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Der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz; Stand: 29.07.2020

29.07.2020

Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur Übermittlung personenbezogener Daten in Drittländer ("Schrems II") stärkt den Datenschutz für EU-Bürgerinnen und Bürger

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in seinem Urteil vom 16. Juli 2020 (Rechtssache C-311/18) den Beschluss 2016/1250 der Europäischen Kommission zur Übermittlung personenbezogener Daten in die USA (Privacy Shield) für unwirksam erklärt. Zugleich hat der EuGH festgestellt, dass die Entscheidung 2010/87/EG der Kommission über Standardvertragsklauseln (Standard Contractual Clauses - SCC) grundsätzlich weiterhin gültig ist.

Die Konferenz der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder (DSK) sieht mit diesem Urteil die Datenschutzgrundrechte der Bürgerinnen und Bürger in der Europäischen Union (EU) gestärkt. Für die Übermittlung personenbezogener Daten in die USA und andere Drittländer hat das Urteil nach einer ersten Einschätzung der DSK folgende Auswirkungen:

  1. Die Übermittlung personenbezogener Daten in die USA auf der Grundlage des Privacy Shield ist unzulässig und muss unverzüglich eingestellt werden. Der EuGH hat das Privacy Shield für ungültig erklärt, weil das durch den EuGH bewertete US-Recht kein Schutzniveau bietet, das dem in der EU im Wesentlichen gleichwertig ist. Das US-Recht, auf das der EuGH Bezug genommen hat, betrifft zum Beispiel die nachrichtendienstlichen Erhebungsbefugnisse nach Section 702 FISA und Executive Order 12 333.
  2. Für eine Übermittlung personenbezogener Daten in die USA und andere Drittländer können die bestehenden Standardvertragsklauseln der Europäischen Kommission zwar grundsätzlich weiter genutzt werden. Der EuGH betonte jedoch die Verantwortung des Verantwortlichen und des Empfängers, zu bewerten, ob die Rechte der betroffenen Personen im Drittland ein gleichwertiges Schutzniveau wie in der Union genießen. Nur dann kann entschieden werden, ob die Garantien aus den Standardvertragsklauseln in der Praxis verwirklicht werden können. Wenn das nicht der Fall ist, sollte geprüft werden, welche zusätzlichen Maßnahmen zur Sicherstellung eines dem Schutzniveau in der EU im Wesentlichen gleichwertigen Schutzniveaus ergriffen werden können. Das Recht des Drittlandes darf diese zusätzlichen Schutzmaßnahmen jedoch nicht in einer Weise beeinträchtigen, die ihre tatsächliche Wirkung vereitelt. Nach dem Urteil des EuGH reichen bei Datenübermittlungen in die USA Standardvertragsklauseln ohne zusätzliche Maßnahmen grundsätzlich nicht aus.
  3. Die Wertungen des Urteils finden auch auf andere Garantien nach Artikel 46 DSGVO Anwendung wie verbindliche interne Datenschutzvorschriften ("binding corporate rules" - BCR), auf deren Grundlage eine Übermittlung personenbezogener Daten in die USA und andere Drittstaaten erfolgt. Daher müssen auch für Datenübermittlungen auf der Grundlage von BCR ergänzende Maßnahmen vereinbart werden, sofern die Rechte der betroffenen Personen im Drittland nicht ein gleichwertiges Schutzniveau wie in der Union genießen. Auch diese Maßnahmen müssen für die übermittelten Daten ein im Wesentlichen gleichwertiges Datenschutzniveau wie in der EU garantieren können.
  4. Die Übermittlung von personenbezogenen Daten aus der EU in die USA und andere Drittstaaten nach Artikel 49 DSGVO ist weiterhin zulässig, sofern die Bedingungen des Artikels 49 DSGVO im Einzelfall erfüllt sind. Zur Anwendung und Auslegung dieser Vorschrift hat der Europäische Datenschutzausschuss Leitlinien veröffentlicht.
  5. Verantwortliche, die weiterhin personenbezogene Daten in die USA oder andere Drittländer übermitteln möchten, müssen unverzüglich überprüfen, ob sie dies unter den genannten Bedingungen tun können. Der EuGH hat keine Übergangs- bzw. Schonfrist eingeräumt.

Auch wenn der EuGH in seiner Entscheidung an verschiedenen Stellen die vorrangige Verantwortung des Übermittlers von personenbezogenen Daten und des Empfängers betonte, hat er auch den Aufsichtsbehörden eine Schlüsselrolle bei der Durchsetzung der Datenschutz-Grundverordnung und weiteren Entscheidungen über Datenübermittlungen in Drittländer zugewiesen. Die deutschen Aufsichtsbehörden werden sich in ihrem Vorgehen mit ihren Kolleginnen und Kollegen im Europäischen Datenschutzausschuss abstimmen und zukünftig auch zu spezifischeren Fragestellungen beraten.

Nach dem Urteil des EuGH hat der Europäische Datenschutzausschuss nach einer ersten Stellungnahme in seiner Sitzung am 23. Juli 2020 zentrale Fragen und Antworten (FAQ) zur Umsetzung des Urteils veröffentlicht. Die DSK befürwortet die Positionierung des Europäischen Datenschutzausschusses. Der englische Text der FAQ ist auf der Webseite des Europäischen Datenschutzausschusses unter https://edpb.europa.eu/news/news/2020/europeandata-protection-board-publishes-faq-document-cjeu-judgment-c-31118-schrems_de (externer Link) zu finden.

Prof. Dr. Thomas Petri

Der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz kontrolliert bei den bayerischen öffentlichen Stellen die Einhaltung datenschutzrechtlicher Vorschriften. Er ist vom Bayerischen Landtag gewählt, unabhängig und niemandem gegenüber weisungsgebunden.