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Der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz; Stand: 20.05.2019

6. Justiz

6.1. Gesetze

6.1.1. Bayerisches Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz

Im Berichtszeitraum habe ich gegenüber dem Bayerischen Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales sowie dem Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege zu einem Referentenentwurf für ein Bayerisches Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz (BayPsychKHG) kritisch Stellung genommen. Zudem wurde ich vor dem Bayerischen Landtag als Sachverständiger in einer Expertenanhörung zum Gesetzentwurf gehört.

Der Gesetzentwurf hatte zunächst für viel Kritik von Fachleuten und in der Presse gesorgt. Eine zentrale Rolle spielten dabei - nicht nur aus datenschutzrechtlicher Sicht - die Einführung einer sogenannten "Unterbringungsdatei" sowie stigmatisierende Verweisungen auf andere Gesetze, namentlich das Gesetz über den Vollzug der Maßregeln der Besserung und Sicherung sowie der einstweiligen Unterbringung (Bayerisches Maßregelvollzugsgesetz - BayMRVG), das Gesetz über den Vollzug der Freiheitsstrafe und der Jugendstrafe (Bayerisches Strafvollzugsgesetz - BayStVollzG) sowie das Gesetz über den Vollzug der Sicherungsverwahrung und der Therapieunterbringung (Bayerisches Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz - BaySvVollzG).

Ich habe vor allem die Erforderlichkeit einer "Unterbringungsdatei" in Frage gestellt. Eine zentrale Speicherung unter anderem von medizinischen Daten, die der ärztlichen Schweigepflicht unterliegen, begegnet wegen der damit verbundenen intensiven Grundrechtseingriffe erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken; aus datenschutzrechtlicher Sicht ist sie entschieden abzulehnen. Auch vor dem Hintergrund der Gefahren eines Missbrauchs der erfassten und in der "Unterbringungsdatei" zu speichernden Daten setzte ich mich nachdrücklich dafür die Abschaffung dieser Datei ein. Nicht zuletzt aufgrund meiner Bedenken hat der Gesetzgeber auf die Einrichtung einer "Unterbringungsdatei" schließlich verzichtet.

Die vielen Verweise auf das Bayerische Maßregelvollzugsgesetz, das Bayerische Strafvollzugsgesetz und das Bayerische Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz erweckten einen falschen Eindruck dahingehend, dass die öffentlich-rechtliche Unterbringung mit der Strafhaft, dem Maßregelvollzug oder einer Sicherungsverwahrung vergleichbar sei. Da die Begründung für die Schaffung des Bayerischen Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetzes gerade darauf abzielt, psychisch kranken Menschen die erforderliche Unterstützung zu bieten und den Begriff der psychischen Krankheit zu entstigmatisieren, stünden Verweise auf die drei genannten Gesetze mit dem verfolgten Regelungskonzept nicht in Einklang. Es ist daher zu begrüßen, dass - wiederum auch aufgrund meiner Bedenken - von derartigen Verweisungen überwiegend Abstand genommen wurde und eigenständige Regelungen in den Gesetzentwurf Aufnahme fanden.

Trotz dieser Verbesserungen des ursprünglichen Gesetzentwurfs weist das beschlossene Gesetz aus datenschutzrechtlicher Sicht weiterhin Schwächen auf:

  • So halte ich es für bedenklich, dass die Regelungen zur Besuchs- und zur Schriftverkehrsüberwachung bei öffentlich-rechtlich untergebrachten Personen keine expliziten Vorkehrungen zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung vorsehen.
  • Kritisch zu betrachten sind des Weiteren in dem Gesetz vorgesehene Mitteilungs- und Benachrichtigungspflichten der Unterbringungseinrichtungen gegenüber der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde und Polizeidienststelle. Diese Datenübermittlungsvorschriften sehen vor, dass das zuständige Kreisverwaltungsreferat und die zuständige Polizeidienststelle zu informieren sind, wenn eine vorläufige öffentlich-rechtliche Unterbringung nicht in Betracht kommt, da die Voraussetzungen dafür nicht vorliegen, oder wenn das Ende der öffentlich-rechtlichen Unterbringung bevorsteht. Auch bei einer bevorstehenden Entlassung sind die zur Gefährdungseinschätzung notwendigen Informationen zu übermitteln. Solche weitgehenden und pauschalen Datenübermittlungen halte ich für nicht erforderlich. Zwar sieht das Gesetz vor, dass im Falle einer ausschließlichen Selbstgefährdung keine Daten übermittelt werden, allerdings kann diese Einschränkung nicht als ausreichend erachtet werden. Vielmehr sollte eine einzelfallbezogene Differenzierung sowohl hinsichtlich der generellen Mitteilungspflicht als auch in Bezug auf die zu übermittelnden Informationen erfolgen. Dies würde dem Grundsatz der Erforderlichkeit und der Datensparsamkeit eher gerecht werden.

6.1.2. Gesetz über den Vollzug des Jugendarrestes

Am 26. Juni 2018 verabschiedete der Landtag das Gesetz über den Vollzug des Jugendarrestes (Bayerisches Jugendarrestvollzugsgesetz - BayJAVollzG), welches am 1. Januar 2019 in Kraft trat.

Mit der Schaffung eines eigenständigen Bayerischen Jugendarrestvollzugsgesetzes hat der bayerische Gesetzgeber eine langjährige Forderung von mir umgesetzt (siehe mein 27. Tätigkeitsbericht 2016 unter Nr. 5.4). Die bisherigen Regelungen zum Jugendarrestvollzug wurden den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht mehr gerecht, nachdem das Bundesverfassungsgericht bereits 1972 eine gesetzliche Grundlage für Grundrechtseingriffe gegenüber erwachsenen Strafgefangenen gefordert (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 14. März 1972, Az.: 2 BvR 41/71, BVerfGE 33, 1 - Strafgefangene) und dieses Erfordernis im Jahr 2006 auf den Jugendstrafvollzug ausgeweitet hatte (Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 31. Mai 2006, Az.: 2 BvR 1673/04 und 2 BvR 2402/04, BVerfGE 116, 69 - Jugendstrafvollzug). Ich begrüße daher ausdrücklich, dass durch das Bayerische Jugendarrestvollzugsgesetz eine rechtsstaatliche Grundlage für den Vollzug des Jugendarrestes und die damit verbundenen Eingriffe in die Grundrechte der Arrestanten und Arrestantinnen geschaffen wurde.

Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens gab mir das Bayerische Staatsministerium der Justiz mehrfach die Gelegenheit, zum Entwurf des Bayerischen Jugendarrestvollzugsgesetzes Stellung zu beziehen. Mein Hauptaugenmerk legte ich hierbei auf zwei kritische Themen, namentlich die Kontrolle des Schriftverkehrs und die Videoüberwachung des besonders gesicherten Arrestraums.

Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayJAVollzG regelt den Schriftwechsel der Arrestanten und Arrestantinnen und normiert ausdrücklich dessen Förderung. Nach Art. 18 Abs. 1 Satz 2 BayJAVollzG finden hierbei Art. 31 bis 34 und Art. 44 Abs. 6 und 7 Gesetz über den Vollzug der Freiheitsstrafe und der Jugendstrafe (Bayerisches Strafvollzugsgesetz - BayStVollzG) entsprechende Anwendung. Mit der Verweisung des Art. 18 Abs. 1 Satz 2 BayJAVollzG wird jedoch auch Art. 32 Abs. 3 BayStVollzG in Bezug genommen, der die grundsätzliche Überwachung des Schriftverkehrs vorsieht. Einen Gleichlauf mit dem Bayerischen Strafvollzugsgesetz halte ich an dieser Stelle für bedenklich. Der Jugendarrestvollzug ist aufgrund seiner primär pädagogisch orientierten Ausrichtung deutlich vom Jugend- und Erwachsenenstrafvollzug abzugrenzen. Eine starre Parallelität zu den Regelungen des Bayerischen Strafvollzugsgesetzes wird den Bedürfnissen der Arrestanten und Arrestantinnen nicht gerecht. Jugendliche werden durch die Briefkontrolle nicht zum Schreiben motiviert, sondern in der Regel geradezu davon abgehalten. Das in Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayJAVollzG ausgegebene Ziel der Förderung der schriftlichen Kommunikation wird damit verfehlt. Vor diesem Hintergrund habe ich gegenüber dem Justizministerium gefordert, im Jugendarrestvollzug auf die Briefkontrolle zu verzichten.

Auch die ursprünglich geplante Videoaufzeichnung des besonders gesicherten Arrestraums begegnete datenschutzrechtlichen Bedenken. Nach dem ursprünglichen Entwurf eines Art. 22 Abs. 2 Nr. 2 BayJAVollzG sollte "bei der Beobachtung mit technischen Mitteln nach Art. 96 Abs. 2 Nr. 2 BayStVollzG [...] eine Aufzeichnung zulässig sein, soweit dies zur Abwendung einer in Art. 96 Abs. 1 BayStVollzG genannten Gefahr erforderlich ist". Bereits die Videobeobachtung mit Kameras als besondere Sicherungsmaßnahme ist indes nicht unumstritten. Grundsätzlich halte ich die reine Videobeobachtung eines besonders gesicherten Haftraums zwar für vertretbar (siehe zur Videoüberwachung des besonders gesicherten Haftraums im Strafvollzug auch meine Ausführungen unter Nr. 6.4.3). Eine zusätzliche Aufzeichnung der Videobilder lehne ich jedoch entschieden ab. Denn diese ist "zur Abwendung einer in Art. 96 Abs. 1 BayStVollzG genannten Gefahr" weder geeignet noch erforderlich. Art. 96 Abs. 1 BayStVollzG sieht vor, dass gegen Gefangene besondere Sicherungsmaßnahmen angeordnet werden können, wenn nach ihrem Verhalten oder aufgrund ihres seelischen Zustands in erhöhtem Maß Fluchtgefahr oder die Gefahr von Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen oder die Gefahr des Selbstmordes oder der Selbstverletzung besteht. Durch die Speicherung der übertragenen Bilder kann aber keine der vorgenannten Gefahren abgewendet werden. Lediglich die Live-Beobachtung ermöglicht oder erleichtert schnelles Reagieren. Der zusätzlichen Aufzeichnung der Situation kommt hingegen keinerlei gefahrenabwehrende Wirkung zu.

Mit meinen Bedenken konnte ich zum Teil durchdringen. Von der ursprünglich vorgesehenen Videoaufzeichnung des besonders gesicherten Arrestraums nahm das Justizministerium aufgrund meiner erheblichen Kritik wieder Abstand. Daher ist nur eine reine Videobeobachtung erlaubt. Die Briefkontrolle im Jugendarrestvollzug wurde hingegen beibehalten. Das Justizministerium begründete dies damit, dass sich aus dem Inhalt von Schreiben regelmäßig Behandlungsansätze für die Arrestanten und Arrestantinnen gewinnen ließen. Zudem könnten hierdurch auch eine etwaige Suizidgefährdung erkannt und gegebenenfalls rechtzeitig Maßnahmen ergriffen werden. Einen Verzicht auf die Briefkontrolle halte ich zwar nach wie vor für vorzugswürdig, doch konnte ich mich den Argumenten des Justizministeriums nicht ganz verschließen.

6.1.3. Mitziehklausel in der Strafprozessordnung

Ebenso wie das Polizeiaufgabengesetz (siehe hierzu den Beitrag Nr. 4.4.3) enthält auch die Strafprozessordnung (StPO) eine sogenannte Mitziehklausel. § 489 StPO regelt für staatsanwaltschaftliche Dateien die Berichtigung, Löschung und Sperrung der gespeicherten Daten:

§ 489 StPO

Berichtigung, Löschung und Sperrung von Daten

(6) 1Werden die Daten einer Person für ein weiteres Verfahren in der Datei gespeichert, so unterbleibt die Löschung, bis für alle Eintragungen die Löschungsvoraussetzungen vorliegen. [...]

Diese Mitziehklausel hat zur Folge, dass Daten einer Person unter Umständen Jahrzehnte gespeichert bleiben, insbesondere dann, wenn wiederholt neue Verfahren zu dieser Person eingetragen werden. Hierbei ist es nach dem Wortlaut des § 489 Abs. 6 StPO unerheblich, ob die Person in dem neuen Ermittlungsverfahren als Beschuldigter oder als Anzeigeerstatter, Geschädigter oder Zeuge geführt wird. Somit kann zum Beispiel die Zeugeneigenschaft einer Person dazu führen, dass zurückliegende Strafverfahren aufgrund des neuen Datensatzes nicht gelöscht werden, auch wenn die Löschungsvoraussetzungen für diese Speicherungen eigentlich vorlägen. Die offene Formulierung des § 489 Abs. 6 StPO führt somit unter Umständen zu nicht absehbaren Speicherungsfristen und ausufernden Datensammlungen. Dies widerspricht den Grundsätzen der Erforderlichkeit und Datensparsamkeit.

