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Der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz; Stand: 14.12.2000
11. Steuerverwaltung
11.1. Anwendbarkeit des Landesdatenschutzgesetzes im Besteuerungsverfahren
Bereits seit längerer Zeit ist zwischen dem Staatsministerium der Finanzen und mir die Anwendbarkeit des Landesdatenschutzgesetzes im Besteuerungsverfahren strittig. Das Staatsministerium vertritt die Auffassung, dass das Datenschutzrecht durch die Abgabenordnung abschließend geregelt sei. Es weist darauf hin, dass sich auch die AO-Referatsleiter des Bundes und der Länder mehrfach mit dieser Rechtsfrage befasst hätten. Sie seien dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass für die Anwendung des Bundesdatenschutzgesetzes bzw. der Landesdatenschutzgesetze im Besteuerungsverfahren kein Raum bleibe.
Ich halte diese Rechtsauffassung für nicht zutreffend.
Das Bayerische Datenschutzgesetz tritt nach Art. 2 Abs. 7 nur dann zurück, "soweit besondere Rechtsvorschriften über den Datenschutz auf personenbezogene Daten anzuwenden sind". Hierzu führt der Kommentar zum Bayer. Datenschutzgesetz Wilde/Ehmann/Niese/Knoblauch (Art. 2, Rn. 79) folgendes aus:
"Das BayDSG wird allerdings immer nur im Rahmen des tatsächlichen Umfangs der Spezialnormen verdrängt. Soweit die Spezialnormen keine Regelung treffen, gilt das BayDSG. Ist bereichsspezifisch also z.B. nur die Zulässigkeit von Datenübermittlungen geregelt, so werden zwar die Art. 18 bis 21 BayDSG verdrängt, im Übrigen bleibt das BayDSG jedoch anwendbar. Es ist also keinesfalls so, dass ein Spezialgesetz, das datenschutzrechtliche Vorschriften enthält, das BayDSG schon allein deshalb insgesamt verdrängt. Verdrängen können nur die datenschutzrechtlich relevanten spezialgesetzlichen Paragraphen oder Artikel (ggf. nur deren einzelne Absätze oder Sätze) die ihnen jeweils entsprechenden (d.h. die gleiche konkrete Regelungsmaterie betreffenden) Bestimmungen des BayDSG."
Beispielhaft kann die Anwendbarkeit des Bayer. Datenschutzgesetzes im Besteuerungsverfahren anhand der mir gem. Art. 30 BayDSG - insbesondere Art. 30 Abs. 2 Satz 1 BayDSG - zustehenden und von mir auch in Anspruch genommenen Kontrollkompetenz bei Landesfinanzbehörden dargelegt werden.
Würde die vom Staatsministerium geäußerte Rechtsauffassung zutreffen, wäre diese Kontrollkompetenz nicht gegeben, da in der Abgabenordnung entsprechende Regelungen fehlen. Ich gehe aber davon aus, dass das Staatsministerium meine Kontrollrechte im Besteuerungsverfahren nicht ernstlich in Zweifel ziehen möchte. Derartige Einwendungen wurden in der Vergangenheit im Vorfeld der zahlreichen rechtlichen und technisch-organisatorischen Prüfungen von im Geschäftsbereich dem Staatsministerium nachgeordneten Behörden auch nicht gemacht. Ich sehe meine Rechtsauffassung, im übrigen auch durch ein rechtskräftiges Urteil des Finanzgerichts Köln vom 18.12.11999, 2K 382/96, voll und ganz bestätigt. Das Finanzgericht führt im Hinblick auf ein Auskunftsverlangen gegenüber dem Bundesamt für Finanzen aus:
"Die Anwendbarkeit des BDSG ist ... nicht durch § 1 Abs. 4 BDSG ausgeschlossen. Danach ist das BDSG nicht anwendbar, soweit in anderen Gesetzen spezielle Regelungen enthalten sind. Diese Subsidiaritätsklausel greift nur bei Tatbestandskonkurrenz... Für einen Auskunftsanspruch gegen den Beklagten gibt es keine spezielle Regelung in anderen Gesetzen. Insbesondere § 30 AO enthält eine solche nicht ... .Über einen Anspruch des Steuerpflichtigen gegenüber einer Finanzbehörde auf Mitteilung der über ihn gespeicherten Daten sagt die Vorschrift überhaupt nichts aus. Es ist offensichtlich keine Frage des Steuergeheimnisses, wenn ein Steuerpflichtiger über seine Daten von einer Finanzbehörde Auskunft verlangt."
Dazu kommt, dass die auch heute noch wesentliche Fassung der Abgabenordnung vom 16.03.1976 stammt und damit zeitlich vor dem Erlass des Bundesdatenschutzgesetzes, der Landesdatenschutzgesetze und dem Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichtes mit seinen klaren Aussagen zum informationellen Selbstbestimmungsrecht liegt. Zudem stellt das Datenschutzrecht in Bezug auf den Datenschutz jedenfalls in weiten Teilbereichen das speziellere Gesetz dar.
Ich muss mit aller Entschiedenheit einer Rechtsauffassung entgegentreten, die im Besteuerungsverfahren alle durch die Datenschutzgesetze geschaffenen Schutzrechte des Bürgers (Auskunftsanspruch, Berichtigungsanspruch, Löschungsanspruch, Anspruch auf Sperrung, Anspruch auf Schadensersatz) verneint, ohne gleichzeitig auf eine speziellere gesetzliche Regelung zum gleichen Sachverhalt verweisen zu können. Einer Unterstellung, dass dieser Verlust von Bürgerrechten gewollt und vom Gesetzgeber beim Erlass der Abgabenordnung bedacht worden sei, ist schon im Hinblick auf den Zeitpunkt des Erlasses der Abgabenordnung unzutreffend.
