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Der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz; Stand: 31.01.2017

5. Justiz

5.1. Gesetze, Verordnungen und Verwaltungsvorschriften

5.1.1. Künftige Auswirkungen der Richtlinie für den Datenschutz der Strafjustiz

Am 27. April 2016 erließen das Europäische Parlament und der Rat die Richtlinie 2016/680/EU zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI. Anders als die am gleichen Tag erlassene Datenschutz-Grundverordnung (siehe hierzu Nr. 1.1.1.1) berücksichtigt diese Richtlinie für den Datenschutz der Strafjustiz - als spezifischeres Regelungsinstrument - die Besonderheiten der Kriminalitätsbekämpfung.

Ziel der Richtlinie ist, eine effektive Zusammenarbeit in Strafsachen und Polizeiangelegenheiten und den Austausch personenbezogener Daten zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten zu erleichtern. Gleichzeitig soll ein einheitlich hohes Schutzniveau für die personenbezogenen Daten gewährleistet werden. Hierzu räumt die Richtlinie den Betroffenen weitreichende Rechte ein, stattet die Aufsichtsbehörden mit zahlreichen Befugnissen (insbesondere Untersuchungs- und Abhilfebefugnissen) aus und schränkt die Datenverarbeitung an entscheidenden Stellen ein. So ist etwa zukünftig eine Datenverarbeitung allein mit Einwilligung der betroffenen Personen nur noch zulässig, wenn die Einwilligungsmöglichkeit gesetzlich normiert ist (siehe Erwägungsgrund 35 der Richtlinie). Dies betrifft die immer wieder praktizierten "Einwilligungslösungen", bei denen eine Datenverarbeitung gesetzlich nicht geregelt ist. In diesen Fällen ist zukünftig eine Datenverarbeitung nur noch dann zulässig, wenn eine Rechtsvorschrift die Einwilligung ausdrücklich vorsieht (siehe zu den weiteren Neuerungen auch Nr. 3.1.1).

Die Richtlinie ist bis zum 6. Mai 2018 in nationales Recht umzusetzen. Sie erfordert zahlreiche Anpassungen von Rechtsvorschriften.

Wegen des notwendigen Anpassungsbedarfs stehe ich im engen Austausch mit dem zuständigen Staatsministerium der Justiz. Über konkrete Ergebnisse, die zum Redaktionsschluss noch nicht feststanden, werde ich weiter berichten.

5.1.2. Vorratsdatenspeicherung

Mit der Vorratsspeicherung von Telekommunikationsdaten habe ich mich in den letzten Jahren regelmäßig auseinandergesetzt (siehe 24. Tätigkeitsbericht 2010 unter Nr. 3.3, 25. Tätigkeitsbericht 2012 unter Nr. 3.1, 26. Tätigkeitsbericht 2014 unter Nr. 1.2.2). Mein letzter Tätigkeitsberichtsbeitrag zu diesem Thema hatte die Überschrift "Ende der Vorratsdatenspeicherung?". Diese Frage knüpfte an die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 8. April 2014 an, in der dieser die Richtlinie 2006/24/EG zur Vorratsspeicherung von Telekommunikationsdaten für ungültig erklärte. Leider hat sich die mit dieser Entscheidung verbundene Hoffnung auf ein Ende der Vorratsdatenspeicherung nicht erfüllt. Vielmehr hat der deutsche Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherpflicht für Verkehrsdaten vom 10. Dezember 2015 (BGBl. 2015 I S. 2218) die Vorratsdatenspeicherung abermals eingeführt. Die gegen dieses Gesetz bestehenden Bedenken hat die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder in ihrer Entschließung vom 9. Juni 2015 zum Ausdruck gebracht.

Umlaufentschließung der Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder vom 09.06.2015

Gegen den Gesetzentwurf zur Vorratsspeicherung von Telekommunika-tionsverkehrsdaten bestehen erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken

Mit der Vorlage des "Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung einer Speicher-pflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten" (BR-Drs. 249/15) beabsichtigt die Bundesregierung, eine Vorratsspeicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten für Zwecke der Strafverfolgung und der Gefahrenabwehr in Deutschland einzuführen.

Nach Ansicht der Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder ist fraglich, ob dieser Gesetzentwurf den verfassungsrechtlichen und europarechtlichen Anforderungen genügt.

Schon vorherige Regelungen waren vom Bundesverfassungsgericht und vom Europäischen Gerichtshof für unwirksam erklärt worden, weil unzulässig in Grundrechte, insbesondere in das Telekommunikationsgeheimnis und das Recht auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten, eingegriffen wurde.

Mit einer Vorratsdatenspeicherung wird massiv in Freiheitsrechte von allen Menschen unabhängig von einem konkreten Verdacht eingegriffen. Deshalb müssen derartige Maßnahmen, die nur als absolute Ausnahme überhaupt zulässig sein können, einer strengen Erforderlichkeits- und Verhältnismäßigkeitsprüfung unterzogen und durch technische, organisatorische und verfahrensrechtliche Vorkehrungen abgesichert werden. Die Konferenz kann nicht erkennen, dass die Regelungen grundrechtlichen Anforderungen genügen. Dies gilt namentlich für die Kommunikation mit Berufsgeheimnisträgern (z.B. Abgeordneten, Ärzten, Rechtsanwälten und Journalisten). Auch die Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs sind nicht vollumfänglich berücksichtigt.

Die Bundesregierung hat bisher nicht hinreichend begründet, dass die Speicherung von Standort- und Kommunikationsdaten erforderlich ist, zumal die Gutachten des Max-Planck-Instituts (2011) und des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags (2011) die Wirksamkeit der Maßnahme in Frage gestellt haben. Zudem wurde die gerichtliche Vorgabe, hinsichtlich der Datenarten, deren Speicherfristen und Verwendungszwecken zu differenzieren, nur unzureichend umgesetzt. Ein für derart intensive Grundrechtseingriffe ausreichendes Maß an Bestimmtheit fehlt, wenn unbestimmte Rechtbegriffe (z.B. angemessenes Verhältnis oder ein besonderes Schwerwiegen einer Tat) verwendet werden und den Sicherheitsbehörden somit ein weiter Spielraum eröffnet wird.

Der Entwurf sieht keine Evaluierung vor. Neue Maßnahmen mit einem derartigen Eingriffspotential sollten jedoch nach einer bestimmten Frist von unabhängiger Seite auf deren Wirksamkeit wie auch auf die Beeinträchtigung von Grundrechten bewertet werden, um hieraus gesetzgeberische Schlüsse zu ziehen.

Die Konferenz fordert wegen der großen grundrechtlichen Bedeutung der Vorratsspeicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten und wegen der Signalwirkung einer deutschen Regelung für Europa, dass der Vorschlag der Bundesregierung in einem ergebnisoffenen Verfahren mit umfassender Öffentlichkeitsbeteiligung erörtert wird.

5.1.3. Aufbewahrung von Notariatsunterlagen und Errichtung eines elektronischen Urkundenarchivs

Im Berichtszeitraum habe ich zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung der Aufbewahrung von Notariatsunterlagen und Errichtung eines elektronischen Urkundenarchivs bei der Bundesnotarkammer kritisch Stellung genommen. Neben verschiedenen technisch-organisatorischen Aspekten habe ich mich vor allem dagegen ausgesprochen, die Notarinnen und Notare von der Pflicht zur Bestellung von Datenschutzbeauftragten auszunehmen. Bislang sind in Bayern auch die Notariate als öffentliche Stellen zur Bestellung von Datenschutzbeauftragten verpflichtet (Art. 25 Abs. 2 BayDSG). Zur effektiven Sicherung der Datenschutzrechte der Bürgerinnen und Bürger halte ich es für geboten, diese Bestellungspflicht beizubehalten.

Nachdrücklich habe ich mich daher gegen die geplante Änderung des § 92 Bundesnotarordnung (BNotO) gewandt. Beabsichtigt war, die Notariate von der Kontrolle durch die Landesbeauftragten für den Datenschutz vollständig auszunehmen. Die Datenschutzkontrolle sollte danach nur noch durch die aufsichtführenden Stellen der Justizverwaltung durchgeführt werden. Eine solche umfassende Herausnahme der Notariate aus meiner Kontrollzuständigkeit konnte ich nicht hinnehmen. Die auch schon bislang bestehende Aufsicht durch die Justizverwaltung stellt keine gänzlich unabhängige Datenschutzkontrolle dar, wie sie durch Vorgaben des Europarechts verlangt wird. Die Justizverwaltung wird zudem bei ihrer Aufsichtstätigkeit den Fokus auf unterschiedliche Bereiche der Notariatstätigkeit legen, wohingegen ich mich ausschließlich auf den Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung konzentriere und dabei von meiner langjährigen Prüferfahrung aus diesem Bereich profitieren kann.

