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Pressemitteilung

des Bayerischen Landesbeauftragten für den Datenschutz


02.11.2006

Presseerklärung der 72. Datenschutzkonferenz vom 26.-27. Oktober 2006

Datenschutz ist Maßstab der Freiheitlichkeit des Gemeinwesens

Schwerpunkte der Tagung, welche unter dem Vorsitz Sachsen-Anhalts am 26. und 27. Oktober in Naumburg an der Saale stattfand, betrafen Themen aus den Bereichen Innere Sicherheit, Schulstatistik und Technikentwicklung. Der Datenhunger von Staat und Wirtschaft, verstärkt durch die rasante technische Entwicklung, wächst ständig. Die Wächteraufgabe der unabhängigen Datenschützer ist deshalb um so wichtiger. Notwendige Unterstützung erfährt der Datenschutz als Teil der rechtsstaatlichen Ordnung häufig durch die Gerichte, insbesondere durch das Bundesverfassungsgericht.

Die Konferenz erörterte intensiv die aktuellen Gesetzentwürfe der Sicherheitspolitiker, durch welche erneut verschärfte Eingriffsmöglichkeiten in die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger geschaffen werden sollen. Diesen wird ein erheblicher Sicherheitszuwachs u.a. dadurch versprochen, dass Sicherheitsbehörden erlaubt wird, persönliche Daten bereits weit im Vorfeld eines weder tatsächlich noch zeitlich bestimmbaren Gefahrenereignisses zu verarbeiten und zu nutzen. Die Bestrebungen, so auch auf Daten unbescholtener Personen zuzugreifen, haben weiteren Fortgang gefunden.

Zu den neuen verfassungsrechtlichen Problemfällen zählt das z.Zt. im Bundestag beratene Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz, welches u.a. den Geheimdiensten weitergehende Befugnisse einräumt. Eine Evaluation der bisherigen tiefgreifenden Instrumente unter unabhängiger wissenschaftlicher Verantwortung war zuvor nicht durchgeführt worden. Die Datenschutzbeauftragten konstatieren in einer hierzu gefassten Entschließung einen deutlichen Trend zum Präventionsstaat mit gravierenden Freiheitseinschränkungen. Daher müssen die tatsächlichen Möglichkeiten parlamentarischer Kontrollorgane dem Zuwachs an Macht bei den Sicherheitsbehörden korrespondieren.

Auch zu dem in gleichem Sachzusammenhang stehenden Entwurf eines Antiterrordatei-Gesetzes sah sich die Konferenz zu einer Entschließung veranlasst. Nach dem Gesetzentwurf sollen Nachrichtendienste und Sicherheitsbehörden in einer Art und Weise Zugriff auf Informationen der jeweils anderen Dienste erhalten, welche das verfassungsrechtliche Trennungsgebot zu beeinträchtigen geeignet ist.

Unter der Überschrift, dass verfassungsrechtlich nicht alles erlaubt ist, was technisch und praktisch umsetzbar erscheint, erörterte die Konferenz erneut die Themen Vorratsdatenspeicherung der Telefon- und Internetkommunikation sowie die Nutzung von Maut-Daten zur Strafverfolgung. Anlässlich der auch zur Sprache gekommenen europäischen Bezüge (z.B. Vorratsdatenspeicherung, Fluggastdaten) machten die Teilnehmenden unter anderem deutlich, dass es nicht akzeptabel ist, wenn Vorhaben, welche in Deutschland nicht durchsetzbar scheinen, von interessierten Stellen über die EU als europäischer Rechtsetzungsauftrag wieder eingebracht werden.

Die Konferenz hat Äußerungen der belgischen wie auch der schweizerischen Datenschutzinstanz zustimmend zur Kenntnis genommen, die nach Prüfung festgestellt haben, dass Datenübermittlungen von der SWIFT -Organisation an Empfängerbehörden in den USA in vielen Fällen unzulässig waren und sind. Die Datenschutzberatergruppe der EU-Kommission (Art. 29-Gruppe), deren Vorsitz der Bundesbeauftragte Schaar innehat, wird nach Prüfung des rechtstatsächlich schwierigen Beziehungsgeflechts zwischen SWIFT und den beteiligten Banken eine Stellungnahme abgeben. Auch diese unterliegen der datenschutzrechtlichen Verantwortlichkeit.