Soweit die Finanzverwaltung eine Notwendigkeit für vom allgemeinen Datenschutzrecht abweichende Regelungen sieht, verweise ich auf die seit Jahren vergeblichen Aufforderungen der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder, eine Novelle der Abgabenordnung in die Wege zu leiten.
11.2. Elektronische Steuererklärung ELSTER
Bereits in meinem 18. Tätigkeitsbericht habe ich aus technisch-organisatorischer Sicht zum Projekt ELSTER Stellung genommen (Nr. 19.3.12). Mit ELSTER verfolgt die Finanzverwaltung das Ziel, die elektronische Abgabe von Steuererklärungen zu ermöglichen. In diesem Zusammenhang stehen auch Überlegungen zur Schaffung einer elektronischen Lohnsteuerkarte, auf die ich in einem gesonderten Beitrag nachfolgend eingehe (Nr. 11.3).
Ich bin mir mit dem Bundesbeauftragten und den anderen Landesbeauftragten für den Datenschutz einig, dass gegen die Durchführung des Verfahrens ELSTER in seiner augenblicklichen Form keine grundsätzlichen Bedenken bestehen.
Die Abgabeordnung sieht in § 150 Abs. 6 AO auch die Möglichkeit vor, dass Steuererklärungen oder sonstige für das Besteuerungsverfahren erforderliche Daten ganz oder teilweise auf maschinell verwertbaren Datenträgern oder durch Datenfernübertragung übermittelt werden können. Ein derartiges Verfahren ist aber an den Erlass einer entsprechenden Rechtsverordnung gebunden.
Die bisher aufgrund der Ermächtigung des § 150 Abs. 6 AO erlassenen Verordnungen sind in der augenblicklichen Fassung nicht auf die Abgabe von Steuererklärungen mittels des Verfahrens ELSTER anwendbar. Die 1999 im BStBl. I S. 1051 veröffentlichten "Grundsätze für die elektronische Übermittlung von Steuererklärungsdaten" stellen lediglich Verwaltungsvorschriften dar und genügen damit nicht den Bestimmungen des § 150 Abs. 6 AO.
Verschiedene Steuergesetze sehen für eine rechtsverbindliche Abgabe einer Steuererklärung die eigenhändige Unterschrift vor. Für die Abgabe von Einkommensteuererklärungen bspw. besteht eine derartige Verpflichtung aufgrund § 25 Abs. 3 Satz 4 u. 5 EStG. Zwar ist im Rahmen des Signaturgesetzes (SigG) vom 22.07.1997 eine Möglichkeit geschaffen worden, die Unterschrift durch eine digitale Signatur zu ersetzen, eine entsprechende technische Infrastruktur zur Umsetzung fehlt aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt.
Zu den elektronisch übermittelten Erklärungsdaten muss deshalb augenblicklich parallel eine komprimierte papierene Einkommensteuererklärung abgegeben werden. Nur diese ist für den Steuerpflichtigen rechtlich bindend.
Die Finanzverwaltung sieht aufgrund dieser Sachlage deshalb augenblicklich keine Notwendigkeit zum Erlass der erwähnten Verordnung. In § 150 Abs. 6 AO wird aber nicht nur die rechtsverbindliche elektronische Abgabe einer Steuererklärung an den Erlass einer entsprechenden Verordnung gebunden, sondern auch die ganz oder teilweise elektronische Übermittlung von sonstigen für das Besteuerungsverfahren erforderlichen Daten. Derartige Daten werden bei der Nutzung von ELSTER zweifelsfrei übermittelt, so dass der Erlass einer Rechtsverordnung zwingend notwendig ist.
Die Verordnung muss insbesondere Inhalt, Verarbeitung und Sicherung der zu übermittelnden Daten bestimmen. Darüber hinaus muss es dem Steuerpflichtigen überlassen bleiben, ob er seine Steuererklärung in der herkömmlichen Papierform oder elektronisch abgeben will.
Ich habe das Staatsministerium der Finanzen von meiner Rechtsauffassung in Kenntnis gesetzt und gebeten, sich für den alsbaldigen Erlass der angesprochenen Verordnung einzusetzen.
11.3. Elektronische Lohnsteuerkarte
In meinen Ausführungen zum Projekt ELSTER habe ich darauf hingewiesen, dass Ziel des Verfahrens u.a. ist, (Einkommen-)Steuererklärungen vollelektronisch bei der Finanzverwaltung einzureichen. Haupthinderungsgründe für derartige vollelektronische Steuererklärungen sind zum einen die in verschiedenen Steuergesetzen vorgeschriebene eigenhändige Unterschrift - die Nutzbarkeit von digitalen Signaturen ist noch nicht gegeben - zum anderen die vielfach den Steuererklärungen beizufügenden Belege und Bescheinigungen. Hier sind in erster Linie die für eine weit überwiegende Mehrzahl von Steuerpflichtigen relevanten Lohnsteuerkarten zu nennen.
Die Finanzverwaltung arbeitet deshalb mit Hochdruck an einem Verfahren für eine elektronische Lohnsteuerkarte. Nach Ansicht der Finanzverwaltung soll die elektronische Lohnsteuerkarte in einer ersten Phase nur ein Angebot an den Arbeitgeber darstellen. Zu einem späteren Zeitpunkt wird jedoch eine Verpflichtung zur elektronischen Übermittlung angestrebt.
Augenblicklich hat der Arbeitgeber aufgrund § 41 b Abs. 1 S. 4 EStG dem Arbeitnehmer die Lohnsteuerbescheinigung auszuhändigen, wenn das Dienstverhältnis vor Ablauf des Kalenderjahres beendet wird oder der Arbeitnehmer zur Einkommensteuer veranlagt wird. In den übrigen Fällen hat der Arbeitgeber die Lohnsteuerbescheinigung dem Betriebsstättenfinanzamt einzureichen.