Die mit dem ersten Entwurf befasste Bund-Länder-Arbeitsgruppe unter Beteiligung der Bundesnotarkammer nahm meine Kritik auf und überarbeitete den Entwurf in den entscheidenden Punkten. Insbesondere wurde die geplante Regelung komplett gestrichen, wonach die Notariate von der Pflicht zur Bestellung von behördlichen Datenschutzbeauftragten befreit sein sollten. Zudem wird die beabsichtigte Änderung des § 92 BNotO nicht weiter verfolgt. Damit unterstehen Notariate auch künftig der Kontrolle der Landesbeauftragten für den Datenschutz. Das begrüße ich, denn so wird auch im Notariatswesen der Datenschutz weiterhin zuverlässig und kompetent sichergestellt.

Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat auf Grundlage des Entwurfs eine Gesetzesinitiative der Bundesregierung vorzubereitet. Am 12. Oktober 2016 hat das Bundeskabinett den Gesetzentwurf beschlossen (BR-Drs. 602/16). Dieser soll noch in der laufenden Legislaturperiode vom Bundestag verabschiedet werden.

5.1.4. Anti-Doping-Gesetz

Dem Staatsministerium der Justiz gegenüber habe ich zu einem Referentenentwurf der Bundesministerien der Justiz und für Verbraucherschutz, des Innern und für Gesundheit für ein Bundesgesetz zur Bekämpfung von Doping im Sport (Anti-Doping-Gesetz) Stellung genommen. Eine zentrale Rolle spielt in diesem Gesetzesentwurf die Zusammenarbeit öffentlicher Stellen mit der privatrechtlich organisierten Stiftung Nationale Anti Doping Agentur Deutschland (NADA). § 8 des Gesetzentwurfs regelt die Übermittlung personenbezogener Daten von Amts wegen durch Gerichte und Staatsanwaltschaften an die Stiftung NADA zum Zwecke disziplinarrechtlicher Maßnahmen im Rahmen des Dopingkontrollsystems der Stiftung. Eine derartige Übermittlung personenbezogener Daten durch die genannten Stellen greift in erheblichem Maße in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Betroffenen ein. Dementsprechend kann nach der ausdrücklichen Regelung in § 8 Abs. 1 des Gesetzentwurfs ein schutzwürdiges Interesse der betroffenen Personen einer Übermittlung an die Stiftung entgegenstehen. Ein eventuell entgegenstehendes schutzwürdiges Interesse ist daher von der übermittelnden Stelle vor der Übermittlung im jeweiligen konkreten Einzelfall näher zu bestimmen und gegebenenfalls gegen den Zweck der Maßnahmen im Dopingkontrollsystem abzuwägen. Diese erforderliche Bestimmung und Abwägung der schutzwürdigen Interessen der betroffenen Personen setzt aus datenschutzrechtlicher Sicht jedoch voraus, dass den Betroffenen jedenfalls im Regelfall seitens der übermittelnden Stelle Gelegenheit zur Äußerung im Hinblick auf ihre entgegenstehenden schutzwürdigen Interessen gegeben wird. Nur durch eine solche Gelegenheit zur Äußerung ist gewährleistet, dass die möglichen schutzwürdigen Interessen der Betroffenen vollständig und zutreffend erfasst werden können. Auf diese Problematik habe ich das Staatsministerium der Justiz hingewiesen.

Dieses hat meine Hinweise in seiner Stellungnahme gegenüber dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz aufgenommen und meine Hinweise wurden in der Gesetzesbegründung aufgegriffen. Dort wird ausgeführt, dass die Betroffenen vor der Datenübermittlung in der Regel angehört werden müssen. Sofern die vorherige Anhörung die Durchführung des Disziplinarverfahrens gefährden würde, sind die Betroffenen jedenfalls nachträglich zu unterrichten.

5.1.5. Einsicht des Europäischen Komitees zur Verhütung von Folter (CPT) in die Personal- und Gesundheitsakten von Gefangenen

Das Europäische Komitee zu Verhütung von Folter (European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment - CPT) ist ein Gremium des Europarats. Es findet seine Rechtsgrundlage im Europäischen Übereinkommen zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (im Folgenden: Übereinkommen). Das Übereinkommen wurde von allen Mitgliedstaaten des Europarats ratifiziert und ist am 1. März 2002 in Kraft getreten. Das CPT besucht Hafteinrichtungen, um zu prüfen, wie Menschen behandelt werden, denen die Freiheit entzogen ist. Solche Einrichtungen sind Gefängnisse, Jugendhaftanstalten, Polizeidienststellen, Abschiebehafteinrichtungen und psychiatrische Kliniken. Delegationen des CPT haben unbeschränkten Zugang zu diesen Hafteinrichtungen einschließlich des Rechts, sich innerhalb dieser Orte ungehindert zu bewegen. Sie befragen Personen, denen die Freiheit entzogen ist, ohne Zeugen und können sich ungehindert mit jeder Person in Verbindung setzen, die ihnen sachdienliche Auskünfte geben kann. Nach jedem Besuch übermittelt das CPT einen detaillierten Bericht an den betroffenen Staat. Dieser Bericht beinhaltet die festgestellten Tatsachen sowie Empfehlungen, Kommentare und Auskunftsersuchen. Das CPT fordert darüber hinaus die jeweils betroffene Regierung auf, eine ausführliche Antwort auf seinen Bericht zu übermitteln. Die Berichte und Antworten sind die zentralen Elemente für einen kontinuierlichen Dialog mit dem betreffenden Staat.

Art. 8 Nr. 2 Übereinkommen

Eine Vertragspartei hat dem Ausschuss zur Erfüllung seiner Aufgabe folgende

Erleichterungen zu gewähren:

  1. Zugang zu ihrem Hoheitsgebiet und das Recht, sich dort uneingeschränkt zu bewegen;
  2. alle Auskünfte über die Orte, an denen sich Personen befinden, denen die Freiheit entzogen ist;
  3. unbeschränkten Zugang zu allen Orten, an denen sich Personen befinden, denen die Freiheit entzogen ist, einschließlich des Rechts, sich innerhalb dieser Orte ungehindert zu bewegen;
  4. alle sonstigen der Vertragspartei zur Verfügung stehenden Auskünfte, die der Ausschuss zur Erfüllung seiner Aufgabe benötigt. Bei der Beschaffung solcher Auskünfte beachtet der Ausschuss die innerstaatlichen Rechtsvorschriften einschließlich des Standesrechts.

Umstritten ist die Frage, ob das CPT bereits auf der Grundlage des Art. 8 Nr. 2 Buchst. d) des Übereinkommens auch ein eigenes Recht auf Einsicht in die Personal- und Gesundheitsakten der Gefangenen besitzt oder ob hierfür eine eigenständige Rechtsgrundlage im deutschen Recht erforderlich ist. Während man teilweise eine eigene Rechtsgrundlage fordert und daher versucht, jeweils eine Einwilligung der betroffenen Person in die Einsichtnahme einzuholen, lassen andere die zitierten Passagen aus dem Übereinkommen für die Akteneinsicht grundsätzlich ausreichen.

Zu dieser Frage habe ich gegenüber dem Staatsministerium der Justiz Stellung bezogen. Art. 8 Abs. 2 Buchst. d) des Übereinkommens als alleinige Rechtsgrundlage für eine Einsicht in die Akten der Gefangenen halte ich aufgrund der dort formulierten Einschränkung in Satz 2 nicht für überzeugend. Eine solche Auslegung wird dem Recht der betroffenen Gefangenen auf informationelle Selbstbestimmung trotz der Aufgabe und Bedeutung des CPT nicht gerecht.

Zur Lösung über eine - den Anforderungen an die Freiwilligkeit genügende - Einwilligung der Betroffenen teile ich uneingeschränkt die hiergegen vom CPT geäußerte Befürchtung, die Gefangenen könnten sich gegenüber der Einrichtung dem Zwang ausgesetzt fühlen, ihre Einwilligung nicht zu erteilen.

Nicht zuletzt aus Gründen der Rechtssicherheit halte demnach auch ich die Schaffung einer eigenen gesetzlichen Rechtsgrundlage für die Gewährung der Akteneinsicht zugunsten des CPT zur Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen aus Art. 8 des Übereinkommens für vorzugswürdig. Grundsätzliche Bedenken gegen eine spezielle gesetzliche Regelung der Einsichtnahme des CPT in die Gefangenenpersonal- und -gesundheitsakten habe ich nicht, soweit die Einsicht für die Aufgabenerfüllung des CPT im Rahmen des Übereinkommens erforderlich ist. Dem CPT als Einrichtung des Europarats kommt im völkerrechtlichen System des Menschenrechtsschutzes in Europa eine tragende Rolle zu. Ich würde daher die Einführung einer eigenen Rechtsgrundlage begrüßen, wie dies bereits einige andere Bundesländer in ihren Strafvollzugsgesetzen vorgesehen haben.