Weitere Folge einer solchen im Einzelfall dauerhaften Speicherung ist ein Auseinanderfallen von Aktenaufbewahrung und Datenspeicherung. Die Aufbewahrungsfristen für Akten sind in Bayern in der Verordnung über die Aufbewahrung von Schriftgut der Gerichte, Staatsanwaltschaften und Justizvollzugsbehörden (Aufbewahrungsverordnung) geregelt, wonach etwa die Akten eines eingestellten Ermittlungsverfahrens grundsätzlich für die Dauer von fünf Jahren nach dem Jahr der Weglegung aufbewahrt werden. Da die Aufbewahrungsverordnung keine Mitziehung kennt, werden die Akten nach Fristablauf ausgesondert, während die entsprechenden Datensätze hierzu weiter gespeichert bleiben. Eine Überprüfung möglicherweise unrichtig gespeicherter Daten anhand der zugrundeliegenden Akten ist dann nicht mehr möglich.

Die sehr weitgehende Formulierung des § 489 Abs. 6 StPO begegnet auch europarechtlichen Bedenken. Nach Art. 6 RLDSJ ist bei der Datenverarbeitung zwischen den verschiedenen Kategorien betroffener Personen zu differenzieren. Die Richtlinie trifft hierbei eine ausdrückliche Unterscheidung zwischen Beschuldigten, Verurteilten, Opfern sowie sonstigen Personen, etwa Zeugen. Eine Mitziehklausel, die gleichermaßen bei Beschuldigten wie auch Anzeigeerstattern und Geschädigten zur Anwendung gelangt, wird diesen Vorgaben nicht gerecht. Erforderlich ist vielmehr ein Verzicht auf den Mitzieheffekt bei Anzeigeerstattern, Geschädigten und Zeugen.

Weiterhin haben nach Art. 7 Abs. 2 RLDSJ die zuständigen Behörden alle angemessenen Maßnahmen zu ergreifen, um zu gewährleisten, dass personenbezogene Daten, die unrichtig, unvollständig oder nicht mehr aktuell sind, nicht bereitgestellt werden. Zu diesem Zweck hat jede zuständige Behörde die Qualität der personenbezogenen Daten grundsätzlich vor ihrer Bereitstellung zu überprüfen. Eine Überprüfung gespeicherter Daten ist jedoch dann nicht mehr möglich, wenn die hierzu geführten Akten bereits vernichtet wurden.

Vor diesem Hintergrund habe ich mich im Berichtszeitraum an das Bayerische Staatsministerium der Justiz gewandt und dieses gebeten, bei der Umsetzung der Datenschutz-Richtlinie für Polizei und Strafjustiz auf eine Einschränkung des § 489 Abs. 6 StPO hinzuwirken. Das Justizministerium trug meinem Anliegen Rechnung und schlug im Rahmen der StPO-Reform (Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 im Strafverfahren sowie zur Anpassung datenschutzrechtlicher Bestimmungen an die Verordnung (EU) 2016/679) eine Einschränkung der Mitziehklausel vor.

Die Bundesregierung griff den Vorschlag auf und änderte im Gesetzentwurf vom 7. September 2018 (Bundesrats-Drucksache 433/18) den Gesetzeswortlaut der Mitziehklausel entsprechend ab:

Entwurf eines § 489 StPO

Löschung und Einschränkung der Verarbeitung von Daten

(5) Werden die Daten des Beschuldigten für ein weiteres Verfahren in dem Dateisystem oder einem Informationssystem gespeichert, so kann die Löschung dieser Daten unterbleiben, bis für alle Eintragungen die Löschungsvoraussetzungen vorliegen.

Zum einen ist die Mitziehklausel so auf "Beschuldigte" beschränkt. Sie gilt damit nicht mehr für Anzeigeerstatter, Geschädigte und Zeugen. Zum anderen handelt es sich um eine Ermessensvorschrift ("kann") und nicht mehr um eine starre Anwendungsregel.

Die Regierungsbegründung (Bundesrats-Drucksache 433/18, S. 75) führt hierzu aus:

"Der neue § 489 Absatz 5 tritt an die Stelle des bisherigen § 489 Absatz 6 StPO. Die so genannte Mitziehklausel wurde auf die Daten des Beschuldigten beschränkt. Hiermit soll verhindert werden, dass etwa auch die Zeugeneigenschaft einer Person zur Folge hat, dass Daten zu einem früheren Strafverfahren gespeichert bleiben. Dies wäre nach der bisherigen Regelung der Fall, was sich besonders gravierend auswirken kann, wenn beispielsweise gegen den ehemaligen Beschuldigten wiederholt neue Verfahren eingeleitet werden, und hierdurch die Daten von Zeugen aus früheren Verfahren kontinuierlich ‚mitgezogen‘ werden."

Ich freue mich zwar, dass das Bayerische Staatsministerium der Justiz sowie das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz meiner Auffassung gefolgt sind und sich für eine Eingrenzung der Norm entschieden haben. Zugleich wurde jedoch von der Bundesregierung die Mitziehklausel um polizeiliche "Informationssysteme" erweitert. Dieser Zusatz ist missverständlich, da er fälschlicherweise so verstanden werden kann, dass auch polizeiliche Datenspeicherungen einer Löschung entgegenstehen können. Eine vollständige Streichung der Mitziehklausel halte ich daher für vorzugswürdig.

6.2. Aus der Justiz allgemein

6.2.1. Bekanntgabe von Prüfungsergebnissen im Staatsexamen

Ein Juraabsolvent hat sich im Berichtszeitraum an mich gewandt und mich um datenschutzrechtliche Bewertung der Notenbekanntgabe im juristischen Staatsexamen gebeten. Er teilte mir mit, dass die Prüfungskommission nach der mündlichen Prüfung die Ergebnisse jedem einzelnen Prüfling in Anwesenheit der übrigen Prüflinge bekanntgebe, sodass jeder Prüfling die Einzelnoten und Gesamtergebnisse der anderen Prüflinge erfahre. Der Juraabsolvent sah sich hierdurch in seinen Datenschutzrechten verletzt, zumal er von unbeteiligten Dritten auf seine persönliche Prüfungsnote angesprochen worden sei.

Bereits 1996 hatte ich diese Thematik mit dem Justizministerium erörtert. Ich konnte damals erreichen, dass die Noten auf vorheriges Verlangen eines Prüflings nur in Abwesenheit der anderen Prüflinge bekanntgegeben werden dürfen. Zudem wurde in die Ladung zur mündlichen Prüfung standardmäßig ein Hinweis auf diese Widerspruchsmöglichkeit aufgenommen.

