≡ Sitemap

Der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz; Stand: 25.05.2022

6. E-Government und öffentliche Register

6.1. Erneut: Gesetz über die Digitalisierung im Freistaat Bayern

Auch in diesem Berichtszeitraum war ich wieder intensiv mit datenschutzrechtlichen Fragen der Verwaltungsmodernisierung befasst. Fortführen möchte ich wegen seiner grundsätzlichen Bedeutung meinen Bericht über das zum aktuellen Zeitpunkt noch laufende Gesetzgebungsverfahren für ein Gesetz über die Digitalisierung im Freistaat Bayern (Bayerisches Digitalgesetz - BayDiG, siehe hierzu bereits meinen 30. Tätigkeitsbericht 2020 unter Nr. 7.1). Im Rahmen meiner Beteiligung an dem Gesetzgebungsverfahren habe ich die für die Bürgerinnen und Bürger aus meiner Sicht zentralen Datenschutzgesichtspunkte wiederholt an das federführende Bayerische Staatsministerium für Digitales herangetragen. Erfreulicherweise haben meine Stellungnahmen Wirkung gezeigt. Das Digitalministerium berücksichtigte bereits einige meiner Forderungen. Exemplarisch möchte ich auf die folgenden, für die Bürgerinnen und Bürger aus meiner Sicht besonders relevanten Datenschutzaspekte näher eingehen.

6.1.1. Transparente Regelung der Verantwortlichkeiten

Das Zusammenspiel des geplanten Portalverbunds Bayern mit seinen Unterportalen BayernPortal und Organisationsportal Bayern sowie des geplanten Nutzerkontos mit seinen Unterkonten Bürger- und Organisationskonto bringt - mitunter sehr komplexe - Datenverarbeitungen mit sich. In meinem 30. Tätigkeitsbericht 2020 unter Nr. 7.1.2 habe ich detailliert erläutert, warum es einer transparenten und für die Nutzerinnen und Nutzer nachvollziehbaren Zuordnung dieser Datenverarbeitungen zu konkreten Verantwortlichen im Sinne des Art. 4 Nr. 7 DSGVO bedarf. Eine besondere Schwierigkeit einer solchen Lösung liegt insbesondere in dem Zusammenspiel der Portallösung mit der Schaffung einer digitalen Identität, welche jeder natürlichen Person das Recht auf staatliche Bereitstellung digitaler Dienste einräumen soll.

Der aktuelle Gesetzentwurf enthält nunmehr eine Regelung, die Klarheit hinsichtlich der Frage bringt, welche öffentliche Stelle datenschutzrechtlich Verantwortlicher gemäß Art. 4 Nr. 7 DSGVO für welchen (Teil-) Datenverarbeitungsvorgang innerhalb des Gesamtsystems ist. Insbesondere wird nach einem Regel-Ausnahme-Verhältnis zukünftig zwischen Basisdiensten (Verantwortung bei der nutzenden Behörde) und zentralen Diensten (Verantwortung beim bereitstellenden Ressort) unterschieden, wobei die Basisdienste den Regelfall bilden. Dies trägt in der praktischen Umsetzung des Bayerischen Digitalgesetzes dazu bei, dass die Bürgerinnen und Bürger bei der Inanspruchnahme digitaler Verwaltungsleistungen schnell und eindeutig jeweiligen Verantwortlichen identifizieren können sollten.

6.1.2. Entscheidungsmöglichkeiten der Nutzerinnen und Nutzer klargestellt

In meinem 30. Tätigkeitsbericht 2020 unter Nr. 7.1.4 habe ich gefordert, die Unterschiede zwischen einer bloßen Zustimmung und einer datenschutzrechtlichen Einwilligung klarzustellen. Zwar entsprechen die insoweit im aktuellen Gesetzentwurf verwendeten Begriffe vom Wortlaut her weiterhin nicht durchgängig dem datenschutzrechtlichen Verständnis. Demnach wäre nämlich zwischen einer Einwilligung als eigenständiger Rechtsgrundlage für Datenverarbeitungen und einer Zustimmung als bloßem Tatbestandmerkmal einer gesetzlichen Befugnis zu unterscheiden. Die Gesetzesbegründung weist jedoch - insoweit im Einklang mit der von mir im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens hilfsweise vorgebrachten Forderung - ausdrücklich darauf hin, wie die Begriffe im datenschutzrechtlichen Sinne jeweils zu verstehen sind. Gegen diese Regelungstechnik habe ich keine grundlegenden Einwände erhoben.