5.1.6. Wiedereinführung der Regelanfrage beim Landesamt für Verfassungsschutz für die Richterschaft

Genau 25 Jahre nach Abschaffung der Regelanfrage in Bayern führt die Staatsregierung diese für angehende Richterinnen und Richter zum 1. November 2016 wieder ein. Die - auch unter dem Stichwort "Radikalenerlass" bekannte - Regelanfrage soll vor jeder Einstellung eine routinemäßige Anfrage beim Landesamt für Verfassungsschutz nach Erkenntnissen ermöglichen, die gegebenenfalls auf eine verfassungsfeindliche Gesinnung schließen lassen. Anlass für die jetzige Wiedereinführung ist der Fall eines Richters, der am Amtsgericht Lichtenfels zum Proberichter ernannt wurde und zuvor in rechtsextremen Kreisen aktiv war.

Die Wiedereinführung der Regelanfrage lehne ich als unnötigen und erheblichen Grundrechtseingriff entschieden ab. Bereits heute bestehen hinreichende Möglichkeiten, die Verfassungstreue von Bewerberinnen und Bewerbern zu überprüfen. So erhalten diese Bewerberinnen und Bewerber bereits vor ihrer Bewerbung einen Fragebogen zur Prüfung der Verfassungstreue sowie eine gesonderte Erklärung hierzu, die sie auszufüllen und zu unterzeichnen haben.

Sollte eine betroffene Person diese Unterlagen zur Verfassungstreueprüfung wahrheitswidrig ausfüllen, ist ihre Ernennung zur Richterin oder zum Richter auf Lebenszeit gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 3 Deutsches Richtergesetz (DRiG) - wegen arglistiger Täuschung - in der Regel zurückzunehmen.

Bei Richterinnen und Richtern auf Probe ist die Entfernung aus dem Dienstverhältnis sogar unter leichteren Voraussetzungen möglich. Nach § 22 Abs. 1 DRiG kann ein Probeverhältnis während der ersten zwei Jahre nach Ernennung zu bestimmten Zeitpunkten ohne weitere Vorbedingung, lediglich nach pflichtgemäßem Ermessen, beendet werden. Daran anschließend gestattet § 22 Abs. 2 DRiG die Entlassung eines Richters auf Probe zum Ablauf des dritten oder vierten Jahres, wenn er für das Richteramt nicht geeignet ist oder wenn der Richterwahlausschuss seine Übernahme in das Richterverhältnis auf Lebenszeit ablehnt. Nach § 22 Abs. 3 DRiG kann ein Proberichter außerdem aus disziplinären Gründen entlassen werden, was auch eine vorläufige Dienstenthebung rechtfertigt (Art. 69 Abs. 1 Nr. 2 Bayerisches Richtergesetz). Die Entlassung von Richterinnen und Richtern auf Probe setzt im Übrigen keine Gerichtsentscheidung voraus, sondern erfolgt durch bloße Verfügung der jeweiligen Behörde.

Des Weiteren steht den bayerischen Staatsministerien als oberste Landesbehörden zusätzlich ein unbeschränktes Auskunftsrecht aus dem Bundeszentralregister zu (§ 41 Abs. 1 Nr. 2 Bundeszentralregistergesetz), wovon auch bereits im Bewerbungsverfahren Gebrauch gemacht werden kann. Aus dem Bundeszentralregister können sich ebenfalls Hinweise auf eine fehlende Verfassungstreue ergeben, insbesondere bei Eintragungen von Verurteilungen aus dem Staatsschutzbereich.

Neben den genannten Überprüfungsmöglichkeiten und Entlassungstatbeständen bieten die jeweiligen Prozessordnungen selbst ausreichend Sicherungsmechanismen, um etwaig politisch beeinflusste Entscheidungen zu verhindern:

Zu nennen sind hier an erster Stelle die Vorschriften über die Ablehnung eines Richters wegen Befangenheit (etwa § 24 Strafprozessordnung, § 42 Zivilprozessordnung, § 54 Verwaltungsgerichtsordnung, § 60 Sozialgerichtsgesetz). Diese ermöglichen bereits während eines laufenden Gerichtsverfahrens die Ablehnung eines Richters, "wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen" (§ 24 Abs. 2 Strafprozessordnung, § 42 Abs. 2 Zivilprozessordnung).

Weiterhin sieht grundsätzlich jede Prozessordnung vor, gerichtliche Entscheidungen durch das Einlegen von Rechtsmitteln überprüfen zu lassen. Die Rechtsmitteleinlegung hat zur Folge, dass das Verfahren zur Entscheidung in eine höhere Instanz gehoben und darüber hinaus die Rechtskraft bis zur endgültigen Entscheidung gehemmt wird.

Zudem kommt dem Öffentlichkeitsgrundsatz (§§ 69 ff. Gerichtsverfassungsgesetz, § 55 Verwaltungsgerichtsordnung, § 52 Arbeitsgerichtsgesetz, § 61 Sozialgerichtsgesetz) als einem der tragenden Verfahrensgrundsätze eine Transparenz- und Überwachungsfunktion zu. Hiernach finden Gerichtsverhandlungen einschließlich der Beweisaufnahme und Urteilsverkündung grundsätzlich öffentlich statt und sind jedermann zugänglich. Dies erlaubt eine Kontrolle durch die Allgemeinheit und die Medien.

Aufgrund dieser Schutzmechanismen und Kontrollinstrumente sehe ich keine Notwendigkeit, Bewerberinnen und Bewerber für ein Richteramt einer verschärften Prüfung zu unterziehen. Insbesondere sollten nicht wegen eines Einzelfalls nunmehr alle Bewerberinnen und Bewerber unter Generalverdacht gestellt werden.

Meine ablehnende Haltung habe ich gegenüber der Staatsregierung deutlich zum Ausdruck gebracht. Leider hat sie meinen grundsätzlichen Bedenken keine Rechnung getragen. Ich konnte lediglich die Aufnahme einiger Verfahrensgrundsätze erreichen, die bei Durchführung der Regelanfrage zukünftig zu beachten sind:

So dürfen Anfragen beim Landesamt für Verfassungsschutz erst erfolgen, wenn die Einstellung tatsächlich beabsichtigt ist und die Verfassungstreue - gegebenenfalls neben der gesundheitlichen Eignung - die letzte zu prüfende Einstellungsvoraussetzung ist. Weiterhin ist die Einstellungsbehörde verpflichtet, Bedenken, die gegen die Einstellung sprechen und die dafür erheblichen Tatsachen der betroffenen Person schriftlich mitzuteilen, um eine Überprüfung der Richtigkeit der Erkenntnisse zu ermöglichen. Findet ein Anhörungsgespräch statt, ist ein Protokoll zu führen, in das der Bewerberin oder dem Bewerber auf Antrag Einsicht zu gewähren ist.

5.2. Auskunftsersuchen der Landesjustizkasse an Jobcenter

Die Landesjustizkasse Bamberg ist bayernweit unter anderem mit der Beitreibung von Gerichtskosten betraut. Ein Jobcenter unterrichtete mich darüber, dass die Landesjustizkasse das Jobcenter per Formblatt um Auskunft über die Leistungen an einen Betroffenen sowie über dessen Arbeitgeber ersucht hat. Wie ich feststellen musste, besitzt die Landesjustizkasse jedoch keine gesetzliche Befugnis zur Datenerhebung bei einem Jobcenter.

Das Bundesverfassungsgericht geht für den Datenaustausch zwischen Behörden vom sogenannten Doppeltürmodell aus (Entscheidungen vom 24. Januar 2012 -1 BvR 1299/05 sowie vom 6. März 2014 - 1 BvR 3541/13). Dies bedeutet, dass bei einem Austausch von Daten sowohl für die Datenerhebung einerseits als auch für die Übermittlung der Daten andererseits jeweils eine eigene Rechtsgrundlage vorliegen muss.

Die für die Landesjustizkasse maßgebliche Justizbeitreibungsordnung sieht über die Verweisung auf einzelne Vorschriften der Zivilprozessordnung eine Befugnis zur Erhebung bestimmter Daten (wie etwa des aktuellen Arbeitgebers) nur bei den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung vor. Eine Datenerhebung bei Jobcentern ist von der Justizbeitreibungsordnung jedoch nicht abgedeckt. Die sozialgesetzlichen Vorschriften wiederum regeln zwar die Datenübermittlung, jedoch nicht die Datenerhebung durch die Landesjustizkasse. Schließlich ersetzt auch eine Berufung auf die Amtshilfevorschriften die notwendige gesonderte Rechtsgrundlage für die Datenerhebung nicht. Die Amtshilfe betrifft allein die Frage, ob eine um Information ersuchte Stelle bei Vorliegen einer Datenübermittlungsbefugnis auch verpflichtet ist, die ersuchten Daten zu übermitteln, nicht jedoch die Frage, ob die ersuchende Behörde zur Erhebung dieser Daten überhaupt befugt ist.

