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Der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz; Stand: 26.10.2020

Aktuelle Kurz-Information 34: Zugang zu Niederschriften der Sitzungen kollegialer Selbstverwaltungsorgane in bayerischen Gemeinden und Landkreisen

Stichwörter: Gemeinderat, Zugang zu Sitzungsniederschriften - Kreistag, Zugang zu Sitzungsniederschriften - Recht auf Auskunft, Sitzungsniederschriften kollegialer Selbstverwaltungsorgane - Sitzungsniederschriften kollegialer Selbstverwaltungsorganen, Zugang | Stand: 1. Oktober 2020

Über die Sitzungen der Gemeinderäte, der Kreistage und ihrer beschließenden Ausschüsse sind nach Art. 54 Abs. 1 Satz 1, Art. 45 Abs. 2 Satz 2 Gemeindeordnung (GO) sowie Art. 48 Abs. 1 Satz 1, Art. 40 Abs. 2 Satz 2 Landkreisordnung (LKrO) Niederschriften zu fertigen. Die Geschäftsordnungen enthalten hierzu regelmäßig nähere Regelungen; in diesem Rahmen kann die Protokollierungspflicht auch auf vorberatende Ausschüsse erstreckt werden. Die Niederschriften haben nicht nur für die Mitglieder des Gemeinderats und die Gemeindeverwaltung Bedeutung; auch Bürgerinnen und Bürger möchten sich mitunter im Nachhinein vergewissern, was in den Beratungen gesagt und am Ende beschlossen wurde. Das Landesrecht gewährt ihnen vor diesem Hintergrund Zugangsansprüche. Aus Datenschutzsicht ist insofern zu bemerken:

1. Kommunalrechtliche Zugangsansprüche

Das Kommunalrecht kennt bereits seit langem Ansprüche auf Zugang zu Niederschriften, auch zugunsten von Bürgerinnen und Bürgern. So heißt es in Art. 54 Abs. 3 Satz 2 GO:

"Die Einsicht in die Niederschriften über öffentliche Sitzungen steht allen Gemeindebürgern frei; dasselbe gilt für auswärts wohnende Personen hinsichtlich ihres Grundbesitzes oder ihrer gewerblichen Niederlassungen im Gemeindegebiet."

Art. 48 Abs. 2 Satz 2 LKrO bestimmt:

"Die Einsicht in die Niederschriften über öffentliche Sitzungen steht allen Kreisbürgern frei."

Beide Vorschriften begründen keine "Jedermannsrechte". Anspruchsberechtigt sind im Fall von Art. 54 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 GO die Gemeindebürger - das sind die Gemeindeangehörigen, die in ihrer Gemeinde das Recht besitzen, an den Gemeindewahlen teilzunehmen (Art. 15 Abs. 2 GO ) -, im Fall von 48 Abs. 2 Satz 2 LKrO die Kreisbürger, also die Kreisangehörigen, die das Wahlrecht für die Kreiswahlen besitzen (Art. 11 Abs. 2 LKrO).

Eine Anspruchsberechtigung für die sog. Forensen gibt es nur auf Gemeindeebene (vgl. Art. 54 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 GO); sie ist nicht - wie bei den Gemeindebürgern - umfassend, sondern auf das Grundstück oder Gewerbe bezogen ("hinsichtlich"). Das Einsichtsrecht bezieht sich insofern also lediglich auf Tagesordnungspunkte, die einen entsprechenden Bezug aufweisen.

Anders als der in Art. 39 Abs. 1 Satz 1 Bayerisches Datenschutzgesetz (BayDSG) geregelte Zugangsanspruch verlangen Art. 54 Abs. 3 Satz 2 GO und Art. 48 Abs. 2 Satz 2 LKrO nicht, dass die Zugangsinteressentin oder der Zugangsinteressent ein berechtigtes Interesse glaubhaft darlegt. Wer nach diesen Bestimmungen Niederschriften einsehen möchte, kann sich über die Beweggründe also ausschweigen.

