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Der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz; Stand: 03.04.2020
Entschließung der Konferenz der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder vom 3. April 2020
Datenschutz-Grundsätze bei der Bewältigung der Corona-Pandemie
Die Corona-Pandemie stellt eine der größten Bewährungsproben für die europäischen Gesellschaften seit Jahrzehnten dar. Alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben gegenwärtig extreme Herausforderungen zu bewältigen, um die Gesundheit ihrer Bevölkerung zu gewährleisten. Angesichts der bereits getroffenen Maßnahmen wird gleichzeitig der Wert der Freiheitsrechte erlebbar, zu denen auch das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gehört.
Für die Stabilität von Staat und Gesellschaft ist es in dieser Lage unverzichtbar, dass sich die Bürgerinnen und Bürger darauf verlassen können, dass Freiheitsrechte wie das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung nur so weit und so lange eingeschränkt werden, wie es zwingend erforderlich und angemessen ist, um die Gesundheit der Bevölkerung wirksam zu schützen. Einschneidende Regelungen müssen umkehrbar und eng befristet sein und von den Gesetzgebern und nicht allein durch die Exekutive verantwortet werden.
Was die Rechtfertigung der Verarbeitung personenbezogener Daten nach Maßgabe der europäischen Datenschutz-Grundverordnung anbelangt, stellt sie insbesondere in ihrem Artikel 5 europaweit einheitliche Grundsätze bereit, die als Leitfaden für staatliches Handeln auch gerade in Krisenzeiten dienen können, einer effektiven Bekämpfung der Corona-Pandemie nicht entgegenstehen und zugleich einen grundrechtsschonenden Umgang mit personenbezogenen Daten gewährleisten.
Im Zusammenhang mit der Bewältigung der Corona-Krise weist die Konferenz der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder daher auf folgende wesentliche Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen für die Verarbeitung personenbezogener Daten hin:
- Krisenzeiten ändern nichts daran, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten stets auf einer gesetzlichen Grundlage zu erfolgen hat. Das bedingt insbesondere, dass die mit einer Verarbeitung verfolgten Zwecke möglichst genau bezeichnet werden.
- Die geplanten Maßnahmen müssen zudem kritisch auf ihre Eignung überprüft werden, um etwa Infektionen zu erfassen, infizierte Personen zu behandeln oder Neuinfektionen zu verhindern. So kann es in Notfalllagen beispielsweise eine geeignete Maßnahme sein, Hilfsorganisationen zu verpflichten, medizinisch ausgebildetes Personal an die für die Gesundheitsversorgung zuständigen Behörden zu melden. Hingegen bestehen erhebliche Zweifel an der Eignung etwa von Maßnahmen, die allein mithilfe von Telekommunikationsverkehrsdaten individuelle Infektionswege nachvollziehen sollen.
- Die geplanten Maßnahmen müssen erforderlich sein. Stehen ebenfalls geeignete Maßnahmen zur Zweckerreichung zur Verfügung, die weniger, oder - wie eine vorherige Anonymisierung - sogar gar nicht in die Rechte der Menschen eingreifen, müssen diese vorrangig umgesetzt werden. Zudem darf die Verarbeitung der personenbezogenen Daten nicht - wie die präventive Überwachung ausnahmslos der gesamten Bevölkerung - außer Verhältnis zum angestrebten legitimen Zweck stehen. Daraus folgt, dass besonders stark freiheitseinschränkende Maßnahmen auch an besondere Voraussetzungen geknüpft werden müssen - etwa an die formelle Feststellung einer Gesundheitsnotlage, wie sie nach dem Infektionsschutzrecht in einigen Ländern bereits erfolgt ist.
- Zur verhältnismäßigen Ausgestaltung der Verarbeitung von sensiblen Daten gehört es schließlich, dass die speziell zur Bewältigung der Corona-Pandemie getroffenen Maßnahmen umkehrbar in dem Sinne gestaltet werden, dass sie nach Krisenende wieder zurückgenommen werden können und, wenn sie dann unverhältnismäßig sind, sogar müssen. So sind nicht mehr für die benannten Zwecke benötigte personenbezogene Daten unverzüglich zu löschen. Generell sollten zudem alle Maßnahmen befristet werden. Dies gilt insbesondere für solche gesetzlichen Maßnahmen, die in besonderem Maße in die Grundrechte der betroffenen Personen eingreifen.
- Technisch-organisatorische Maßnahmen zum Schutz der Integrität und Vertraulichkeit von Gesundheitsdaten sind nicht nur rechtlich geboten, sondern auch notwendig, um eine missbräuchliche Verwendung von Daten zu verhindern und Fehlern in der Verarbeitung entgegenzuwirken. Wichtig ist es auch, im Sinne des Datenschutz-Grundsatzes der Transparenz die betroffenen Personen in verständlicher Weise über die Verarbeitung ihrer Daten zu informieren.
Datenschutz-Grundsätze bieten gerade auch in Krisenzeiten hinreichende Gestaltungsmöglichkeiten für eine rechtskonforme Verarbeitung personenbezogener Daten. Ihre Einhaltung leistet einen Beitrag zur Wahrung der Freiheit in der demokratischen Gesellschaft.