Die Landesjustizkasse hat sich meiner Rechtsauffassung zur fehlenden gesetzlichen Datenerhebungsbefugnis bei Jobcentern angeschlossen. Die Datenerhebung bei Jobcentern wurde eingestellt; die Beschäftigten wurden auf deren Unzulässigkeit hingewiesen.

5.3. Strafverfolgung

5.3.1. Wiederherstellung von "gelöschten" Fotos mit Zustimmung der Berechtigten

Eine Petentin wurde zufällig Zeugin einer massiven Schlägerei auf dem Oktoberfest. Sie machte davon Fotos und bot der Polizei diese Fotos an. Nachdem die Polizei deswegen jedoch zunächst nicht mehr an sie herantrat, löschte sie die Fotos von der Speicherkarte. Erst einige Monate später kam die Polizei auf das Angebot der Petentin zurück. Aufgrund ihrer Bedenken, dass auch rein private Fotos ohne Relevanz für das Strafverfahren auf der Speicherkarte enthalten seien, sicherte man der Petentin zu, nur die tatrelevanten Aufnahmen, nicht jedoch die sonstigen Privatfotos auf dem Speichermedium wiederherzustellen und zu verwenden. Damit erklärte sie sich pauschal einverstanden. Der polizeiliche Sachbearbeiter beauftragte die technische Auswertestelle der Polizei zunächst, alle Fotos mit Bezug zum Oktoberfest wiederherzustellen. Die Auswertestelle stellte daher insgesamt fünf Aufnahmen vom Oktoberfest wieder her.

Dieses Vorgehen habe ich als vertretbar bewertet. Die erste Eingrenzung des Auftrags, Bilder mit Oktoberfestbezug wiederherzustellen, war zunächst ausreichend, da die technische Stelle mit dem Gegenstand und dem Stand der Ermittlungen nicht im Detail vertraut war und daher die konkrete Tatrelevanz nicht hinreichend beurteilen konnte. Die weitere Prüfung, ob sämtliche wiederhergestellten Oktoberfestbilder auch tatsächlich einen relevanten Bezug zur konkreten Tat aufweisen und daher für das Strafverfahren von Bedeutung sind, hatte der polizeiliche Sachbearbeiter anhand des Standes seiner Ermittlungen zu treffen.

Datenschutzrechtlichen Einwänden begegnete jedoch das weitere Vorgehen. Der polizeiliche Sachbearbeiter erkannte offenbar bereits selbst, dass lediglich drei der wiederhergestellten Fotos tatrelevant waren. Diese drei Fotos legte er der Petentin vor, die den Tatbezug bestätigte und ihre Zustimmung zur Verwendung dieser Fotos erklärte. Die übrigen beiden Fotos vom Oktoberfest wurden der Petentin nicht vorgelegt; von deren Wiederherstellung wusste sie nichts. Dennoch gelangten auch diese beiden Fotos ohne Tatrelevanz zur Strafakte und wurden so in das Verfahren eingeführt. Dafür holte man aber weder eine Zustimmung der Petentin ein noch veranlasste man gegebenenfalls eine Beschlagnahme oder ähnliches.

Die Beinahme auch der nichttatrelevanten Fotos zur Akte habe ich kritisiert. Die zuständige Staatsanwaltschaft hat im Rahmen meiner Prüfung die betreffenden Fotos der Akte entnommen und in einen Sonderband übernommen, der einer Akteneinsicht grundsätzlich nicht unterliegt. Dadurch wird die besondere Sensibilität der beiden rein privaten Fotos beachtet. Eine nachträgliche Entnahme und Vernichtung der beiden Fotos konnte ich hingegen wegen des Grundsatzes der Aktenvollständigkeit hier nicht erreichen. Immerhin habe ich veranlasst, dafür Sorge zu tragen, dass die Fotos auch bei der Polizei nicht mehr gespeichert oder sonst aufbewahrt werden.

5.3.2. Prüfung von Funkzellenabfragen

Im Berichtszeitraum habe ich bei zwei Staatsanwaltschaften sogenannte nichtindividualisierte Funkzellenabfragen geprüft. Mit dieser Maßnahme können bei Straftaten von auch im Einzelfall erheblicher Bedeutung die Verbindungsdaten aller Mobilfunkgeräte, die sich in einem bestimmten Zeitraum in einer bestimmten räumlichen Funkzelle aufgehalten haben, von den Telekommunikationsanbietern abgefragt werden. Voraussetzung ist weiterhin, dass die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsorts von Beschuldigten auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. Rechtsgrundlage für eine Funkzellenabfrage war bis zum 17. Dezember 2015 § 100g Abs. 2 Satz 2, Abs. 1 Strafprozessordnung (StPO). Mit dem Gesetz zur Einführung einer Speicherfrist und Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten vom 10. Dezember 2015 (BGBl. I, S. 2218) wurde die Funkzellenabfrage nunmehr ausdrücklich in § 100g Abs. 3 StPO n.F. geregelt. Da die Prüfung der Funkzellenabfragen noch vor Inkrafttreten der Gesetzesänderung durchgeführt wurde, waren bezüglich der rechtlichen Anforderungen noch die bis zum 17. Dezember 2015 geltenden Bestimmungen zu beachten. Die Funkzellenabfrage ist aus datenschutzrechtlicher Sicht grundsätzlich kritisch zu sehen, da regelmäßig eine Vielzahl von Daten abgefragt werden und die weit überwiegende Zahl der Betroffenen der Funkzellenabfrage mit der verfolgten Tat meistens nicht in Verbindung steht. Die Einhaltung der grundrechtssichernden Verfahrensvorschriften ist daher von besonderer Bedeutung für die Betroffenen einer solchen Funkzellenabfrage.

Meine Prüfung hat zunächst gezeigt, dass in allen geprüften Verfahren die erforderliche richterliche Anordnung eingeholt wurde. Da ich die richterliche Anordnung selbst aufgrund der richterlichen Unabhängigkeit nicht überprüfen kann (Art. 2 Abs. 6 BayDSG), habe ich bei meiner weiteren Prüfung mein Augenmerk auf die grundrechtssichernden Verfahrensregelungen - wie etwa die Benachrichtigungs- und die Löschungspflicht - gelegt.

Die Strafprozessordnung bestimmt zur Absicherung der Grundechte der Betroffenen insbesondere, dass die an der betroffenen Telekommunikation Beteiligten von der Maßnahme der Funkzellenabfrage zu beachrichtigen sind § 101 Abs. 4 bis 6 StPO (jetzt: § 101a Abs. 6 StPO n.F. wobei dieser die Regelungen des § 101 Abs. 4 bis 6 StPO für weitgehend anwendbar erklärt.

§ 101 StPO Verfahrensregelungen bei verdeckten Maßnahmen

(4) Von den in Absatz 1 genannten Maßnahmen sind im Falle

  1. des § 98a die betroffenen Personen, gegen die nach Auswertung der Daten weitere Ermittlungen geführt wurden,
  2. des § 99 der Absender und der Adressat der Postsendung,
  3. des § 100a die Beteiligten der überwachten Telekommunikation,
  4. des § 100c
  5. der Beschuldigte, gegen den sich die Maßnahme richtete,
  6. sonstige überwachte Personen,
  7. Personen, die die überwachte Wohnung zur Zeit der Durchführung der Maßnahme innehatten oder bewohnten,
  8. des § 100f die Zielperson sowie die erheblich mitbetroffenen Personen,
  9. des § 100h Abs. 1 die Zielperson sowie die erheblich mitbetroffenen Personen,
  10. des § 100i die Zielperson,
  11. des § 110a
  12. die Zielperson,
  13. die erheblich mitbetroffenen Personen,
  14. die Personen, deren nicht allgemein zugängliche Wohnung der Verdeckte Ermittler betreten hat,
  15. des § 163d die betroffenen Personen, gegen die nach Auswertung der Daten weitere Ermittlungen geführt wurden,
  16. des § 163e die Zielperson und die Person, deren personenbezogene Daten gemeldet worden sind,
  17. des § 163f die Zielperson sowie die erheblich mitbetroffenen Personen

zu benachrichtigen. Dabei ist auf die Möglichkeit nachträglichen Rechtsschutzes nach Absatz 7 und die dafür vorgesehene Frist hinzuweisen. Die Benachrichtigung unterbleibt, wenn ihr überwiegende schutzwürdige Belange einer betroffenen Person entgegenstehen. Zudem kann die Benachrichtigung einer in Satz 1 Nummer 2 und 3 bezeichneten Person, gegen die sich die Maßnahme nicht gerichtet hat, unterbleiben, wenn diese von der Maßnahme nur unerheblich betroffen wurde und anzunehmen ist, dass sie kein Interesse an einer Benachrichtigung hat. Nachforschungen zur Feststellung der Identität einer in Satz 1 bezeichneten Person sind nur vorzunehmen, wenn dies unter Berücksichtigung der Eingriffsintensität der Maßnahme gegenüber dieser Person, des Aufwands für die Feststellung ihrer Identität sowie der daraus für diese oder andere Personen folgenden Beeinträchtigungen geboten ist.

