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Der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz; Stand: 09.11.2017

94. Konferenz der unabhängigen Datenschutzbehörden des Bundes und der Länder am 8./9. November 2016 in Oldenburg

Keine anlasslose Vorratsspeicherung von Reisedaten

Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat in seinem Gutachten vom 26. Juli 2017 (Gutachten 1/15) zum Fluggastdaten-Abkommen der EU mit Kanada die langfristige Speicherung von Fluggastdaten (Passenger Name Records PNR-Daten) sämtlicher Passagiere für nicht mit der Europäischen Grundrechtecharta vereinbar erklärt und seine Position zu anlasslosen Speicherungen personenbezogener Daten bekräftigt. Er erteilt damit einer anlasslosen Vorratsdatenspeicherung von personenbezogenen Daten erneut eine klare Absage. Die Aussagen des EuGH sind nicht nur auf alle geltenden PNR-Instrumente übertragbar und stellen Anforderungen an die Anpassung des Fluggastdatengesetzes, sie betreffen auch die auf europäischer Ebene angestrebte Einrichtung eines Entry-Exit-Systems (EES) sowie eines EU-weiten Reiseinformations- und -genehmigungssystems (ETIAS), die ebenfalls weitreichende anlasslose Speicherungen beabsichtigen.

Zwar hält der EuGH es grundsätzlich für zulässig, Fluggastdaten automatisiert zu übermitteln und auszuwerten, um Personen zu ermitteln, die eine potentielle Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen und bei ihrer Einreise einer gewissenhaften Kontrolle unterzogen werden sollen. Das gilt jedoch nicht für sensible Daten, die Rückschlüsse etwa auf die rassische und ethnische Herkunft, religiöse Überzeugungen oder das Sexualleben ermöglichen. Der Übermittlungszweck rechtfertigt auch nicht automatisch die weitere Verwendung und Speicherung der Daten. Die übermittelten Daten haben vielmehr ihren Zweck erfüllt, wenn sich während des Aufenthaltes keine konkreten Anhaltspunkte für geplante terroristische oder andere schwere Straftaten ergeben haben. In diesem Fall sieht der EuGH keine Rechtfertigung für eine weitere Speicherung der Daten.

Das Fluggastdatengesetz, mit dem die Richtlinie (EU) 2016/681 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 über die Verwendung von PNR-Daten zur Verhütung, Aufdeckung, Ermittlung und Verfolgung von terroristischen Straftaten und schwerer Kriminalität umgesetzt wurde, geht insbesondere durch die Einbeziehung der innereuropäischen Flüge, die im Widerspruch zu dem Grundsatz des freien Personenverkehrs im Schengen-Raum steht, noch über den verpflichtenden Teil der Richtlinie hinaus.

Die Konferenz der unabhängigen Datenschutzbehörden des Bundes und der Länder (DSK) sieht in den vom EuGH ausgesprochenen Feststellungen zur Rechtslage einen unverzichtbaren Maßstab für die Verordnungsvorschläge zur Einrichtung eines neuen Entry-Exit-Systems (EES) sowie eines EU-weiten Reiseinformations- und -genehmigungssystems (ETIAS).

Mit dem EES sollen alle Ein- und Ausreisen sowie Einreiseverweigerungen von Drittstaatlern in die EU zentral erfasst und für mehrere Jahre gespeichert werden (einschließlich biometrischer Identifizierungsmerkmale). Im ETIAS sollen zum Zwecke der Erleichterung der Grenzkontrollen vorab Daten von einreisewilligen visa-befreiten Drittstaatlern erhoben und ebenfalls für mehrere Jahre zentral gespeichert werden. In beiden Datenbanken sollen also Daten, die im Rahmen der Einreise und Grenzkontrolle erhoben werden, ebenso wie nach dem PNR-Abkommen, ohne konkreten Anlass zentral für einen langen Zeitraum vorgehalten werden. Die Konferenz der unabhängigen Datenschutzbehörden des Bundes und der Länder hält dies nicht für vertretbar.

Die Konferenz der unabhängigen Datenschutzbehörden des Bundes und der Länder fordert die jeweils zuständigen Gesetzgeber auf, zeitnah und konsequent sämtliche PNR-Instrumente der EU im Sinne der EuGH-Rechtsprechung nachzubessern, insbesondere das deutsche Fluggastdatengesetz.

Sie fordert die Bundesregierung zudem auf, sich auf europäischer Ebene für eine den Anforderungen der EU-Grundrechtecharta und der Rechtsprechung des EuGH entsprechende Ausgestaltung der angestrebten Systeme EES und ETIAS einzusetzen.