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Der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz; Stand: 31.12.2024
6. Schulen
6.1. Beratung bei der Änderung schulrechtlicher Vorschriften
Im Jahr 2024 wurden unter anderem das Bayerische Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen, die Bayerische Schulordnung und die Grundschulordnung geändert. Betroffen waren dabei auch datenschutzrelevante Vorschriften. Ich habe das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus jeweils eingehend beraten.
Herausgreifen möchte ich Änderungen an Vorschriften, durch welche die Bayerische Staatsregierung verbindliche Sprachstandserhebungen und Sprachfördermaßnahmen vor der Einschulung sicherstellen will. Gemäß dem Gesetzentwurf schafft eine fundierte Sprachstandserhebung die notwendige Grundlage, um die Zeit bis zur Einschulung bedarfsgerecht für geeignete Fördermaßnahmen nutzen zu können und rechtzeitig sicherzustellen, dass vor der Einschulung erforderliche Förderangebote wahrgenommen werden.
Durch meine Stellungnahmen konnte ich erfreulicherweise datenschutzrechtliche Verbesserungen erreichen:
Der parlamentarische Gesetzgeber hat das Kultusministerium in Art. 89 Bayerisches Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) im dort genannten Rahmen ermächtigt, Näheres durch eine Rechtsverordnung zu regeln. Auf dieser Grundlage wollte das Kultusministerium in der Grundschulordnung einzelne Regelungen zur Sprachstandserhebung vor der Einschulung treffen. Meiner Bitte, die Verordnungsermächtigung durch die Einfügung der Wörter "und die vorausgehende Sprachstandserhebung und -förderung" in Art. 89 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 BayEUG klarzustellen, wurde nachgekommen. Zudem enthält die Begründung des Gesetzentwurfs nun folgenden Satz: "Die Verordnungsermächtigung wird hinsichtlich der Sprachstandserhebung und -förderung ergänzt." Die dadurch erlangte Rechtsklarheit unterstützt die Umsetzung der Regelungen auch in datenschutzrechtlicher Hinsicht.
Soweit bei Kindern vor der Einschulung gemäß Art. 37 Abs. 3 Satz 2, 3 BayEUG eine Sprachstandserhebung an der jeweils zuständigen Sprengelschule durchgeführt werden soll, war im Regelungsentwurf die Option vorgesehen, dass eine Tonaufnahme angefertigt und bis zur Auswertung an der Grundschule gespeichert werden kann.
Angesichts des Grundsatzes der Datenminimierung (vgl. Art. 5 Abs. 1 Buchst. c DSGVO) war allerdings insbesondere zu ergänzen, dass Tonaufnahmen lediglich dann angefertigt werden sollten, soweit andere ebenso geeignete Verfahren zur Sprachstandserhebung nicht zur Verfügung stehen. Dies gilt umso mehr, als es sich bei Tonaufnahmen von Kindern auch dann um sensible Datenverarbeitungen handelt, wenn sie nur vorübergehend gespeichert werden sollten.
Offenbar konnte meine Argumentation überzeugen. Denn der am 17. Dezember 2024 in Kraft getretene § 2 Abs. 1 Satz 5 Grundschulordnung lautet wie folgt:
"Zur Erhebung des Sprachstandes kann erforderlichenfalls eine Tonaufnahme angefertigt und bis zur zeitnahen Auswertung an der Grundschule gespeichert werden."
Die Begründung des Gesetzentwurfs wurde wie folgt gefasst:
"Zur Erhebung des Sprachstandes kann je nach eingesetztem Diagnoseverfahren eine Tonaufnahme - soweit erforderlich - angefertigt werden; diese wird bis zur zeitnahen Auswertung an der Grundschule gespeichert und danach gelöscht. Ein Diagnoseverfahren darf nur dann mit Tonaufnahmen eingesetzt werden, wenn kein geeignetes Verfahren ohne Tonaufnahme zur Verfügung steht. [...]"
Das im März 2025 erstmalig zur Anwendung kommende Verfahren der bayernweiten Sprachstandserhebungen sieht erfreulicherweise keine Tonaufnahmen vor. Ob dies mittelfristig so bleiben soll, wird insbesondere die Evaluierung der derzeitigen Verfahrensweise zeigen.
