Sie sind hier: > Start > Tätigkeitsberichte > 19. TB 2000 > 9. Einwohnermeldewesen
Der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz; Stand: 14.12.2000
9. Einwohnermeldewesen
9.1. Weitergabe von Melderegisterdaten an Adressbuchverlage
Ich erhalte immer wieder Beschwerden von Bürgern, die mit der Veröffentlichung ihrer Daten in Adressbüchern nicht einverstanden sind. Ich weise deshalb nochmals auf Folgendes hin:
Nach Art. 35 Abs. 3 des Meldegesetzes (MeldeG) darf die Meldebehörde Adressbuchverlagen Auskunft über Vor- und Familiennamen, den Doktorgrad und die Anschriften sämtlicher Einwohner, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, erteilen, es sei denn, der Betroffene hat dieser Weitergabe seiner Daten widersprochen. Die Bürger müssen bei der Anmeldung von der Meldebehörde auf ihr Widerspruchsrecht hingewiesen werden. Nach meinen Erfahrungen ist dieser Hinweis, der häufig auch schon Jahre zurückliegt, aber nicht ausreichend. Vielen Bürgern ist ihr Widerspruchsrecht nicht bekannt. Ich empfehle deshalb den Gemeinden, über die Hinweispflicht des Art. 35 Abs. 3 Satz 3 MeldeG hinaus die Bürger rechtzeitig vor einer beabsichtigten Weitergabe ihrer Meldedaten an Adressbuchverlage in geeigneter Weise, z. B. durch eine amtliche Bekanntmachung in der Presse, auf ihr Widerspruchsrecht hinzuweisen (vgl. auch Nr. 35.4 der Vollzugsbekanntmachung zum Meldegesetz). Zusätzlich zu den regelmäßigen Hinweisen auf das Widerspruchsrecht der Bürger in meinen Tätigkeitsberichten habe ich im Berichtszeitraum dazu auch eine Pressemitteilung veröffentlicht.
In diesem Zusammenhang möchte ich auch darauf hinweisen, dass die Kommunen zur Herausgabe von Meldedaten an Adressbuchverlage nicht verpflichtet sind. Art. 35 Abs. 3 Satz 1 MeldeG enthält eine Übermittlungsbefugnis ("darf"). Die Erteilung von Auskünften steht daher im Ermessen der Kommunen.
9.2. Vermeidung von Fehlern bei einem Wechsel des EDV-Programms zur Verwaltung der Einwohnermeldedaten
Im Berichtszeitraum haben sich Bürger beschwert, deren Daten in Adressbüchern veröffentlicht wurden, obwohl sie der Weitergabe nach Art. 35 Abs. 3 MeldeG widersprochen hatten. Die Überprüfung der Vorwürfe hat ergeben, dass die betroffenen Gemeinden ihre in den Einwohnermeldeämtern eingesetzten EDV-Verfahren auf neue Verfahren umgestellt hatten. Bei der Übernahme der Datenbestände waren Sperrvermerke nicht beachtet worden. Trotz durchgeführter Stichproben waren die Fehler bei der Weiterleitung der Daten an die Adressbuchverlage nicht bemerkt worden. Die Veröffentlichung ihrer Daten in den Adressbüchern und der Verstoß gegen die Sperrvermerke hat bei den betroffenen Bürgern zu einer erheblichen Verärgerung und zu den Beschwerden geführt. Ich empfehle den Gemeinden, bei Programmänderungen bzw. Neuprogrammierungen durch technisch-organisatorische Maßnahmen (umfassende Teststrategien und Qualitätssicherungsmaßnahmen) sicherzustellen, dass die Voraussetzungen für Auskunftserteilungen im Rahmen des Art. 35 MeldeG eingehalten und sowohl Widersprüche nach Art. 35 MeldeG als auch Auskunftssperren nach Art. 34 MeldeG weiterhin beachtet werden.
9.3. Unzulässige Speicherung des früheren Namens von minderjährigen adoptierten Kindern im Melderegister
Im Berichtszeitraum wurden mir innerhalb kurzer Zeit zwei schwerwiegende Verstöße gegen das Adoptionsgeheimnis bekannt. Die Überprüfungen haben ergeben, dass bei Minderjährigenadoptionen in den Melderegistern der beiden betroffenen Gemeinden unter der Rubrik "Früherer Name" der Geburtsname der adoptierten Kinder gespeichert war. Als Folge der nicht durchgeführten Löschungen wurde der Geburtsname im Online-Verfahren an die Polizei übermittelt, anschließend wurden die Betroffenen im Rahmen der Abklärung ihrer Personalien in einem Verfahren von der Polizei auch zu ihrem früheren Namen befragt.