Grundsätzlich sollte auch künftig an diesem Informationsfluss festgehalten werden. Soweit Steuerpflichtige künftig an einer vollelektronischen Abgabe ihrer Einkommensteuererklärung interessiert sind, sollten sie sich die Eintragungen in der Lohnsteuerbescheinigung von ihrem Arbeitgeber elektronisch zur Verfügung stellen lassen bzw., um etwaigen Bedenken der Finanzverwaltung zur nachträglichen Änderung der bescheinigten elektronischen Daten zu begegnen, in eine elektronische Übermittlung der Lohnsteuerbescheinigung an das für sie zuständige Finanzamt einwilligen.
Die Finanzverwaltung sieht zum jetzigen Verfahrensstand nur eine direkte Datenübermittlung vom Arbeitgeber an das für den Arbeitnehmer zuständige Finanzamt vor. Eine Wahlmöglichkeit für den Steuerpflichtigen soll nicht bestehen.
Mit der vorgesehenen direkten Übermittlung der Lohnsteuerdaten vom Arbeitgeber an die Finanzverwaltung ohne Einwirkungsmöglichkeit durch den Arbeitnehmer wird vom Grundsatz des Vorrangs der Datenerhebung beim Betroffenen (vgl. § 93 Abs. 1 Satz 2 AO) abgewichen. Dieser Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht ist nur im überwiegenden Allgemeininteresse und nur aufgrund eines normenklaren Gesetzes zulässig. Bei seinen Regelungen hat der Gesetzgeber ferner den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten (vgl. Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15.12.1983 zum Volkszählungsgesetz, BVerfGE 65,1/44). Entsprechende Darlegungen der Finanzverwaltung zu den genannten Voraussetzungen fehlen. Nach den bisher vorgetragenen Argumenten ist das von der Finanzverwaltung dargelegte Konzept für eine elektronische Lohnsteuerkarte einseitig auf die eigenen Belange und jene der Arbeitgeber abgestellt.
Für Zwecke der Zuordnung der eingegangenen elektronischen Lohnsteuerdaten hat die Finanzverwaltung die Verwendung verschiedener Ordnungsbegriffe erwogen. So war daran gedacht, die Sozialversicherungsnummer für die Zuordnung zu verwenden. Ich war mir mit dem Bundesbeauftragten und den übrigen Landesbeauftragten für den Datenschutz einig, dass eine etwaige Änderung des § 18 f SGB IV als verfassungsrechtlich bedenklich anzusehen wäre. Die Erschließung der bei den Sozialversicherungsträgern und bei der Finanzverwaltung vorgehaltenen Datenbestände mittels eines einheitlichen Ordnungsmerkmales würde letztendlich der Einführung eines, aufgrund der bereits erwähnten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht zulässigen, allgemeinen Personenkennzeichens sehr nahe kommen. Die Finanzverwaltung hat unter diesem Eindruck von der Verwendung der Sozialversicherungsnummer für ihre Zwecke Abstand genommen. Nach neueren Überlegungen ist nun an die Verwendung einer elektronisch vorgegebenen Taxpayer Identification Number (eTIN) gedacht. Dabei handelt es sich um eine personenbezogene lebenslange Nummer, die von einer Software unter zahlenmäßiger Verschlüsselung verschiedener Grundangaben (Name, Vorname, Geburtstag, Geburtsort) ermittelt wird.
Ich habe darauf hingewiesen, dass die Einführung und insbesondere die weitere Verwendung der sog. eTIN auf eine gesetzliche Grundlage, vergleichbar den zur Sozialversicherungsnummer erlassenen Bestimmungen in §§ 18 f, 18 g SGB IV, gestellt werden müsste.
Zu bedenken ist auch, dass die von mir eingangs erwähnte Einwilligungslösung auch die Angabe der jeweiligen persönlichen Steuernummer umfassen könnte, was die Schaffung eines neuen Ident-Merkmals unnötig machen würde.
Neben normenklaren Regelungen (Hinweis auf § 150 Abs. 6 AO und § 41 b Abs. 1 EStG) muss auch sichergestellt werden, dass Arbeitnehmern bei Einführung der elektronischen Lohnsteuerkarte die gesetzlich zu bescheinigenden Merkmale zusätzlich in Papierform zur Verfügung gestellt werden, um etwaige Fehlbescheinigungen des Arbeitgebers bzw. fehlerhafte Eingaben im Steuerbescheid erkennen zu können.
Für den Arbeitnehmer ist positiv zu werten, dass bei einem Arbeitsplatzwechsel eine Kenntnisnahme der bisher bescheinigten Lohnsteuerdaten durch den neuen Arbeitgeber derzeit nicht vorgesehen ist.
Ich habe gegenüber dem Staatsministerium der Finanzen deutlich gemacht, dass ich hinsichtlich weiterer Überlegungen zur Einführung einer elektronischen Lohnsteuerkarte einen kritischen Dialog für erforderlich halte.
11.4. Aufbewahrungs- und Speicherfristen in der Finanzverwaltung
Für die bei den Finanzämtern erwachsenen Unterlagen, unabhängig von Aufbewahrungsmedium (Papier, Mikrofiche, elektronische Speicherung), hat die Finanzverwaltung bundeseinheitliche "Bestimmungen zur Aufbewahrung und Aussonderung von Schriftgut bei den Finanzämtern" erlassen. Dabei handelt es sich um Verwaltungsvorschriften.