(5) Die Benachrichtigung erfolgt, sobald dies ohne Gefährdung des Untersuchungszwecks, des Lebens, der körperlichen Unversehrtheit und der persönlichen Freiheit einer Person und von bedeutenden Vermögenswerten, im Fall des § 110a auch der Möglichkeit der weiteren Verwendung des Verdeckten Ermittlers möglich ist. Wird die Benachrichtigung nach Satz 1 zurückgestellt, sind die Gründe aktenkundig zu machen.

(6) Erfolgt die nach Absatz 5 zurückgestellte Benachrichtigung nicht binnen zwölf Monaten nach Beendigung der Maßnahme, bedürfen weitere Zurückstellungen der gerichtlichen Zustimmung. Das Gericht bestimmt die Dauer weiterer Zurückstellungen. Es kann dem endgültigen Absehen von der Benachrichtigung zustimmen, wenn die Voraussetzungen für eine Benachrichtigung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft nicht eintreten werden. Sind mehrere Maßnahmen in einem engen zeitlichen Zusammenhang durchgeführt worden, so beginnt die in Satz 1 genannte Frist mit der Beendigung der letzten Maßnahme. Im Fall des § 100c beträgt die in Satz 1 genannte Frist sechs Monate.

Ohne eine solche Benachrichtigung erfahren gerade die an der Tat unbeteiligten Betroffenen in der Regel nichts von der Maßnahme, die jedoch mitunter erheblich in ihre Privatsphäre eingreift. Die Benachrichtigung ist daher Voraussetzung für das Recht der Betroffenen, auch nach Beendigung der Maßnahme deren Rechtmäßigkeit sowie die Art und Weise ihres Vollzugs bei Gericht überprüfen zu lassen (§ 101 Abs. 7 Satz 2 StPO, jetzt: § 101a Abs. 6 Satz 2 StPO n.F. i.V.m. § 101 Abs. 7 Satz 2 StPO). Das Gesetz lässt allerdings zahlreiche Ausnahmen von der Benachrichtigungspflicht zu.

Während eine der beiden Staatsanwaltschaften in den meisten der geprüften Verfahren über die Notwendigkeit einer Benachrichtigung entschieden und diese Entscheidung in der Akte dokumentiert hatte, war eine solche aktenmäßig dokumentierte Entscheidung den Akten der anderen Staatsanwaltschaft in keinem der geprüften Fälle zu entnehmen. Auch falls im konkreten Einzelfall eine gesetzliche Ausnahme von der Benachrichtigungspflicht greift, halte ich es jedoch für erforderlich, die getroffene Entscheidung - sei es über die Benachrichtigung, deren Unterbleiben oder deren Zurückstellung - und die Gründe hierfür aktenkundig zu machen. Zwar ist dies gesetzlich nur für das Zurückstellen der Benachrichtigung nach § 101 Abs. 5 StPO, nicht aber für das gänzliche Unterbleiben gemäß Abs. 4 vorgeschrieben. Ein entsprechender Vermerk in den Akten nach Abschluss des Verfahrens dient jedoch der Übersichtlichkeit sowie der Nachvollziehbarkeit der Entscheidungen der Staatsanwaltschaft im Nachhinein. Zudem fördert eine Pflicht, die eigene Entscheidung aktenkundig zu machen, die Sensibilität für diese Thematik und verhindert, dass die Problematik der Benachrichtigung schlichtweg übersehen und damit das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung der überwiegend unbeteiligt Betroffenen nicht hinreichend beachtet wird.

Ein ganz ähnliches Ergebnis zeigte meine Prüfung auch im Bereich der Löschungspflicht nach § 101 Abs. 8 StPO (jetzt: § 101a Abs. 3 Satz 4 StPO n.F. der jedoch § 101 Abs. 8 StPO ebenfalls für entsprechend anwendbar erklärt).

§ 101 StPO Verfahrensregelungen bei verdeckten Maßnahmen

(8) Sind die durch die Maßnahme erlangten personenbezogenen Daten zur Strafverfolgung und für eine etwaige gerichtliche Überprüfung der Maßnahme nicht mehr erforderlich, so sind sie unverzüglich zu löschen. Die Löschung ist aktenkundig zu machen.

Naturgemäß betrifft die Funkzellenabfrage Personen die weit überwiegend keinerlei Verfahrensbezug zur Tat haben. Deshalb halte ich es aufgrund der Bedeutung der Löschpflicht für erforderlich, die getroffene Entscheidung über die Löschung aktenkundig zu machen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass die Löschung übersehen wird oder in Vergessenheit gerät. Zwar bestimmt § 101 Abs. 8 Satz 2 StPO ausdrücklich nur, dass die Löschung an sich aktenkundig zu machen ist. Gleiches muss sich jedoch aus den genannten Gründen des Grundrechtsschutzes auch ergeben, wenn die erforderliche Prüfung der Löschungspflicht nicht die Löschung zum Ergebnis hat, sondern die Feststellung, dass die erhobenen Daten zunächst weiterhin zur Strafverfolgung erforderlich sind. Jedenfalls sollte spätestens nach Abschluss des Verfahrens ein solcher Vermerk erfolgen. Soweit die erhobenen Daten als weiterhin zur Strafverfolgung erforderlich im Sinne von § 101 Abs. 8 StPO angesehen werden (unter Umständen etwa bei Verfahren mit unbekannten Täterinnen oder Tätern), ist dieses Ergebnis regelmäßig in angemessenen Zeitabständen zu überprüfen und das Ergebnis dieser Überprüfung der Erforderlichkeit ebenfalls in den Akten festzuhalten.

Den beiden geprüften Staatsanwaltschaften habe ich meine Rechtsauffassung mitgeteilt und sie aufgefordert, die in den betreffenden Verfahren bislang nicht aktenkundigen Entscheidungen über die Benachrichtigung der Betroffenen und die Löschung der Daten nachzuholen und in den Akten zu dokumentieren.

Ich habe zudem auch die weitere Verarbeitung der mit der Funkzellenabfrage erhobenen Daten geprüft. In Betracht kommen hierfür insbesondere die Maßnahmen der Rasterfahndung nach § 98a StPO sowie des maschinellen Datenabgleichs im Sinne von § 98c StPO.

§ 98a StPO Rasterfahndung

(1) Liegen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, daß eine Straftat von erheblicher Bedeutung

  1. auf dem Gebiet des unerlaubten Betäubungsmittel- oder Waffenverkehrs, der Geld- oder Wertzeichenfälschung,
  2. auf dem Gebiet des Staatsschutzes (§§ 74a, 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes),
  3. auf dem Gebiet der gemeingefährlichen Straftaten,
  4. gegen Leib oder Leben, die sexuelle Selbstbestimmung oder die persönliche Freiheit,
  5. gewerbs- oder gewohnheitsmäßig oder
  6. von einem Bandenmitglied oder in anderer Weise organisiert

begangen worden ist, so dürfen, unbeschadet §§ 94, 110, 161, personenbezogene Daten von Personen, die bestimmte, auf den Täter vermutlich zutreffende Prüfungsmerkmale erfüllen, mit anderen Daten maschinell abgeglichen werden, um Nichtverdächtige auszuschließen oder Personen festzustellen, die weitere für die Ermittlungen bedeutsame Prüfungsmerkmale erfüllen. Die Maßnahme darf nur angeordnet werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Täters auf andere Weise erheblich weniger erfolgversprechend oder wesentlich erschwert wäre.

§ 98c StPO Maschineller Abgleich mit vorhandenen Daten

Zur Aufklärung einer Straftat oder zur Ermittlung des Aufenthaltsortes einer Person, nach der für Zwecke eines Strafverfahrens gefahndet wird, dürfen personenbezogene Daten aus einem Strafverfahren mit anderen zur Strafverfolgung oder Strafvollstreckung oder zur Gefahrenabwehr gespeicherten Daten maschinell abgeglichen werden. Entgegenstehende besondere bundesgesetzliche oder entsprechende landesgesetzliche Verwendungsregelungen bleiben unberührt.