Gegenstand der Zugangsansprüche nach Art. 54 Abs. 3 Satz 2 GO und Art. 48 Abs. 2 Satz 2 LKrO sind die gemäß Art. 54 Abs. 1 Satz 1 oder Art. 48 Abs. 1 Satz 1 LKrO gefertigten, unterzeichneten Niederschriften. Im Anwendungsbereich der Gemeindeordnung muss zudem die Genehmigung durch das jeweilige Gremium vorliegen (vgl. Art. 54 Abs. 2 GO). "Vorprodukte" - wie etwa zur Unterstützung der protokollführenden Person gefertigte Tonbandmitschnitte - sind nicht erfasst.

Die Zugangsansprüche sind im Übrigen auf "Niederschriften über öffentliche Sitzungen" begrenzt. Dies bedeutet, dass Niederschriften über nichtöffentliche Sitzungen nicht erfasst sind. Dies gilt auch dann, wenn sich die Sachlage hinsichtlich der Vertraulichkeit nachträglich ändert. Die Gesetze sehen zwar eine Bekanntgabe von Beschlüssen vor, sobald die Gründe für die Geheimhaltung weggefallen sind (Art. 52 Abs. 3 GO, Art. 46 Abs. 3 LKrO). Daraus ist aber nicht zu folgern, dass auch die Niederschriften offenzulegen wären: Gründe der Geheimhaltung können für einen Beschluss wegfallen, für den Inhalt der Beratung, eine mögliche namentliche Abstimmung sowie eine darüber gefertigte Niederschrift aber fortbestehen. Die Gemeinde oder der Landkreis schuldet nach Art. 54 Abs. 3 GO oder Art. 46 Abs. 3 LKrO nur eine Prüfung, ob Beschlüsse bekanntzugeben sind, nicht dagegen, ob auch Niederschriften öffentlich gemacht werden können.

Anspruchsinhalt ist bei Art. 54 Abs. 3 Satz 2 GO und Art. 48 Abs. 2 Satz 2 LKrO die Einsicht in das jeweilige Dokument, also in das Beschlussbuch oder in Auszüge daraus.

Begehrt eine anspruchsberechtigte Person statt Einsicht eine Auskunft, bestehen keine Bedenken, wenn die Gemeinde oder der Landkreis den Anspruch auf diese Art erfüllt.

Meinungsverschiedenheiten entstehen mitunter, wenn die Bereitstellung von Kopien aus den Niederschriften verlangt wird. Manche Kommunen sind nämlich der Auffassung, auf derartige "Sonderwünsche" überhaupt nicht eingehen zu müssen. Mit dieser Haltung haben sie zwar den Normtext auf ihrer Seite, der von "Einsicht" spricht. Allerdings ist daraus nicht abzuleiten, dass der Informationszugang nicht in einer anderen Form - so sie gewünscht wird - gewährt werden darf.

Der Kommune kommt vielmehr ein Ermessen zu: Beantragt eine anspruchsberechtigte Person eine Bereitstellung von Kopien, muss die Kommune nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden, ob sie diesem Anliegen entspricht oder auf den Zugang durch Einsicht verweist. Im Rahmen der Ermessensentscheidung ist auch das vom Gesetz geschützte Zugangsinteresse mit den von der Kommune im Einzelfall geltend gemachten Belangen (etwa: Vermeidung von Personal- und Sachaufwand bei der Herstellung von Kopien) in Ausgleich zu bringen. Eine Ermessensentscheidung zugunsten der anspruchsberechtigten Person kommt insbesondere dann in Betracht, wenn sich das Zugangsgesuch auf Tagesordnungspunkte bezieht, zu welchen die Niederschrift umfangreiche, komplexe oder sonst im begrenzten zeitlichen Rahmen einer Einsicht nicht erfassbare Informationen enthält, oder wenn sich die anspruchsberechtigte Person mit einer Kostenerstattung nach dem Kostengesetz einverstanden erklärt.

