≡ Sitemap

Pressemitteilung

des Bayerischen Landesbeauftragten für den Datenschutz


01.12.2009

Bayerischer Datenschutzbeauftragter Dr. Petri legt seinen ersten Tätigkeitsbericht vor

Wie ist es um den Schutz unserer Privatsphäre und Verhaltensfreiheit bestellt? Dieser Frage geht der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz Dr. Thomas Petri in seinem Tätigkeitsbericht für den Zeitraum vom 01.01.2007 bis 31.12.2008 nach.

Der heutige Datenschutz darf sich nicht mehr damit begnügen, die Bürgerinnen und Bürger vor dem Missbrauch ihrer persönlichen Daten zu schützen. Zu einem effektiven Freiheitsschutz müssen zusätzlich die Datenschutzkompetenz der Menschen und ihre Möglichkeiten zum technischen Selbstdatenschutz dringend gestärkt werden. Aufgrund der zunehmenden Vernetzung von Informationen sind heute auch Fragen nach der Transparenz hoheitlicher Datenverarbeitung immer dringlicher zu stellen.

Der Tätigkeitsbericht enthält zahlreiche Beiträge zu Gesetzgebung und Rechtsprechung sowie zu Bürgerbeschwerden und Überprüfungen von bayerischen Behörden:

  • Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Online-Durchsuchung, zur automatisierten Kennzeichenerfassung und zur Vorratsdatenspeicherung haben erneut klargestellt, dass Sicherheitsgesetze nur verhältnismäßige Eingriffe in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung vorsehen dürfen. Maßnahmen "ins Blaue hinein" sind unzulässig. Der Bericht befasst sich mit den Folgen dieser Entscheidungen für bayerische Sicherheitsgesetze und das Strafprozessrecht (Kapitel 4.1.1, 4.1.2, 4.9, 4.10, 6.1.3, 6.1.5).
  • Der Bericht enthält die Forderung, die verfassungsrechtlich problematische Befugnis für Polizei und Landesamt für Verfassungsschutz zur heimlichen Wohnungsdurchsuchung zu streichen. Erfreulicherweise wurde die kritisierte Regelung nach Ablauf des Berichtszeitraums - ein Jahr nach ihrer Einführung - wieder abgeschafft. Allerdings wurde die Gesetzesänderung nicht auch dazu genutzt, die Befugnis zur heimlichen Online-Durchsuchung für das Landesamt für Verfassungsschutz wieder abzuschaffen (Kapitel 4.1.3, 5.1.4, 5.1.5).
  • Der Bericht setzt sich kritisch mit den Regelungen des Bayerischen Versammlungsgesetzes zu sog. Übersichtsaufzeichnungen von Versammlungen und ihrer zeitlich unbefristeten Speicherung und Nutzung auseinander. In einer erst nach Ablauf des Berichtszeitraums ergangenen Eilentscheidung erteilt auch das Bundesverfassungsgericht der anlasslosen und zeitlich unbegrenzten Vorratsspeicherung von Übersichtsaufzeichnungen eine deutliche Absage (Kapitel 4.2.2 - 4.2.4).
  • Im Maßregelvollzug werden Straftäter aufgrund ihrer psychisch bedingten Schuldunfähigkeit in psychiatrische Krankenhäuser oder in Entziehungsanstalten eingewiesen. Eingriffe in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung bedürfen auch im Maßregelvollzug einer gesetzlichen Grundlage. Die derzeitigen Regelungen des Unterbringungsgesetzes erfüllen diese Voraussetzungen nicht (Kapitel 6.1.7).
  • Das Bundesverfassungsgericht hat in mehreren Entscheidungen die Grenzen von auf "Gefahr im Verzug" gestützten Wohnungsdurchsuchungen und Blutentnahmen aufgezeigt. Nach dem Gesetz muss diese Eingriffe grundsätzlich ein Richter anordnen; nur im Ausnahmefall "Gefahr im Verzug" sind auch Polizei und Staatsanwaltschaft dazu berechtigt. Datenschutzrechtliche Prüfungen haben aber ergeben, dass der Ausnahmefall in der Praxis oft zur Regel wird (Kapitel 6.2.1, 6.3.5).
  • Mehrfach Gegenstand der datenschutzrechtlichen Kontrolle war die Pressearbeit von Justizbehörden: Die Veröffentlichung von personenbezogenen Daten beispielsweise aus laufenden Ermittlungsverfahren greift erheblich in die Datenschutzrechte der Betroffenen ein. Der Bericht geht auf die datenschutzrechtlichen Voraussetzungen für eine solche Pressetätigkeit ein (Kapitel 6.3.10).
  • Von herausgehobener Bedeutung ist weiterhin eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Videoüberwachung öffentlicher Orte und Einrichtungen. Der bayerische Gesetzgeber hat diese Entscheidung zum Anlass genommen, eine Regelung zur Videoüberwachung in das Bayerische Datenschutzgesetz aufzunehmen. Danach sind die Videobeobachtung und -aufzeichnung nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig (Kapitel 9.1, 9.2).
  • Der Bericht geht auch auf zentrale IT-Vorhaben ein, die im Berichtszeitraum datenschutzrechtlich kritisch begleitet wurden. Zu nennen sind unter anderem das übergreifende eGovernment-Projekt der Steuerverwaltung KONSENS (Koordinierte neue Software-Entwicklung der Steuerverwaltung), die Zentrale Datenbank zur Lebensmittel-, Veterinär- und Futtermittelkontrolle (TIZIAN), das Verfahren des elektronischen Einkommensnachweises (ELENA) sowie das eGovernment-Projekt der Schulverwaltung "Amtliche Schuldaten (ASD)" (Kapitel 11.1, 14.1, 17.9, 23.1).
  • In Bezug auf den Beschäftigtendatenschutz werden insbesondere Fragen der Neuordnung des Beihilferechts und der Telekommunikation am Arbeitsplatz erörtert (Kapitel 21.1, 22.1).
  • Die Volkszählung 2011 wirft ihre Schatten voraus. Sie wird nach einem neuartigen Verfahren durchgeführt werden, bei dem stichprobenartige Befragungen mit Registerabgleichen kombiniert werden. Im Gesetzgebungsverfahren konnten hier einige datenschutzrechtliche Verbesserungen erreicht werden (Kapitel 23.3).
  • Das neue Bayerische Geodateninfrastrukturgesetz sieht aufgrund intensiver datenschutzrechtlicher Beratungen einen angemessenen Datenschutz bei Geodaten vor (Kapitel 24.2).
  • Ein Dauerbrenner ist die Frage zum Datenschutz bei Bürgerbegehren. Die bei den Gemeinden abgegebenen Unterschriftenlisten dürfen dort nur hinsichtlich der Frage ausgewertet werden, ob das Bürgerbegehren von einer ausreichenden Zahl stimmberechtigter Gemeindebürgerinnen bzw. -bürger unterschrieben worden ist. Auch im Berichtszeitraum wurde diese Zweckbindung nicht immer beachtet (Kapitel 9.5).
  • Auch die Frage nach der datenschutzgerechten Entsorgung von personenbezogenen Daten war Gegenstand zahlreicher datenschutzrechtlicher Prüfungen (Kapitel 25.4.7).

Der Landesbeauftragte für den Datenschutz konnte anlässlich der Präsentation berichten, dass seit Beginn des Jahres 2009 erfreuliche Entwicklungen stattgefunden haben. Insbesondere bei zentralen IT-Vorhaben, wie etwa bei TIZIAN und beim Verfahren "Amtliche Schuldaten" sind deutliche Verbesserungen des Datenschutzes zu erhoffen.

Abschließend wies Dr. Petri darauf hin, dass eine gesetzliche Regelung des Beschäftigtendatenschutzes aus seiner Sicht dringend geboten sei. "Ein Beschäftigtendatenschutzgesetz würde nicht nur dem Schutz des Persönlichkeitsrechts unserer Beschäftigten dienen, sondern auch zu mehr Rechtssicherheit für alle Betroffenen führen," sagte Dr. Petri.

München, 01.12.2009

Dr. Thomas Petri

Der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz

Tel.: 089 212672-0
Fax: 089 212672-50

E-Mail: dsb at datenschutz-bayern.de

Abdruck honorarfrei unter Quellenangabe, Belegexemplar erbeten