Meine Prüfung hat gezeigt, dass die erforderliche Abgrenzung zwischen einer Rasterfahndung, die den speziellen Voraussetzungen und Regelungen der §§ 98a und § 98b StPO unterliegt, und dem bloßen Datenabgleich nach § 98c StPO nicht immer trennscharf möglich und daher nicht immer leicht zu finden ist. Dabei steht die Rasterfahndung im Gegensatz zum Datenabgleich unter einem gesetzlichen Richtervorbehalt. Zudem bestimmt § 98b Abs. 4 StPO für die Rasterfahndung, dass die jeweils zuständige Datenschutzbehörde über diese Maßnahme nach ihrer Beendigung zu unterrichten ist. Insbesondere wenn in einem Strafverfahren die erhobenen Funkzellendaten mit Funkzellendaten aus anderen ähnlichen gelagerten Strafverfahren maschinell abgeglichen werden, stellt sich die Frage, ob ein solcher Abgleich noch auf § 98c StPO gestützt werden kann oder ob eine Rasterfahndung vorliegt. In derartigen Konstellationen holen einige Staatsanwaltschaften mitunter Rasterfahndungsbeschlüsse ein und gehen damit der Abgrenzungsproblematik im Einzelfall und somit einer eventuell später auftretenden Verwertungsproblematik aus dem Weg. Auch ich halte diesen Weg für vorzugswürdig. Hierauf habe ich die geprüften Staatsanwaltschaften hingewiesen.

5.3.3. Automatische Angabe des Geburtsdatums von Angeklagten in forumSTAR-Straf

Die Strafgerichte in Bayern arbeiten mit dem EDV-Programm forumSTAR-Straf. Dieses Programm ermöglicht die Erstellung von Schreiben mit Textbausteinen. Dabei werden bestimmte Daten zum Betreff des Verfahrens jeweils automatisch aus den Grunddaten übernommen. Wie ich erfahren habe, wird dabei neben dem Namen von Angeklagten und dem Tatvorwurf auch das Geburtsdatum von Angeklagten automatisch in die mit Hilfe dieses Programms erstellten Schreiben, wie etwa Zeugenladungen, übernommen. Auch wenn ich die konkrete Gestaltung von Zeugenladungen durch ein Gericht in einem gerichtlichen Verfahren im Einzelnen nicht überprüfen kann (Art. 2 Abs. 6 BayDSG), so habe ich die generelle automatische Übernahme des Geburtsdatums durch das Programm forumSTAR-Straf gegenüber dem Staatsministerium der Justiz problematisiert. Zwar kann das Geburtsdatum von Angeklagten ein erforderliches und sachgerechtes Unterscheidungskriterium darstellen, um die jeweiligen Angeklagten eindeutig identifizieren zu können. Dies ist etwa bei Ladungen von Zeuginnen und Zeugen der Fall, die aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit mit einer Vielzahl von Verfahren und Zeugenaussagen in Berührung kommen, wie zum Beispiel Polizeibeamtinnen und -beamten oder Beschäftigten bestimmter Ämter. In vielen anderen Fällen halte ich jedoch die Angabe des Geburtsdatums insbesondere auf Zeugenladungen nicht für erforderlich. Besonders problematisch war die Tatsache, dass forumSTAR-Straf eine manuelle Verhinderung der automatischen Übernahme des Geburtsdatums oder dessen nachträgliche Löschung bislang nicht vorsah. Mit meinem Wunsch, auf die automatische Übernahme des Geburtsdatums zu verzichten, konnte ich mich zwar nicht durchsetzen. Das Justizministerium ist meiner Bitte gefolgt und hat das Programm in einem ersten Schritt so geändert, dass das zunächst in den Textbaustein übernommene Geburtsdatum entfernt werden konnte. In einem zweiten Schritt wurde das Geburtsdatum aus den entsprechenden Textbausteinen entfernt. Es ist nun durch die Anwenderin oder den Anwender zu ergänzen, soweit es für erforderlich angesehen wird. Sämtliche Anwenderinnen und Anwender wurden auf diese neu geschaffenen Möglichkeiten hingewiesen. Durch diese Neuerung kann bei sachgemäßer Handhabung das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Angeklagten mit dem Interesse der Justiz an einer funktionsfähigen Rechtspflege im jeweiligen Einzelfall zu einem angemessenen Ausgleich gebracht werden.

5.3.4. Umfang einer Einstellungsmitteilung an Anzeigeerstatter

Ein Autohaus erstattete Strafanzeige wegen Unterschlagung eines Fahrzeugs. Von der Staatsanwaltschaft erhielt das Autohaus nach einiger Zeit eine Mitteilung über eine Teileinstellung des Verfahrens. Die Gründe der Mitteilung standen jedoch nicht nur in Zusammenhang mit der Strafanzeige des Autohauses. Vielmehr waren darin auch Ausführungen zu ebenfalls eingestellten Tatvorwürfen wie versuchter Schwangerschaftsabbruch, versuchte Körperverletzung und versuchter Einbruchsdiebstahl enthalten. Diese bezogen sich offenkundig auf andere Strafanzeigen und andere Sachverhalte. Ich habe darin eine unzulässige Übermittlung von Daten des Beschuldigten an das Autohaus gesehen. Die verschiedenen Anzeigen gegen den Beschuldigten wurden von der Staatsanwaltschaft in einem einheitlichen Ermittlungsverfahren behandelt und in eine einheitliche Einstellungsbegründung zusammengefasst. Dagegen bestehen an sich keine Einwände. Jedoch muss im Zuge der Mitteilung der Einstellung und ihrer Gründe darauf geachtet werden, dass an unterschiedliche Anzeigeerstatter jeweils nur diejenigen Teile mitgeteilt werden, die den jeweils angezeigten Sachverhalt betreffen und keine Informationen übermittelt werden, die allein andere Anzeigeerstatter betreffen. Erleichtert wird diese notwendige Differenzierung bei der Übermittlung der Einstellung, wenn bereits bei Gestaltung der Einstellung und ihrer Gründe zwischen den einzelnen voneinander getrennten Anzeigen unterschieden wird. Um künftig derartige Fälle zu vermeiden hat die betroffene Staatsanwaltschaft ihre Beschäftigten bezüglich der geschilderten Problematik entsprechend sensibilisiert.

5.3.5. Mitteilungen der Staatsanwaltschaft zum Wählerverzeichnis

Nach § 45 Strafgesetzbuch verliert die Person, die wegen eines Verbrechens zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt wurde, automatisch für eine bestimmte Zeit ihr passives Wahlrecht. Darüber hinaus kann das Strafgericht in bestimmten Fällen den Verlust des aktiven wie auch des passiven Wahlrechts für eine bestimmte Zeit aussprechen. In all diesen Fällen teilt die Staatsanwaltschaft diese Tatsache - ohne Bezeichnung der Tat - derjenigen Verwaltungsbehörde mit, die das Wählerverzeichnis führt. Diese sogenannte Mitteilung zum Wählerverzeichnis hat ihre gesetzliche Rechtsgrundlage in § 13 Abs. 1 Nr. 5 Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz und ist in Nr. 12 der Anordnung über Mitteilungen in Strafsachen (MiStra) näher geregelt. In Bayern sind die Gemeinden für die Führung des Wählerverzeichnisses zuständig. Wie mir jedoch ein Landratsamt mitteilte, erhielt man dort bereits wiederholt derartige Mitteilungen einer bestimmten Staatsanwaltschaft zum Wählerverzeichnis, obwohl die Mitteilung an die jeweilige kreisangehörige Gemeinde zu richten gewesen wäre. Ich habe die Staatsanwaltschaft auf diese Sachlage hingewiesen, da die Mitteilung an eine unzuständige Behörde regelmäßig eine nicht erforderliche Datenübermittlung darstellt. Die Staatsanwaltschaft hat sich meiner Auffassung zur zuständigen Empfangsbehörde für die Mitteilungen zum Wählerverzeichnis angeschlossen. Sie hat aufgrund meines Hinweises von sich aus organisatorische Maßnahmen ergriffen, um eine Versendung der Mitteilungen an eine unzuständige Behörde künftig zu vermeiden.