Ich habe diese Vorgänge datenschutzrechtlich wie folgt bewertet:
Nach Art. 11 Abs. 1 Satz 1 MeldeG hat die Meldebehörde gespeicherte Daten zu löschen, wenn sie zur Erfüllung der der Meldebehörde obliegenden Aufgaben nicht mehr erforderlich sind. Die Speicherung des früheren Namens eines minderjährigen adoptierten Kindes ist weder zum Nachweis seiner Identität noch für andere Aufgaben der Meldebehörde notwendig. Dies ergibt sich daraus, dass ein minderjähriges Kind regelmäßig noch nicht am Rechtsverkehr teilgenommen hat. Es gibt auch keine zwingende Notwendigkeit zur Offenbarung des früheren Namens gegenüber anderen Behörden, da sich diese erforderlichenfalls an das zuständige Standesamt wenden können (vgl. Medert/Süßmuth/Dette-Koch, Melderecht des Bundes und der Länder, § 21 MRRG Rdnr. 79). Das Bayerische Staatsministerium des Innern hat deshalb in Ziff. 3.1.5 der Vollzugsbekanntmachung zum Bayerischen Meldegesetz bestimmt, dass bei der Annahme als Kind (Adoption) im Zusammenhang mit dem neuen Namen weder der vor der Adoption geführte Name noch ein sonstiger Hinweis auf die Adoption im Melderegister gespeichert werden darf. Wenn der Adoptierte zum Zeitpunkt der Adoption bereits volljährig war, ist der frühere Name im Nebenregister zu speichern.
Die Bekanntgabe eines Adoptionsverhältnisses kann sowohl für den minderjährigen Adoptierten wie auch für dessen Adoptiveltern ganz erhebliche nachteilige Folgen haben, insbesondere wenn der Adoptierte erstmals durch eine polizeiliche Befragung von seiner Adoption erfährt. Die Datenschutzverstöße habe ich beanstandet. Da es sich hier möglicherweise nicht nur um zwei Einzelfälle gehandelt hat, empfehle ich den Gemeinden, ihre Melderegister auf unzulässige Speicherungen von Minderjährigenadoptionen hin zu überprüfen.
9.4. Weitergabe von Melderegisterdaten innerhalb der Gemeindeverwaltung im Wege des Online-Zugriffs
Mehrere Gemeinden haben mich um Auskunft gebeten, ob Gemeindebediensteten, die nicht im Meldeamt beschäftigt sind, ein Lesezugriff auf die Meldedaten eingeräumt werden darf. Ich habe den Gemeinden Folgendes mitgeteilt:
Nach Art. 31 Abs. 7 i.V.m. Abs. 1 MeldeG dürfen die in Art. 3 Abs. 1 MeldeG genannten Daten und Hinweise innerhalb der Gemeinde weitergegeben werden, wenn dies zur Aufgabenerfüllung der Meldebehörde bzw. des Bediensteten, der die Daten erhält, erforderlich ist. Für die Weitergabe und Einsichtnahme von Daten und Hinweisen nach Art. 3 Abs. 2 MeldeG ist Art. 31 Abs. 2 und 6 MeldeG zu beachten (Art. 31 Abs. 7 Satz 3 MeldeG).
Da es sich bei der Weitergabe von Meldedaten innerhalb der Gemeinde um eine Datennutzung und nicht um eine Datenübermittlung handelt, dürfen die Daten abweichend von Art. 31 Abs. 4 MeldeG auch regelmäßig weitergegeben werden. Dies gilt auch für automatisierte Abrufverfahren, die als regelmäßige Datenweitergabe anzusehen sind (vgl. Nr. 31.9 der Vollzugsbekanntmachung zum Meldegesetz).
Die Einrichtung eines automatisierten Abrufverfahrens ist allerdings nur dann zulässig, wenn sie zur Aufgabenerfüllung erforderlich ist. Das ist der Fall, wenn der betreffende Mitarbeiter zur Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben ständig einen Zugriff auf das Melderegister benötigt. Soweit danach die Einrichtung eines automatisierten Abrufverfahrens zulässig ist, ist darauf zu achten, dass der Zugriff auf die zur Aufgabenerfüllung erforderlichen Daten beschränkt wird.