Die Bestimmungen sehen für die bei den Steuerfahndungs- sowie Bußgeld- und Strafsachenstellen erwachsenen Unterlagen generell eine 10-jährige Aufbewahrungsfrist vor (Nr. 4.3 bzw. 4.5 der Bestimmungen). Diese Aufbewahrungsfrist war bereits mehrfach Gegenstand eines Schriftwechsels mit dem Staatsministerium der Finanzen. Dabei wurde von mir neben der Dauer auch die undifferenzierte Anwendung nur einer Frist auf eine Vielzahl von unterschiedlichen Sachverhalten problematisiert. Insbesondere gilt dies für Verfahrenseinstellungen.
Aus datenschutzrechtlicher Sicht besteht folgender Handlungsbedarf:
Die Finanzverwaltung stützt die Datenspeicherung in den in Rede stehenden Sachverhalten insbesondere auf § 88 AO (Untersuchungsgrundsatz), § 208 AO (Aufgaben der Steuerfahndung) und § 386 AO (Zuständigkeit der Finanzbehörde bei Steuerstrafsachen). Die genannten Bestimmungen enthalten Erhebungsbefugnisse, aber keine gesetzliche Regelung für eine Datenspeicherung insbesondere auch keine über deren Dauer. Die eingangs erwähnten Verwaltungsvorschriften können diese Lücke nicht füllen, da ihnen kein Normcharakter zukommt. Einer Rechtsgrundlage bedarf es aber immer, wenn mit der fraglichen Datenverarbeitung ein Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht verbunden ist. Die Rechtsprechung hat dem folgend erst kürzlich festgestellt, dass auch die Aufbewahrungsdauer von (hier) Strafverfahrensakten einer Regelung durch ein formelles, den Grundsätzen des Volkszählungsurteiles entsprechenden Gesetzes bedarf. Das erkennende Oberlandesgericht bezieht seine Entscheidung ausdrücklich auch auf die Aufbewahrung von strafrechtlichen Ermittlungsakten mit Verfahrenseinstellungen nach § 170 StPO (OLG Frankfurt, Beschluss vom 16.08.1998, NJW 1999, S. 73).
Die oben erwähnten Bestimmungen der Abgabenordnung datieren zeitlich vor Erlass des Bundes- und der Landesdatenschutzgesetze sowie vor dem Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts. Der Gesetzgeber ist gehalten, etwa entstandene Regelungslücken zu schließen. Die Fortführung der bisherigen Praxis ohne Einschränkungen kann nur während einer Übergangszeit hingenommen werden.
Bis zum Erlass einer gesetzlichen Regelung ist zwischen dem Interesse an der weiteren Speicherung (soweit diese zur Aufgabenerfüllung der Finanzbehörde noch erforderlich ist) und dem Interesse des Betroffenen an der Beseitigung der Beeinträchtigung, die mit der Speicherung und Nutzung seiner Daten verbunden ist, abzuwägen.
Dies gilt in besonderem Maße für Unterlagen über Steuerpflichtige, bei denen die Steuerfahndungs- bzw. Bußgeld- und Strafsachenstelle die Ermittlungen ergebnislos eingestellt hat. Eine generelle Aufbewahrungsfrist von 10 Jahren, welche nicht auf den Einzelfall abstellt, ist zur Aufgabenerfüllung weder erforderlich noch angemessen. Die für den Justizbereich anzuwendenden Aufbewahrungsbestimmungen stehen für derartige Fälle i.d.R. nur eine 5-jährige Aufbewahrungszeit vor. Für die im länderübergreifenden staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister gespeicherten Datensätze beträgt die Aufbewahrungsdauer sogar nur 2 Jahre (§ 476 Abs. 2 Satz 2 StPO). Es liegt nahe, vergleichbare Fristenregelungen auch im Bereich der Finanzbehörden zu schaffen.
Ich habe mich in diesem Sinne an das Staatsministerium der Finanzen gewandt. Das Staatsministerium vertritt, unter Hinweis auf Erörterungen der AO-Referatsleiter des Bundes und der Länder, die Auffassung, dass sich die Anforderung an die Speicherung und Nutzung von Daten der Finanzämter ausschließlich nach der Abgabenordnung richteten. Die Regelungen des Landesdatenschutzgesetzes seien insoweit nicht anwendbar . Die Unhaltbarkeit dieser Auffassung habe ich oben dargelegt.
Weiterhin wurde mir mitgeteilt, dass sich die Referatsleiter dafür ausgesprochen hätten, dass das Bundesministerium der Finanzen mit dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz Gespräche zur Präzisierung der Vorschriften der Abgabenordnung in datenschutzrechtlicher Sicht aufnimmt.
Wenigstens das ist zu begrüßen.
11.5. Führung von Fahrtenbüchern durch Ärzte
Die Frage, ob die Finanzverwaltung für Zwecke der ertragssteuerlichen Behandlung der Nutzung betrieblicher Kraftfahrzeuge für Privatfahrten Ärzte verpflichten kann, in einem Fahrtenbuch Name und Anschrift der aufgesuchten Patienten aufzuführen, wurde zwischen den obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder und den Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder kontrovers diskutiert.
Ich habe zu der Problematik in meinem 18. Tätigkeitsbericht unter Nr. 11.3 ausführlich Stellung genommen. Ich habe dabei die Auffassung vertreten, dass es Ärzten, als einer der in § 102 Abs. 1 Nr. 3 c AO genannten Berufsgruppe, aufgrund der ihnen obliegenden Verschwiegenheitspflicht verwehrt ist, ein Fahrtenbuch nach den Vorstellungen der Finanzverwaltung zu führen. Das dieser Berufsgruppe aufgrund der genannten Bestimmung der Abgabenordnung eingeräumte Auskunftsverweigerungsrecht umfasst auch Name und Anschrift der behandelten Patienten.