Eine vollständige Ermessensreduzierung soll einer Rechtsprechung aus der Zeit vor Einführung des allgemeinen Rechts auf Auskunft zufolge allerdings (wohl nur) dann eintreten, wenn eine anspruchsberechtigte Person durch Verweis auf eine Einsicht schlechter gestellt würde als andere Zugangsinteressenten. Das kann nicht nur bei Zugangsgesuchen etwa sehbehinderter Personen der Fall sein, sondern auch dann, wenn eine Kommune in ständiger Verwaltungspraxis Kopien aus Niederschriften überlässt, eine bestimmte Bürgerin oder einen bestimmten Bürger aber auf die Einsicht verweisen möchte.

2. Allgemeines Recht auf Auskunft (Art. 39 Bayerisches Datenschutzgesetz)

Ende 2015 hat der bayerische Gesetzgeber ein allgemeines Recht auf Auskunft eingeführt, das seit der Datenschutzreform 2018 in Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayDSG geregelt ist. Die Vorschrift lautet:

"Jeder hat das Recht auf Auskunft über den Inhalt von Dateien und Akten öffentlicher Stellen, soweit ein berechtigtes, nicht auf eine entgeltliche Weiterverwendung gerichtetes Interesse glaubhaft dargelegt wird und

1. bei personenbezogenen Daten eine Übermittlung an nicht öffentliche Stellen zulässig ist und

2. Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nicht beeinträchtigt werden."

Da die Niederschriften der Sitzungen kollegialer Selbstverwaltungsorgane üblicherweise in Akten vorgehalten werden und die bayerischen Gemeinden und Landkreise öffentliche Stellen im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Satz 1 BayDSG sind, fragt sich, ob Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayDSG neben Art. 54 Abs. 3 Satz 2 GO und Art. 48 Abs. 2 Satz 2 LKrO angewendet werden kann.

Das Verhältnis des allgemeinen Rechts auf Auskunft zu anderen Informationszugangsrechten wird maßgeblich von Art. 39 Abs. 2 BayDSG bestimmt:

"Abs. 1 findet keine Anwendung auf Auskunftsbegehren, die Gegenstand einer Regelung in anderen Rechtsvorschriften sind."

Bei einem Vergleich von Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayDSG auf der einen sowie Art. 54 Abs. 3 Satz 2 GO und Art. 48 Abs. 2 Satz 2 LKrO auf der anderen Seite ist festzustellen, dass Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayDSG ein Jedermannsrecht ist, dass die Regelung vor den Informationszugang die glaubhafte Darlegung eines berechtigten Interesses stellt, und dass die Vorschrift primär auf Auskunft gerichtet ist, nach Ermessen der auskunftspflichtigen Stelle aber auch die Gewährung von Einsicht oder die Bereitstellung von Kopien zulässt. Demgegenüber berechtigt Art. 54 Abs. 3 Satz 2 GO nur Gemeindebürger und Forensen, Art. 48 Abs. 2 Satz 2 LKrO nur Kreisbürger; beide Vorschriften setzen kein berechtigtes Interesse voraus, zielen primär auf Einsicht, wobei nach Ermessen auch Auskunft erteilt werden kann oder Kopien bereitgestellt werden können.

Würden Art. 39 Abs. 1 Satz1 BayDSG sowie Art. 54 Abs. 3 Satz 2 GO und Art. 48 Abs. 2 Satz 2 LKrO nebeneinander angewendet, käme den beiden letztgenannten Vorschriften lediglich die Funktion einer Privilegierung zu: Anders als alle anderen Zugangsinteressentinnen und Zugangsinteressenten müssten Gemeindebürgerinnen und Gemeindebürger - im Fall von Art. 54 Abs. 3 Satz 2 GO - sowie Kreisbürgerinnen und Kreisbürger - im Fall von Art. 48 Abs. 2 Satz 2 LKrO - ein berechtigtes Interesse nicht darlegen, wenn sie Einsicht in die Niederschriften öffentlicher Sitzungen nehmen wollten. Der Zugang zu den Niederschriften nichtöffentlicher Sitzungen richtete sich für alle Zugangsinteressentinnen und Zugangsinteressenten nach Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayDSG. Auf diese Weise würde das tradierte Zugangsregime der Gemeindeordnung erheblich umgebaut.

