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Pressemitteilung

des Bayerischen Landesbeauftragten für den Datenschutz


3.11.2004

Presseerklärung der 68. Datenschutzkonferenz vom 28.-29. Oktober 2004

Die 68. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder hat am 28./29. Oktober 2004 in Saarbrücken unter Vorsitz des Landesbeauftragten für Datenschutz des Saarlandes, Roland Lorenz, getagt. Sie hat sich u.a. mit folgenden Themen befasst:

Auswirkungen der Entscheidungen des BVerfG vom 03.03.2004 auf die Polizei und Nachrichtendienste - akustische Wohnraumüberwachung

Nach den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 03.03.2004 zur akustischen Wohnraumüberwachung und zur präventiven Telekommunikationsüberwachung müssen die Prinzipien der Entscheidungen auf die Rechtsgrundlagen der Polizei und Nachrichtendienste übertragen werden. Daraus ergibt sich ein umfassender gesetzlicher Änderungsbedarf.

Zur Novellierung der akustischen Wohnraumüberwachung hat die Bundesregierung den zweiten Entwurf einer Änderung der Bestimmungen der Strafprozessordnung vorgelegt. Nachdem der erste Entwurf insbesondere wegen der Einbeziehung der Berufsgeheimnisträger, wie beispielsweise Ärzte, Rechtsanwälte, Seelsorger, Journalisten, heftigen Protest hervorgerufen hat, werden diese Berufsgruppen vom Instrument der akustischen Wohnraumüberwachung im jetzigen Entwurf nur dann miterfasst, wenn sie als Teilnehmer des kriminellen Geschehens ebenfalls in Verdacht stehen.

Zu den darüber hinaus zu ändernden Regelungen stehen allerdings Gesetzgebungsvorhaben noch aus. Vor allem bei den heimlichen Maßnahmen muss der Kernbereich ausschließlich privater Lebensgestaltung gewahrt bleiben.

Die genauen Einzelheiten wurden von der Konferenz in einer Entschließung hervorgehoben.

Rechtliche Situation in den Ländern zum Thema "Präventive TK-Überwachung"

Es ist festzustellen, dass die präventive Telekommunikationsüberwachung bereits in einigen Bundesländern im Polizeirecht eingeführt wurde. Sie als reines Polizeiinstrument zur Gefahrenabwehr einzuführen, kann hinsichtlich der Anwendungsfälle problematisch sein, dennoch werden dahingehende Rechtsgrundlagen in allen Bundesländern in Erwägung gezogen.

Gegen die niedersächsische Regelung wurde eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht erhoben.

Die Konferenz empfiehlt den Landesgesetzgebern, vor der Schaffung neuer Bestimmungen in den Polizeigesetzen der Länder die voraussichtlich richtungweisende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts abzuwarten.

Zusammenarbeit von Polizei und Verfassungsschutz bei der Bekämpfung des islamistischen Terrorismus

Von politischer Seite wird die nicht ausreichende Zusammenarbeit des Verfassungsschutzes und der Polizei bemängelt, die insbesondere die effektive Bekämpfung des islamistischen Terrorismus behindere.

Die Datenschutzkonferenz wendet sich allerdings entschieden gegen die Einbeziehung des islamistischen Extremismus ohne terroristischen Hintergrund in eine gemeinsame Datei von Polizei und Verfassungsschutz. Die Polizei ist für die Beobachtung des islamistischen Extremismus ohne terroristischen Hintergrund nicht zuständig und darf nicht über eine gemeinsame Datei insoweit Datenerhebungsbefugnisse des Verfassungsschutzes erhalten. Derartige Datenerhebungsbefugnisse für die Polizei würden die Grenze zwischen Polizei und Verfassungsschutz verwischen.

Verwaltungsvereinfachungen – Chancen zur Datenvermeidung und Datensparsamkeit

Über die Chancen, die die gegenwärtigen Reformen und Deregulierungsbemühungen der öffentlichen Hand für die Datenschutzrechte der Bürgerinnen und Bürger bieten, wurde in der Konferenz mit dem Ergebnis der beigefügten Entschließung intensiv diskutiert.

Mit Verwaltungsvereinfachungen sollte auch ein verbesserter Datenschutz im Sinne von Datenvermeidung und Datensparsamkeit einhergehen.

Leider musste festgestellt werden, dass Deregulierung und Reformen in der Realität auch zum Abbau von Grundrechten beitragen können, wenn man sich beispielsweise – statt Daten beim Betroffenen mit seiner Kenntnis zu erheben – vorhandener Daten kurzerhand bemächtigt.

JobCard

Die Konferenz hat sich mit dem vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit in Auftrag gegebenen Projekt JobCard befasst, bei dem Einkommensdaten von Beschäftigten, die im Bereich der Arbeitsverwaltung oder anderer Sozialleistungsträger benötigt werden, zentral gespeichert und bei Bedarf mit einer Signaturkarte abgerufen werden.

Die Konferenz hat beschlossen, die Realisierbarkeit einer Ende zu Ende Verschlüsselung auf der Grundlage eines neutralen Gutachtens untersuchen zu lassen.