6.2. Auskunft nach Art. 15 DSGVO
Im Berichtszeitraum beschwerten sich die Eltern eines Schülers bei mir, weil die Schule seinen Anspruch auf Kopie (vgl. Art. 15 Abs. 3 DSGVO), insbesondere von den Prüfungsarbeiten, nicht erfüllt hätte.
Nachdem ich der Schule datenschutzrechtliche Hinweise gegeben und sie zur Stellungnahme aufgefordert hatte, teilte mir die Schule mit, sie habe die erbetenen Unterlagen nun an die Eltern gesandt.
Im Schriftverkehr mit der Schule zeigte sich manche Fehleinschätzung, die ich korrigieren konnte. Dies betraf - vereinfacht und zusammengefasst - insbesondere folgende Aspekte:
Nach Auffassung der Schule war das Auskunftsersuchen gemäß Art. 12 Abs. 5 DSGVO "offensichtlich unbegründet". Die Schule habe das Anliegen an den behördlichen Datenschutzbeauftragten sowie dann anonymisiert an eine vorgesetzte Stelle weitergegeben. Dort würde der Sachverhalt diesbezüglich geprüft. Wann die vorgesetzte Stelle ihre Prüfung abgeschlossen haben werde, liege allerdings nicht in den Händen der Schule. Es stehe im Raum, dass das Auskunftsersuchen rechtsmissbräuchlich sei.
6.2.1. Schule als Verantwortlicher
Verantwortlicher für die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorschriften (vgl. Art. 4 Nr. 7 DSGVO, Art. 3 Abs. 2, Art. 1 Abs. 1 Satz 1 BayDSG) bleibt die Schule auch dann, wenn sie eine Beratungsanfrage an eine vorgesetzte Stelle richtet. Dies gilt gleichermaßen für die Einhaltung der vorgeschriebenen Fristen.
6.2.2. Anspruch auf Auskunft nach Art. 15 DSGVO
Nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO besteht ein Recht auf Kopie. Dieses Recht erfasst grundsätzlich auch die eigenen Prüfungsarbeiten (siehe hierzu bereits meinen 33. Tätigkeitsbericht 2023 unter Nr. 8.4).
Bei offenkundig unbegründeten oder - insbesondere im Fall von häufiger Wiederholung - exzessiven Anträgen hätte die Schule zwar nach Maßgabe von Art. 12 Abs. 5 Satz 2 DSGVO entweder ein angemessenes Entgelt verlangen oder sich weigern können, aufgrund des Antrags tätig zu werden. Die Schule hätte aber den Nachweis für den offenkundig unbegründeten oder exzessiven Charakter des Antrags erbringen müssen (Art. 12 Abs. 5 Satz 3 DSGVO).
Art. 12 Abs. 5 Satz 2 DSGVO ist als Ausnahmevorschrift und mit Blick auf die Bedeutung des Auskunftsanspruchs nach Art. 15 DSGVO eng auszulegen.
Ein Auskunftsantrag ist gemäß den einschlägigen Leitlinien des Europäischen Datenschutzausschusses offenkundig unbegründet, wenn die Voraussetzungen nach Art. 15 DSGVO unter objektiven Gesichtspunkten eindeutig und offensichtlich nicht erfüllt sind. Dabei ist zu beachten, dass die Inanspruchnahme des Auskunftsrechts an nur sehr wenige Voraussetzungen geknüpft ist.