Diese Vorgehensweise hielt ich jedoch für nicht mehr zeitgemäß. Das Bewusstsein der Gesellschaft für datenschutzrechtliche Belange hat sich grundlegend gewandelt, zumal die Ergebnisse der juristischen Staatsprüfungen maßgeblichen Einfluss auf den späteren Werdegang der Absolventen und Absolventinnen haben und eine "überschießende" Weitergabe der Noten in jedem Fall vermieden werden sollte. Davon abgesehen erfordert auch die Datenschutz-Grundverordnung eine Anpassung der bis dato praktizierten "Widerspruchslösung". Die Bekanntgabe der Noten an die übrigen Prüflinge stellt eine Datenübermittlung dar, für die eine Rechtsgrundlage notwendig ist.

Ich forderte daraufhin das Landesjustizprüfungsamt zur Anpassung der bisherigen Verfahrensweise auf. Ich schlug vor, die Prüfungsergebnisse zukünftig nur noch unter Ausschluss der übrigen Prüflinge bekanntzugeben. Damit würde dem informationellen Selbstbestimmungsrecht der Absolventen und Absolventinnen - auch vor dem Hintergrund einer im Zusammenhang mit einer Prüfung nicht auszuschließenden stressbedingten Ausnahmesituation - ausreichend Rechnung getragen.

Das Landesjustizprüfungsamt entschied sich demgegenüber für eine "Einwilligungslösung": Künftig hat der oder die Vorsitzende der Prüfungskommission jeden einzelnen Prüfling im Vorgespräch ausdrücklich zu befragen, ob Einverständnis mit einer Notenbekanntgabe in Anwesenheit der übrigen Prüflinge bestehe. Prüflingen, die ihre Einwilligung nicht erteilen, werden die Noten individuell bekanntgegeben. Zudem wurde in die Ladung zur mündlichen Prüfung ein expliziter Hinweis auf die grundsätzlich individuelle Notenbekanntgabe sowie die Möglichkeit der Einwilligung in eine gemeinsame Notenbekanntgabe aufgenommen.

Ich freue mich, dass das Landesjustizprüfungsamt die bisherige Praxis der Notenbekanntgabe geändert hat. Eine schriftliche Einwilligung halte ich zwar für vorzugswürdig, doch lassen Art. 4 Nr. 11, 7 Abs. 1 DSGVO auch eine dokumentierte, mündliche Einwilligungserteilung genügen. Ausdrücklich begrüße ich, dass die Prüflinge bereits in der Ladung zur mündlichen Prüfung über die Einwilligungsmöglichkeit aufgeklärt werden. Damit wird sichergestellt, dass die Prüflinge rechtzeitig informiert und in die Lage versetzt werden, die Tragweite ihrer Entscheidung sorgfältig zu beurteilen.

6.2.2. Videotechnik im Hochsicherheitsgerichtssaal

Der auf dem Gelände der Justizvollzugsanstalt München neu errichtete Hochsicherheitsgerichtssaal für Strafprozesse wurde im Herbst 2016 in Betrieb genommen. Die erste Sitzung im Hochsicherheitsgerichtssaal wurde von äußerst negativer Presseberichterstattung begleitet. In den Medien wurde mehrfach die Befürchtung geäußert, dass die im Gerichtssaal angebrachten Videokameras möglicherweise Verteidigerunterlagen abfilmten (siehe etwa Süddeutsche Zeitung vom 16. November 2016, "Neuer Gerichtssaal in Stadelheim - und kein Anwalt will dort verhandeln").

Diese Kritik nahm ich zum Anlass, den Gerichtssaal und insbesondere die dortige Videoüberwachung, einer näheren Prüfung zu unterziehen. Bei der Vor-Ort-Besichtigung konnte ich feststellen, dass der Sitzungssaal mit insgesamt neun Videokameras ausgestattet ist, wovon jedoch nur zwei Kameras über eine Aufzeichnungsfunktion verfügen. Die beiden Kameras werden nur außerhalb der Sitzungszeiten zur Raumüberwachung in Betrieb genommen. Äußerlich sind die beiden Kameras mit Aufzeichnungsfunktion zwar als solche kaum zu erkennen, da sie eher einem Rauchmelder gleichen. Ich konnte dennoch erreichen, dass das Oberlandesgericht München die Kameras während laufender Gerichtsverhandlungen mit einer Abdeckung versieht. Damit soll den - ohnehin angespannten - Prozessbeteiligten und dem Publikum das Gefühl des Beobachtetwerdens genommen werden. Weitere Mängel konnte ich diesbezüglich nicht feststellen.

Bei den übrigen sieben Kameras handelt es sich um sogenannte Dome-Kameras. Diese werden ausschließlich für Projektionen an eine Leinwand innerhalb des Gerichtssaals, beispielsweise für die bessere Darstellung von Zeugenvernehmungen oder Dokumenten, eingesetzt und vom Gericht gesteuert. Eine Dome-Kamera, die hinter der Verteidigerbank angebracht ist, wurde eigens mit einem Sichtschutz ausgestattet, um eine Einsichtnahme in Verteidigerunterlagen zu verhindern. Damit wurde entsprechenden Vorbehalten der Anwaltschaft Rechnung getragen.

Auch in rechtlicher Hinsicht begegnet der Einsatz der Videokameras im Gerichtssaal keinen durchgreifenden Bedenken. Der Betrieb der zwei Videokameras mit Aufzeichnungsfunktion erfolgt auf Grundlage von Art. 21a BayDSG-alt (jetzt: Art. 24 BayDSG) und ist zulässig, soweit er - außerhalb von Sitzungszeiten - aus Sicherheitsgründen zur Raumüberwachung erforderlich ist. Für die reine Videobeobachtung innerhalb des Gerichtssaals durch Live-Übertragung der Bilder an eine Leinwand lässt sich zwar weder der Strafprozessordnung (§§ 58a, 58b, 168e, 247a, 255a StPO) noch dem Gerichtsverfassungsgesetz (§ 169 Satz 2 GVG) eine explizite Rechtsgrundlage entnehmen. In Literatur und Rechtsprechung werden gerichtliche Ton- und Filmaufzeichnungen zu justizinternen Zwecken allerdings grundsätzlich für zulässig erachtet, sofern sie vor Missbrauch und Fälschung gesichert werden. Videobeobachtungen sind demgegenüber weniger eingriffsintensiv. Denn die vernommenen Personen müssen nicht befürchten, dass ihre Aussagen vom Gericht immer wieder vorgeführt, analysiert und überprüft werden. Vor diesem Hintergrund konnte ich keinen Datenschutzverstoß feststellen.