In einem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 23.07.1999 an den Bundesbeauftragten für den Datenschutz, dem Verhandlungen mit dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz vorangegangen waren, wurde folgende Regelung getroffen:
Zu Reisezweck, Reiseziel und Reiseroute reicht neben der Angabe des Datums, des Kilometerstands und des Zielorts grundsätzlich die Angabe "Patientenbesuch" aus, wenn Name und Adresse der Patienten vom Arzt in einem vom Fahrtenbuch getrennt zu führenden Verzeichnis festgehalten werden.
Die Vorlage dieses Verzeichnisses darf nur verlangt werden, wenn tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Eintragungen im Fahrtenbuch begründen und die Zweifel anders nicht auszuräumen sind.
Die strittige Frage, ob ein Arzt im Hinblick auf § 102 Abs. 1 Nr. 3 c AO die Bekanntgabe von Namen und Anschrift seiner Patienten in einem Fahrtenbuch verweigern darf, wäre damit letztendlich zwar nicht gelöst, ihre praktische Bedeutung aber deutlich reduziert. Die Entscheidung über die Reichweite von § 102 Abs. 1 Nr. 3 c AO werden letztlich die Gerichte zu treffen haben.
Einige andere Landesbeauftragte für den Datenschutz haben mich über die erfolgte Umsetzung in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich in Kenntnis gesetzt.
Inzwischen hat mir das Staatsministerium der Finanzen mitgeteilt, dass es die nachgeordneten Dienstbehörden angewiesen hat, nach dem getroffenen Kompromiss zu verfahren.
11.6. Zugriff der Finanzverwaltung auf Datenverarbeitungssysteme im Rahmen der Außenprüfung
Im Zuge des im Juli 2000 endgültig verabschiedeten Steuersenkungsgesetzes wurde auch eine datenschutzrechtlich relevante Änderung der Abgabenordnung vorgenommen. Der neu eingeführte § 147 Abs. 6 AO eröffnet der Finanzverwaltung im Rahmen einer Außenprüfung künftig die Möglichkeit, das DV-System des zu prüfenden Steuerpflichtigen zu nutzen. Die Finanzverwaltung kann auch verlangen, dass die Daten nach ihren Vorgaben maschinell ausgewertet oder auf einem maschinell verwertbaren Datenträger zur Verfügung gestellt werden.
Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahren konnten in gewissem Umfang datenschutzrechtliche Gesichtspunkte eingebracht werden. Insbesondere ist der ursprünglich von der Finanzverwaltung geforderte Online-Zugriff auf das Rechenwerk des zu prüfenden Steuerpflichtigen entfallen.
Es muss sichergestellt werden, dass die Finanzverwaltung künftig auch auf automatisiert vorgehaltene Buchführungsdaten nur in dem Umfang zugreifen kann, wie ihr dies bei herkömmlichen Unterlagen in Papierform gestattet ist. Probleme ergeben sich dann, wenn Buchführungsdaten mit anderen betrieblichen Daten (bspw. Personaldaten) vermischt gespeichert sind.
Zwar waren und sind die Unternehmen (Steuerpflichtigen) aufgrund § 9 BDSG und auch der vom Bundesministerium der Finanzen erlassenen "Grundsätze ordnungsmäßiger DV-gestützter Buchführungssysteme" gehalten, den Datenbestand des Unternehmens gegen unberechtigte Kenntnisnahme zu schützen. Insbesondere muss dabei sichergestellt werden, dass nur berechtigte Personen in dem ihrem Aufgabenbereich entsprechenden Umfang auf Programme und Daten zurückgreifen können. Im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens wurde aber deutlich, dass viele Unternehmen bisher keine oder nicht ausreichende Abschottungsmaßnahme ergriffen haben.
Es ist deshalb zu begrüßen, dass die erstmalige Anwendbarkeit der durch § 147 Abs. 6 AO der Finanzverwaltung eingeräumten Möglichkeiten auf den 1. Januar 2002 hinausgeschoben wurde. Dies gibt den Unternehmen Gelegenheit, ihre Datenverarbeitungssysteme mit einer Software auszustatten, welche eine Beschränkung des Zugriffs der Finanzverwaltung auf die steuerlich für die konkrete Außenprüfung relevanten Daten ermöglicht.
11.7. Auskunftsersuchen der Finanzverwaltung über Teilnehmer an Fortbildungsveranstaltungen
Eine Aus- und Fortbildungsstätte für Bedienstete des Öffentlichen Dienstes hat mich um Mitteilung gebeten, ob aus datenschutzrechtlicher Sicht einem Auskunftsersuchen einer Oberfinanzdirektion über Name und Anschrift von Teilnehmern an drei von der Fortbildungsstätte durchgeführten Auslandsfortbildungsveranstaltungen stattgegeben werden kann.
Für Zwecke der Durchführung von Veranstaltungen erhält die Fortbildungsstätte von der Stammdienststelle der zur Fortbildung anstehenden Bediensteten Personal(grund)daten. Diese Daten erlangen bei der Fortbildungsstätte nach meiner Auffassung nicht die Qualität von Personal(akten)daten. Sie haben vielmehr Sachaktenqualität und für ihren Schutz gelten die allgemeinen datenschutzrechtlichen Bestimmungen. Bei Prüfung des eingangs geschilderten Sachverhalts waren deshalb die spezialgesetzlichen Bestimmungen zum Personalaktengeheimnis (Art. 100 ff. BayBG) nicht einzubeziehen. Zum Tragen kommen aber steuerliche Rechtsvorschriften.
Die Oberfinanzdirektion stützt ihr Auskunftsverlangen auf § 93 AO.
