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Pressemitteilung

des Bayerischen Landesbeauftragten für den Datenschutz


31.05.2002

Die Landesbeauftragten für den Datenschutz der Länder Baden-Württemberg und Bayern erklären zur Bundesratssitzung vom Freitag, den 31.05.02:

           Bundesratsmehrheit plant Einschränkung des Rechts auf unbeobachtete Kommunikation

Zum letztmöglichen Zeitpunkt in dieser Legislaturperiode, versteckt in einem ganzen Paket von Gesetzesanträgen, wird im Bundesrat zum wiederholten Mal der Versuch gestartet, den Datenschutz für Internet und Telekommunikation fast vollkommen auszuhebeln. Am Freitag, den 31. Mai 2002, stimmt das Plenum über den im Rechtsausschuss bereits mehrheitlich angenommenen Vorschlag ab, die Internet- und Telekommunikations-Provider zur zwangsweisen Vorratsspeicherung sämtlicher Daten ihrer Kunden zu verpflichten. Es würde sich dabei um eine Systemveränderung von gravierendem Ausmaß handeln. Offen wird das Vorhaben ausdrücklich als "Vorratsspeicherung" bezeichnet.

Nachdem bereits mehrere Vorstöße im Bundesrat, Mindestspeicherfristen für Internet und Telekommunikation einzuführen, gescheitert waren (zuletzt im März 2002), wird nunmehr versucht, im Bundesrat eine noch viel weiter gehende Einschränkung des Grundrechts auf unbeobachtete Kommunikation durchzusetzen: Nicht nur zur Strafverfolgung, sondern für die Erfüllung sämtlicher Aufgaben von Polizei, Verfassungsschutz, Bundesnachrichtendienst, Militärischem Abschirmdienst und Zollkriminalamt sollen die ins Blaue hinein gesammelten Verbindungs-, Nutzungs-, Bestands- und Abrechnungsdaten von Millionen rechtstreuer Bürger genutzt werden können. Wie lange die Provider die Daten speichern müssen und unter welchen Voraussetzungen die Sicherheitsbehörden Zugriff auf diesen riesigen Datenbestand nehmen dürfen, soll nicht der Gesetzgeber, sondern die Exekutive per Rechtsverordnung festlegen. Dies allein verstößt gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz, wonach die wesentlichen Entscheidungen über Grundrechtseingriffe dem Parlament vorbehalten sind.

Datenschutz bei der Telekommunikation und den Internet-Telediensten bedeutet bislang die gesetzlich verbriefte Sicherheit aller Bürgerinnen und Bürger, dass nur die für die Abwicklung und Abrechnung der Nutzung erforderlichen Daten gespeichert werden dürfen. Erst kürzlich sind die Grundsätze der Datenvermeidung, Datensparsamkeit und der Möglichkeit anonymer Nutzungen für das Internet im Elektronischen Geschäftsverkehr-Gesetz (EGV) vom Gesetzgeber ausdrücklich bestätigt worden. Sie garantieren, dass die weit überwiegende Mehrheit rechtstreuer Nutzender ohne die Befürchtung, zwangsweise ihre Konsumgewohnheiten, Interessen oder politischen Ansichten dem Staat oder privaten Datenhaien offenbaren zu müssen, an der Informationsgesellschaft teilnehmen können. Das EGV ist kaum im Gesetzblatt veröffentlicht worden, da will die Mehrheit des Bundesrates das bisherige Teledienstedatenschutzrecht auf den Kopf stellen. Das Vorhaben des Bundesrates würde, verabschiedet am Ende der Legislaturperiode, ohne die erforderliche öffentliche und sorgfältige parlamentarische Diskussion im Windschatten des Bundestagswahlkampfes weit reichende Folgen haben.

Was will die Bundesratsmehrheit konkret?

Stellen Sie sich vor, sie würden beim Betreten jedes Einkaufszentrums registriert und es würde genau notiert, was Sie dort ansehen, wie lange Sie ein Buch oder irgendeine Ware in der Hand halten, welche Zeitschriften Sie kaufen, von welchem Laden Sie in welches Geschäft gehen und für welche Produkte Sie sich interessieren, usw.

Absurd? Genau das würde die Protokollierung aller Internetaktivitäten bedeuten. Wer plant, jeden Klick im Internet, jede E-Mail, jede Pager-Nachricht und jede SMS aufzuzeichnen und durch Polizei und Geheimdienste auswerten zu lassen, der legt das Fundament für eine Rundumüberwachung.

Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Schleswig-Holstein (Stand: Mittwoch, 16 Uhr) rufen die politischen Entscheidungsträger dazu auf, am Freitag im Bundesratsplenum bei diesem Eingriff in den Datenschutz und das Telekommunikationsgeheimnis nicht mit zu machen und gegen das Gesetzesvorhaben zu stimmen.

 

München, den 29.05.2002

 

Reinhard Vetter

 


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Der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz
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FAX: 089/21 26 72 - 50
E-Mail: poststelle@datenschutz-bayern.de