6.2.3. Verwendung eines nicht hinreichend anonymisierten Gerichtsbeschlusses durch einen Gerichtsvollzieher

Eine Petentin wandte sich im Berichtszeitraum an mich, nachdem ihr von einem Gerichtsvollzieher ein nur teilweise geschwärzter Beschluss betreffend einen anderen Schuldner als Anlage zu einem Schreiben übersandt wurde. Der Gerichtsvollzieher bezweckte mit der Übersendung dieses Beschlusses, die Rechtmäßigkeit seines Handelns zu untermauern. Auf dem nicht hinreichend geschwärzten Beschluss war zudem handschriftlich vermerkt, dass der andere Schuldner wegen seines Handelns gegenüber dem Gerichtsvollzieher zu einer Geldstrafe verurteilt wurde. Auch fand sich ein handschriftlicher Vermerk auf dem Dokument, dass dieser Beschluss zur Kenntnis in den Umlauf bei den Gerichtsvollzieherkollegen gegeben werden solle. Ich informierte den Direktor des zuständigen Amtsgerichts über die Vorgehensweise eines seiner Gerichtsvollzieher sowie die Tatsache, dass sich ein nur teilweise geschwärzter Beschluss im Umlauf befindet und dieser mindestens an eine dritte Person versendet wurde. Auf mein Betreiben wies der Direktor des zuständigen Amtsgerichts alle Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher des Bezirks auf die Notwendigkeit einer ausreichenden Anonymisierung von Entscheidungen und anderen Schriftstücken vor einer Weitergabe hin.

Auch das Bayerische Staatsministerium der Justiz nahm den Fall zum Anlass, die Praxis entsprechend zu sensibilisieren.

6.3. Strafverfolgung

6.3.1. Vorratsdatenspeicherung

Mit der Vorratsdatenspeicherung von Telekommunikationsdaten habe ich mich in den letzten Jahren regelmäßig auseinandergesetzt (siehe 24. Tätigkeitsbericht 2010 unter Nr. 3.3, 25. Tätigkeitsbericht 2012 unter Nr. 3.1, 26. Tätigkeitsbericht 2014 unter Nr. 1.2.2 und 27. Tätigkeitsbericht 2016 unter Nr. 5.1.2).

Vor dem Bundesverfassungsgericht sind derzeit mehrere Verfahren betreffend das Gesetz zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten vom 10. Dezember 2015 (BGBl. I S. 2218) anhängig, welches die sogenannte Vorratsdatenspeicherung in Deutschland wieder einführte. Im Rahmen dieser Verfahren bat mich das Bundesverfassungsgericht um Abgabe einer Stellungnahme zu den Verfassungsbeschwerden.

In meiner Stellungnahme gegenüber dem Bundesverfassungsgericht war es mir vor allem ein Anliegen, auf die aktuellen technischen Gegebenheiten einzugehen und darzustellen, mit welcher Intensität die Regelungen des Gesetzes und auf ihrer Grundlage mögliche Maßnahmen in die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger eingreifen. Seit dem Jahr 2010, in welchem das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 2. März 2010, Az.: 1 BvR 256/08 u. a., BVerfGE 125, 260, die damals geltenden Regelungen zur sogenannten Vorratsdatenspeicherung für verfassungswidrig erklärte, ist die technische Entwicklung weit fortgeschritten. So haben sich nicht nur der Umfang und die Art der durchschnittlichen Internetnutzung geändert, sondern auch die dabei eingesetzten Geräte und Techniken. Die Art der Nutzung des Internets hat ihren Schwerpunkt vom "Surfen auf Webseiten" hin zu mobilen Anwendungen ("Apps") verlagert. Der Gebrauch von Smartphones und digitalisierten Alltagsgeräten ist fester Bestandteil des Lebens geworden. Ich sehe es kritisch, dass das Gesetz diese Entwicklung nicht angemessen zu berücksichtigen scheint.

Von Bedeutung für die datenschutzrechtliche Bewertung Themenkomplex "Vorratsdatenspeicherung" könnte auch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 21. Dezember 2016, Az.: C-203/15 und C-698/15, sein. Eine der Kernaussagen diese Urteils ist, dass die Bekämpfung des internationalen Terrorismus sowie die Bekämpfung schwerer Kriminalität eine "dem Gemeinwohl dienende Zielsetzung" ist, diese aber dennoch eine Vorratsdatenspeicherung nicht zu rechtfertigen vermag, wenn der damit verbundene Grundrechtseingriff nicht "auf das absolut Notwendige" beschränkt wird. Die Hauptkritik des Europäischen Gerichtshofs, die sich gegen eine alle Nutzerinnen und Nutzer erfassende, anlasslose, flächendeckende und personell, zeitlich wie auch geografisch undifferenzierte Speicherung aller relevanten Telekommunikations-Verkehrsdaten richtet, hat der deutsche Gesetzgeber nicht aufgegriffen. So fehlt etwa eine Begrenzung auf das "absolut Notwendige", wenn eine Ausnahme für Kommunikationsvorgänge nicht vorgesehen wird, die einem Berufsgeheimnis unterliegen.

Meine ausführliche Stellungnahme zu den Verfassungsbeschwerden betreffend das Gesetz zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten habe ich auf meiner Internetpräsenz https://www.datenschutz-bayern.de in der Rubrik "Themengebiete - Polizei" zum Abruf bereitgestellt.

Zwischenzeitlich hat die Europäische Kommission den Entwurf einer E-Evidence-Verordnung - Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rats über Europäische Herausgabeanordnungen und Sicherungsanordnungen für elektronische Beweismittel in Strafsachen vom 17. April 2018, Az.: COM(2018) 225 final, im Internet abrufbar unter https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:52018PC0225 (externer Link) - veröffentlicht. Mit den darin vorgeschlagenen Regelungen würden die Eingriffsintensitäten im Zusammenhang mit der Vorratsdatenspeicherung weiter erhöht. Die daher gegen diese Verordnung bestehenden datenschutzrechtlichen Bedenken hat die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder in ihrer Entschließung vom 7. November 2018 klar zum Ausdruck gebracht.

