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Der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz; Stand: 20.01.2015
3. Polizei
3.1. Allgemeines
3.1.1. PAG-Änderungen bezüglich der Möglichkeit der Bestandsdatenauskunft
Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 24.01.2012 (Az.: 1 BvR 1299/05) einzelne Regelungen des Telekommunikationsgesetzes zur Speicherung und Verwendung von Telekommunikationsdaten für verfassungswidrig erklärt. Diese Vorschriften durften nur noch übergangsweise bis längstens 30.06.2013 angewendet werden. Aufgrund dieser Entscheidung bedurfte der Bestandsdatenabruf durch eine Sicherheitsbehörde einer qualifizierten, fachrechtlichen Ermächtigungsgrundlage. Sie musste hinreichend klar regeln, gegenüber welchen Behörden die Telekommunikationsunternehmen konkret zur Datenübermittlung verpflichtet sein sollen. Zudem bedurfte es nach Ablauf der Übergangsfrist auch für die Zuordnung von sog. dynamischen IP-Adressen (Telekommunikationsnummern, die bei der Nutzung des Internets zeitweilig vom Provider an die Kunden vergeben werden können) klarer landesgesetzlicher Abrufbefugnisse.
Um die vom Bundesverfassungsgericht geforderten spezifischen Erhebungsbefugnisse zu schaffen, ist das Polizeiaufgabengesetz (PAG) mit Einfügen der Abs. 4 bis 7 in Art. 34b PAG geändert worden. Neue Befugnisse für die Polizei sollten damit nicht geschaffen werden.
Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens habe ich verfahrensrechtliche Sicherungen für den Schutz des Persönlichkeitsrechts eingefordert. Der Gesetzgeber hat einen Teil meiner Forderungen aufgegriffen. So hat er die Auskunft über sog. Zugriffssicherungscodes, wie Passwörter, PIN und PUK, unter den Richtervorbehalt gestellt. Aus datenschutzrechtlicher Sicht sind allerdings die Ausnahmen vom Erfordernis der richterlichen Anordnung sehr weitgehend ausgestaltet und daher äußerst kritisch zu beurteilen. Positiv zu bewerten ist der Umstand, dass das Polizeiaufgabengesetz nunmehr eine Benachrichtigungspflicht sowohl für Auskünfte über Zugriffssicherungscodes als auch über dynamische IP-Adressen vorsieht.
Art. 34b PAG Mitwirkungspflichten der Diensteanbieter
(4) 1Die Polizei kann Diensteanbieter verpflichten, Auskunft über die nach §§ 95 und 111 TKG erhobenen Bestandsdaten zu erteilen, soweit dies zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung erforderlich ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 TKG). 2Bezieht sich das Auskunftsverlangen nach Satz 1 auf Daten, mittels derer der Zugriff auf Endgeräte oder auf Speichereinrichtungen, die in diesen Endgeräten oder hiervon räumlich getrennt eingesetzt werden, geschützt wird (§ 113 Abs. 1 Satz 2 TKG), darf die Auskunft nur verlangt werden, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für die konkret beabsichtigte Nutzung der Daten im Zeitpunkt des Ersuchens vorliegen.
(5) Die Auskunft nach Abs. 4 darf auch anhand einer zu einem bestimmten Zeitpunkt zugewiesenen Internetprotokoll-Adresse verlangt werden (§ 113 Abs. 1 Satz 3 TKG).
(6) Die nach Abs. 2, 4 und 5 verlangten Daten sind der Polizei unverzüglich zu übermitteln.
(7) Für die Entschädigung der Diensteanbieter ist § 23 des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes entsprechend anzuwenden, soweit nicht eine Entschädigung nach dem Telekommunikationsgesetz zu gewähren ist.
3.1.2. PAG-Änderung bezüglich Wohnraumüberwachung und Online-Durchsuchung
Mit Gesetz zur Änderung des Polizeiaufgabengesetzes (PAG) und des Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes vom 24. Juni 2013, in Kraft seit 1. Juli 2013, wurden in Art. 34 PAG (Aufzeichnungen im Rahmen einer Wohnraumüberwachung, sog. "Großer Lauschangriff"), in Art. 34c PAG (Verwendungsverbot bei Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation und bei Bestandsdatenauskünften) und in Art. 34d PAG (verdeckter Zugriff auf informationstechnische Systeme, sog. "Online-Durchsuchung") Abgeordnete und Journalisten dem Kreis der besonders geschützten Berufsgeheimnisträger hinzugefügt. Die vorgenommene Erweiterung des Schutzbereiches begrüße ich. Jedoch bleibt der Gesetzgeber damit immer noch hinter dem von mir bereits in meinem 24. Tätigkeitsbericht 2010 gemachten Vorschlag zurück. Ich hatte empfohlen, alle im Strafprozessrecht geschützten Berufsgeheimnisträger auch im Bayerischen Polizeirecht zu schützen und damit in Zukunft nicht mehr zwischen den verschiedenen geschützten Berufsgruppen zu unterscheiden (siehe 24. Tätigkeitsbericht 2010 Nr. 3.1.1). Nach wie vor kann ich keinen sachlichen Grund für die konkret getroffene Differenzierung zwischen "mehr" oder "weniger" geschützten Berufsgeheimnisträgern erkennen.
3.1.3. Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung ungültig
Bereits in meinen beiden letzten Tätigkeitsberichten hatte ich ausführlich über die Ausgestaltung der Vorratsdatenspeicherung und den Stand der gerichtlichen Verfahren hinsichtlich der Richtlinie berichtet (siehe 24. Tätigkeitsbericht 2010 Nr. 3.3 und 25. Tätigkeitsbericht 2012 Nr. 3.1). Am 08.04.2014 hat der Europäische Gerichtshof nunmehr die Richtlinie 2006/24/EG über die Vorratsdatenspeicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten für ungültig erklärt (siehe Nr. 1.2.2).
3.1.4. Automatisierte Kennzeichenerfassung
Zuletzt habe ich in meinem 23. Tätigkeitsbericht 2008 über die Regelung zur automatisierten Kennzeichenerfassung (AKE) in Art. 33 Abs. 2 Sätze 2 bis 5 des Bayerischen Polizeiaufgabengesetzes (PAG) berichtet (siehe 23. Tätigkeitsbericht 2008 Nr. 4.1.1).
Art 33 PAG Besondere Mittel der Datenerhebung
(2) 1Die längerfristige Observation oder der verdeckte Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Bildaufnahmen oder -aufzeichnungen ist zulässig, wenn die Erfüllung einer polizeilichen Aufgabe auf andere Weise gefährdet oder erheblich erschwert würde. 2Darüber hinaus kann die Polizei unbeschadet des Art. 30 Abs. 3 Satz 2 durch den verdeckten Einsatz automatisierter Kennzeichenerkennungssysteme bei Vorliegen entsprechender Lageerkenntnisse in den Fällen des Art. 13 Abs. 1 Nrn. 1 bis 5 Kennzeichen von Kraftfahrzeugen sowie Ort, Datum, Uhrzeit und Fahrtrichtung erfassen. 3Zulässig ist der Abgleich der Kennzeichen mit polizeilichen Fahndungsbeständen, die erstellt wurden
- über Kraftfahrzeuge oder Kennzeichen, die durch Straftaten oder sonst abhandengekommen sind,
- über Personen, die ausgeschrieben sind
- zur polizeilichen Beobachtung, gezielten Kontrolle oder verdeckten Registrierung,
- aus Gründen der Strafverfolgung, Strafvollstreckung, Auslieferung oder Überstellung,
- zum Zweck der Durchführung ausländerrechtlicher Maßnahmen,
- wegen gegen sie veranlasster polizeilicher Maßnahmen der Gefahrenabwehr.
4Ein Abgleich mit polizeilichen Dateien, die zur Abwehr von im Einzelfall oder im Hinblick auf bestimmte Ereignisse allgemein bestehenden Gefahren errichtet wurden, ist nur zulässig, wenn dies zur Abwehr einer solchen Gefahr erforderlich ist und diese Gefahr Anlass für die Kennzeichenerfassung war. 5Die Kennzeichenerfassung darf nicht flächendeckend eingesetzt werden.
Mittlerweile hat sich der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit der automatisierten Kennzeichenerfassung befasst. Er hat in seinem Urteil vom 17.12.2012 (Az.: 10 BV 09.2641) entschieden, dass die Vorschriften, die eine automatisierte Kennzeichenerfassung und den Abgleich mit polizeilichen Dateien ermöglichen, eine noch verfassungsgemäße Beschränkung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung darstellen.
Geklagt hatte ein Pendler, der regelmäßig eine bestimmte Autobahnstrecke befährt und mit seiner Klage erreichen wollte, dass der Freistaat Bayern nicht mehr automatisiert die Kennzeichen der auf ihn zugelassenen Fahrzeuge erfassen und mit polizeilichen Daten abgleichen darf.
Nach Auffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs stellt allein die Erfassung der Autokennzeichen und ihr Abgleich mit den polizeilichen Fahndungsdaten noch keinen Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung dar, soweit die Fahrzeugdaten danach sofort und folgenlos gelöscht werden (sog. "Nichttreffer"). Jedoch sei ein Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung dann zu bejahen, wenn ein erfasstes Kennzeichen in einem Speicher festgehalten wird und gegebenenfalls Grundlage weiterer Maßnahmen werden kann. Dies sei nicht erst beim echten Treffer, also der tatsächlichen Übereinstimmung der abgeglichenen Kennzeichen, sondern bereits beim sogenannten "unechten Treffer" der Fall. Solche "unechten Treffer" können zum Beispiel durch eine falsche Ablesung des Kennzeichens wegen schlechter Bildqualität auftreten. Bei diesen "unechten Treffern" liege der Grundrechtseingriff allerdings wohl nicht bereits in einer Speicherung des Kennzeichens, sondern darin, dass eine Person, nämlich der bearbeitende Polizeibeamte, das Kennzeichen ablesen könne. Die gesetzlichen Regelungen der automatisierten Kennzeichenerfassung stellen aber nach Ansicht des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs eine verfassungsgemäße Beschränkung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung dar. Insbesondere werde der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit noch gewahrt. Der Gesetzgeber habe schwerwiegende Eingriffe, die nur zu besonders gewichtigen Zwecken erfolgen dürften, von vornherein ausgeschlossen oder eng begrenzt. So sei es nur in besonderen Fällen zulässig, Einzelerfassungen zu einem Bewegungsbild zu verbinden. Der flächendeckende Einsatz der Kennzeichenerfassung sei grundsätzlich nicht erlaubt. Da die Kennzeichenerfassung und der Datenabgleich nicht anlasslos und darüber hinaus nur entsprechend den jeweiligen Lageerkenntnissen erfolgten, werde auch nicht eine unbegrenzte Kontrolle aller Verkehrsteilnehmer ausgeübt. Auch liege ein Vollzugsdefizit derzeit nicht vor.