Gravierende Datenschutzmängel bei Hartz IV

Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder stellen fest, dass es bei der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zu erheblichen datenschutzrechtlichen Mängeln gekommen ist. Das betrifft vor allem die Gestaltung der Antragsformulare und die eingesetzten EDV-Verfahren.

Beim Ausfüllen der Fragebogen ist sicherzustellen, dass nur die im konkreten Einzelfall wirklich erforderlichen Daten erhoben werden.

Problematisch bei der Leistungsberechnungs-Software sind insbesondere die zu weitgehenden Zugriffsrechte der Mitarbeiter.

Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder fordern die BA auf, die notwendigen Schritte unverzüglich einzuleiten und nähere Auskunft über den Stand des Verfahrens zu erteilen.

Dies haben die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder in einer Entschließung festgehalten.

Benennung eines Ländervertreters für die Gemeinsame Kontrollinstanz von Europol

Der Landesbeauftragte von Sachsen-Anhalt, Herr Rainer Kalk, wird nach seinem Ausscheiden aus dem Amt des sachsen-anhaltinischen Landesbeauftragten auch seine zweite Aufgabe als Ländervertreter in der Gemeinsamen Kontrollinstanz von Europol beenden.

Die Konferenz hat für die vom Bundesrat vorzuschlagende Nachfolge eine Empfehlung ausgesprochen.

Herrn Rainer Kalk war für seine langjährige und verdienstvolle Arbeit, zuletzt in der Funktion als Vorsitzendem der Gemeinsamen Kontrollinstanz, besonders herzlich zu danken.

Entwicklung eines verbindlichen Prüfkatalogs zur Datenschutzvereinbarkeit von Gesetzen und Verordnungen

Zur Erleichterung der gesetzgeberischen Arbeit werden die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder einen Prüfkatalog entwickeln, mit dem die Vollständigkeit datenschutzrechtlicher Regelungen in Rechtsvorschriften erreicht werden soll.

Datenschutzgerechtes eGovernment

Die Datenschutzbeauftragten haben eine Handreichung "Die virtuelle Poststelle im datenschutzgerechten Einsatz" erstellt und sehen darin eine wichtige Grundlage für die Förderung von eGovernment-Anwendungen in der Verwaltung.

Virtuelles Datenschutzbüro

Das durch den Landesbeauftragten für Datenschutz in Schleswig-Holstein eingerichtete Virtuelle Datenschutzbüro (www.datenschutz.de (externer Link)), an dem neben den Datenschutzbeauftragten inländische und ausländische Datenschutzinstitutionen beteiligt sind, bietet eine informative Plattform für alle an Datenschutzfragen interessierte Personen.

Die Konferenz hat die bisherigen zahlreichen Anfragen sehr begrüßt und freut sich über das rege Interesse an dieser vor einigen Jahren eingerichteten Institution.

Steuer-Identifikationsnummer und umfassender Kontodatenzugriff

Die Konferenz macht auf eine Entwicklung aufmerksam, die zu einem verfassungsrechtlich unzulässigen Personenkennzeichen führen kann. Die im Steuerrecht künftig für jede Person, auch schon für Neugeborene, eingeführte "Identifikationsnummer" sollte eng an den Besteuerungszweck angelehnt bleiben. Die neu geschaffenen gesetzlichen Regelungen, die nur noch durch eine Rechtsverordnung konkretisiert werden sollen, sehen hingegen schon eine Erweiterung durch einfache Rechtsvorschriften vor. Da die Regelungen bislang in der Öffentlichkeit nicht diskutiert wurden, aber einen wesentlichen Schritt zum "gläsernen Steuervolk" in Wirtschafts- und Finanzangelegenheiten bilden, soll die verfassungskonforme Ausgestaltung anlässlich einer Rechtsverordnung in die Wege geleitet werden.

Eine weitere Bestimmung, die im April 2005 in Kraft treten soll, und von der Öffentlichkeit ebenfalls weitgehend unbemerkt verabschiedet wurde, lässt den Schluss zu, nicht überwachte Bürgerinnen und Bürger neigten zu Betrug und Steuerhinterziehung, eine Vorstellung, die dem verfassungsrechtlichen Menschenbild nicht entspricht. Der Gesetzgeber hat dennoch den Finanzbehörden über das Bundesamt für Finanzen den Zugriff auf Kontostammdaten der Bankkunden erlaubt. Auch hier ist die gesetzliche Zweckbindung der Daten kaum erkennbar und von ausuferndem Charakter.

Beteiligung der GEZ am Adresshandel (8. Rundfunkänderungsstaatsvertrag)

Die für die Rundfunkanstalten zuständigen Datenschutzbeauftragten haben stets die Praxis der GEZ kritisiert, jährlich mehrere Millionen Adressen hinten dem Rücken der Betroffenen beim kommerziellen Adresshandel zu beschaffen.

Diese Praxis soll nunmehr durch eine Änderung des Rundfunkgebührenstaatsvertrags legitimiert werden.

Hiergegen haben im Rahmen der Konferenz die zuständigen Datenschutzbeauftragten, wozu der Landesbeauftragte des Saarlandes nicht zählt, Stellung genommen.