Exzessiv im Sinne des Art. 12 Abs. 5 Satz 2 DSGVO kann ein Antrag auch dann sein, wenn es sich nicht um einen Fall häufiger Wiederholung handelt, auch wenn die häufige Wiederholung den Hauptanwendungsfall darstellt. In den erwähnten Leitlinien werden hierzu Beispiele genannt, etwa, dass ein Auskunftsantrag gestellt, gleichzeitig aber angeboten wird, ihn zurückzuziehen, wenn im Gegenzug ein irgendwie gearteter Vorteil durch den Verantwortlichen gewährt wird. Als weiteres Beispiel wird ein Antrag in böswilliger Absicht angeführt, also um zu schikanieren, ohne dass ein anderer Zweck verfolgt wird. Dies sei etwa daran zu erkennen, dass die antragstellende Person ausdrücklich erklärt, dass ihr allein daran liegt, Störungen zu verursachen oder im Rahmen einer Kampagne systematisch, zum Beispiel einmal pro Woche, verschiedene Anträge an den Verantwortlichen mit der Absicht sendet, Störungen zu verursachen. Ein Antrag sei hingegen nicht als exzessiv anzusehen, wenn keine Gründe für den Auskunftsantrag angegeben werden oder der Verantwortliche den Antrag als sinnlos betrachtet.
Die Schule konnte im Ergebnis allerdings keinen gesetzlich vorgesehenen Grund darlegen, nach dem die Kopien hätten verweigert werden können. Insbesondere konnte ein Nachweis zu einer der Fallgruppen offensichtlich unbegründeter oder exzessiver Anträge nicht geführt werden.
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Keine Erkennbarkeit, dass die Unterlagen benötigt werden, um Kenntnis über Datenschutzverstöße zu erhalten
Die Argumentation, der Antrag habe keinen für die Schule erkennbaren Bezug zum Datenschutz und es sei kein Vorteil durch die Herausgabe der Kopien ersichtlich, ist nicht geeignet, einen Exzess zu begründen oder sonst eine Ablehnung des Antrags zu rechtfertigen.
Der Europäische Gerichthof hat unter Hinweis auf den von Wortlaut des Art. 12 Abs. 5 und Art. 15 Abs. 3 DSGVO entschieden, dass Auskunftsersuchende ihren Antrag nicht begründen müssen und die Verpflichtung aus Art. 15 Abs. 1, Abs. 3 DSGVO auch dann gilt, wenn der Antrag mit einem anderen Zweck als einem in Erwägungsgrund 63 Satz 1 DSGVO genannten ("um sich der Verarbeitung bewusst zu sein und deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu können") begründet wird.
Aus meiner Sicht wäre im Übrigen im konkreten Fall ein Motiv mit datenschutzrechtlichem Bezug durchaus denkbar gewesen.
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"Schikane"
Die für "Schikane" angeführten Begründungen waren ebenfalls nicht geeignet, einen Exzess abzuleiten.
Aus Spannungen zwischen Erziehungsberechtigten und Schule oder einer Antragstellung "erst am Schuljahresende" kann nicht auf ein "schikanöses" Vorgehen geschlossen werden. Dies gilt auch für das von der Schule vorgebrachte Argument, der Auskunftsantrag sei auf bestimmte Unterlagen beschränkt worden. Wer schikanieren will, wird bestehende Rechte gerade möglichst umfassend nutzen wollen.
Auch die geäußerte Vermutung, dass sich die Eltern mit dem Antrag für ein nicht zufriedenstellendes Prüfungsergebnis revanchieren wollten, belegte die Schule nicht. Vielmehr stellte sie sogleich selbst fest, dass dies vermutlich zunächst keine Auswirkung auf das Auskunftsbegehren habe. Es gehe hier aber um die grundsätzliche Abwägung, was die Schule im konkreten Fall leisten müsse. Einen gesetzlichen Anknüpfungspunkt für diese eigenständige "Rechtsfortbildung" nannte die Schule nicht. Zu Letzterem hielt ich nachdrücklich fest, dass bei einem Antrag nach Art. 15 DSGVO die gesetzlichen Voraussetzungen zu prüfen sind und - sind sie erfüllt - die Auskunft zu erteilen ist.
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Bereits bestehende Kenntnis von Unterlagen, § 10 Abs. 4 Satz 2 Grundschulordnung (GrSO)
Unabhängig davon, dass den Eltern nach Angaben der Schule "nahezu" alle beantragten Unterlagen bereits bekannt waren: Kenntnisnahmen nach § 10 Abs. 4 Satz 2 GrSO sind nicht geeignet, einen Auskunftsanspruch zu einem späteren Zeitpunkt (insbesondere gegen Ende des Schuljahres) auszuschließen.