In diesem Kontext weise ich auch auf die neu aufgenommene Möglichkeit für die Nutzerinnen und Nutzer eines Nutzerkontos hin, eine Zustimmung zur Durchführung digitaler Verwaltungsverfahren "für bestimmte Gruppen von Behördenkontakten" zu erteilen. Nun ist es neben der von mir grundsätzlich kritisierten generellen Zustimmung auch möglich, eine nach eigenem Bedarf beschränkte Zustimmung zu erteilen. Damit wurde meiner Forderung Rechnung getragen, dass die Bürgerinnen und Bürger ihren Interessen entsprechend im Vorfeld der Datenverarbeitungen den Umfang erteilter Zustimmungen genau bestimmen können müssen. Im Ergebnis haben die Bürgerinnen und Bürger jetzt die Wahl, ihre Zustimmung zu einzelnen Verwaltungsverfahren, zu bestimmten Gruppen von Behördenkontakten oder generell zu erteilen.

6.1.3. Aber: Verarbeitung von Nutzerdaten nicht an Zustimmung gebunden

Der Gesetzentwurf in der zum Berichtszeitpunkt aktuellen Version erlaubt bei Einsatz des Nutzerkontos die Verarbeitung von Nutzerdaten schon dann, wenn dies zur Durchführung eines Verwaltungsverfahrens oder zur Inanspruchnahme sonstiger Leistungen der öffentlichen Verwaltung erforderlich ist. Die Vorschrift stellt damit für die Zulässigkeit von Datenverarbeitungen - entgegen meinen mehrmals geäußerten datenschutzrechtlichen Bedenken - ausschließlich auf die Frage der Erforderlichkeit ab. Auf die in früheren Fassungen des Bayerischen Digitalgesetzes vorgesehene Zustimmung zu der Datenverarbeitung soll es dagegen insofern nicht mehr ankommen.

Haben die Nutzerinnen und Nutzer (zugegebenermaßen freiwillig) einmal ein Nutzerkonto erstellen lassen, verlieren sie bei dem verfolgten Regelungsansatz nach meinem Verständnis damit die Entscheidungshoheit darüber, ob die hinterlegten Daten weiterverarbeitet werden oder nicht. Es ist vielmehr die verarbeitende Stelle, die (zumindest faktisch) die Entscheidung darüber trifft, ob bestimmte Nutzerdaten etwa zur Inanspruchnahme sonstiger Leistungen der öffentlichen Verwaltung erforderlich sind. Dies widerspricht nach meinem Verständnis den übergreifenden Zielen des Bayerischen Digitalgesetzes, nämlich der freiwilligen Nutzung der digitalen Identität und der fortdauernden Entscheidungshoheit der Nutzerinnen und Nutzer über deren Einsatz. Hierauf habe ich das federführende Digitalministerium (leider erfolglos) mehrfach eindringlich hingewiesen und um Korrektur gebeten.

6.1.4. Ausblick: Verarbeitung von Meldedaten begrenzen

Der Gesetzentwurf lässt leider auch in der zum Berichtszeitpunkt aktuellen Version weiterhin offen, welche Datenkategorien in welchem Umfang für die digitale Identität, insbesondere das Nutzerkonto konkret verwendet werden sollen. Die Gesetzesbegründung und die bisherige Entstehungsgeschichte lassen mich weiterhin vermuten, dass primär Meldedaten im Sinne des Bundesmeldegesetzes betroffen sein werden. Hierzu habe ich meine kritische Haltung in meinem 30. Tätigkeitsbericht 2020 unter Nr. 7.1.1 bereits umfassend dargestellt. Daran halte ich nach wie vor fest. Insbesondere die Forderung, den Datenfluss nach Aktivierung der Nutzerkonten für die Bürgerinnen und Bürger transparent zu gestalten und vor allem auf das (jeweils) konkret erforderliche Ausmaß zu begrenzen, behält ihre Gültigkeit. Die konkrete Regelung dieser Frage soll jedoch nun wohl nicht mehr im Bayerischen Digitalgesetz selbst, sondern in einer gesondert zu erlassenden Verordnung erfolgen. Insoweit werde ich die Umsetzung des Bayerischen Digitalgesetzes auch auf dieser Ebene weiterhin aufmerksam begleiten und soweit veranlasst, hierzu berichten.

6.2. BayernAtlas: gesetzgeberischer Handlungsbedarf

"Der BayernAtlas ist eine Internetanwendung zum Betrachten amtlicher Karten und Luftbilder der Bayerischen Vermessungsverwaltung. Für Privatanwender, Fachanwender und Smartphone-Nutzer oder als Anfahrtsplan für die eigene Homepage: Der BayernAtlas liefert für jeden Anwendungsbereich eine Lösung. Er enthält Luftbilder, eine nahtlos zoombare Webkarte, amtliche topographische Karten mit und ohne Schummerung sowie eine inhaltsreduzierte Ausgabe der Flurkarte (Parzellarkarte), historische Karten, dreidimensionale Gelände- und Gebäudedaten, saisonale Themenkarten und vieles mehr."