Entschließung der 96. Konferenz der unabhängigen Datenschutzbehörden des Bundes und der Länder am 7. November 2018 in Münster

Der Vorschlag der EU-Kommission für eine E-Evidence-Verordnung führt zum Verlust von Betroffenenrechten und verschärft die Problematik der sog. Vorratsdatenspeicherung

Mit ihrem Vorschlag für eine E-Evidence-Verordnung (Verordnung über Europäische Herausgabeanordnungen und Sicherungsanordnungen für elektronische Beweismittel in Strafsachen (COM (2018) 225 final)) möchte die EU-Kommission eine Alternative zum förmlichen Rechtshilfeverfahren schaffen und den Ermittlungsbehörden einen schnelleren Zugang zu Kommunikationsdaten ermöglichen. Die Strafverfolgungsbehörden der EU-Mitgliedstaaten sollen die Befugnis erhalten, Anbieter von Telekommunikations- und Internetdienstleistungen in anderen Mitgliedstaaten der EU und auch in Staaten außerhalb der EU (Drittstaaten) unmittelbar zur Herausgabe von Bestands-, Zugangs-, Transaktions- und Inhaltsdaten zu verpflichten.

Die DSK weist hierzu auf die kritische Stellungnahme des Europäischen Datenschutzausschusses hin [...]. Diese stellt bereits das Vorliegen einer Rechtsgrundlage in Frage. Mit Besorgnis sieht die DSK vor allem auch die vorgeschlagene Abkehr vom Grundsatz der doppelten bzw. beiderseitigen Strafbarkeit.

Erstmals im Bereich der internationalen Zusammenarbeit in Strafsachen soll die Herausgabe von Daten nicht mehr davon abhängig sein, ob die verfolgte Tat dort, wo die Daten ersucht werden, überhaupt strafbar ist. Im Ergebnis könnten Unternehmen mit Sitz in Deutschland also zur Herausgabe von Daten an Ermittlungsbehörden in anderen EU-Mitgliedstaaten verpflichtet werden, obwohl die verfolgte Tat in Deutschland überhaupt keine Straftat ist. Das könnte zum Beispiel ein in Deutschland erlaubter Schwangerschaftsabbruch sein oder eine politische Meinungsäußerung, wenn diese im ersuchenden Staat strafbewehrt ist.

Zu befürchten ist hierbei auch, dass Drittstaaten die Regelung der EU als Blaupause für eigene Regelungen heranziehen werden. Provider in EU-Mitgliedstaaten würden sich dann vermehrt Herausgabeanordnungen von Drittstaaten ausgesetzt sehen, mit denen möglicherweise Straftaten aus einer völlig anderen Rechtstradition verfolgt werden.

Kritisch sieht die DSK auch, dass im Regelfall jegliche Information und Beteiligung der Justizbehörden des Staates, in dem der Provider seinen Sitz hat, unterbleibt und damit ein wichtiges verfahrensrechtliches Korrektiv fehlt. Ob die Rechtmäßigkeit eines Ersuchens überprüft wird, hängt im vorgeschlagenen Verfahren ausschließlich vom Verhalten der Provider ab. Nur wenn sich das Unternehmen weigert, Daten zu übermitteln, muss der ersuchende Staat bei den Behörden vor Ort um Vollstreckungshilfe bitten. Nur dann können diese noch in das Verfahren eingreifen. Werden Daten herausgegeben, erlangen die zuständigen Justizbehörden hiervon jedoch keine Kenntnis. Der Vorschlag sieht keine Informationspflicht gegenüber den Behörden am Sitz des Unternehmens vor. Provider verfolgen aber in der Regel wirtschaftliche Interessen und unterliegen in ihren Entscheidungen anderen Verpflichtungen als die Justizbehörden Hierdurch werden Betroffene deutlich schlechter gestellt.

Provider als Adressaten eines Ersuchens sehen sich künftig nicht mehr den Justizbehörden des eigenen Staates gegenüber, sondern müssen sich mit den Behörden des anordnenden Staates auseinandersetzen. Den Betroffenen wiederum steht, wenn überhaupt, nur ein Rechtsbehelf im ersuchenden Mitgliedsstaat zu, dessen Rechtsordnung ihnen in der Regel aber fremd ist.

Ein besonderes Verfahren ist vorgesehen, wenn sich Provider mit Sitz in Drittstaaten darauf berufen, dass die angeordnete Übermittlung gegen das dortige Recht verstößt. Für diesen Fall sieht der Vorschlag eine gerichtliche Überprüfung im anordnenden Staat vor. Wenn das Gericht zu der Auffassung gelangt, dass tatsächlich ein Rechtskonflikt vorliegt, muss es die zuständigen Behörden im Zielstaat der Anordnung beteiligen. Das Ergebnis der Konsultation ist für das Gericht verbindlich. Diese Regelung ist ausdrücklich zu begrüßen. Denn auch hier wird eine Blaupause geschaffen für die Frage, welche Rechte europäische Unternehmen in der umgekehrten Situation haben sollten, wenn sie aus Drittstaaten auf der Grundlage von deren Gesetzen (wie z. B. US-Cloud-Act) zu einer Übermittlung verpflichtet werden und welche Verbindlichkeit eine Konsultation der zuständigen Behörden in Europa für Gerichte in Drittstaaten haben sollte.

Besonders kritisch ist jedoch, dass in Deutschland Telekommunikationsdienstleister verpflichtet sind, u.a. sämtliche Verkehrsdaten für zehn Wochen zu speichern. Aus diesen Daten lassen sich genaue Schlüsse auf das Privatleben der Betroffenen, insbesondere deren Kontakt- und Interessenprofil ziehen. Die Problematik dieser sog. Vorratsdatenspeicherung verschärft sich deutlich, wenn ausländische Strafverfolgungsbehörden einen direkten Zugriff auf derartige Informationen erhalten.

Die DSK appelliert daher an alle im Gesetzgebungsverfahren Beteiligten, den Vorschlag für eine E-Evidence-Verordnung zu stoppen!

6.3.2. Ausgestaltung des Betreffs in staatsanwaltschaftlichen Schreiben

Im Berichtszeitraum wandte sich ein Petent mit einer Eingabe an mich, weil auf Schreiben der Staatsanwaltschaften in Ermittlungs- und Strafverfahren in der Betreffzeile die jeweils zur Last gelegte Straftat genannt werde. Vor dem Hintergrund der Unschuldsvermutung sehe ich eine Nennung der zur Last gelegten Straftat generell und ohne jegliche Eingrenzung, wie beispielsweise durch den Zusatz "wegen des Verdachts des/der [...]" oder "wegen des Vorwurfs des/der [...]", als problematisch. Auch Nr. 4a Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) sieht vor, dass eine nicht durch den Zweck des Ermittlungsverfahrens bedingte Bloßstellung des Beschuldigten zu vermeiden ist.