Die Finanzbehörden können sich zur Sachaufklärung der Beweismittel bedienen, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich halten. Dieses Ermessen hat sich aber an den allgemein gültigen Grenzen der Erforderlichkeit, Verhältnismäßigkeit, Erfüllbarkeit und Zumutbarkeit zu orientieren. Bei Auskunftsersuchen wird die Verhältnismäßigkeit u.a. durch eine im Gesetz vorgesehene Beweismittelreihenfolge berücksichtigt. Nach § 93 Abs. 1 Satz 3 sollen andere Personen (und auch Behörden: hier überschneidet sich die Auskunftspflicht mit der Amtshilfepflicht nach § 111 AO) als die Beteiligten erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht. Der Begriff "sollen" bedeutet nach herrschender Meinung, daß die Finanzbehörden im Regelfall nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO verfahren müssen und nur in besonders gelagerten atypischen Fällen davon abweichen dürfen. Einen derartigen atypischen Fall hat die Rechtsprechung u.a. bei der Ermittlung von unbekannten Steuerpflichtigen gesehen.
Im vorliegenden Fall werden aber, anders als bei gegenüber den Finanzbehörden verschwiegenen Einnahmen, die Aufwendungen für die Fortbildungsveranstaltung i.d.R. als Werbungskosten im Rahmen der Veranlagung geltend gemacht. Die Finanzbehörden haben also in jedem steuerlich relevanten Fall die Möglichkeit der Prüfung der Zulässigkeit des Werbungskostenabzugs.
Bei der steuerlichen Anerkennung der Aufwendungen von Studienreisen kann ein Kriterium (unter vielen) das Vorliegen eines homogenen Teilnehmerkreises sein (vgl. Abschn. 117 a EStR). Ziel und Zweck des vorliegenden Auskunftsverlangens dürfte allerdings nicht die Prüfung der Abzugsfähigkeit der Aufwendungen in einem Einzelfall sein, sondern, im Hinblick auf die Aufgabe der Finanzverwaltung, die Gleichmäßigkeit der Besteuerung sicherzustellen, die Fertigung von Kontrollmitteilungen an die Wohnsitzfinanzämter der Reiseteilnehmer, soweit bei einem Teilnehmer der Abzug versagt wurde.
Hierzu ist zu bemerken, daß für diese Zwecke mildere Mittel zur Verfügung stehen. Bspw. könnte für eine bestimmte Reise über die Oberfinanzdirektion ein Kontrollhinweis an die nachgeordneten Finanzämter übermittelt werden, mit der Maßgabe, die Aufwendungen für diese bestimmte Reise nicht als Betriebsausgaben/Werbungskosten anzuerkennen.
Meine Rechtsauffassung wird durch ein nach meiner Kenntnis rechtskräftiges Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf zu der in Rede stehenden Problematik gestützt. Das Gericht hält ein mit obigem Sachverhalt vergleichbares Auskunftsersuchen (hier gegenüber einer als Veranstalter auftretenden Industrie- und Handelskammer) ebenfalls für nicht zulässig.
Bei Erteilung der Auskunft hält das Gericht darüber hinaus das Vertrauensverhältnis zwischen dem Reiseveranstalter (hier: der IHK) und den Reiseteilnehmern (hier: den von der IHK betreuten Unternehmern) für ernstlich tangiert, was die Durchführung der der IHK obliegenden Aufgaben künftig gefährden würde. Das Auskunftsersuchen wird deshalb auch als für nicht zumutbar erachtet. Auch diese Argumentation kann analog auf den von mir zu beurteilenden Sachverhalt übertragen werden.
11.8. Datenübermittlungen der gemeindlichen Steuerämter an die Religionsgemeinschaften für Zwecke der Erhebung der Kirchengrundsteuer
Immer wieder wenden sich Gemeinden im Zusammenhang mit Anfragen zu Grundstücksdaten durch römisch-katholische bzw. evangelisch-lutherische Kirchensteuerämter an mich. In bestimmtem Umfang besteht Auskunftspflicht.
Bei den geschilderten Anfragen der Kirchensteuerämter handelt es sich um Anfragen an die (Grund-) Steuerämter der Gemeinden. Die Grundsteuermessbeträge unterliegen als Besteuerungsgrundlagen dem Steuergeheimnis (§ 30 Abgabenordnung, AO). Eine zulässige Durchbrechung des Steuergeheimnisses ist u.a. aufgrund der Bestimmung des § 31 Abs. 1 AO möglich. Danach sind Finanzbehörden berechtigt, Besteuerungsgrundlagen, Steuermessbeträge und Steuerbeträge an Religionsgemeinschaften, die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, zur Festsetzung von Abgaben mitzuteilen. Für Datenübermittlungen aus dem Bereich der gemeindlichen Steuern (Art. 13 KAG) gelten die genannten Bestimmungen der AO entsprechend (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 AO i.V. § 111 AO).
Art. 1 des Kirchensteuergesetzes berechtigt Kirchen, Religionsgemeinschaften und weltanschauliche Gemeinschaften, die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, Kirchensteuern zu erheben. Diese können nach dem Maßstab der Grundsteuermessbeträge auch als Kirchengrundsteuer erhoben werden (Art. 1 Abs. 2 Nr. 1 KirchStG). Art. 16 KirchStG ermächtigt die vorgenannten Gemeinschaften zum Zweck der Erhebung von Kirchengrundsteuer eigene Steuerordnungen zu erlassen. Weiterhin wird bestimmt, dass Kirchengrundsteuer nur insoweit erhoben werden darf, als ein Angehöriger der erhebenden Gemeinschaft Eigentümer ist (Art. 16 Abs. 3 KirchStG), und dass Unterlagen, deren die Steuerverbände für die Besteuerung bedürfen, von den zuständigen Staats- und Gemeindebehörden zur Verfügung gestellt werden (Art. 16 Abs. 5 KirchStG).