§ 10 GrSO
Leistungsnachweise
(4) [...] 2Sie sind den Schülerinnen und Schülern zur Kenntnisnahme durch die Erziehungsberechtigten mit nach Hause zu geben; in begründeten Einzelfällen kann von dieser Regelung abgewichen werden. 3Sie sind der Schule binnen einer Woche zurückzugeben.
Diese Vorschrift steht mit Art. 15 DSGVO in keinem Zusammenhang; sie will weder nach ihrem Wortlaut noch nach ihrem Sinn und Zweck Auskunftsansprüche einschränken. Auch die Anforderungen nach Art. 23 DSGVO für Vorschriften, welche die Betroffenenrechte einschränken, dürften nicht erfüllt sein. Darüber hinaus ist Sinn des Auskunftsanspruchs nach Art. 15 DSGVO unter anderem, sich ein Bild von der aktuellen Speicherung personenbezogener Daten und deren Umfang machen zu können. Dadurch kann beispielweise nachvollzogen werden, ob Unterlagen zwischenzeitlich annotiert, ergänzt oder sonst verändert worden sind. Des Weiteren können sich zwischenzeitlich Umstände ergeben haben, die Antragstellende erst nach einer Kenntnisnahme gemäß § 10 Abs. 4 Satz 2 GrSO zu einer genaueren Prüfung Anlass geben.
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Möglichkeit der Einsichtnahme in die Schülerunterlagen, § 41 Bayerische Schulordnung (BaySchO)
Unabhängig von weiteren Aspekten kann die Möglichkeit der Einsichtnahme nach § 41 BaySchO offensichtlich einer Auskunft nach Art. 15 DSGVO schon deshalb nicht entgegenstehen, da in § 41 Abs. 3 BaySchO ausdrücklich geregelt ist, dass andere ein Recht auf Einsicht oder Auskunft gewährende Vorschriften unberührt bleiben. Dies bezieht sich im Besonderen auf Art. 15 DSGVO.
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Erheblicher Mehraufwand, keinen Präzedenzfall schaffen
Die Argumentation "eine Auskunftserteilung auf Grundlage der Datenschutz-Grundverordnung würde für die betroffene Schule darüber hinaus einen erheblichen Mehraufwand bedeuten" findet als Ablehnungsgrund keinen Niederschlag im Gesetz (vgl. hierzu im Übrigen auch die zitierten Leitlinien).
Auch die Auswirkungen einer in den Raum gestellten fiktiven Information einer fiktiven Person auf einem fiktiven Portal ist nicht geeignet, an der bestehenden Auskunftspflicht etwas zu ändern: Man stelle sich vor, jemand würde auf einem Portal darüber informieren, man solle keinen Präzedenzfall schaffen.
Unabhängig von der fehlenden rechtlichen Relevanz des angeführten Begriffs "Präzedenzfall" im Rahmen des Art. 15 DSGVO handelt es sich hierbei nicht um einen "Präzedenzfall" bezogen auf Prüfungsarbeiten (vgl. hierzu etwa meinen 33. Tätigkeitsbericht 2023 unter Nr. 8.4).
6.3. Masernschutz - Vorlage von Nachweisen an weiterführenden Schulen
Zur Weitergabe ärztlicher Atteste über Kontraindikationen gegen eine Masernimpfung von Schulen an Gesundheitsämter habe ich mich bereits in meinem 33. Tätigkeitsbericht 2023 unter Nr. 8.2 geäußert.
Im Berichtszeitraum wandte sich eine Mutter an mich, da eine weiterführende Schule bei der Schuleinschreibung die Vorlage eines Nachweises über die erfolgte Impfung gegen Masern verlangte. Den Nachweis hatte die Mutter bereits der zuvor besuchten Grundschule vorgelegt (vgl. § 20 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 Infektionsschutzgesetz - IfSG). Die Mutter hinterfragte deshalb, ob es tatsächlich notwendig sei, dass sie die erfolgte Impfung auch gegenüber der weiterführenden Schule nachweist. Ähnliche Gedanken hatten sich auch die Gesetzgeber gemacht. Daher genügt auch eine Bestätigung der zuvor besuchten Grundschule, dass ein Nachweis bereits vorgelegen hat (vgl. § 20 Abs. 9 Satz 1 Nr. 3 IfSG). Diese Bestätigung erfolgt im Regelfall durch die Weitergabe des Masern-Dokumentationsbogens auf Grundlage von § 39 Abs. 1 Satz 4 Bayerische Schulordnung.