In der mündlichen Verhandlung am 10.12.2012 wurde ich als sachkundige Person befragt. Hierbei habe ich einerseits bestätigt, dass die mir auf meine Anforderung hin von der Polizei vorgelegten Lageerkenntnisse entsprechende Gefahrensituationen schlüssig bzw. nachvollziehbar umschreiben. Andererseits habe ich darauf hingewiesen, dass ich es rechtlich für problematisch halte, dass die bayerische Regelung (Art. 33 Abs. 2 Satz 2 PAG) vom Grundsatz der heimlichen Datenerfassung ausgeht. Meines Erachtens wäre es aus verfassungsrechtlicher Sicht geboten, zunächst eine offene Datenerhebung vorzusehen und nur bei entsprechender Erforderlichkeit verdeckte Maßnahmen zuzulassen.
Dieser Argumentation ist der Bayerische Verwaltungsgerichtshof nicht gefolgt.
Er führt diesbezüglich in seinem Urteil u.a. aus, dass sich zwar durchaus subjektiv das Gefühl des Überwachtwerdens einstellen könne, da die Erfassung für den Bürger nicht erkennbar, also heimlich, erfolge. Andererseits hielten sich die Einschüchterungseffekte dann in Grenzen, wenn die Erfassung weder flächendeckend noch routinemäßig erfolge und auch nicht dem Zweck der Erstellung von Bewegungsprofilen diene, sondern anlassbezogen nach den jeweiligen Lageerkenntnissen durchgeführt werde.
Aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung wurde vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof das Rechtsmittel der Revision zugelassen. Das Bundesverwaltungsgericht (Az.: 6 C 7.13) hat die Revision am 22.10.2014 zurückgewiesen. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts soll sogar im Fall des "unechten Treffers" kein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung vorliegen. Ein Eingriff wird nur für den "echten Treffer" bejaht. Ein solcher drohe dem Kläger jedoch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit. Derzeit ist beim Bundesverfassungsgericht noch eine Verfassungsbeschwerde anhängig (Az.: 1 BvR 1782/09). Auch in diesem Verfahren habe ich eine Stellungnahme abgegeben und auf die Problematik der Verdecktheit hingewiesen. Zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses war dieses Verfahren noch nicht abgeschlossen.
3.1.5. Polizeilicher Informations- und Analyseverbund (PIAV)
Mit dem Polizeilichen Informations- und Analyseverbund (PIAV) planen die Polizeien der Länder und des Bundes ein neues Dateisystem, um einen bundesweiten Zugriff auf Personen-, Fall- und Sachdaten aus der Kriminalitätsbekämpfung zu erhalten. Im Zuge der Umstellung sollen teilweise alte Systeme wie INPOL-Fall Dateien oder auch der bisherige Kriminalpolizeiliche Meldedienst (KPMD) schrittweise ersetzt und mit neuer Analysetechnik ausgestattet werden. Die Teilnehmer des Informationsverbundes liefern dann die im System ausgetauschten Daten eigenverantwortlich und automatisiert an. Demzufolge wird auch die datenschutzrechtliche Verantwortung für die Speicherungen größtenteils auf die Landespolizei entfallen. Eine wesentliche Koordinierungsfunktion in Bayern wird hierbei das Bayerische Landeskriminalamt übernehmen.
Da bei solch umfangreichen und kostenaufwendigen Entwicklungen die Konkretisierung der datenschutzrechtlichen Anforderungen mit dem Fortgang der Planung einhergehen muss, habe ich mich sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene frühzeitig mit den zuständigen Gremien beraten. Auch wenn zahlreiche maßgebliche Entscheidungen zum Dateibetrieb noch ausstehen, hat mir das Bayerische Landeskriminalamt bereits signalisiert, die von mir vorgetragenen Bedenken aufzugreifen und entsprechende Regelungen für die bayerischen Quelldateien des Systems zu treffen. So wird das Landeskriminalamt eine konkret formulierte Eingrenzung der zulässigen Speicherungen auf Fälle von Straftaten von erheblicher Bedeutung und anderer Straftaten von länderübergreifender oder internationaler Bedeutung vornehmen. Spätestens bis zum Betrieb der ersten Teildateien müssen allerdings noch weitere datenschutzrechtlich erhebliche Entscheidungen folgen.
3.2. Polizeiliche Tätigkeiten im Zusammenhang mit Versammlungen
3.2.1. Datei "Veranstaltungs-/Einsatzkalender"
Schon anlässlich früherer Prüfungen (siehe 24. Tätigkeitsbericht 2010 Nr. 3.4.1) musste ich bei Datenschutzkontrollen feststellen, dass verschiedentlich - auch bei störungsfreiem Versammlungsverlauf - die personenbezogenen Daten von Versammlungsanmeldern oder Versammlungsleitern im Vorgangsverwaltungs- und Dokumentationsverfahren (Integrationsverfahren - IGVP) der Polizei erfasst und über mehrere Jahre gespeichert wurden. Ich hatte die betreffenden Polizeipräsidien umgehend aufgefordert, diese Daten zu löschen und dafür Sorge zu tragen, dass die hier zutreffenden verbindlichen Speicherungsverbote auch eingehalten werden.
Wie mir das Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr im vergangenen Jahr dann mitteilte, hat es einer neuen Datei zugestimmt, in der u.a. solche personenbezogenen Daten von Versammlungsanmeldern oder Versammlungsleitern gespeichert werden. Der Zugriff auf diese Daten sollte nahezu allen Mitarbeitern der Bayerischen Polizeipräsidien gewährt werden. Trotz allem Verständnis für das polizeiliche Informationsbedürfnis bei Einsatzvorbereitungen zur Gewährleistung der Sicherheit von Versammlungen habe ich deutlich meine datenschutzrechtlichen Bedenken an einer Datei in diesem Umfang zum Ausdruck gebracht. Eine Speicherung sensibler Daten, wie z.B. von Versammlungsanmeldern oder Versammlungsleitern und deren recherchierbare Vorhaltung bei der Polizei darf nur unter sehr engen Rahmenkriterien und nicht ohne eine einzelfallbezogene Prüfung der Erforderlichkeit erfolgen. Die zunächst vorgesehene Dateifassung war zudem geeignet, das durch polizeiliche Richtlinien vorgegebene Speicherungsverbot für solche Daten im Integrationsverfahren zu umgehen und diese sensiblen Daten weiten Teilen der Bayerischen Polizei über Jahre hinaus zur Verfügung zu stellen.
Derzeit stehe ich mit der Polizei in konstruktiven Gesprächen, um eine praxistaugliche Lösung für eine solche Veranstaltungsdatei zu finden. Dabei sollen sowohl das Persönlichkeitsrecht Einzelner, als auch das polizeiliche Informationsbedürfnis angemessen berücksichtigt werden. In einem ersten Schritt hat die Polizei nunmehr bereits den internen Kreis der Zugriffsberechtigten auf sensible personenbezogene Daten in ganz erheblichem Maße eingeschränkt.
3.2.2. Filmen wegen einer vermeintlichen erheblichen Störung einer Versammlung
Bei einer Versammlung hatten kurz nach Beginn der Kundgebung zwei sich aus dem Fenster eines Wohngebäudes lehnende Personen Lautsprecher in Position gebracht und Musik abgespielt. Sie wurden dabei von eingesetzten Polizeikräften gefilmt. Die Kundgebung war zu diesem Zeitpunkt vom betreffenden Wohngebäude noch deutlich entfernt. Ein Verfahren wegen Störung der Versammlung wurde von der zuständigen Staatsanwaltschaft nicht eingeleitet.
Die eingesetzten Polizeibeamten beurteilten das Abspielen der Musik als mögliche erhebliche Störung der Versammlung, so dass sich aus ihrer Sicht der Anfangsverdacht einer Straftat ergeben habe und damit ein offenes Filmen gemäß Strafprozessrecht möglich gewesen sei.
Nach Sichtung der Filmsequenzen und der mir vorliegenden Unterlagen war für mich diese Annahme nicht nachvollziehbar. Eine erhebliche Störung der Versammlung lag aus meiner Sicht nicht vor. Die Lautstärke, die von der sich nähernden Versammlung erzeugt wurde, war so groß, dass von der Musik aus den aufgestellten Lautsprechern auf der mir übersandten Filmsequenz nichts zu hören war. Da somit bereits keine Störung der Versammlung zu erkennen war, existierte erst recht keine Straftat der erheblichen Störung einer Versammlung oder auch nur ein Anfangsverdacht einer solchen Straftat. Damit lagen auch nicht die Voraussetzungen für das Filmen auf einer strafprozessualen Rechtsgrundlage vor; dieses war daher rechtswidrig.
Ich habe dem zuständigen Polizeipräsidium daher mitgeteilt, dass ich das Filmen durch die eingesetzten Beamten für rechtswidrig halte, da keine Störung der Versammlung vorlag und damit auch keine Rechtsgrundlage für das Filmen gegeben war. Die betreffenden Videoaufnahmen sind mittlerweile gelöscht.
3.3. Durchsuchungen von Personen
Im Berichtszeitraum kam es zu Presseberichterstattungen im Zusammenhang mit einer den Intimbereich des Betroffenen berührenden Betäubungsmittelkontrolle am Münchner Hauptbahnhof und einer ebenfalls den Intimbereich betreffenden Durchsuchung von Schülern an einer Schule durch Jugendbeamte wegen des Verdachts des Diebstahls eines Fünf-Euro-Scheins.