Werden dagegen Art. 54 Abs. 3 Satz 2 GO und Art. 48 Abs. 2 Satz 2 LKrO als "Regelung[en] in anderen Rechtsvorschriften" im Sinne von Art. 39 Abs. 2 BayDSG angesehen, bleibt der Informationszugang auf den durch diese Bestimmungen gesetzten Rahmen begrenzt; andere als die dort genannten Personen können Zugang zu Niederschriften nicht erlangen, und die Niederschriften nichtöffentlicher Sitzungen bleiben gänzlich von Zugangsansprüchen ausgenommen.

Vor der Einführung von Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayDSG bildeten Art. 54 Abs. 3 Satz 2 GO und Art. 48 Abs. 2 Satz 2 LKrO eine "Transparenzinsel" in einem Verwaltungsbereich, der allenfalls punktuelle Informationszugangsrechte kannte, so etwa im Umweltinformationsrecht. Der Gesetzgeber hat die Regelung eines allgemeinen Rechts auf Auskunft nicht zum Anlass genommen, die bestehenden kommunalrechtlichen Regelungen anzupassen, wobei eine insgesamt spannungsfreie Regelungslage am einfachsten durch Aufhebung von Art. 54 Abs. 3 Satz 2 GO und Art. 48 Abs. 2 Satz 2 LKrO hätte erreicht werden können. Dies spricht für die Annahme, dass für die Sitzungsniederschriften der kommunalen Selbstverwaltungsgremien das hergebrachte Zugangsregime erhalten werden sollte, die beiden beibehaltenen besonderen Zugangsansprüche mithin "Regelung[en] in anderen Rechtsvorschriften" im Sinne von Art. 39 Abs. 2 BayDSG darstellen. Nach Einführung von Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayDSG hat das allerdings die Konsequenz, dass das "Transparenzniveau" bei den Sitzungsniederschriften hinsichtlich der Anspruchsberechtigung und des Anspruchsgegenstands niedriger ausfällt als in dem von Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayDSG "abgedeckten" Bereich. Gleichwohl griffe die Annahme zu kurz, dass eine ursprünglich als "Transparenzinsel" konzipierte Regelung nun in Anbetracht eines geänderten Regelungsumfelds als "Intransparenzinsel" zu beschreiben wäre: Immerhin wird den in Art. 54 Abs. 3 Satz 2 GO und Art. 48 Abs. 2 Satz 2 LKrO berechtigten Personengruppen für Niederschriften öffentlicher Sitzungen der Zugang durch Verzicht auf die glaubhafte Darlegung eines berechtigten Interesses erleichtert. Für eine Anwendung von Art. 39 Abs. 2 BayDSG auf Art. 54 Abs. 3 Satz 2 GO und Art. 48 Abs. 2 Satz 2 LKrO sprechen daher insgesamt wohl die besseren Argumente.

Die in Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayDSG zum Ausdruck gebrachte Grundentscheidung für eine transparente Verwaltung sollte geichwohl berücksichtigt werden, wenn sich Zugangsanträge nach Art. 54 Abs. 3 Satz 2 GO und Art. 48 Abs. 2 Satz 2 LKrO auf eine Bereitstellung von Kopien richten. Wird einem solchen Anliegen insbesondere entsprochen, wenn eine Niederschrift umfangreiche, komplexe oder sonst im begrenzten zeitlichen Rahmen einer Einsicht nicht erfassbare Informationen enthält, oder wenn sich eine anspruchsberechtigte Person mit einer Kostenerstattung nach dem Kostengesetz einverstanden erklärt, so wirkt dies auch auf eine Harmonisierung der besonderen kommunalrechtlichen Zugangsrechte mit Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayDSG hin.