Besondere Aktualität erfährt derzeit die beabsichtigte Umstellung der Schulstatistik auf Individualdaten mit bundeseinheitlichem Kerndatensatz, insbesondere zu Zwecken der Bildungsplanung. Der föderalistischen Kompetenzverteilung entsprechend beraten die Landesbeauftragten für den Datenschutz die jeweilige oberste Kultusbehörde. Der Landesbeauftragte für den Datenschutz in Sachsen-Anhalt ist als Vorsitzender der Konferenz zum 05. Dezember 2006 von der Ständigen Konferenz der Kultusminister eingeladen, deren Kommission für Statistik zu den datenschutzrechtlichen Rahmenbedingungen des Vorhabens zu beraten. Zur Verdeutlichung der aktuellen datenschutzrechtlichen Bedenken hat die Konferenz eine Entschließung gefasst. Die Sinnhaftigkeit und Verhältnismäßigkeit des Vorhabens steht in Frage.

Die Konferenz hat zudem über aktuelle Rechtsetzungsvorhaben (EU, Bund, Länder), eGovernment-Vorhaben, die Informationsfreiheitsgesetzgebung sowie die Übermittlung von Fluggastdaten in die USA beraten.

Die Konferenz erörterte im Zuge der ständigen Begleitung des Projektes "Elektronische Gesundheitskarte" den aktuellen Sachstand zu den Testverfahren im Zusammenhang mit der Karteneinführung. Trotz vielfältiger Detailprobleme, insbesondere im technischen Bereich, hat sie zustimmend zur Kenntnis genommen, dass Maßnahmen zur Wahrung differenzierter Steuerungsrechte der Patienten zu ihren medizinischen Daten frühzeitig in die Verfahren einbezogen werden.

Auch das Arbeitslosengeld II war wegen weiterer Gesetzesänderungen erneut Thema. Schwierigkeiten bereitet nach wie vor die Umsetzung der Datenschutzkontrolle. Obwohl die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder durch Konferenzentschließungen und Beratungen intensiv auf die Probleme unscharfer Kontrollzuständigkeiten hingewiesen haben, hat die zum 01. August 2006 wirksam gewordene Änderung des SGB II noch nicht zur ausreichenden Klarheit geführt. Die Datenschutzbeauftragten stellen dennoch in Abstimmung mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales und der Bundesagentur für Arbeit eine effiziente datenschutzrechtliche Kontrolle der Leistungsträger und insbesondere der Arbeitsgemeinschaften sicher.

Gleichfalls bedarf die künftige Entwicklung der gesetzlichen Regelungen zum Arbeitslosengeld II der Begleitung der Datenschutzbeauftragten. Datenerhebungen müssen erforderlich, nicht aber durch publikumswirksame Schlagworte wie z.B. "Missbrauch" oder den Generalverdacht gegen Antragsteller motiviert sein.

Die Datenschutzbeauftragten haben sich über aktuelle Entwicklungen in der Informations- und Kommunikationstechnik unterrichten lassen. Der Trend, Alltagsgegenstände mit digitalen Etiketten (sog. RFID-Tags) auszustatten, weist auffällig nach oben. Da diese Etiketten tatsächlich kleine Rechner sind, entstehen durch die damit möglichen Funktionalitäten nicht kontrollierbare Risiken für Verbraucherinnen und Verbraucher. Die denkbaren Gefährdungen nehmen auch im staatlichen Bereich zu, wie die Einführung von mit RFID ausgerüsteten Ausweisen belegt. Im Rahmen der technischen Datenschutzthemen haben die Datenschutzbeauftragten daher hierzu eine Entschließung gefasst.

Der vom Europarat ausgerufene Europäische Datenschutztag wird künftig in der Woche um den 28. Januar terminiert werden, erstmals am Montag, dem 29. Januar 2007. Das Datum erinnert an die Eröffnung der Unterzeichnung des Übereinkommens zum Schutz des Menschen bei der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten vom 28. Januar 1981, das insbesondere das Recht auf einen Persönlichkeitsbereich bei der automatisierten Verarbeitung schützen will. Hierzu hat sich die Konferenz auf Arten und Formen der Unterstützung und Beteiligung verständigt.