Diese Berichterstattung habe ich zum Anlass genommen, die polizeiliche Handhabung und Regelungslage in Bezug auf solche intensive Personenkontrollen im Grundsatz zu überprüfen und das betroffene Polizeipräsidium auf einen Verbesserungsbedarf in folgenden Punkten hinzuweisen:
Strafprozessuale Eingriffsmaßnahmen stehen immer unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit. Durchsuchungen, die mit einer Entkleidung verbunden sind, stellen einen schwerwiegenden Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht dar. Wegen des besonderen Gewichts von Eingriffen, die den Intimbereich und das Schamgefühl des Betroffenen berühren, hat dieser Anspruch auf besondere Rücksichtnahme (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 10.07.2013, Az.: 2 BvR 2815/11).
Grundsätzlich kann es sich bei der Durchsuchung eines Tatverdächtigen einer Straftat zwar um eine erfolgversprechende und notwendige polizeiliche Erstmaßnahme gemäß § 102 Strafprozessordnung (StPO) handeln. Dabei ist jedoch zu beachten, dass strafunmündige Kinder keine "Verdächtigen" im Sinne des § 102 StPO sein können, d.h. eine Durchsuchung von Strafunmündigen ist allenfalls unter den strengeren Voraussetzungen des § 103 StPO zulässig, wenn beispielsweise das Kind als Zeuge in Betracht kommt. Sie stellt erhöhte Anforderungen an die Prüfung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (vgl. Meyer-Goßner, § 103 StPO, Rn. 1a).
Gemäß § 105 Abs. 1 StPO dürfen Durchsuchungen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen angeordnet werden. Hierbei handelt es sich um ein Stufenverhältnis, d.h. in erster Linie zuständig ist der Richter, der die Eingriffsvoraussetzungen eigenverantwortlich zu prüfen hat. Eine Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft und - sollte auch sie nicht erreichbar sein - ihrer Ermittlungspersonen besteht nur bei Gefahr im Verzug. Die richterliche Anordnung ist damit die Regel, so dass die handelnden Polizeibeamten grundsätzlich versuchen müssen, eine solche einzuholen. Mit anderen Worten muss zumindest der Versuch einer telefonischen Kontaktaufnahme mit dem Gericht unternommen werden. An einem regulären Arbeitstag ist damit zu rechnen, dass ein Richter telefonisch zu erreichen ist. Darüber hinaus ist die Staatsanwaltschaft über ihren Bereitschaftsdienst rund um die Uhr zu erreichen. Ein Abweichen von diesem Stufenverhältnis wäre nur möglich, wenn die dadurch bedingte zeitliche Verzögerung zu einem Beweismittelverlust führen könnte.
Ich habe das betroffene Polizeipräsidium gebeten, die genannten Punkte geeignet umzusetzen und seine Beamten diesbezüglich zu sensibilisieren.
3.4. Einsatz von Videotechnik
3.4.1. Videoüberwachung nach Art. 32 PAG
3.4.1.1. Polizei beendet Videoüberwachung in Grafenwöhr
Im Jahr 2012 informierte mich das Polizeipräsidium Oberpfalz über sein Vorhaben, an einem Gefahrenbrennpunkt mit Gaststättenbetrieben und einer hohen polizeilichen Einsatzbelastung im Nahbereich des Truppenübungsplatzes Grafenwöhr, eine zeitlich begrenzte Videoüberwachung einzurichten. Nach Überlegungen der zuständigen Sicherheitsbehörden sollte den ansteigenden Deliktszahlen mit einem umfangreichen Maßnahmenbündel, von einer Sperrzeitverlängerung bis hin zu einem stadtsatzungsrechtlichen Alkoholverbot, begegnet werden. Angesichts der von der Polizei dargelegten besonderen Einsatzsituation in den Jahren 2011/2012 erschien auch nach meiner Bewertung eine polizeiliche Videoüberwachung nach Art. 32. Abs. 2 Nr. 2 Polizeiaufgabengesetz (PAG) vertretbar.
Art. 32 PAG Datenerhebung bei öffentlichen Veranstaltungen und Ansammlungen sowie an besonders gefährdeten Objekten
(2) 1Die Polizei kann
- zur Abwehr einer im Einzelfall bestehenden Gefahr
- an den in Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 genannten Orten, wenn sie öffentlich zugänglich sind, oder
- an Orten, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass dort Ordnungswidrigkeiten von erheblicher Bedeutung begangen werden, wenn diese Orte öffentlich zugänglich sind,
offen Bild- und Tonaufnahmen oder -aufzeichnungen von Personen anfertigen. 2In den Fällen des Satzes 1 Nrn. 2 und 3 soll in geeigneter Weise auf die Bild- und Tonaufnahmen und -aufzeichnungen hingewiesen werden.
In Absprache mit dem Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr wurde die Dauer der Maßnahme zunächst auf ein Jahr begrenzt. Im Zeitraum bis zum 11.11.2013 erfolgte die Überwachung in den festgelegten Nachtstunden an insgesamt 184 Tagen. Wohl auch unter dem Einfluss der reduzierten Belegungszahlen und einer veränderten Truppenstruktur am Truppenübungsplatz Grafenwöhr konnte die Polizei ab Jahresbeginn 2013 eine stark rückläufige Entwicklung der Deliktszahlen im überwachten Bereich feststellen. Das Polizeipräsidium Oberpfalz entschied daher, die Maßnahme nicht weiter fortzuführen und beendete die Videoüberwachung in Grafenwöhr zum 11. November 2013.
Ich begrüße den Rückbau der Videoüberwachung. Vor allem bewerte ich es als sehr positiv, dass die Polizei bereit ist, von sich aus auf eine bereits geschaffene Überwachungsstruktur zu verzichten, sobald dies durch den Rückgang der Kriminalitätsentwicklung vor Ort angezeigt erscheint.
3.4.1.2. Videoüberwachung einer Auslandsvertretung
Die polizeiliche Videoüberwachung einer Auslandsvertretung habe ich zum Anlass für eine datenschutzrechtliche Prüfung genommen.
Rechtsgrundlage dieser stationären Videoüberwachung ist Art. 32 Abs. 3 Polizeiaufgabengesetz (PAG).
Art. 32 PAG Datenerhebung bei öffentlichen Veranstaltungen und Ansammlungen sowie an besonders gefährdeten Objekten
(3) Die Polizei kann an oder in den in Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 genannten Objekten Bild- und Tonaufnahmen oder -aufzeichnungen von Personen anfertigen, soweit tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass an oder in Objekten dieser Art Straftaten begangen werden sollen, durch die Personen, diese Objekte oder andere darin befindliche Sachen gefährdet sind.
Im Rahmen meiner Prüfung hatte ich darum gebeten, die tatsächlichen Voraussetzungen für die polizeiliche Videoüberwachung, die im Einvernehmen mit der betroffenen Auslandsvertretung vorgenommen wird, insbesondere anhand einer konkreten polizeilichen Gefährdungseinschätzung, näher zu erläutern. Ferner habe ich das zuständige Polizeipräsidium darauf hingewiesen, dass in der Einsatzanordnung Löschroutinen, Zugriffsrechte, Protokollierungsfragen, Auswertungskriterien, sowie eine Regelungslage bei Versammlungen konkret anzuordnen sind. Besonderes Augenmerk habe ich bei meiner datenschutzrechtlichen Prüfung auf die Reichweite der Kameras hinsichtlich einer möglichen Einsichtnahme in private Wohn- oder Geschäftsräume gelegt. Auch hier habe ich das zuständige Polizeipräsidium darauf hingewiesen, eine Einsichtnahme in Privaträume in jedem Fall technisch, etwa durch Schwarzschaltungen, auszuschließen.
3.4.1.3. Einsatz von Body-Cams
Seit Mai 2013 wird die sog. Body-Cam in Hessen als Pilotversuch bei der Polizei getestet. Dabei wird eine Videokamera auf der Schulter der Uniformweste angebracht und soll dem Schutz der Beamten vor Übergriffen dienen. Die Polizeibeamten können dabei die Kameras selbständig ein- und ausschalten. Der Einsatz ist auf Personenkontrollen und Streitschlichtung begrenzt. Als Rechtsgrundlage dient § 14 Abs. 6 Hessisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG):
§ 14 HSOG Datenerhebung und sonstige Datenverarbeitung an öffentlichen Orten und besonders gefährdeten öffentlichen Einrichtungen
(6) Die Polizeibehörden können an öffentlich zugänglichen Orten eine Person, deren Identität nach diesem Gesetz oder anderen Rechtsvorschriften festgestellt werden soll, mittels Bildübertragung offen beobachten und dies aufzeichnen, wenn dies nach den Umständen zum Schutz von Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten oder Dritten gegen eine Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist. Dabei können personenbezogene Daten auch über dritte Personen erhoben werden, soweit dies unerlässlich ist, um die Maßnahme nach Satz 1 durchführen zu können. Sind die Daten für Zwecke der Eigensicherung oder der Strafverfolgung nicht mehr erforderlich, so sind sie unverzüglich zu löschen.
Aktuell ist bei der Bayerischen Polizei kein Pilotversuch zur Einführung von Body-Cams geplant. Allerdings prüft die Bayerische Polizei derzeit einen möglichen Einsatz von Body-Cams unter rechtlichen und fachlichen Gesichtspunkten, was ich kritisch begleiten werde.
Der Einsatz von Body-Cams ist nur zulässig, sofern die jeweils geltenden gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Für den Bereich der polizeilichen Gefahrenabwehr in Bayern ist dabei vor allem an Art. 32 Polizeiaufgabengesetz zu denken. Eine vergleichbare Regelung wie § 14 Abs. 6 HSOG existiert in Bayern jedoch nicht. Nach meiner Einschätzung würde eine flächendeckende Erfassung sämtlicher Polizeieinsätze gegen Verfassungsrecht verstoßen. Polizeiliche Videoüberwachung mag zwar auch dem Schutz des Betroffenen dienen, zugleich ist sie jedoch auch stets ein Grundrechtseingriff. Solche Grundrechtseingriffe bedürfen nach dem Grundgesetz einer Rechtfertigung. Dies bedeutet insbesondere, dass sie für ein legitimes Ziel erforderlich und angemessen sein müssen. Sollten Polizeieinsätze vollständig mittels Body-Cams erfasst werden, würde man nicht nur die Polizeibeamten übermäßig kontrollieren, sondern auch den öffentlichen Raum mit einer unverhältnismäßigen Vorratsdatenspeicherung überziehen.