Die Schule teilte mir zwar mit, es habe auch Fallgestaltungen gegeben, in denen eine Bestätigung durch die zuvor besuchte Schule nicht möglich gewesen sei, beispielsweise bei einem Zuzug aus dem Ausland. Sie musste jedoch einräumen, dass einzelne Ausnahmen nicht dazu führen können, von allen Schülerinnen und Schülern (erneut) einen Nachweis zu verlangen, also auch von denjenigen, bei denen eine Schülerin oder ein Schüler zwischen öffentlichen Schulen wechselt und eine Bestätigung mittels der Weitergabe des Dokumentationsbogens durch die vorhergehende Schule erfolgt.
Die Schule änderte daraufhin die (beabsichtigte) Verfahrensweise. Das Kultusministerium hatte die Rechtslage übrigens bereits zuvor auf seiner Website erläutert. Der aufmerksamen Mutter ist es zu verdanken, dass sich auch diese Schule künftig daran halten wird und Eltern Nachweise nicht unnötig mehrfach vorlegen müssen. In dieser Konstellation wird beispielhaft deutlich, dass Datenschutz keine zusätzliche Bürokratie verursacht, sondern zu effektivem Verwaltungshandeln beiträgt.
6.4. Unzulässige Datenübermittlung durch Klassenelternsprecher über Eltern-Messenger-Gruppe
Hat jemand die Trinkflasche meiner Tochter gesehen? Wer beteiligt sich am Geschenk für den Klassenlehrer? Kann jemand beim Adventsfrühstück helfen? Zur schnellen Klärung dieser oder ähnlicher Fragen gründen die Eltern von Kindern derselben Schulklasse oft eine gemeinsame Messenger-Gruppe. Dass diese einen einfachen Weg bietet, alle Eltern schnell zu erreichen, haben mittlerweile auch einige Schulen erkannt. Manchmal werden deshalb - sozusagen durch die Hintertür - die Klassenelternsprecher gebeten, schulrelevante Informationen schnell über die Messenger-Gruppe an die anderen Eltern weiterzugeben. Vielen ist hierbei jedoch nicht bewusst, dass Klassenelternsprecher (Art. 64 Abs. 2 Satz 1 Bayerisches Erziehungs- und Unterrichtsgesetz - BayEUG) - wie auch Elternbeiräte - als Organe der Schule einzuordnen sind. Das Handeln der Klassenelternsprecher in dieser Funktion wird datenschutzrechtlich der Schule zugerechnet. Aufgrund des fehlenden Bewusstseins hierfür werden die Elternsprecher meistens auch nicht datenschutzrechtlich geschult.
Die daraus resultierende Unwissenheit war mutmaßlich Ursache dafür, dass in einem Beschwerdefall die Klassenelternsprecher in der gemeinsamen Messenger-Gruppe darüber informierten, dass aufgrund eines "rechtlichen Streites zwischen einer Familie der Klasse und der Schule" die vorweihnachtliche Feier abgesagt werden musste. Die betroffene Familie fühlte sich durch diese Informationsweitergabe an den Pranger gestellt und wandte sich diesbezüglich an mich. Im Rahmen der bei der Schule eingeholten Stellungnahme wurde klar, dass sich die Schule für das Handeln der Klassenelternsprecher zunächst nicht verantwortlich fühlte. Außerdem war man der Ansicht, keine personenbezogenen Daten im Sinne des Art. 4 Nr. 1 DSGVO weitergegeben zu haben. Angesichts der Gesamtumstände des konkreten Falles war jedoch von einer Personenbeziehbarkeit und damit Einordnung als personenbezogene Daten auszugehen.