Nr. 4a RiStBV

Der Staatsanwalt vermeidet alles, was zu einer nicht durch den Zweck des Ermittlungsverfahrens bedingten Bloßstellung des Beschuldigten führen kann. Das gilt insbesondere im Schriftverkehr mit anderen Behörden und Personen. Sollte die Bezeichnung des Beschuldigten oder der ihm zur Last gelegten Straftat nicht entbehrlich sein, ist deutlich zu machen, dass gegen den Beschuldigten lediglich der Verdacht einer Straftat besteht.

Ich konnte erreichen, dass die im staatsanwaltschaftlichen Fachverfahren hinterlegten Schreiben und Formulare betreffend den Ermittlungsabschluss sowie Begleit- und Anschreiben im Betreff dahingehend neu gestaltet wurden, dass der Zusatz "wegen des Verdachts der/des [...]" eingefügt wurde. Meine weitergehende Forderung - die Änderung der Betreffzeile bei Schreiben und Formularen betreffend Ermittlungsanträge - wurde bis dato noch nicht umgesetzt. Allerdings wird das staatsanwaltschaftliche Fachverfahren in den kommenden Jahren modernisiert.

In diesem Zusammenhang hat mir das Bayerische Staatsministerium der Justiz signalisiert, man werde dabei die aus Sicht des Datenschutzes zu Recht erbetene konsequente Umsetzung von Nr. 4a RiStBV im Rahmen der Möglichkeiten im Auge behalten. Ich werde mich daher in dieser Sache mit dem Justizministerium weiterhin konstruktiv austauschen.

6.3.3. Strafantragsstellung durch eine Behörde

Ein Jobcenter stellte, vertreten durch seine Geschäftsführung, gegen einen Kunden einen Strafantrag wegen Verleumdung. Als Zeugen wurden die Geschäftsführerin sowie ein Mitarbeiter benannt und als deren ladungsfähige Anschrift die des Jobcenters angegeben. Die zuständige Staatsanwaltschaft vermerkte als Anzeigeerstatterin fälschlicherweise die Geschäftsführerin und nicht das Jobcenter. In der Folge wurde die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft an die bei der Staatsanwaltschaft aufgrund einer anderen Anzeige bekannte Privatanschrift der Geschäftsführerin geschickt. Da der Versuch, die Einstellungsverfügung an den geschädigten Mitarbeiter unter der Adresse des Jobcenters zuzustellen, scheiterte, ermittelte die Staatsanwaltschaft außerdem die Privatanschrift des Mitarbeiters, was zu einer Dokumentation von dieser in der Strafakte führte. Vor diesem Hintergrund bestand die Besorgnis, dass der Beschuldigte über eine Akteneinsicht private Adressdaten erlangen könnte. Ich habe die zuständige Staatsanwaltschaft auf diese Bedenken hingewiesen und darauf aufmerksam gemacht, dass die Verwendung der Privatadressen vermeidbar gewesen wäre, wäre das Jobcenter als Anzeigeerstatter geführt worden. Die Staatsanwaltschaft teilte mir daraufhin mit, sie habe die Adressdaten in einen Sonderband der Strafakte überführt, welcher bei einer Akteneinsichtsgewährung einer besonderen Prüfung wegen der darin enthaltenen personenbezogenen Daten unterzogen werde. Außerdem wurden die Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft durch ihren Leiter in Hinblick auf zukünftige vergleichbare Fälle sensibilisiert.

6.4. Strafvollzug

6.4.1. Eigengeldeinzahlung für Gefangene

Ein Gefangener bat mich um Überprüfung der von seiner Justizvollzugsanstalt ausgegebenen Überweisungsvordrucke für Eigengeldeinzahlungen. Solche Überweisungsvordrucke erhalten Gefangene, um Dritten (zum Beispiel Angehörigen und Bekannten) die Einzahlung von Geldbeträgen für sie zu ermöglichen. Diese Eigengeldeinzahlungen werden über die Landesjustizkasse abgewickelt und den für die Gefangenen von der Justizvollzugsanstalt geführten Konten für Einkäufe gutgeschrieben.

Die von der Justizvollzugsanstalt (JVA) bisher verwendeten Überweisungsvordrucke für Eigengeldeinzahlungen waren so ausgestaltet, dass als Verwendungszweck "JVA", "Eigengeld für" und "Geb.Dat." voreingetragen waren. Damit war anhand des ausgefüllten Überweisungsträgers für Dritte (zum Beispiel Bankbeschäftigte) ersichtlich, dass sich die namentlich genannte Person in der Justizvollzugsanstalt befindet.

Auf meine Anfrage hin hat die Justizvollzugsanstalt - in Absprache mit der Landesjustizkasse - die Überweisungsvordrucke abgeändert. Nun werden im Verwendungszweck die Bezeichnung "JVA" durch eine Buchungsnummer ersetzt und der Begriff "Eigengeld" zu "EG" verkürzt, so dass keine Rückschlüsse mehr auf die Gefangeneneigenschaft der genannten Person möglich sind.

In der Folge trat ich an das Bayerische Staatsministerium der Justiz heran und ersuchte dieses, die Überweisungsvordrucke aller bayerischen Justizvollzugsanstalten datenschutzkonform auszugestalten.

Das Justizministerium schloss sich meiner Auffassung an. Es bat alle Leiterinnen und Leiter der Justizvollzuganstalten um eine einheitliche, datenschutzkonforme Ausgestaltung der Überweisungsträger für Eigengeldeinzahlungen.

6.4.2. Herausgabe einer Urteilsabschrift an einen Insolvenzverwalter

Ein Insolvenzverwalter wandte sich an die Justizvollzugsanstalt eines Gefangenen, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet worden war. Der Insolvenzverwalter bat um Übersendung des rechtskräftigen Gerichtsurteils, das den Inhaftierungsgrund darstellte. Daraufhin ließ ihm die Justizvollzugsanstalt eine Ablichtung des betreffenden Strafurteils zukommen.

Ich forderte daraufhin die Justizvollzugsanstalt zur Stellungnahme auf. Die Justizvollzugsanstalt war der Auffassung, dass es sich bei einem Insolvenzverwalter um eine öffentliche Stelle handelt. Gemäß der Bestimmung des Art. 4 Abs. 2 Satz 4 BayDSG-alt (jetzt: Art. 1 Abs. 4 BayDSG) sei eine nicht-öffentliche Stelle, die hoheitliche Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehme, insoweit öffentliche Stelle. Ein derartiger Aufgabenkreis liege bei einem Insolvenzverwalter vor.