3.4.2. Videoüberwachung von Dienstgebäuden nach Art. 21a BayDSG
Mit dem Thema Videoüberwachung im Bereich der Polizei habe ich mich bereits wiederholt ausführlich befasst. Auch in diesem Berichtszeitraum habe ich mich wiederum mit der Videoüberwachung von Gebäuden verschiedener Bayerischer Polizeidienststellen auseinandergesetzt.
Die Rechtsgrundlage für die Videoüberwachung einer Polizeidienststelle liegt in der Regel im Hausrecht der Behörde nach Art. 21a BayDSG. Art. 49 Polizeiaufgabengesetz (PAG) bestimmt, dass Art. 21a BayDSG in Ausübung des Hausrechts Anwendung findet. Diese spezielle Regelung verdrängt Art. 32 PAG. Sofern die Anlagen zur Videoüberwachung auch eine Aufzeichnung ermöglichen, ist nach Art. 49 PAG und Art. 21a Abs. 6 in Verbindung mit Art. 26 und Art. 27 BayDSG eine datenschutzrechtliche Freigabe und die Aufnahme in das Verfahrensverzeichnis erforderlich. Gemäß Art. 21a Abs. 2 BayDSG sind die Videoüberwachung und die erhebende Stelle durch geeignete Maßnahmen erkennbar zu machen. Die Videoüberwachung ist grundsätzlich gemäß Art. 21a Abs. 1 BayDSG auf den Bereich der "unmittelbaren Nähe" zu beschränken.
Im Rahmen meiner Prüfungen habe ich festgestellt, dass insbesondere für den Fall, dass im Umfeld des videoüberwachten Gebäudes eine Versammlung stattfindet, sichergestellt werden muss, dass Aufzeichnungen nur nach dem Bayerischen Versammlungsgesetz zulässig sind. Liegen die Voraussetzungen des Bayerischen Versammlungsgesetzes nicht vor, müssen die betroffenen Kameras weggeschwenkt bzw. ausgeschaltet werden. Auf eine entsprechende Ergänzung der Dienstanweisung habe ich hingewirkt. Bei der Beschilderung habe ich darum gebeten sicherzustellen, dass diese bereits erkennbar sein muss, bevor der Bürger den überwachten Bereich betritt. Positiv habe ich festgestellt, dass der Sichtbereich der Kameras zum Teil durch Schwarzschaltungen abgedeckt wurde, soweit öffentliche Bereiche erfasst wurden, die über den Nahbereich des Gebäudes hinausgingen wie z.B. Fußgängerzonen. Auch im Fall eines Zoomes lässt sich die Schwarzschaltung nicht umgehen; der einsehbare Raum verkleinert sich im Gegenteil noch deutlich. Auch dies halte ich für eine sehr datenschutzkonforme Lösung.
3.5. Speicherungen in polizeilichen Dateien
Die Polizei unterhält zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben eine Vielzahl unterschiedlicher Dateien. Von überregionaler Bedeutung ist hierbei das Informationssystem Polizei (INPOL). INPOL ist eine polizeiliche Datenbank, die für Bundes- und Länderpolizeien kriminalpolizeiliche Daten bereithält. Wichtiger Bestandteil von INPOL ist der sogenannte Kriminalaktennachweis (KAN), der Angaben zu erkennungsdienstlichen Behandlungen, Haftdaten, Strafanzeigen und Beschreibungen auffällig gewordener Personen enthält. Ebenso wichtig für die alltägliche Arbeit der Polizei ist das Integrationsverfahren der Bayerischen Polizei (IGVP), welches vor allem der Vorgangsverwaltung beim jeweiligen Polizeiverband dient. Darin sind wesentliche Vorgänge dokumentiert, die bei der polizeilichen Arbeit anfallen. Aufgrund der datenschutzrechtlichen Bedeutung polizeilicher Speicherungen richte ich mein Augenmerk regelmäßig auf diesen Bereich.
3.5.1. Formulierungen in Kurzsachverhalten des Integrationsverfahrens der Bayerischen Polizei (IGVP)
Im Rahmen meiner Prüftätigkeit stieß ich auf einen IGVP-Kurzsachverhalt, der die Formulierung "der ehrenwerte Herr ..." enthielt. Aufgrund der Gesamtumstände war davon auszugehen, dass diese Wortwahl eine herabsetzende Intention hatte. Da Eintragungen im IGVP in einer sprachlich neutralen Form abgefasst werden müssen und herablassende Äußerungen inakzeptabel sind, habe ich das zuständige Polizeipräsidium auf diese Eintragung aufmerksam gemacht. Das Polizeipräsidium war daraufhin sofort bereit, die zitierte Formulierung zu korrigieren.
3.5.2. Freitextrecherchen in Kurzsachverhalten des Integrationsverfahren der Bayerischen Polizei (IGVP)
Meiner Ankündigung im letzten Tätigkeitsbericht entsprechend (siehe 25. Tätigkeitsbericht 2012 Nr. 3.5.1) habe ich die Freitextrecherche in den Kurzsachverhalten im polizeilichen Integrationsverfahren (IGVP) bei zwei Polizeipräsidien überprüft. Hintergrund der Prüfung war die Ausdehnung der Freitextrecherche auf die im IGVP gespeicherten Kurzsachverhalte. Das Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr hatte diesbezüglich die Anweisung erteilt, dass in den Kurzsachverhalten auf bestehende Daten - wie beispielsweise Namensangaben - in strukturierten Datenfeldern (z.B. "BES" für "Beschuldigter") verwiesen werden soll, in denen automatisiert gelöscht werden kann. Ich hatte dem Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr gegenüber die Befürchtung geäußert, dass andernfalls Prüfungs- und Löschungstermine für die suchfähige Speicherung personenbezogener Daten (insbesondere von Kindern und Jugendlichen) nicht durchwegs eingehalten werden. Im Rahmen meiner Prüfung habe ich stichprobenartig neue Eintragungen im IGVP dahingehend kontrolliert, ob in den gespeicherten Kurzsachverhalten unzulässigerweise weiter Namensangaben gemacht werden oder stattdessen lediglich auf strukturierte Datenfelder verwiesen wird.
Meine Prüfung hat ergeben, dass Kurzsachverhalte in einigen Fällen vollständige Namen enthielten bzw. teilweise Namen nur unwesentlich abgekürzt waren. Diese Kürzel ließen einen Rückschluss auf den vollständigen Namen zu.
Ich habe dieses Prüfungsergebnis sowohl den betroffenen Polizeipräsidien als auch dem Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr mitgeteilt. Die Polizeipräsidien haben mir daraufhin bestätigt, dass die konkreten Fälle im IGVP bereinigt wurden. Das Staatsministerium hat mir versichert, dass die Polizeiverbände angewiesen wurden, die Mitarbeiter im Rahmen der Aus- und Fortbildung sowie im Rahmen fortgesetzter Datenqualitätsmaßnahmen eingehend hinsichtlich der bestehenden Regelungslage zu sensibilisieren.
3.5.3. Prüfung der Speicherungsvoraussetzung "polizeilicher Restverdacht"
Mit der polizeilichen Speicherung von personenbezogenen Daten aus strafrechtlichen Ermittlungen zu präventiven Zwecken im Sinne von Art. 38 Abs. 2 Polizeiaufgabengesetz (PAG) (INPOL/KAN-Datei) beschäftige ich mich fortlaufend sehr intensiv. Die Polizei kann die erhobenen personenbezogenen Daten auch nach Abschluss des Strafverfahrens weiterhin in dieser Datei speichern, selbst wenn die Staatsanwaltschaft das Verfahren eingestellt hat oder der Angeklagte von einem Gericht freigesprochen wurde. Voraussetzung für die weitere Speicherung ist nach Auffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, dass nach Abschluss des Strafverfahrens ein Tatverdacht von ausreichender Substanz verbleibt und nicht auszuschließen ist, dass die Speicherung der Daten des vormals Beschuldigten auch künftig bei der vorbeugenden Straftatenbekämpfung von Nutzen sein könnte. Der für eine weitere polizeiliche Speicherung erforderliche sogenannte Restverdacht ist von dem hinreichenden Tatverdacht im Sinne der Strafprozessordnung zu unterscheiden. Auch wenn der strafprozessuale Tatnachweis hinsichtlich einer Straftat nicht geführt werden kann, können Zeugenaussagen oder sonstige konkrete Anhaltspunkte dafür sprechen, dass der polizeiliche Restverdacht fortbesteht (vgl. auch Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 16.05.2002, Az.: 1 BvR 2257/01, siehe auch Beschluss vom 01.06.2006, Az.: 1 BvR 2293/03). Die Einstellung eines Verfahrens oder ein gerichtlicher Freispruch beseitigt daher für sich alleine den Tatverdacht grundsätzlich noch nicht.
Anders liegt der Fall, wenn in der Einstellungsverfügung oder dem freisprechenden Urteil ausdrücklich festgestellt wird, dass der Tatverdacht gegen den Beschuldigten vollständig entfallen ist - etwa weil keine Straftat vorliegt, der Beschuldigte nicht der Täter ist oder er nicht rechtswidrig gehandelt hat. Von einer solchen ausdrücklichen Bewertung der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts darf die Polizei nicht von sich aus abweichen. So auch die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, wonach die Speicherungen im Fall der Feststellung der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts über ein vollständiges Entfallen des Verdachts zu löschen sind (Art. 38 Abs. 2 Satz 2 PAG) und eine eigenständige Prüfung der Polizei zum verbleibenden Verdacht nur in Fällen erforderlich ist, in welchen keine derartige Feststellung erfolgte (Verwaltungsgerichtshof vom 01.08.2012, Az.: 10 ZB 11. 2438, Rn. 3).