Die bayerischen (Erz-)Diözesen haben von dieser Ermächtigung des Art. 16 KirchStG Gebrauch gemacht und am22.03.1995 eine Ordnung über die Erhebung von Kirchensteuern in ihrem Bereich erlassen.
Die Evangelisch-Lutherische Landeskirche hat aufgrund der Ermächtigung am 14.02.1967 eine Steuerordnung für die Kirchengrundsteuer in ihrem Bereich erlassen.
Von wesentlicher Bedeutung ist, dass aufgrund der genannten Rechtsgrundlagen umlagepflichtig nur Angehörige der jeweiligen Kirche sind, die Schuldner der Grundsteuer für land- und forstwirtschaftliche Betriebe sind. Sonderregelungen bestehen für konfessions- und glaubensverschiedene Ehen sowie für Miteigentümerschaft.
Auch die Steuerordnungen weisen auf die Mitwirkungspflicht der Staats- und Gemeindebehörden hin. In diesem Zusammenhang wird auch auf die Bekanntmachung des Bayer. Staatsministeriums des Innern vom 09.11.1984 (MABl.S.638) verwiesen, welche die Gemeinden verpflichtet, in bestimmtem Umfang den Religionsgemeinschaften Unterlagen zur Verfügung zu stellen.
Zur Auskunftserteilung benötigen die Grundsteuerstellen die Konfession des Betroffenen. Soweit dieses Datum nicht bereits bei den Grundsteuerstellen bekannt ist, besteht die Möglichkeit, dieses von den Meldebehörden zu erheben. Die Zulässigkeit einer solchen Datenübermittlung aus dem Melderegister innerhalb der Gemeindeverwaltung beurteilt sich nach Art. 31 Abs. 7 Satz 1 MeldeG. Danach ist die Übermittlung der Religionszugehörigkeit an das gemeindliche Steueramt zulässig, da dieses Datum dort zur Auskunftserteilung und damit zur Aufgabenerfüllung erforderlich ist (Art. 31 Abs. 7 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 Nr. 1, 2, 11 und 12 MeldeG).
11.9. Erhebung des Fremdenverkehrsbeitrags durch gemeindliche Steuerämter
Eine Gemeinde hat sich an mich mit der Frage gewandt, ob es zulässig sei, für Zwecke der Erhebung des Fremdenverkehrsbeitrages die Inhaberin eines Dienstleistungsunternehmens aufzufordern, eine Aufstellung sämtlicher Kunden mit Angabe von Namen, Anschrift und jeweils erzieltem Umsatz vorzulegen. Die Aufstellung sollte dazu dienen, den Vorteil, der der Unternehmerin durch den Fremdenverkehr im Gemeindegebiet erwachsen war, näher zu quantifizieren. Von Seiten der Unternehmerin wurde bestritten, aus dem Fremdenverkehr einen Vorteil zu ziehen.
Aus datenschutzrechtlicher Sicht ist zu dem vorgetragenen Sachverhalt Folgendes zu bemerken:
Nach Art. 6 KAG können Gemeinden unter bestimmten Voraussetzungen einen Fremdenverkehrsbeitrag erheben. Die Abgabe bemisst sich nach den besonderen wirtschaftlichen Vorteilen, die dem einzelnen Abgabepflichtigen aus dem Fremdenverkehr erwachsen. Das Bayerische Staatsministerium des Innern hat dazu mit Bekanntmachung vom 28.06.1978 eine Mustersatzung einschließlich näherer Erläuterungen veröffentlicht (vgl. MABl.S.464). Zum wirtschaftlichen Vorteil eines Abgabeschuldners wird ausgeführt, dass dieser sich nicht berechnen lasse und daher geschätzt werden müsse. Dabei sei auf die konkreten Verhältnisse des einzelnen Schuldners und nicht auf vorgegebene Rahmensätze abzustellen.
Diese Vorgaben waren Auslöser der Forderung der Gemeinde an die Dienstleisterin, die genannten Angaben vorzulegen.
Aufgrund von Art. 13 Abs. 1 KAG sind u.a. im Zusammenhang mit der Erhebung des Fremdenverkehrsbeitrags eine Vielzahl von Bestimmungen der Abgabeordnung entsprechend anzuwenden. Von besonderer Bedeutung sind im vorliegenden Sachverhalt die §§ 85 bis 93 AO. Nach § 88 AO ermittelt die Finanzbehörde (hier die Körperschaft, der die Abgabe zusteht), den Sachverhalt von Amts wegen. Sie bestimmt dabei Art und Umfang der Ermittlungen. Die Beteiligten sind zur Mitwirkung bei der Ermittlung des Sachverhalts verpflichtet (§ 90 AO). Die Beteiligten haben insbesondere die für die Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen (§ 93 AO). Bei einem Auskunftsverlangen - wie hier - ist aber zu beachten, dass es zur Ermittlung eines relevanten Steuer-(hier: Abgabe-)Sachverhalts erforderlich sein muss, es muss weiterhin verhältnismäßig, erfüllbar und zumutbar sein. Insbesondere die Kriterien der Verhältnismäßigkeit und Erfüllbarkeit erscheinen in vorliegendem Sachverhalt fraglich.
