder Seniorenbeirat).

Die Auskunft darf nicht zu einem beliebigen Zeitpunkt erteilt werden, sondern nur in den sechs der Wahl vorangehenden Monaten.

Beispiel: In einer Gemeinde wird am 15. März 2020 der Gemeinderat neu gewählt. Eine Auskunft nach § 50 Abs. 1 Satz 1 BMG darf nur innerhalb eines Zeitraums vom 15. September 2019 bis zum 14. März 2020 erteilt werden.

Die Auskunft nach § 50 Abs. 1 BMG ist eine Gruppenauskunft, die auf Antrag erteilt wird. Die Gruppenauskunft bezieht sich auf Wahlberechtigte. Auch insofern verweist das Gesetz auf wahlrechtliche Regelungen; in Bayern sind dies insbesondere

  • für die Gemeinde- und Landkreiswahlen Art. 1 GLKrWG,
  • für die Landtagswahl Art. 1 LWG,
  • für die Bezirkswahl Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 BezWG, Art. 1 LWG,
  • für die Bundestagswahl § 12 BWG und
  • für die Europawahl § 6 EuWG.

Die Empfängerin oder der Empfänger muss mit ihrem oder seinem Antrag Angaben zur Zusammensetzung der Gruppe machen, für die sie oder er Melderegisterdaten erhalten möchte. Das - einzige - nach dem Gesetz zulässige Kriterium ist dabei das Lebensalter (etwa: "Wahlberechtigte, die im Zeitpunkt der Wahl 18 bis 24 Jahre alt sind"). Nicht zulässig ist es, gestaffelte Anträge mit dem Ziel zu stellen, die Kontaktdaten aller Wahlberechtigten im Zuständigkeitsbereich der Meldebehörde zu erlangen.

§ 50 Abs. 1 Satz 1 BMG verschafft keinen gebundenen Zugangsanspruch. Die Meldebehörde entscheidet vielmehr über die Erteilung der Auskunft nach pflichtgemäßem Ermessen. Da sie insbesondere auch das Gleichheitsgebot zu beachten hat, darf sie nicht einzelne Parteien, Wählergruppen oder andere Träger von Wahlvorschlägen bevorzugen oder benachteiligen.

Im Einzelfall unterbleibt eine Auskunft, wenn ihr für eine bestimmte wahlberechtigte Person

  • eine Übermittlungssperre auf Grund eines Widerspruchs (siehe unten 2.),
  • ein bedingter Sperrvermerk (§ 50 Abs. 6 Satz 2, § 52 BMG) oder
  • eine Auskunftssperre (§ 50 Abs. 6 Satz 1, § 51 BMG)

entgegensteht.

Soweit danach eine Auskunft erteilt werden darf, hat sie den in § 44 Absatz 1 Satz 1 BMG bezeichneten Umfang. Die Partei, die Wählergruppe oder der andere Träger eines Wahlvorschlags erfährt dann von den Wahlberechtigten der benannten Altersstaffel jeweils

  • den Familiennamen,
  • den oder die Vornamen unter Kennzeichnung des gebräuchlichen Vornamens,
  • einen Doktorgrad sowie
  • die derzeitigen Anschriften.

Eine Mitteilung von Geburtsdaten ist nach § 50 Abs. 1 Satz 2 BMG unzulässig; auch eine Reihung nach dem Lebensalter sollte unterbleiben.

Eine Verwaltungspraxis, die - unter Beachtung des Gleichheitsgebots - jeweils nur die gebräuchlichen Vornamen und nur die Anschrift der im Zuständigkeitsbereich der Meldebehörde liegenden (Haupt-)Wohnung beauskunftet, ist jedenfalls aus Datenschutzsicht nicht zu beanstanden. Soweit verstorbene Personen noch im Melderegister geführt werden, ist bereits wegen Fehlens einer Wahlberechtigung Auskunft nicht zu erteilen.

2. Widerspruch

Bürgerinnen und Bürger, die keine Wahlwerbung erhalten möchten, haben schon nach dem Bundesmeldegesetz die Möglichkeit, gegenüber der Meldebehörde einen Widerspruch zu erklären. Dazu bestimmt § 50 Abs. 5 Satz 1 BMG:

"Die betroffene Person hat das Recht, der Übermittlung ihrer Daten nach den Absätzen 1 bis 3 zu widersprechen; hierauf ist bei der Anmeldung nach § 17 Absatz 1 sowie einmal jährlich durch ortsübliche Bekanntmachung hinzuweisen."

Für den Widerspruch ist keine besondere Form vorgeschrieben. Wer ihn erhebt, muss weder eine Begründung abgeben noch eine Frist beachten. Der Widerspruch ist kostenfrei und wirkt grundsätzlich auf Dauer. Eine Rücknahme ist möglich.

Hinweis: Bei vielen bayerischen Meldebehörden steht für den Widerspruch ein Online-Verfahren zur Verfügung. Bürgerinnen und Bürger, die wissen möchten, ob dies auch bei ihrer Gemeinde der Fall ist, können dies unter https://www.freistaat.bayern/dokumente/leistung/33997662504 (externer Link) herausfinden (Screenshot im Anhang). Nach Eingabe in dem Feld "Mein Ort" (Hervorhebung 1) wird gegebenenfalls im Auswahlmenü ein entsprechender Punkt angezeigt (Hervorhebung 2).

Auf Grund des Widerspruchs trägt die Meldebehörde im Melderegister eine Übermittlungssperre für Gruppenauskünfte mit dem Zweck "Wahlwerbung" ein (§ 50 Abs. 5 Satz 2, § 36 Abs. 2 Satz 2 BMG).

3. Zweckbindung und Löschung

Melderegisterdaten, die nach § 50 Abs. 1 Satz 1 BMG mitgeteilt wurden, dürfen von einer Empfängerin oder einem Empfänger nur zum Zweck der Werbung für die Wahl verwendet werden, die Anlass für die Gruppenauskunft war; innerhalb eines Monats nach der Wahl sind sie zu löschen (vgl. § 50 Abs. 1 Satz 3 BMG). Die Daten dürfen also insbesondere nicht in eine "allgemeine" Adressdatenbank eingepflegt oder etwa für Gratulationszwecke verwendet werden. Datenschutzrechtlich betrachtet, schließt § 50 Abs. 1 Satz 3 BMG jede zweckändernde Weiterverarbeitung der "ehemaligen" Melderegisterdaten aus.

Anhang: Screenshot aus dem BayernPortal:

Bildschirmfoto des BayernPotals
  1. Im Internet abrufbar auf https://www.datenschutz-bayern.de in der Rubrik „Tätigkeitsberichte“. [Zurück]
  2. Dazu näher mein 25. Tätigkeitsbericht 2019 unter Nr. 6.12. [Zurück]