Im Berichtszeitraum habe ich die Speicherungspraxis im Bereich zweier Polizeipräsidien in dieser Hinsicht überprüft. Dabei konzentrierte ich mich auf Ermittlungsverfahren, die mit der ausdrücklichen Feststellung der Staatsanwaltschaft eingestellt wurden, dass der Beschuldigte unschuldig ist bzw. ein begründeter Tatverdacht nicht mehr besteht. Überprüft habe ich also Fälle, die keine - abweichende - Bewertung der Polizei gestatten und bei der die polizeiliche präventive Speicherung (INPOL/KAN-Datei) unzulässig ist (vgl. oben). In der polizeilichen Vorgangsverwaltungsdatei IGVP hingegen darf der Vorgang zur Dokumentation polizeilichen Handelns zunächst weiterhin gespeichert werden, der Status des vormals Beschuldigten ist in diesen Fällen allerdings auf Zeuge zu ändern. Meine Prüfung zeigte in vielen Fällen, dass die Speicherung in der Vorgangsverwaltung der Polizei (IGVP) nicht dem Verfahrensausgang entsprechend angepasst wurde. In seltenen Fällen war der ehemalige Beschuldigte sogar trotz der Feststellung des restlos entfallenen Tatverdachts im INPOL/KAN weiterhin als Beschuldigter geführt. Stellenweise beruhten diese Umstände darauf, dass der Polizei die für eine Einzelprüfung erforderliche Mitteilung über den Verfahrensausgang entweder nicht oder nicht vollständig übermittelt wurde (siehe Nr. 5.3.5). Ich habe die geprüften Präsidien demgemäß zur Änderung bzw. Löschung der Speicherungen entsprechend den oben dargestellten Grundsätzen aufgefordert und auf die Bedeutung der Thematik für die betroffenen Bürger hingewiesen. Die Präsidien sind allen Forderungen nachgekommen. Bei meiner Prüfung hat sich zudem gezeigt, welche erhebliche Bedeutung die Mitteilung der Staatsanwaltschaft an die Polizei über den Ausgang des Verfahrens besitzt. Diese stellt meist die einzige Grundlage der Polizei für ihre Umsetzung der Feststellungen der Staatsanwaltschaft in ihren polizeilichen Dateien dar.
3.5.4. Prüfung erkennungsdienstlicher Maßnahmen
Sollen Beschuldigte im Rahmen von Ermittlungsverfahren erkennungsdienstlich behandelt werden, empfinden sie dies zumeist als einen weitaus drastischeren Eingriff in ihre Rechtssphäre, als andere gegen sie gerichtete Maßnahmen. Dies zeigt zumindest meine Erfahrung mit Bürgereingaben in diesem Bereich. Oft verstärkt sich dieser Eindruck beim Betroffenen noch, wenn die erhobenen Daten nicht der Aufklärung im gerade geführten Strafverfahren dienen sollen, sondern die Polizei die Unterlagen für die Zukunft bereithalten möchte, da sie erneute Strafverfahren gegen die Person erwartet. Der Gesetzgeber hat die Voraus-setzungen für eine erkennungsdienstliche Maßnahme in § 81b Strafprozessordnung (StPO) eher knapp umschrieben.
§ 81b StPO Erkennungsdienstliche Maßnahmen bei dem Beschuldigten
Soweit es für die Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens oder für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist, dürfen Lichtbilder und Fingerabdrücke des Beschuldigten auch gegen seinen Willen aufgenommen und Messungen und ähnliche Maßnahmen an ihm vorgenommen werden.
Wann diese Voraussetzungen für eine erkennungsdienstliche Maßnahme zur vorbeugenden Bekämpfung von künftigen Straftaten tatsächlich erfüllt sind, lässt sich aber an Hand der Rechtsprechung zu § 81b StPO konkretisieren. So muss insbesondere eine auf Tatsachen basierende verlässliche Prognose getroffen werden, dass der Beschuldigte wieder in den Kreis der Verdächtigen einer noch aufzuklärenden strafbaren Handlung einbezogen werden könnte. Zusätzlich müssen die erkennungsdienstlichen Unterlagen die dann möglicherweise zu führenden Ermittlungen auch fördern können. Insgesamt kommt es bei der Frage der Zulässigkeit einer erkennungsdienstlichen Behandlung auf die Umstände des Einzelfalls an. Dabei sind bei der Gesamtbewertung die Art, Schwere und Begehungsweise der dem Betroffenen im strafrechtlichen Anlassverfahren zur Last gelegten Straftaten, seine Persönlichkeit sowie der Zeitraum zu berücksichtigen, währenddessen er strafrechtlich nicht mehr in Erscheinung getreten ist. Der polizeiliche Sachbearbeiter hat also eine ganze Reihe von Kriterien in seine Abwägung einzubeziehen, bevor er sich für eine so gravierende Maßnahme entscheidet. Er sollte stets vor Augen haben, dass eine erkennungsdienstliche Behandlung typischerweise bei gewerbs- oder gewohnheitsmäßig handelnden Tätern in Betracht kommt. Insbesondere hat er diese Entscheidung ohne eigenen Belastungseifer gegenüber dem Beschuldigten und ohne einen etwaigen Quotendruck zu treffen. Dies gilt umso mehr, als einmal vollzogene erkennungsdienstliche Maßnahmen, ohne eine regelmäßige Kontrolle durch eine weitere Instanz, über einen langen Zeitraum (Regelspeicherfrist bei Erwachsenen 10 Jahre) gespeichert bleiben - zumindest soweit nicht der Betroffene selbst dagegen Einwände erhebt.
Als Ergebnis meiner Prüfung kann ich zusammenfassen, dass zu viel und zu schnell erkennungsdienstlich behandelt wurde. Im Rahmen meiner Prüfung ließ ich mir zunächst 150 erkennungsdienstliche Maßnahmen von Personen, die im Kriminalaktennachweis mit höchstens drei Unterlagen gespeichert sind, vorlegen. Nach einer weiteren Vorauswahl konzentrierte ich mich bei meiner Vorortprüfung auf zwanzig Maßnahmen. In dreizehn von diesen zwanzig Fällen forderte ich das betroffene Präsidium zur Löschung der erkennungsdienstlichen Unterlagen oder gar der gesamten Speicherung im Kriminalaktennachweis auf.
Die Bandbreite der festgestellten Mängel stellte sich dabei wie folgt dar: Fehlen eines haltbaren Tatverdachts; keine ausreichenden Erkenntnisse für die geforderte Negativprognose (weil keine ausreichende Grundlage gegeben war, um eine erneute Verfehlung der Betroffenen zu erwarten oder weil der Abstand zwischen den in der Vergangenheit vorgefallenen Delikten als für eine Prognoseentscheidung zu lange angesehen werden musste); fehlende Notwendigkeit der Speicherung von erkennungsdienstlichen Unterlagen für die Aufklärung der begangenen und möglicherweise wieder zu erwartenden Delikte (weil es sich z.B. um einen Warenkreditbetrug handelte und über die Identität des Betroffenen zu keinem Zeitpunkt Zweifel bestand); Nichtbeachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (z.B. erkennungsdienstliche Behandlung wegen zweier Ladendiebstähle geringwertiger Sachen - einmal eine Packung Brotzeiteier und dreieinhalb Jahre später eine DVD im Wert von 8,99 Euro).
Trotz dieser negativen Feststellungen ist diese Prüfung ein Beispiel für die erfreuliche Zusammenarbeit mit der Polizei in den vergangenen Jahren. So folgte das geprüfte Polizeipräsidium in allen Fällen meiner Aufforderung zur Löschung. Darüber hinaus hat es mir zugesichert, das Thema "erkennungsdienstliche Behandlungen" intern aufzubereiten und eine Verbesserung der Maßnahmenqualität anzustreben.
3.5.5. Prüfung retrograder DNA-Speicherungen
Bereits in meinem vorangegangenen Tätigkeitsbericht habe ich mich mit sogenannten retrograden DNA-Speicherungen beschäftigt (siehe 25. Tätigkeitsbericht 2012 Nr. 3.5.6). Auch hatte ich angekündigt, wegen der datenschutzrechtlichen Bedeutung des Themas noch weitere Präsidien zu prüfen. Dies ist in der Zwischenzeit geschehen und meine diesbezüglichen Prüfungen sind abgeschlossen.
§ 81g StPO Identifikationsfeststellung
(1) Ist der Beschuldigte einer Straftat von erheblicher Bedeutung oder einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung verdächtig, dürfen ihm zur Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren Körperzellen entnommen und zur Feststellung des DNA-Identifizierungsmusters sowie des Geschlechts molekulargenetisch untersucht werden, wenn wegen der Art oder Ausführung der Tat, der Persönlichkeit des Beschuldigten oder sonstiger Erkenntnisse Grund zu der Annahme besteht, dass gegen ihn künftig Strafverfahren wegen einer Straftat von erheblicher Bedeutung zu führen sind. Die wiederholte Begehung sonstiger Straftaten kann im Unrechtsgehalt einer Straftat von erheblicher Bedeutung gleichstehen.
Im Rahmen meiner Prüfungen konnte ich in einigen Fällen erreichen, dass die gespeicherten DNA-Muster wieder gelöscht wurden, da die Voraussetzungen des § 81g Strafprozessordnung (StPO) nicht erfüllt waren.
Mehrfach musste ich kritisieren, dass oftmals DNA-Speicherungen vorgenommen wurden, obwohl der Betroffene nur zu einer Bewährungsstrafe verurteilt und dieser Umstand bei der nach § 81g StPO zu treffenden Prognoseentscheidung nicht berücksichtigt wurde. Voraussetzung für eine DNA-Speicherung nach § 81g StPO ist eine Prognose dahingehend, dass gegen den Beschuldigten erneut Strafverfahren wegen Straftaten von erheblicher Bedeutung zu führen sein werden. Um eine solche Prognose treffen zu können, müssen alle Umstände in den Abwägungsvorgang eingestellt werden, die gleichermaßen bei einer Sozialprognose für die Strafaussetzung zur Bewährung bestimmend sein können. Dies bedeutet letztlich, dass in Fällen, in denen der Betroffene zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurde, eine DNA-Speicherung einem erhöhten Begründungsbedarf unterliegt (vgl. u.a. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 29.09.2013, Az.: 2 BvR 939/13).
3.5.6. Herausragende Einzelfälle
3.5.6.1. Unzulässige Speicherung eines Rechtsanwalts wegen Geldwäscheverdachts
Im Rahmen einer Personenkontrolle erfuhr ein Rechtsanwalt zufälligerweise und für ihn völlig überraschend, dass er polizeilich gespeichert sei. Daraufhin wandte er sich an mich.