3. Optionen zur Verbesserung der Transparenz

Soweit Kommunen das durch Art. 54 Abs. 3 Satz 2 GO und Art. 48 Abs. 2 Satz 2 LKrO gewährleistete Maß an Transparenz verbessern möchten, stehen verschiedene Handlungsoptionen zur Verfügung:

  • Zunächst sind Kommunen nicht gehindert, im Rahmen von Art. 54 Abs. 3 Satz 2 GO und Art. 48 Abs. 2 Satz 2 LKrO auch Zugangsanträgen zu entsprechen, die nicht von anspruchsberechtigten Personen gestellt sind. Das Gesetz räumt zwar insofern keinen Anspruch ein, verbietet die Zugangsgewährung aber auch nicht.
  • Was Zugangsanträge betrifft, die auf eine Bereitstellung von Sitzungsniederschriften in Kopie zielen, können sich Kommunen im Rahmen von Art. 54 Abs. 3 Satz 2 GO und Art. 48 Abs. 2 Satz 2 LKrO für eine Verwaltungspraxis entscheiden, die dem Anliegen der jeweils zugangsinteressierten Person grundsätzlich entspricht: Werden Kopien beantragt, wird der Zugang im Regelfall in dieser Form gewährt.
  • Soweit die Kommune den rechtlich gebotenen Schutz von Vertraulichkeitsinteressen sicherstellt, kann sie in einer Informationsfreiheitssatzung Regelungen treffen, welche die in Art. 54 Abs. 3 Satz 2 GO und Art. 48 Abs. 2 Satz 2 LKrO genannten Niederschriften erfassen.
  • Unter Beachtung des rechtlich gebotenen Schutzes von Vertraulichkeitsinteressen kann sich die Kommune zudem dafür entscheiden, Niederschriften der in Art. 54 Abs. 3 Satz 2 GO und Art. 48 Abs. 2 Satz 2 LKrO genannten Art auf der Homepage, in einem elektronischen Bürgerinformationssystem oder einem - durch Informationsfreiheitssatzung eingerichteten - örtlichen Transparenzportal zu veröffentlichen. Welche Vorkehrungen im Hinblick auf den rechtlich gebotenen Schutz von Vertraulichkeitsinteressen zu treffen sind, ist für den Bereich des Datenschutzes an anderer Stelle dargelegt.

Aus Datenschutzsicht dürfen Kommunen allerdings nicht die in Art. 54 Abs. 3 Satz 2 GO und Art. 48 Abs. 2 Satz 2 LKrO zum Ausdruck kommende Entscheidung des Gesetzgebers relativieren, die Niederschriften nichtöffentlicher Sitzungen unter Verschluss zu halten. An dieser Vorgabe wären auf eine "Aufweichung" zielende örtliche Regelungen - insbesondere in Informationsfreiheitssatzungen - sowie eine entsprechende Verwaltungspraxis zu messen.

Gemeinderatsmitglieder, die Wünsche aus der Bürgerschaft nach mehr Transparenz bei den Niederschriften öffentlicher Sitzungen der kollegialen Selbstverwaltungsorgane unterstützen möchten, können dazu insbesondere ihr Antragsrecht nutzen. Bürgerinnen und Bürgern stehen entsprechend die Instrumente des Bürgerantrags (Art. 18b GO, Art. 12b LKrO) sowie des Bürgerbegehrens (Art. 18a GO, Art. 12a LKrO) zur Verfügung.

