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Pressemitteilung

des Bayerischen Landesbeauftragten für den Datenschutz


06.05.2008

Entwürfe bayerischer Sicherheitsgesetze halten datenschutzrechtlicher Prüfung nicht stand

Die Bayerische Staatsregierung hat Entwürfe zu Änderungen des Polizeiaufgabengesetzes, des Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes sowie den Entwurf eines Bayerischen Versammlungsgesetzes vorgelegt. Diese Entwürfe halten - auch im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts - in wesentlichen Punkten einer datenschutzrechtlichen Prüfung nicht stand:

1. Polizeiaufgabengesetz

Begrüßenswert ist das Anliegen, die Befugnis zur präventiven Rasterfahndung an die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts anzupassen. Leider enthält der Entwurf keine klare Regelung des Zeitpunkts, zu dem die regelmäßig massenhaft erhobenen personenbezogenen Daten gelöscht werden müssen. Wenn schon zur Abwehr bestimmter konkreter Gefahren die Daten einer Vielzahl Unverdächtiger erhoben werden, so muss jedenfalls die Dauer der zulässigen polizeilichen Speicherung und Nutzung normenklar geregelt sein.

Außerdem ist es notwendig, das Polizeiaufgabengesetz in einem weiteren Punkt verfassungskonform zu gestalten. Das Bundesverfassungsgericht hält eine Benachrichtigung des Betroffenen heimlicher Eingriffe der Polizei grundsätzlich für geboten. Eine entsprechende Benachrichtigungspflicht nach Abschluss der Eingriffsmaßnahme "polizeiliche Beobachtung" sieht der Entwurf - trotz meines wiederholten Hinweises - jedoch nicht vor.

Des Weiteren ist die Befugnis zur automatisierten Kennzeichenerkennung an die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts vom 11.03.2008 anzupassen. Insbesondere halte ich die Durchführung anlassloser automatisierter Kennzeichenerhebungen und -abgleiche und die Verwendung dieser Daten für die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten und die Abwehr allgemeiner Gefahren für unzulässig.

2. Bayerisches Verfassungsschutzgesetz

Der Entwurf sieht erstmals für das Landesamt für Verfassungsschutz die Befugnis zur "Online-Durchsuchung" vor. Das Bundesverfassungsgericht hat eine solche Maßnahme erst bei Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte für eine "konkrete Gefahr" für überragend wichtige Rechtsgüter für zulässig erachtet. Die Abwehr konkreter Gefahren ist aber grundsätzlich Aufgabe der Polizei und der "klassischen" Sicherheitsbehörden, zu denen das Landesamt für Verfassungsschutz nicht zählt. Das Landesamt für Verfassungsschutz hat als "Frühwarnsystem" der Staatsregierung dagegen die Aufgabe, im Vorfeld konkreter Gefahren Entwicklungen und Bestrebungen zu beobachten. Eine Befugnis des Landesamts für Verfassungsschutz zur Abwehr konkreter Gefahren ist deshalb systemwidrig. Hinzu kommt, dass auch die bayerische Polizei zu "Online-Durchsuchungen" ermächtigt werden soll. Es ist zu befürchten, dass eine solche parallele Zuständigkeit von Verfassungsschutz und Polizei ohne ausreichende Abgrenzung zu überlappenden und damit zusätzlichen Rechtseingriffen führt.

Für besonders problematisch halte ich die - als "Begleitmaßnahme" bezeichnete - Befugnis, zur Vorbereitung der "Online-Durchsuchung" die Wohnung Betroffener heimlich zu betreten und zu durchsuchen. Für eine heimliche Wohnungsdurchsuchung sehe ich in Art. 13 GG keine ausreichende Grundlage.

3. Bayerisches Versammlungsgesetz

Der Entwurf eines Bayerischen Versammlungsgesetzes regelt erstmals sog. Übersichtsaufzeichnungen und ihre zeitlich unbefristete Speicherung und Nutzung. Bei solchen Aufzeichnungen besteht die Gefahr, dass auch Bilder personenbezogen erhoben oder durch technische Mittel nachträglich individualisiert werden können. Das Bundesverfassungsgericht befürchtet, dass potentielle Versammlungsteilnehmer auf eine Teilnahme gerade deshalb verzichten, weil sie nicht abschätzen können, ob personenbezogene Informationen dauerhaft gespeichert werden und ihnen daraus Risiken entstehen können.

Im Hinblick darauf sollten sog. Übersichtsaufzeichnungen im Gesetz ausdrücklich als "nicht personenbezogene Aufnahmen" definiert und möglichst kurze Löschungsfristen festgelegt werden. Besser wäre allerdings, auf solche Aufzeichnungen völlig zu verzichten.

München, 06.05.2008

i.V.
Dr. Karlheinz Worzfeld

Der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz

Tel.: 089 212672-0
Fax: 089 212672-50

E-Mail: dsb at datenschutz-bayern.de

Abdruck honorarfrei unter Quellenangabe, Belegexemplar erbeten