Bei meiner anschließenden datenschutzrechtlichen Prüfung stellte ich Folgendes fest: Der Rechtsanwalt war im Zusammenhang mit seiner Funktion als Geschäftsführer einer Leasingfirma in INPOL wegen Diebstahls in einem besonders schweren Fall (Kfz) und wegen Verdachts der Geldwäsche gespeichert.
Den Diebstahlsverdacht speicherte die Polizei, da im Jahr 2003 ein durch die Firma des Rechtsanwalts verleastes Fahrzeug entwendet wurde. Inwieweit der Rechtsanwalt damit zu tun hatte, konnte die Polizei nicht substantiiert erläutern. So stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren nach § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) ein. Die Polizei begründete die weitere Speicherung vor allem damit, dass der polizeiliche Restverdacht infolge der ihr in diesem Fall vorliegenden Verfahrenseinstellung nach § 170 Abs. 2 StPO nicht vollständig entfallen sei. Aus datenschutzrechtlicher Sicht problematisch war hierbei insbesondere die Argumentation, mit der die Polizei die weitere Speicherung zusätzlich zu begründen versuchte: Im Rahmen der Ermittlungen hätten auch keine entlastenden Beweise bzw. Erkenntnisse festgestellt werden können, so dass der Tatverdacht auch nicht ausgeräumt worden sei. Diese Argumentation verfängt nicht. Das Fortbestehen eines Restverdachts ist, wie aus Art. 38 Abs. 2 Satz 2 Personalaufgabengesetz folgt, zwingende Tatbestandsvoraussetzung für die Rechtmäßigkeit der weiteren Speicherung. Beruft sich die speichernde Polizeibehörde auf einen fortbestehenden Restverdacht, obliegt ihr daher auch die entsprechende Darlegungs- und Beweislast.
Der Speicherung wegen Geldwäsche lag ein Steuerstrafverfahren gegen einen Leasingnehmer der oben erwähnten Firma zugrunde. Aus Sicht der Ermittlungsbehörden lagen, insbesondere aufgrund des Verhaltens des Leasingnehmers, auch geldwäscherelevante Anhaltspunkte gegen die Leasingfirma des Rechtsanwalts vor. Als Ermittlungsansatz führte die Polizei zusätzlich belastend an, der Rechtsanwalt sei im Jahr 2003 wegen eines schweren Diebstahls polizeilich in Erscheinung getreten. Gleichwohl konnte ein Anfangsverdacht wegen Geldwäsche nicht verifiziert werden, weshalb 2009 von der Einleitung eines förmlichen Ermittlungsverfahrens gemäß § 152 Abs. 2 StPO abgesehen wurde. Da sich der ursprüngliche Anfangsverdacht im Laufe der Ermittlungen nicht erhärtet hatte und noch nicht einmal ein förmliches Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde, hätte auch diese Speicherung nach Wegfall des zugrundeliegenden Verdachts gelöscht werden müssen.
Erst aufgrund meines Betreibens wurden beide Speicherungen gelöscht.
Insbesondere der Umstand, dass die eigentlich unzulässige Speicherung wegen schweren Diebstahls im zweiten Verfahren wegen Geldwäsche belastend herangezogen wurde, verdeutlicht, wie wichtig es für die Rechte des Einzelnen ist, dass solche polizeilichen Speicherungen nur vorgenommen werden dürfen, wenn auch tatsächlich ein polizeilicher Restverdacht vorliegt.
3.5.6.2. Unzulässige Speicherungen im Zusammenhang mit Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz
Schon in meinen früheren Tätigkeitsberichten habe ich immer wieder gewarnt, welche negativen Konsequenzen für den Betroffenen unzulässige Speicherungen in polizeilichen Systemen haben können. Gerade bei mutmaßlichen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz ist daher eine gewissenhafte Speicherpraxis unerlässlich. Im Widerspruch hierzu stelle ich immer wieder fest, dass schon nach ersten Verdachtsmomenten - die sich später nicht erhärten - entsprechende Speicherungen im Kriminalaktennachweis angelegt bzw. nicht wieder gelöscht werden.
So im Fall einer jungen Frau, die bei einer Polizeidienststelle eigentlich eine Beschädigung ihres Autos anzeigen wollte. Aus ihrem aufgeregten und redseligen Verhalten schlossen die Beamten, sie sei unter Drogeneinfluss mit dem Auto zur Polizeiwache gefahren. Den bei der jungen Frau daraufhin durchgeführten Drogenschnelltest deuteten die Beamten als Beweis für ihre Einschätzung. Sie leiteten deshalb ein Strafverfahren wegen Trunkenheit im Verkehr ein und stellten auch noch eine Strafanzeige wegen einer Straftat nach dem Betäubungsmittelgesetz, da die Frau die vermeintlich eingenommenen Drogen ja auch einmal besessen haben musste. Diese Annahmen wurden sodann der zuständigen Fahrerlaubnisbehörde mitgeteilt und flossen auch - obwohl hierfür völlig unerheblich - in den Unfallbericht wegen der zurückliegenden Beschädigung ihres Fahrzeuges ein. All dies, obwohl sich laut polizeilicher Ermittlungsakte keine weiteren Ermittlungsansätze finden ließen und die chemisch-toxikologische Untersuchung einer Blutprobe durch ein Institut für Rechtsmedizin keinerlei Hinweise ergab, dass die junge Frau berauschende Mittel konsumiert habe. Der polizeiliche Vorbefund wurde durch die Untersuchung somit unmissverständlich widerlegt und die Staatsanwaltschaft stellte die anhängigen Ermittlungsverfahren umgehend ein.
Trotz dessen sollten aus polizeilicher Sicht die Verdachtsspeicherungen weiterhin aufrechterhalten werden. So wertete das Polizeipräsidium zunächst ein von den Beamten selbst ausgefülltes Protokoll, in dem die vermeintlichen "drogentypischen Auffälligkeiten" durch den Sachbearbeiter angekreuzt wurden, als Indiz dafür, dass die Beamten mit ihren Vermutungen richtig lagen. Einer näheren Betrachtung hielt dieses Protokoll allerdings nicht Stand. Die darin angekreuzten Angaben widersprachen sich und deuteten eher auf eine fehlerhafte Verhaltensinterpretation durch die Beamten hin. Nach längerem Schriftwechsel löschte die Polizei schließlich die betreffenden Speicherungen und teilte die Verfahrenseinstellung auch der Führerscheinstelle beim Landratsamt mit. Insoweit dürften der jungen Frau nunmehr keine weiteren Unannehmlichkeiten drohen.
3.5.6.3. Unzulässige Speicherungen trotz Verfahrenseinstellung und Entfallen eines Restverdachts
Eine Fahrerlaubnisbehörde wollte die Eignung einer Petentin zum Führen von Kraftfahrzeugen überprüfen, da gegen diese polizeiliche Ermittlungen aufgrund des Verdachts eines Betäubungsmitteldelikts geführt wurden. Die Petentin, der diese Ermittlungen zum damaligen Zeitpunkt unbekannt waren, konnte sich dies zunächst nicht erklären und wandte sich an mich. Wie sich später herausstellte, wurden die Personalien der Petentin missbräuchlich verwendet. Sie wurde von dem unbekannten tatsächlichen Absender eines Briefes fälschlicherweise als Absenderin auf dem Briefumschlag genannt. Der Brief enthielt unter das Betäubungsmittelgesetz fallende Amphetamine und wurde an eine Anschrift in München zugestellt. Der Adressat dieses Briefes, der ebenfalls nichts mit dem Versand der Betäubungsmittel zu tun zu hatte, ließ den Brief samt Inhalt bei der Polizei abgeben. Auch nach den polizeilichen Erkenntnissen hatten weder die als Absenderin genannte Petentin noch der Adressat des Briefes mit Betäubungsmitteldelikten jemals etwas zu tun.
Ganz offensichtlich wurde also die teils in der regionalen Öffentlichkeit stehende Petentin bewusst missbräuchlich als Absenderin des Briefes genannt, eventuell um sie in Misskredit zu bringen. Die Ermittlungsverfahren gegen die Petentin und den Empfänger wurden demgemäß auch gemäß § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung mangels Tatverdacht eingestellt. Trotz der bereits von Anfang an schwachen Verdachtsgrundlage, teilte die Polizei den Vorwurf gegen die Petentin an die zuständige Fahrerlaubnisbehörde zur Überprüfung der Fahreignung mit. Eine solche Mitteilung kann zwar grundsätzlich nach § 2 Abs. 12 Straßenverkehrsgesetz (StVG) erfolgen.
§ 2 Abs. 12 StVG
Die Polizei hat Informationen über Tatsachen, die auf nicht nur vorübergehende Mängel hinsichtlich der Eignung oder auf Mängel hinsichtlich der Befähigung einer Person zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen lassen, den Fahrerlaubnisbehörden zu übermitteln, soweit dies für die Überprüfung der Eignung oder Befähigung aus der Sicht der übermittelnden Stelle erforderlich ist. Soweit die mitgeteilten Informationen für die Beurteilung der Eignung oder Befähigung nicht erforderlich sind, sind die Unterlagen unverzüglich zu vernichten.
Hier jedoch wurden die Umstände des Einzelfalls nicht berücksichtigt, die einer solchen Mitteilung der Polizei entgegengestanden hatten. Insbesondere erfolgte die Meldung verfrüht und auf einer nicht genügenden Verdachtsgrundlage.
Obwohl nach den geführten Ermittlungen und der Einstellung durch die Staatsanwaltschaft im vorliegenden Fall der für eine Speicherung in der polizeilichen Gefahrenabwehrdatei INPOL/KAN erforderliche Restverdacht weder bei der Petentin noch beim Empfänger des Briefes vorlag, blieben beide Personen als Beschuldigte eines Strafverfahrens im Zusammenhang mit einem Betäubungsmitteldelikt gespeichert. Weil der Restverdacht gegen beide Personen vollständig entfallen war, habe ich die Polizei um Löschung dieser Speicherungen in INPOL/KAN gebeten. Zudem habe ich eine entsprechende Klarstellung in der Vorgangsverwaltungsdatei IGVP gefordert, aus der sich das Entfallen des Tatverdachts gegen beide Personen ergibt. Die Polizei bedauerte den Vorfall und kam meinen sämtlichen Forderungen nach, die Speicherungen beider Personen zu löschen bzw. entsprechend zu ändern.