5.3.6. Beschriftung von Aktenordnern

Im Zuge der Prüfung einer Eingabe habe ich von einer Staatsanwaltschaft die entsprechenden Strafakten angefordert und eingesehen. Dabei musste ich feststellen, dass die mir übersandten Aktenordner teilweise noch Beschriftungen aus einer vorherigen Verwendung der Ordner in anderen Verfahren enthielten. So konnte man auf dem Aktenrücken ohne weiteres Namen und Geburtsdatum von Beschuldigten und Geschädigten sowie die dazugehörigen Tatvorwürfe aus anderen Verfahren ablesen, die mit dem aktuellen Verfahren und dem Akteninhalt in keiner Verbindung standen. Eine solche Beschriftung mit Daten der Verfahrensbeteiligten aus früheren Verfahren bei der Wiederverwendung von Aktenordnern für neue Verfahren kann zu einer unzulässigen Datenübermittlung führen. Bei einer Aktenversendung - gleich an welche Stelle oder welche Person - ist stets sorgfältig darauf zu achten, dass die Aktenordner nur die zutreffende Beschriftung enthalten. Sofern Aktenordner für neue Verfahren wiederverwendet werden, ist darauf zu achten, dass bisherige Beschriftungen der Ordner mit personenbezogenen Daten gänzlich unkenntlich gemacht werden. Ich habe die betreffende Staatsanwaltschaft aufgefordert, die betroffenen Aktenrücken zu ändern und die oben genannten Ausführungen künftig zu beachten.

5.4. Prüfung von Jugendarrestanstalten

Im Berichtszeitraum habe ich zwei Jugendarrestanstalten geprüft. Die Verhängung von Jugendarrest ist in § 13 und § 16 Jugendgerichtsgesetz (JGG) geregelt. Er wird in Bayern in speziellen Jugendarrestanstalten vollzogen. Jugendarrest wird in denjenigen Fällen verhängt, in denen eine Jugendstrafe nicht geboten ist, dem Jugendlichen jedoch eindringlich zum Bewusstsein gebracht werden muss, dass er für das von ihm begangene Unrecht einzustehen hat (§ 13 Abs. 1 JGG). Jugendarrest stellt keine Strafe wie etwa die Jugendstrafe dar, sondern ein Zuchtmittel, das nicht die Rechtswirkungen einer Strafe besitzt (§ 13 Abs. 3 JGG). Dieses Wesen des Jugendarrestes hat auch auf die datenschutzrechtlichen Bewertungen Einfluss. Zudem ist der Jugendarrest im Gegensatz zum sonstigen Strafvollzug von vornherein stets auf eine relativ kurze Zeit bemessen; so kann auch der Dauerarrest für nur höchstens 4 Wochen angeordnet werden.

Der Vollzug des Jugendarrests ist zunächst in § 90 JGG geregelt.

§ 90 JGG Jugendarrest

(1) Der Vollzug des Jugendarrestes soll das Ehrgefühl des Jugendlichen wecken und ihm eindringlich zum Bewußtsein bringen, daß er für das von ihm begangene Unrecht einzustehen hat. Der Vollzug des Jugendarrestes soll erzieherisch gestaltet werden. Er soll dem Jugendlichen helfen, die Schwierigkeiten zu bewältigen, die zur Begehung der Straftat beigetragen haben.

(2) Der Jugendarrest wird in Jugendarrestanstalten oder Freizeitarresträumen der Landesjustizverwaltung vollzogen. Vollzugsleiter ist der Jugendrichter am Ort des Vollzugs.

Weitere Rechtsgrundlage des Vollzugs des Jugendarrests im Rahmen des § 90 JGG ist - bis zur Schaffung einer näheren gesetzlichen Vollzugsregelung - lediglich die Jugendarrestvollzugsordnung (JAVollzO), eine Rechtsverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 30. Januar 1976. Die ergänzenden, bundesweit einheitlichen Verwaltungsvorschriften hierzu, die Richtlinien zur Jugendarrestvollzugsordnung (RiJAVollzO), stammen für Bayern aus dem Jahr 1977.

Wie ich im Rahmen meiner Prüfung von Arrestanstalten feststellen konnte, genügt die Jugendarrestvollzugsordnung im Vergleich zu den Vollzugsgesetzen für die Strafhaft und die Untersuchungshaft den Anforderungen an einen modernen Jugendarrestvollzug nicht mehr durchgehend. Beispielhaft sei nur auf die Regelung des § 20 JAVollzO zum Verkehr mit der Außenwelt verwiesen. Außer in dringenden Fällen geht sie von der grundsätzlichen Unzulässigkeit des Außenkontakts aus und sieht sogar hinsichtlich eines nicht überwachten Außenkontakts keine privilegierten Stellen vor, wie es etwa im Bereich des Strafvollzugs üblich ist (vgl. Art. 32 Abs. 2 Bayerisches Strafvollzugsgesetz - BayStVollzG). Gleichfalls fehlen in der Jugendarrestvollzugsordnung auf den Jugendarrestvollzug zugeschnittene allgemeine Regelungen zur Erhebung, Nutzung und Verarbeitung personenbezogener Daten, etwa vergleichbar mit Art. 196 ff. BayStVollzG. Der Vollzug des Jugendarrests bringt zwangsläufig zahlreiche Grundrechtseingriffe von erheblichem Gewicht mit sich. Diese Eingriffe erfordern mit Blick auf die Wesentlichkeitstheorie des Bundesverfassungsgerichts jeweils eine normenklare und ausreichend bestimmte gesetzliche Rechtsgrundlage in Gestalt eines förmlichen Gesetzes. Ein solches modernes Gesetz für den Jugendarrestvollzug würde im Übrigen auch über den Datenschutz hinaus sowohl den Arrestanten als auch den Bediensteten im Jugendarrest mehr Rechtssicherheit in Fragen des Vollzugs geben als die vergleichsweise nur rudimentär ausgestaltete Jugendarrestvollzugsordnung. Dies habe ich auch dem Staatsministerium der Justiz mitgeteilt und die Schaffung eines modernen Vollzugsgesetzes für den Jugendarrest gefordert. Das Justizministerium hat mir mitgeteilt, es werde bei der anstehenden Erarbeitung eines modernen Jugendarrestvollzugsgesetzes meine Hinweise berücksichtigen.

5.5. Strafvollzug

5.5.1. Videoüberwachung

Meine regelmäßigen Prüfungen von Justizvollzugsanstalten habe ich auch in diesem Berichtszeitraum fortgeführt. Dabei habe ich wiederum auch die dortigen Videoüberwachungsmaßnahmen geprüft (zu den wichtigsten Gesichtspunkten siehe 26. Tätigkeitsbericht 2014 unter Nr. 5.4.4).

In einer Justizvollzugsanstalt habe ich auch dieses Mal die Videoüberwachung der Außenmauern kritisiert. Einige der schwenkbaren Kameras mit Zoom-Funktion konnten auch Privathäuser in der Nachbarschaft erfassen. Der hierdurch mögliche, mitunter deutliche Einblick in die Privatsphäre dritter Personen war nicht zulässig. Ich habe die Justizvollzugsanstalt daher aufgefordert, die Erfassung der Privathäuser durch geeignete technische Maßnahmen zu unterbinden. Die Anstalt ist dem durch eine entsprechende Einschränkung des Schwenkbereichs nachgekommen. Weiterhin habe ich bei zwei Justizvollzugsanstalten festgestellt, dass auf die Videoüberwachung erst unmittelbar am Eingang zur Justizvollzugsanstalt hingewiesen wurde. Ein Hinweis bereits an der Einfahrt zum Besucherparkplatz, der von der Videoüberwachung miterfasst wurde, fehlte hingegen. Damit war nicht gewährleistet, dass Besucherinnen und Besucher der Justizvollzugsanstalt rechtzeitig mit Betreten der videoüberwachten Bereiche auf die durchgeführte Videoüberwachung aufmerksam wurden und ihr Verhalten demgemäß daran ausrichten konnten. Die geprüften Justizvollzugsanstalten haben auf meine Bitte hin die erforderlichen Hinweisschilder angebracht.

5.5.2. Kopieren eines unverschlossenen, nicht der Überwachung unterliegenden Briefes

Nach Art. 32 Abs. 3 Bayerisches Strafvollzugsgesetz (BayStVollzG) darf der Schriftwechsel eines Gefangenen im Strafvollzug überwacht werden, soweit es aus Gründen der Behandlung oder der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erforderlich ist.

Davon ausgenommen ist der Schriftwechsel mit bestimmten im Gesetz ausdrücklich benannten Stellen, wie insbesondere dem Verteidiger des Gefangenen und den Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder (Art. 32 Abs. 1 und 2 BayStVollzG). Ebenso von der Briefüberwachung ausgenommen ist der Schriftwechsel von Gefangenen mit den Mitgliedern des Anstaltsbeirats (siehe Art. 187 Abs. 2 Satz 2 BayStVollzG).