Dabei bin ich davon ausgegangen, dass in einem Dienstleistungsunternehmen der in Rede stehenden Art in nicht unerheblichem Umfang sowohl die Dienstleistung selbst, als auch Warenverkäufe gegen Barzahlung getätigt werden. Die angeforderten Daten könnten also in diesen Fällen nur dem Kassenbuch entnommen werden. Eine ordnungsgemäße Kassenbuchführung setzt im Grundsatz die Erfassung jedes einzelne Geschäftsvorfalls voraus. Bei Gewerbetreibenden, die auch Waren oder Dienstleistungen an ihnen nicht bekannte Kunden abgeben, besteht jedoch keine Verpflichtung zur Einzelaufzeichnung. Es genügt hier eine summarische Ermittlung der Tageseinnahmen (Registrierkassenstreifen). Auch wenn im vorliegenden Fall ein Kassenbuch "händisch" geführt werden sollte, wird in einer Vielzahl von Fällen die Dienstleisterin über die angeforderten Daten nicht verfügen. Dies gilt vor allem in jenen Fällen, in denen Kunden der Unternehmerin nicht bekannt sind, etwa weil es sich um Touristen oder einheimische Gelegenheitskunden handelt. Die Darstellung einer nicht näher qualifizierbaren und quantifizierbaren Teilmenge erscheint aber zur Ermittlung des wirtschaftlichen Vorteils als nicht geeignet.
Unabhängig von diesen mehr in der praktischen Durchführung liegenden Problemen erscheint mir die Anforderung auch unverhältnismäßig. Es muss zu einer Abwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe kommen. Der Belastung des mit der Aufklärung in Anspruch Genommenen ist das zu erwartende Ergebnis gegenüberzustellen. Dabei sind auch etwaige Persönlichkeitsrechte dritter Personen (hier von Kunden) zu berücksichtigen. Die Anforderung erscheint mir insbesondere unter diesem Aspekt als zu weitgehend.
11.10. Weitergabe von gemeindlichen Steuerdaten in einem Zivilverfahren
Im Rahmen einer Eingabe musste ich folgenden Sachverhalt datenschutzrechtlich beurteilen:
Eine bayerische Kommune hat im Zuge eines Zivilverfahrens zum Zwecke der Beweiserhebung neben Auszügen aus dem Melderegister auch Auszüge aus der sog. "gemeindlichen Lohnsteuerliste" an das zuständige Amtsgericht übermittelt. Nach den Regelungen der Zivilprozessordnung wurden die vorgelegten Unterlagen dort auch den Prozessbeteiligten zugänglich.
Die genannte Lohnsteuer-Liste enthielt neben Namen und Anschrift die Merkmale Geburtsdatum, Steuerklasse, Kinderfreibeträge, Anzahl der zu berücksichtigenden Kinder, Familienstand, Konfessionszugehörigkeit sowie ggf. nach Anweisung des zuständigen Finanzamts einzutragende Pauschbeträge für Behinderte.
Neben den Angaben über die Prozessgegner enthielt die Liste auch vollständige Angaben von 34 weiteren, am Verfahren vollkommen unbeteiligten Bürgern der Kommune. Die Kommune hatte deren Angaben in der weitergegebenen Kopie nicht geschwärzt.
Die Rechtslage stellt sich wie folgt dar:
Aufgrund der Bestimmung des § 39 Abs. 6 Einkommensteuergesetz sind Gemeinden insoweit, als sie Lohnsteuerkarten ausstellen oder Eintragungen auf den Lohnsteuerkarten vornehmen und ändern, örtliche Landesfinanzbehörden. Sie haben dementsprechend das Steuergeheimnis zu wahren (§ 30 i.V.m. § 1 Abgabenordnung).
Eine zulässige Durchbrechung des Steuergeheimnisses ist nur aufgrund § 30 Abs. 4 Nr. 1 - 5, Abs. 5, Abs. 6 Abgabenordnung möglich. Die gesetzliche Regelung ist abschließend.
Für die Offenbarung der Steuerdaten der 34 nicht am Zivilverfahren beteiligten Bürger der Stadt ist eine derartige Offenbarungsbefugnis offensichtlich nicht gegeben.
Aber auch die Offenbarung der steuerlichen Daten der Prozessgegner war nicht befugt. Aus den bereits erwähnten Bestimmungen des § 30 Abs. 4 - 6 Abgabenordnung könnte allenfalls § 30 Abs. 4 Nr. 2 Abgabenordnung in Betracht kommen, der eine zulässige Durchbrechung des Steuergeheimnisses dann ermöglicht, wenn sie durch Gesetz ausdrücklich zugelassen ist. Die hier infrage kommenden Vorschriften der Gemeindeordnung und der Zivilprozessordnung enthalten aber keine derartigen ausdrücklichen Ermächtigungen.
Die Übermittlung des an das Amtsgericht übermittelten Auszugs aus der Lohnsteuerliste der Kommune verstößt damit in erheblichem Umfang gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen (hier: § 30 Abgabenordnung).
Ich habe die Datenübermittlung formell aufgrund Art. 31 Abs. 1 BayDSG beanstandet. Der Datenschutzverstoß war nicht geringfügig, sondern erheblich. Er konnte durch die bereits erfolgte Bekanntgabe der Daten an die Verfahrensbeteiligten auch nicht mehr rückgängig gemacht werden.
Das Gewicht des Datenschutzverstoßes wird noch dadurch verstärkt, dass, entgegen der Auffassung der Kommune, die Prozessparteien nicht generell zur Verschwiegenheit verpflichtet sind. Nach einer Akteneinsicht gem. § 299 Abs. 1 Zivilprozessordnung oder aufgrund einer Kenntnisnahme bspw. durch Übersendung von Unterlagen durch den beauftragten Prozessvertreter, sind Dritte, soweit sie nicht dem in § 203 Strafgesetzbuch genannten Personenkreis angehören, nicht gehindert, die erlangten Erkenntnisse weiter zu verbreiten.