3.5.7. Speicherung von Fingerabdrücken von Zeugen zum Vergleich mit Tatortspuren
Sofern im Rahmen von strafrechtlichen Ermittlungen Fingerabdrücke am Tatort oder an tatrelevanten Gegenständen gesichert werden können, ersuchen die Strafverfolgungsbehörden nichtverdächtige Zeugen, die sich berechtigt am Tatort aufgehalten haben oder mit den betreffenden Gegenständen berechtigterweise in Berührung gekommen sind, um die Abgabe von Fingerabdrücken zum Vergleich. Diese Vergleichsfingerabdrücke dienen dazu, die von berechtigten Personen hinterlassenen Fingerabdrücke von denjenigen potentieller Täter unterscheiden zu können. Soweit kein Verdacht gegen diese Personen besteht, können derartige Vergleichsfingerabdrücke nur mit deren Einwilligung erhoben werden. Eine nichtverdächtige Zeugin beschwerte sich bei mir, dass die Polizei ihre Vergleichsfingerabdrücke zu lange gespeichert habe. Dies nahm ich zum Anlass, mich näher mit der freiwilligen Abgabe und Speicherung solcher Vergleichsfingerabdrücke zu befassen. Im Zuge meiner Überprüfung des konkreten Falles wurde die entsprechende bayernweite Datei für Vergleichsabdrücke bzw. deren Regelung überarbeitet und verbessert. Für die freiwillige Abgabe existiert nun ein einheitliches Formblatt zur Einwilligung. Gegenüber älteren Formblättern enthält das neue Formular zusätzliche Hinweise, wie etwa auf die jederzeit mögliche Rücknahme der Einwilligung. Die freiwillig abgegebenen Vergleichsfingerabdrücke werden ausschließlich in der eigenständigen Datei "Tatortberechtigte/Vergleichsabdrücke" gespeichert, um den Ausschluss berechtigt gesetzter Spuren im konkreten Ermittlungsverfahren durchzuführen. In die bundesweite Datei mit Fingerabdrücken verdächtiger Personen werden sie nicht übernommen. Die betroffenen Personen können ihre Einwilligung jederzeit zurücknehmen, die Vergleichsabdrücke sind dann unverzüglich zu löschen. Im Übrigen dürfen die Strafverfolgungsbehörden freiwillige Vergleichsabdrücke auch nur so lange speichern, als sie für den Abgleich erforderlich ist. Nach Abschluss des Abgleichs sind sie zu löschen, wobei diese Löschungspflicht nochmals durch eine automatisierte Löschroutine abgesichert wird. Unabhängig vom Stand der Bearbeitung und des Abgleichs werden die Vergleichsabdrücke spätestens nach Ablauf eines Jahres automatisch gelöscht.
Auch der Petentin des Ausgangsfalles konnte ich weiterhelfen, ihre Vergleichsfingerabdrücke wurden auf mein Betreiben hin gelöscht.
3.6. Datenübermittlungen
3.6.1. Datenübermittlung an privaten Sicherheitsdienst
Ein Bürger hatte sich an mich gewandt und folgenden Sachverhalt geschildert: An einem lauen Sommerabend feierte er mit Freunden in einem Erholungsgebiet an einem bekannten bayerischen See den Geburtstag seiner Tochter. Zu vorgerückter Stunde traten dann zwei Männer eines privaten Wach- und Sicherheitsdienstes an die Gruppe heran und forderten von den Anwesenden ihre Personalien. Auf Nachfrage erklärten die Wachmänner, vom zuständigen Landratsamt mit dieser Aufgabe betraut zu sein. Anhand der Personalien könnten später eventuell entstehende Verschmutzungen geahndet werden. Da offensichtlich aber weder eine Verschmutzung vorlag, noch übermäßig Lärm durch die Gruppe erzeugt worden war, wollten die Anwesenden ihre Personalien nicht grundlos den privaten Wachmännern überlassen. So kamen diese einige Zeit später mit zwei Polizeibeamten der dortigen Polizeiinspektion zurück. Als die Kontrolle dann durch die Polizeibeamten durchgeführt wurde, händigte der Petent widerwillig seinen Ausweis der Polizei aus. Die Beamten notierten sich die Personalien und gaben sie an-schließend an den Sicherheitsdienst weiter.
Auf meine Anfrage hin bestätigte mir die Polizei den Sachverhalt einschließlich der Kontrolle und der Weitergabe der Daten an den Sicherheitsdienst. Da dieser vom Landratsamt beauftragt war, die Einhaltung der Nutzungsregelungen für das Naherholungsgebiet zu überwachen, gingen die Beamten irrtümlich davon aus, die Weitergabe der Personalien sei im Rahmen der Amtshilfe geboten und zulässig. Das zuständige Polizeipräsidium bewertete diese Einschätzung der Beamten als falsch und versicherte mir gegenüber, diese Problematik im Rahmen von Dienstunterrichten bei den betreffenden Polizeidienststellen nochmals aufzugreifen, um mögliche rechtliche Unsicherheiten bei den Beamten abzubauen. Zudem erklärte der zuständige Landkreis in seiner Stellungnahme, dass der Sicherheitsdienst nicht dazu ermächtigt oder gar angewiesen ist, Personalien festzustellen. Soweit sich Anhaltspunkte für das Vorliegen von Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten ergeben, solle dieser lediglich die Polizei informieren und diese dann im Rahmen ihrer Befugnisse eigene Maßnahmen treffen. Nachdem sich die zuständigen Behörden in diesem Fall einsichtig gezeigt haben, beließ ich es im Hinblick auf den datenschutzrechtlichen Verstoß im Rahmen der Datenübermittlung bei meinem Hinweis. Soweit mir ähnliche Fälle bekannt werden, beabsichtige ich das Thema jedoch erneut aufzugreifen.
3.6.2. Vorzeigen eines erkennungsdienstlichen Bildes
Aufgrund nachfolgenden Sachverhalts habe ich das zuständige Polizeipräsidium förmlich gemäß Art. 31 Abs. 1 BayDSG beanstandet, da es sich hierbei um einen schwerwiegenden Verstoß gegen datenschutzrechtliche Vorschriften handelte:
Ein Polizeibeamter überschritt seine Befugnisse im Rahmen der Verfolgung einer von ihm beobachteten Verkehrsordnungswidrigkeit (Nutzung eines Mobiltelefons während einer Autofahrt) deutlich. Im Zuge der Fahrerermittlung war bereits anhand eines Abgleichs mit dem polizeilichen Informationssystem und den darin gespeicherten (vier Jahre alten) Lichtbildern des Betroffenen aus einer früheren erkennungsdienstlichen Behandlung die Betroffeneneigenschaft sehr wahrscheinlich. Obwohl der ermittelnde Polizeibeamte den Betroffenen mittels der polizeilichen Lichtbilder wiedererkannt hatte, suchte er diesen zu Hause auf, um sich zweifelsfrei von seiner Identität zu überzeugen. Da der Betroffene unter der angegebenen Adresse jedoch nicht anzutreffen war, läutete der Beamte an der benachbarten Wohnung desselben Hauses. Dort öffnete ihm ein - nach seiner Einschätzung 10 bis 12 Jahre altes - Mädchen, dem er die gespeicherten Bilder des Betroffenen zeigte. Das Mädchen bestätigte ihm gegenüber, dass es sich bei diesen Bildern um ihren Nachbarn handele.
Damit übermittelte der Beamte zum einen äußerst sensible Daten, da er nicht irgendein Lichtbild, sondern zwei aus einer erkennungsdienstlichen Behandlung stammende Lichtbilder offenbarte. Zugleich machte er damit auch noch die äußerst sensibel anzusehende Tatsache bekannt, dass der Betroffene erkennungsdienstlich behandelt ist. Neben dieser unzulässigen Datenübermittlung an Dritte wurde darüber hinaus auch noch ein Kind als Zeuge vernommen, ohne vorherige Belehrung und Zustimmung der gesetzlichen Vertreter. Aufgrund dieser gravierenden datenschutzrechtlichen Verstöße sah ich mich veranlasst, das zuständige Polizeipräsidium förmlich zu beanstanden.
3.6.3. Information einer Schule über einen Tatverdacht gegen einen Schüler
Die polizeiliche Vorgehensweise nach Erlangung eines Tatverdachts gegen einen Schüler gab im folgenden Fall Anlass zu datenschutzrechtlicher Kritik. Die Jugendbeamten einer Polizeiinspektion wurden von Kollegen einer anderen Dienststelle gebeten, die Personalien eines Jugendlichen zu ermitteln, der bis dato nur über seinen Nutzernamen und ein Bild bei Facebook bekannt war. Die Jugendbeamten wendeten sich an die Rektorin der Schule, die der Verdächtige besuchte. Ihm war von einem Schüler einer anderen Schule angelastet worden, vor kurzem Marihuana besessen zu haben. Die Rektorin konnte das gezeigte Bild einem ihrer Schüler zuordnen und ließ ihn sogleich aus dem Unterricht holen. Noch bevor die Eltern des Schülers eintrafen, begannen die Beamten dann - im Beisein mehrerer Mitarbeiter der Schulleitung - mit der Befragung des Jugendlichen. Dass der Tatvorwurf dabei den anwesenden Lehrern bekannt wurde, liegt auf der Hand.
Die Polizei berief sich bei der insoweit erfolgten Datenübermittlung an die Anwesenden auf die Verpflichtung der Schule, einzugreifen, wenn von Schülern bekannt wird, dass diese Rauschmittel konsumieren, mit Rauschmitteln handeln, sie erwerben oder besitzen. Der Schulleitung solle so die Aufrechterhaltung der Ordnung innerhalb der Schule ermöglicht werden. Im Grundsatz kann eine zu diesem Zweck erfolgende Datenübermittlung von der Polizei an die Schulleitung nach den Bestimmungen des Polizeiaufgabengesetzes durchaus auch als vertretbar bewertet werden. Hierfür muss allerdings gegen den betroffenen Schüler ein hinreichender Tatverdacht bestehen und überdies ein konkreter Bezug zu der Schule vorhanden sein. Im vorliegenden Fall beruhte der Verdacht einzig auf der Äußerung eines Kindes, die sich letztlich nicht weiter erhärtete. Den Beamten hätte es daher oblegen, zunächst eine Abwägung der Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen zu treffen. Insbesondere war dies in Anbetracht der zu erwartenden erheblichen schulischen Auswirkungen bei Bekanntgabe eines solchen Verdachts unverzichtbar. Nach meiner Bewertung lagen im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für eine zulässige Weitergabe des Anfangsverdachts an die Schulleitung noch nicht vor, zumal hier nicht nur die Schulleiterin selbst, sondern auch mehrere andere Personen einbezogen wurden. Ich habe meine Auffassung dem zuständigen Polizeipräsidium mitgeteilt und darum gebeten, zukünftig gerade in solch sensiblen Fällen darauf zu achten, nicht vorschnell Verdachtsmomente gegen Schüler preiszugeben. Das eingeleitete Strafverfahren hat die Staatsanwaltschaft schließlich eingestellt.