Mit dem Thema der Überwachung des Schriftwechsels mit dem Anstaltsbeirat war ich in folgendem Fall befasst: Ein Gefangener gab einen Brief mit einer Beschwerde an den Anstaltsbeirat unverschlossen bei einem Vollzugsbediensteten zur Weiterleitung ab. Wie mir mitgeteilt wurde, äußerte der Gefangene den Wunsch, den Inhalt seiner Beschwerde auch mit dem Leiter des Vollzugsdienstes zu besprechen. Für das Gespräch mit dem Gefangenen fertigte der Leiter des Vollzugsdienstes als Gedächtnisstütze eine Kopie dieses unverschlossenen Briefes an und brachte das Original auf den Postweg. Der Gefangene willigte in die Anfertigung einer Kopie nicht ein; vielmehr erfuhr er davon erst viel später. Die Briefkopie gelangte in der Folgezeit zur Gefangenenpersonalakte. Aus welchen Gründen dies geschah, konnte nicht mehr aufgeklärt werden. Die Justizvollzugsanstalt hat auf meine Nachfrage hin eingeräumt, dass das Anfertigen der Kopie in diesem Fall unzulässig war, da der Brief an den Anstaltsbeirat nicht der Briefüberwachung unterlag. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass sich der Gefangene mit dem unverschlossenen Brief von sich aus an den Bediensteten gewandt hat, um den Inhalt des Briefes auch mit diesem zu besprechen. Auch die spätere Beinahme zur Gefangenenpersonalakte war dementsprechend unzulässig. Die Kopie wurde aus der Gefangenenpersonalakte entnommen und vernichtet. Die Justizvollzugsanstalt hat zudem ihre Bediensteten auf diese Thematik hingewiesen.

5.5.3. Versand von Gesundheitsdaten per Telefax an falschen Empfänger

Nach seiner Haftentlassung bat ein Petent die Justizvollzugsanstalt (JVA) schriftlich um Übersendung bestimmter ärztlicher Unterlagen an seinen namentlich mit Postanschrift benannten Hausarzt. Kurz darauf erhielt er die Nachricht seines Rechtsanwalts, dass die angeforderten Unterlagen des Anstaltsarztes per Fax in der Kanzlei statt beim Hausarzt eingegangen waren. Das Ersuchen des Petenten an die JVA wies jedoch den Petenten selbst als Absender aus, seine Anwaltskanzlei war darin in keiner Weise genannt. Wie sich im Rahmen meiner Prüfung herausstellte, hatte der Petent offenbar veranlasst, dass die Versendung seines Anschreibens an die JVA vom Telefaxgerät seines Rechtsanwalts aus vorgenommen wurde. Der Anstaltsarzt wiederum ging davon aus, dass es sich bei der im Empfangsexemplar automatisch aufgedruckten Faxnummer um die Faxnummer des Petenten oder seines Hausarztes handele. Er hatte daher die ärztlichen Unterlagen an die dort angegebene Faxnummer versandt. Durch die Versendung der Unterlagen an den Rechtsanwalt gegen den Willen des Petenten wurde gegen Datenschutzvorschriften verstoßen. Der Anstaltsarzt bedauerte sein Versehen ausdrücklich und sicherte mir künftig eine erhöhte Sorgfalt in derartigen Fällen zu.

Mit der Übermittlung personenbezogener Daten per Telefax habe ich mich bereits mehrfach befasst. Diese weist in datenschutzrechtlicher Hinsicht immer wieder erhebliche Probleme und Risiken auf. Da Verschlüsselungstechniken bei einem Telefax-Versand - ob konventionell oder auch mittels PC - aufgrund des verwendeten Protokolls derzeit nicht zur Verfügung stehen, sollte zur Gewährleistung der Vertraulichkeit - außer wenn dadurch in einem Notfall eine nicht zumutbare Zeitverzögerung entstehen würde - ein Versand sensibler personenbezogener Daten per Telefax grundsätzlich unterbleiben (siehe 21. Tätigkeitsbericht 2004 unter Nr. 22.2.2.4). Dies gilt umso mehr, soweit es sich um besonders sensible Daten wie vorliegend Gesundheitsdaten im Sinne von Art. 200 Abs. 2 Bayerisches Strafvollzugsgesetz handelt. Es wäre daher vom Anstaltsarzt zunächst sorgfältig zu prüfen gewesen, ob nicht ein Versand der angeforderten Daten per Post gegenüber einem Versand per Telefax vorzuziehen gewesen wäre. Hier lag die Besonderheit vor, dass der Petent zwar einerseits keine Telefaxnummer seines Hausarztes angegeben, andererseits jedoch unter Fristsetzung ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass die angeforderten Befunde ärztlicherseits dringend benötigt werden.

Weiterhin sind bei der Ermittlung der zutreffenden Telefaxnummer besondere Anforderungen an die Sorgfalt zu wahren. Diese Sorgfaltspflichten hat der Anstaltsarzt nicht eingehalten, weshalb ein Datenschutzverstoß zum Nachteil des Petenten vorlag. Bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die beim Empfang des Telefaxes in der Absenderzeile automatisch aufgedruckte Faxnummer eindeutig und ausschließlich dem Absender zuzuordnen ist, sofern der Absender sie nicht als eigene Faxnummer bezeichnet. Vorliegend kommt hinzu, dass der Petent die Versendung nicht an sich selbst, sondern ausdrücklich an seinen Hausarzt wünschte. Zu den Risiken bei der Ermittlung der zutreffenden Faxnummer siehe bereits meinen 26. Tätigkeitsbericht 2014 unter Nr. 5.2.3. Zu diesen und weiteren Gesichtspunkten beim Telefaxversand halte ich zudem weitere Hinweise ("Datensicherheit beim Telefax-Dienst") auf meiner Homepage https://www.datenschutz-bayern.de bereit.

5.6. Bildaufnahmen zur Verfolgung von Parkverstößen

Ausgehend von Bürgereingaben und Behördenanfragen habe ich mich mit der Frage beschäftigt, ob und unter welchen Voraussetzungen bei der Verfolgung von Verkehrsordnungswidrigkeiten im Zusammenhang mit Parkverstößen von den Behörden Bildaufnahmen angefertigt werden dürfen. Grundsätzlich begegnet die Anfertigung von Lichtbildern der betreffenden Fahrzeuge oder des betreffenden Umfeldes bei Parkverstößen durch die Verfolgungsbehörden an sich keinen Einwänden. Dies gilt jedenfalls, soweit Lichtbilder von dem betreffenden Fahrzeug und der konkreten Verkehrssituation angefertigt werden, die zur Verfolgung des konkreten Vorwurfs erforderlich sind und nicht gezielt etwa Personen oder Fahrzeuge erfasst werden, die mit der Verfolgung des Verkehrsverstoßes in keinerlei Zusammenhang stehen.

Die Anfertigung von Lichtbildern zur Verfolgung von Parkverstößen findet ihre Rechtsgrundlage in der Generalklausel des § 161 Abs. 1 Strafprozessordnung (StPO) in Verbindung mit § 46 Abs. 1 Ordnungswidrigkeitengesetz. Zudem kommt wie bei der Verkehrsüberwachung im fließenden Verkehr § 100h Abs. 1 Nr. 1 StPO in Betracht. Das Anfertigen von Lichtbildaufnahmen zur Feststellung und Dokumentation von Parkverstößen kann auch zusätzlich zu einer Zeugenaussage grundsätzlich als erforderlich angesehen werden. Die Lichtbilder sind als Augenscheinobjekt im Bußgeldverfahren - auch vor Gericht - grundsätzlich verwertbar und stellen damit neben der Zeugenaussage der Beschäftigten der Verkehrsüberwachung ein weiteres Beweismittel dar, welches zudem von anderer Art (Augenschein statt Zeugenbeweis) und damit anderer Qualität ist.

Hinsichtlich des technisch-organisatorischen Verfahrens der Erstellung und Speicherung der Fotos sind dem Stand der Technik entsprechende Maßnahmen zur Sicherstellung von Datenschutz und Datensicherheit zu treffen, die insbesondere die Vertraulichkeit und die Unversehrtheit der Daten gewährleisten.

Grundlegende datenschutzrechtliche Bedenken habe ich hingegen, soweit personenbezogene Inhalte der - gegebenenfalls zulässig angefertigten - Lichtbilder, welche zur Verfolgung des Parkverstoßes nicht erforderlich sind, nicht unkenntlich gemacht werden. Dazu zählen insbesondere Passanten im Hintergrund oder Kennzeichen anderer unbeteiligter Fahrzeuge. Bereits bei der Anfertigung der Lichtbilder ist darauf zu achten, solche überschießenden Datenerhebungen zu vermeiden. Gelingt dies im Einzelfall nicht, ist eine entsprechende Schwärzung von unbeteiligten Personen (Gesichter) und unbeteiligten Fahrzeugen (Kennzeichen) auf den Fotos erforderlich. Dabei ist die gebotene Schwärzung zur Sicherung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung so früh als möglich und damit nicht erst auf den eventuellen Ausdrucken der Fotos, sondern grundsätzlich bereits im elektronischen Bearbeitungssystem selbst durchzuführen.