4. Fazit

Art. 54 Abs. 3 Satz 2 GO und Art. 48 Abs. 2 Satz 2 LKrO gewähren Gemeindebürgern und Forensen sowie Kreisbürgern voraussetzungslose Zugangsansprüche zu Sitzungsniederschriften der kollegialen Selbstverwaltungsorgane. Die Ansprüche sind primär auf Einsicht gerichtet, können jedoch auch in anderer Form erfüllt werden. Das Verhältnis dieser Zugangsansprüche zu Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayDSG ist durch Art. 39 Abs. 2 BayDSG mit der Folge reguliert, dass sich der Zugang zu den Sitzungsniederschriften auch weiterhin nach dem kommunalrechtlichen Sonderregime richtet. Ob das noch zeitgemäß ist, hat der Gesetzgeber zu beurteilen. Solange dieses Sonderregime fortbesteht, können die Kommunen immerhin einige Spielräume nutzen, um die Transparenz ihrer Verwaltungstätigkeit auch in Bezug auf die Niederschriften der öffentlichen Sitzungen ihrer kollegialen Selbstverwaltungsorgane zu erhöhen.

  1. So etwa das vom Bayerischen Gemeindetag herausgegebene Muster einer Geschäftsordnung für den Gemeinderat (größere Gemeinden), BayGT 2020, S. 121 ff. in § 36 Abs. 1 Satz 1 und § 34 Abs. 1 Satz 1. – Siehe auch § 77 Abs. 1 Geschäftsordnung des Stadtrats der Landeshauptstadt München (Stadtrecht Nr. A 19). [Zurück]
  2. Vgl. Verwaltungsgericht Würzburg, Beschluss vom 19. April 2005, W 5 E 05.307, BeckRS 2008, 36286, Rn. 6. [Zurück]
  3. Glaser, in: Widtmann/Grasser/Glaser, Bayerische Gemeindeordnung, Stand 12/2015, Art. 54 GO Rn. 14. [Zurück]
  4. So auch Jung, in: Dietlein/Suerbaum, BeckOK Kommunalrecht Bayern, Stand 6/2020, Art. 54 GO Rn. 25, sowie – für das baden-württembergische Landesrecht – Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 4. Februar 2020, 10 S 1229/19, BeckRS 2020, 2371, Rn. 9. – Anderer Auffassung Verwaltungsgericht Würzburg, Beschluss vom 19. April 2005, W 5 E 05.307, BeckRS 2008, 36286, Rn. 7, und Prandl/Zimmermann/Büchner/Pahlke, Kommunalrecht in Bayern, Stand 9/2015, Art. 54 GO Erl. 8. [Zurück]
  5. Ähnlich Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 4. März 2008, 4 BV 07.1329, BeckRS 2009, 31911, Rn. 14 ff. [Zurück]
  6. Zur Erhebung von Kosten bei Auskünften nach Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayDSG Engelbrecht, Das allgemeine Recht auf Auskunft im Bayerischen Datenschutzgesetz, 2017, Teil 1 Rn. 152 f. [Zurück]
  7. Dazu näher Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 4. März 2008, 4 BV 07.1329, BeckRS 2009, 31911, Rn. 20. [Zurück]
  8. In diese Richtung auch die das Kommunalrecht ausdrücklich erwähnende Gesetzesbegründung, siehe LT-Drs. 17/7537, S. 50. [Zurück]
  9. Siehe auch Engelbrecht, Anm. 6, Teil 1 Rn. 167, sowie die Antwort des (damaligen) Bayerischen Staatsministeriums des Innern und für Integration auf eine Anfrage zum Plenum des Bayerischen Landtags in LT-Drs. 17/23287, S. 17. – Im Ergebnis wie hier für das Verhältnis von § 38 Abs. 2 Satz 4 GemO BW zu § 1 Abs. 2 LIFG BW auch Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 4. Februar 2020, 10 S 1229/19, BeckRS 2020, 2371, Rn. 20 ff. [Zurück]
  10. Dazu näher Engelbrecht, Die gemeindliche Informationsfreiheitssatzung und der Schutz personenbezogener Daten, KommP BY 2017, S. 397 ff. [Zurück]
  11. Vgl. Engelbrecht, KommP BY 2017, S. 397 (399 f.). [Zurück]
  12. Bayerischer Landesbeauftragter für den Datenschutz, FSt. BY 2018, Nr. 42. [Zurück]