Neben der Datenübermittlung für sich, gab der Sachverhalt zudem Anlass zur Kritik, da bei der Vernehmung des Schülers diverse Lehrer anwesend waren - aber nicht die Eltern. Die Mutter des Schülers bemängelte aus meiner Sicht zu Recht, hierdurch sei ein immenser psychischer Druck auf ihren Sohn ausgeübt worden. Gerade eine solche Situation hätte durch ein angemessenes Zuwarten der Polizei bis zum Eintreffen der Eltern vermieden werden können.
3.6.4. Weitergabe von Opferdaten
Eine Bürgerin, die zuvor einem Fahrraddieb zum Opfer gefallen war, schilderte mir folgenden Sachverhalt: Dank eines Zufalls konnte sie zu ihrer Diebstahlsanzeige noch einen wichtigen Hinweis auf den Täter nachreichen. Der wurde dann auch rasch gefasst und die junge Dame bekam ihr entwendetes Fahrrad zurück. Zu ihrem besonderen Ärgernis erhielt sie überdies aber auch einen ungewollten Anruf des Täters auf ihrem Privathandy. Der hatte die Nummer von der Polizei bekommen, um sich für seinen Diebstahl bei der Geschädigten entschuldigen zu können.
Ob diese Weitergabe der Privatnummer auch im Sinne der Bestohlenen war, hatte der Beamte zuvor nicht geprüft. Auch das zuständige Polizeipräsidium konnte für dieses Verhalten des Beamten kein Verständnis aufbringen. Es stellte im dienstrechtlichen Ermittlungsverfahren fest, dass in dem Fall offenkundig keine polizeiliche Befugnis für die Übermittlung der Handynummer an den Dieb vorgelegen habe. Selbst wenn sich dieser tatsächlich habe entschuldigen wollen, wäre eine Weitergabe der Telefonnummer - sowohl nach meiner Bewertung als auch nach Einschätzung der Polizei - lediglich mit dem ausdrücklichen Einverständnis der Geschädigten zulässig gewesen. Da diese Zustimmung nicht vorlag und in dem betreffenden Fall auch nicht vorausgesetzt werden konnte, kamen hier sowohl ein datenschutzrechtlicher als auch ein dienstrechtlicher Verstoß zusammen, die von dem zuständigen Polizeipräsidium entsprechend geahndet wurden.
3.6.5. Öffentlichkeitsfahndung mit falschem Bild
Eine Überraschung erlebte eine Frau, als sie bei einem Blick in die Zeitung ihr eigenes Bild entdecken musste. Prekär wurde die Angelegenheit vor allem aber durch den Umstand, dass es sich dabei um ein Fahndungsfoto der Polizei handelte. So sei einer Rentnerin aus der Handtasche ihre Geldbörse entwendet worden und die mutmaßliche Diebin habe dann versucht, an einem Geldautomaten mit der gestohlenen EC-Karte Geld abzuheben. Nur - das Foto zeigte nicht den Dieb, sondern die unbescholtene Frau, wie sie an einem anderen Geldautomaten in der Bank von ihrem eigenen Konto Geld abhob.
Auf den Irrtum angesprochen musste die zuständige Polizeidienststelle eingestehen, dass eine Verwechselung der Geldautomaten bei der polizeilichen Auswertung zu dieser Panne geführt habe. Zwar entschuldigte sich die Polizei umgehend bei der unschuldig verdächtigten Frau, das bereits veröffentlichte Foto ließ sich allerdings nicht mehr zurückziehen. Nachdem mir die Polizei ausführlich geschildert hat, wie es zu der Verwechslung kommen konnte, habe ich den Vorfall zum Anlass genommen, von dem zuständigen Polizeipräsidium Maßnahmen einzufordern, die zukünftig die Gefahr der Veröffentlichung von unrichtigen Fahndungsbildern soweit wie möglich verringern. Zum einen sollten die für solche Ermittlungen in Frage kommenden Beamten regelmäßig sensibilisiert werden, zum anderen sollten Vorgesetzte gerade solche Maßnahmen ausreichend überprüfen.
3.6.6. Verwendung unverschlüsselter E-Mails
Von einer öffentlichen Stelle aus dem Bereich des Gesundheitswesens erhielt ich den Hinweis, dass Polizeidienststellen eines bestimmten Polizeipräsidiums ihre Auskunftsersuchen über bestimmte personenbezogene Daten für polizeiliche Ermittlungen vermehrt per unverschlüsselter E-Mail versenden. Gemäß den für die gesamte Bayerische Polizei geltenden EDV-Rahmenrichtlinien darf demgegenüber der gesamte polizeiliche Schriftverkehr, soweit er personenbezogene Daten enthält, nur per Post, Fax oder per E-Mail nur innerhalb des leitungsverschlüsselten Bayerischen Behördennetzes (und nur unter zusätzlichen technischen Bedingungen) übermittelt werden. Die öffentliche Stelle, von der ich den Hinweis erhielt, war jedoch nicht an das leitungsverschlüsselte Behördennetz angeschlossen. Das betreffende Polizeipräsidium habe ich daher auf die Gefahr unberechtigter Zugriffe Dritter auf derartige unverschlüsselte E-Mails der Polizei hingewiesen. Die Dienststellen im Bereich dieses Präsidiums wurden daraufhin auf diese Gefahr und die Einhaltung der geltenden Richtlinien der Polizei nochmals hingewiesen.
3.7. Ausweiskopien zum Identitätsnachweis bei Auskunftsersuchen
Das Auskunftsrecht in Art. 48 Polizeiaufgabengesetz (PAG) stellt eine spezialgesetzliche Regelung zu Art. 10 BayDSG dar. Es gewährleistet die erforderliche Transparenz, die der Betroffene einer polizeilichen Speicherung benötigt, um im Einzelfall seine Schutzrechte gegenüber der speichernden Stelle geltend machen zu können.
Art. 48 PAG Auskunftsrecht
(1) 1Die Polizei erteilt dem Betroffenen auf Antrag über die zu seiner Person gespeicherten Daten Auskunft. 2In dem Antrag sollen die Art der personenbezogenen Daten, über die Auskunft erteilt werden soll, und der Grund des Auskunftsverlangens näher bezeichnet werden. 3Die Polizei bestimmt das Verfahren, insbesondere die Form der Auskunftserteilung, nach pflichtgemäßem Ermessen.
(2) Die Auskunft unterbleibt, soweit
- eine Gefährdung der Aufgabenerfüllung durch die Auskunftserteilung, insbesondere eine Ausforschung der Polizei, zu besorgen ist,
- die Auskunft die öffentliche Sicherheit oder Ordnung gefährden oder dem Wohle des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde, oder
- die Daten oder die Tatsache ihrer Speicherung nach einer Rechtsvorschrift oder ihrem Wesen nach, insbesondere wegen der überwiegenden berechtigten Interessen eines Dritten, geheim gehalten werden müssen, und das Interesse des Betroffenen an der Auskunftserteilung nicht überwiegt.
(3) 1Die Ablehnung der Auskunftserteilung bedarf keiner Begründung. 2Wird die Auskunft verweigert, ist der Betroffene darauf hinzuweisen, dass er sich an den Landesbeauftragten für den Datenschutz wenden kann.
(4) 1Wird dem Betroffenen keine Auskunft erteilt, so ist sie auf sein Verlangen dem Landesbeauftragten für den Datenschutz zu erteilen, soweit nicht das Staatsministerium des Innern im Einzelfall feststellt, dass dadurch die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gefährdet würde. 2Die Mitteilung des Landesbeauftragten an den Betroffenen darf keine Rückschlüsse auf den Erkenntnisstand der Polizei zulassen, sofern diese nicht einer weitergehenden Auskunft zustimmt.
Noch bevor die Polizei aber eine Ermessensentscheidung hinsichtlich der Auskunftserteilung im Sinne des Art. 48 PAG treffen kann, muss sie sich in ausreichender Weise davon überzeugen, dass der vorliegende Auskunftsantrag auch tatsächlich von dem genannten Betroffenen selbst oder einer berufenen Vertretung stammt. Allerdings beschwerten sich bei mir einige Bürger, dass die Polizei eine Auskunftserteilung von einer beglaubigten Ausweiskopie abhängig mache. Eine gesetzliche Festlegung, in welcher Form ein Nachweis zu erfolgen hat, sehen weder das Polizeiaufgabengesetz noch das Bayerische Datenschutzgesetz vor. In der Praxis muss also die Auskunft erteilende Stelle nach pflichtgemäßem Ermessen selbst darüber entscheiden, wie sie Auskunftserteilungen an unberechtigte Dritte vermeidet, die sich widerrechtlich im Namen des Betroffenen an die Polizei gewandt haben. Gleichzeitig soll diese Absicherung die Auskunftserteilung für den Antragsteller aber nicht in einer solchen Weise erschweren, dass er dies als Gängelung oder Schikane empfinden muss.
In der Vergangenheit hat sich für schriftliche Auskunftsersuchen an die Bayerische Polizei die Übersendung einer einfachen Ausweiskopie bewährt. In einem konstruktiven Dialog mit dem Landeskriminalamt wurde diese Auskunftspraxis nun nochmals erörtert und im Ergebnis daran festgehalten. Soweit nicht in Einzelfällen berechtigte Zweifel an der Identität des Antragstellers bestehen, wird das Landeskriminalamt von der Einforderung einer amtlich beglaubigten Ausweiskopie weiterhin absehen. Zum Anfertigen von Kopien des neuen Personalausweises im Allgemeinen verweise ich auf Nr. 2.1.5.