Unabhängig von weiteren Aspekten erfolgte die Übermittlung der personenbezogenen Daten jedenfalls ohne die erforderliche Rechtsgrundlage nach Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 DSGVO, weshalb ich gegenüber der Schule einen Datenschutzverstoß festgestellt habe. Die Schule sicherte mir zu, die datenschutzrechtlichen Vorgaben zukünftig strikt zu beachten und auch die Klassenelternsprecher dementsprechend zu sensibilisieren.
6.5. Überwachungsdruck in der Schule durch deaktivierte Kameras oder fehlende Hinweise
Mit Blick auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sind Videoüberwachungen an Schulen nur in engen Grenzen zulässig. Dazu habe ich mich in meinen Tätigkeitsberichten bereits mehrfach geäußert (siehe den 29. Tätigkeitsbericht 2019 unter Nr. 10.2, den 27. Tätigkeitsbericht 2016 unter Nr. 10.5, den 26. Tätigkeitsbericht 2014 unter Nr. 10.9.1, den 25. Tätigkeitsbericht 2012 unter Nr. 10.5 sowie den 23. Tätigkeitsbericht 2008 unter Nr. 12.2.2).
Möchte eine Schule eine Videoüberwachungsanlage installieren, hat sie zuerst anhand des Art. 24 BayDSG und der Anlage 2 Abschnitt 6 zu § 46 Bayerische Schulordnung (BaySchO) die rechtlichen Vorgaben zu prüfen. Auch Nr. 3.2.3 Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus über den Vollzug des Datenschutzrechts an staatlichen Schulen (VollzBek DS - Schulen) enthält Ausführungen hierzu.
Nachdem mir in einem Beschwerdefall die betreffende Schule die Zulässigkeit für einen Teil der installierten Kameras - unter anderem aufgrund einer fehlenden Vorfallsdokumentation - nicht nachweisen konnte, mussten diese Kameras wieder abgeschaltet werden.
Entgegen der Zusage der Schule wurden die deaktivierten Kameras jedoch nicht abgedeckt oder die Außerbetriebnahme anderweitig kenntlich gemacht. Ich musste deshalb erneut an die Schule herantreten und sie darauf hinweisen, dass auch der Anschein einer Videoüberwachung dazu führen kann, dass sich betroffene Personen - in der fälschlichen Annahme des Betriebes - beobachtet oder beeinträchtigt fühlen und ihr Verhalten bewusst oder unbewusst der vermeintlichen Beobachtungssituation entsprechend anpassen. Da von deaktivierten Videokameras in der Sache - gleichermaßen wie bei funktionsfähigen Videokameras - ein sogenannter Überwachungsdruck für die betroffenen Personen entsteht, stellt ihre Vorhaltung einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz dar. Auf meinen Hinweis sind die deaktivierten Kameras von der Schule nunmehr vollständig abgebaut worden.
Bei den (zulässigen) aktiven Kameras musste ich wiederum feststellen, dass der Überwachungszeitraum (22 bis 6 Uhr) nicht kenntlich gemacht war. Hierdurch entsteht letztlich ein ähnlicher Überwachungsdruck wie soeben beschrieben. Außerdem ist bei einer zeitlichen Begrenzung der Videoüberwachung bereits aufgrund des Transparenzgebotes gemäß Art. 24 Abs. 2 BayDSG das konkrete Zeitintervall des Betriebes auf den Hinweisen anzugeben. Auch darauf habe ich die Schule aufmerksam gemacht.
- Landtags-Drucksache 19/3248. [Zurück]
- Landtags-Drucksache 19/3248, S. 17. [Zurück]
- Europäischer Datenschutzausschuss, Leitlinien 01/22 zu den Rechten der betroffenen Person Auskunftsrecht; Stand 5/2024, Rn. 177, Internet: https://www.edpb.europa.eu/system/ (externer Link) files/2024-04/edpb_guidelines_202201_data_subject_rights_access_v2_de.pdf. [Zurück]
- Leitlinien 01/22 (Fn. 77), Rn. 184. [Zurück]
- Urteil vom 26. Oktober 2023, C-307/22. [Zurück]
- Leitlinien 01/22 (Fn. 77), Rn. 188. [Zurück]
- Vom 14. Juli 2022 (BayMBl. Nr. 435). [Zurück]