Die Haltung der Justizvollzugsanstalt teile ich nicht. Meiner Auffassung nach handelt es sich bei einem Insolvenzverwalter um keine öffentliche, sondern um eine private Stelle. Unter den öffentlichen Stellen im Sinne des Art. 4 Abs. 2 Satz 4 BayDSG-alt sind Beliehene, wie etwa Notare, zu verstehen. Insolvenzverwalter fallen nicht hierunter. Zwar ist deren Status im Detail umstritten, doch ist allen hierzu vertretenen Theorien (Vertretungstheorie, Organtheorie, Amtstheorie) gemeinsam, dass Insolvenzverwalter die Stellung eines privaten Treuhänders innehaben.

Die Justizvollzugsanstalt hätte dem Insolvenzverwalter daher gemäß Art. 197 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 Gesetz über den Vollzug der Freiheitsstrafe und der Jugendstrafe (Bayerisches Strafvollzugsgesetz - BayStVollzG) nur mitteilen dürfen, ob sich der Betroffene in Haft befindet, ob und wann seine voraussichtliche Entlassung bevorsteht und wie seine Entlassungsadresse lautet. Die Übersendung einer vollständigen Urteilsabschrift war hingegen nicht von der Befugnis des Art. 197 Abs. 5 Satz 1 BayStVollzG gedeckt. Ich habe die Justizvollzugsanstalt auf diesen Umstand hingewiesen und um zukünftige Beachtung gebeten. Die Justizvollzugsanstalt sagte mir zu, fortan meiner Rechtsauffassung zu folgen.

6.4.3. Videoüberwachung einer Justizvollzugsanstalt

Die regelmäßige datenschutzrechtliche Prüfung von Justizvollzugsanstalten ist mir ein wichtiges Anliegen. Im Berichtszeitraum habe ich eine neu errichtete Justizvollzugsanstalt kontrolliert. Mein Hauptaugenmerk lag hierbei auf der Videoüberwachung. Die Justizvollzugsanstalt verfügte sowohl im Innen- wie im auch Außenbereich über zahlreiche Videokameras. Gegen deren Einsatz bestehen keine grundlegenden Bedenken.

Wesentlich ist, dass - insbesondere bei den Außenkameras - deutlich sichtbar auf die Videoüberwachung hingewiesen wird. Dies betrifft vor allem den Besucherparkplatz und Eingangsbereich einer Justizvollzugsanstalt. Zudem dürfen schwenkbare Kameras mit Zoom-Funktion keine Einsichtnahme in Privaträume - wie etwa in umliegende Privathäuser - ermöglichen. Des Weiteren ist die nach dem Gesetz zulässige Höchstspeicherfrist für Videoaufzeichnungen von grundsätzlich zwei Monaten einzuhalten (zu den wichtigsten Gesichtspunkten der Videoüberwachung im Justizvollzug siehe mein 27. Tätigkeitsbericht 2016 unter Nr. 5.5.1 und mein 26. Tätigkeitsbericht 2014 unter Nr. 5.4.4).

Diese Voraussetzungen wurden von der geprüften Justizvollzugsanstalt sorgfältig beachtet. Insbesondere die Hinweisbeschilderung war vorbildlich. So wies die Justizvollzugsanstalt bereits einige Meter vor der Parkplatzeinfahrt mit einem großen Schild auf die Videoüberwachung hin. Im Übrigen befanden sich entlang der Außenmauern zahlreiche und in kurzen Abständen angebrachte Piktogramme, die ebenfalls über die Videoüberwachung aufklärten. Darüber hinaus waren die Bilder der Videokameras nur in der Torwache und Sicherheitszentrale vom Vollzugspersonal einsehbar. Auf sämtlichen Monitoren waren Sichtschutzfolien angebracht und die Monitore - besonders in der verglasten Sicherheitszentrale - so positioniert, dass Dritte keinen Einblick erhalten konnten.

Weiterhin überprüfte ich die Videoüberwachung in den sogenannten besonders gesicherten Hafträumen. Diese Räume dienen einer besonderen Sicherungsmaßnahme nach Art. 96 Gesetz über den Vollzug der Freiheitsstrafe und der Jugendstrafe (Bayerisches Strafvollzugsgesetz - BayStVollzG). Gemäß Art. 96 Abs. 1 BayStVollzG können gegen Gefangene besondere Sicherungsmaßnahmen angeordnet werden, wenn nach ihrem Verhalten oder aufgrund ihres seelischen Zustands in erhöhtem Maß Fluchtgefahr oder die Gefahr von Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen oder die Gefahr des Selbstmordes oder der Selbstverletzung besteht. In den besonders gesicherten Hafträumen ist nur eine reine Videobeobachtung, keine Videoaufzeichnung zulässig.

Bei der Prüfung konnte ich feststellen, dass die Videobeobachtung nur von gleichgeschlechtlichem Vollzugspersonal durchgeführt wurde. Das begrüße ich ausdrücklich. Denn was die Überwachung am Monitor durch das Vollzugspersonal anbelangt, erachte ich eine geschlechterübergreifende Beobachtung als sehr problematisch. Zwar enthalten das Bayerische Strafvollzugsgesetz und die Verwaltungsvorschriften hierzu keine Vorgaben. Lediglich Art. 91 Abs. 1 Satz 2 BayStVollzG sieht vor, dass männliche Gefangene nur von Männern und weibliche Gefangene nur von Frauen durchsucht werden dürfen. Dies gilt jedoch nur für die Durchsuchung - einen Vorgang mit unmittelbarem körperlichem Kontakt, oftmals auch im Intimbereich. Eine vergleichbare Regelung enthält das Gesetz für die Videoüberwachung gerade nicht. Allerdings halte ich aus Gründen der Menschenwürde und des Schamgefühls der Gefangenen eine geschlechtergetrennte Videoüberwachung für geboten. Daher habe ich in der Vergangenheit gegenüber dem Bayerischen Staatsministerium der Justiz bereits mehrfach gefordert, dass die Beobachtung der in besonders gesicherten Hafträumen untergebrachten Personen nur von Bediensteten gleichen Geschlechts vorgenommen werden darf.

Insgesamt verlief die Prüfung der Justizvollzugsanstalt erfreulich. Ich konnte keine Mängel feststellen. Bei der Ausgestaltung der Videoüberwachung wurde meinen in der Vergangenheit an das Justizministerium herangetragenen Forderungen Rechnung getragen. Insofern zeitigt meine Arbeit erkennbar Erfolge.