Mit dem BayernAtlas verfügt der Freistaat Bayern über eine Internetplattform, die der breiten Öffentlichkeit eine umfassende Palette an Geodaten zur Verfügung stellt. Geodaten sind alle Daten mit direktem oder indirektem Bezug zu einem bestimmten Standort oder geografischen Gebiet (vgl. Art. 3 Nr. 2 Richtlinie 2007/2/EG - INSPIRE-Richtlinie). Das Spektrum so zugänglicher Daten ist sehr breit und betrifft nahezu jeden Lebensbereich: von Geologie- und Umweltdaten sowie Daten zu Naturgefahren bis hin zu Daten über die Bauleitplanung. Der in den BayernAtlas integrierte (kostenpflichtige) BayernAtlas-plus erweitert das bereitgestellte Angebot um weitere beziehungsweise genauere Daten, wie etwa Flurstücksnummern, Luftbilder mit einer höheren Auflösung oder Bodenschätzungsdaten.

Art. 3 INSPIRE-Richtlinie

Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

[...]

  1. "Geodaten" alle Daten mit direktem oder indirektem Bezug zu einem bestimmten Standort oder geografischen Gebiet;

[...].

Im Berichtszeitraum war ich aufgrund von Beratungsanfragen mehrerer Ressorts der Bayerischen Staatsregierung, aber auch aufgrund von Bürgerbeschwerden damit befasst, die Datenschutzkonformität der Bereitstellung von Geodaten im BayernAtlas näher zu beleuchten. Exemplarisch nennen möchte ich insoweit die Themen Solarpotentialdaten (vgl. dazu schon meinen 24. Tätigkeitsbericht 2010 unter Nr. 6.5) und Daten zur Denkmaleigenschaft von privaten Gebäuden.

Allen diesen Fällen war gemeinsam, dass die Infrastruktur des BayernAtlas (entweder über separate Anwendungen oder über damit verknüpfte Dienste) genutzt wird oder werden sollte. Ich hatte jeweils insbesondere zu beurteilen, ob die über den BayernAtlas und den BayernAtlas-plus abrufbaren Geodaten als personenbezogene Daten (Art. 4 Nr. 1 DSGVO) zu werten sind und - wenn dies der Fall ist - Rechtsgrundlagen für die einschlägigen Datenverarbeitungen zur Verfügung stehen. Insofern waren Defizite festzustellen, so dass nach meinem derzeitigen Eindruck gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht. Insofern habe ich den betroffenen Ressorts bereits folgende Hinweise gegeben:

6.2.1. Auch Geodaten können personenbezogene Daten sein

Personenbezogene Daten sind nach Art. 4 Nr. 1 DSGVO alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen. Als identifizierbar wird eine natürliche Person angesehen, die direkt oder indirekt, insbesondere mittels Zuordnung zu einer Kennung wie einem Namen, zu einer Kennnummer, zu Standortdaten, zu einer Online-Kennung oder zu einem oder mehreren besonderen Merkmalen, die Ausdruck der physischen, physiologischen, genetischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität dieser natürlichen Person sind, identifiziert werden kann.

6.2.1.1. Personenbezogenheit einer Information

Geodaten haben qua Definition nach Art. 3 Nr. 2 INSPIRE-Richtlinie einen direkten oder indirekten Bezug zu einem bestimmten Standort. Von daher liegt es nahe, sie als bloße Sachdaten zu bewerten, also als Daten, die sich nur auf ein Objekt (etwa ein Gebäude oder ein Grundstück) beziehen und dieses beschreiben. Jedoch können auch solche Sachdaten mittelbar einen Personenbezug erhalten, wenn sie zugleich eine Information enthalten, die sich auf eine (identifizierbare) natürliche Person bezieht. Dies ist dann der Fall, wenn sie die Identität, die Merkmale oder das Verhalten dieser Person betreffen oder wenn sie verwendet werden, um die Art festzulegen oder zu beeinflussen, in der die Person behandelt oder beurteilt wird. Damit muss der Information ein Inhalts-, Zweck- oder Ergebniselement innewohnen. Der Bezug zu einer natürlichen Person kann aufgrund individualisierender Identifikationsmerkmale, des Detaillierungsgrads oder der Einzigartigkeit der Sache hergestellt werden.

So sind etwa Angaben über die Zugehörigkeit eines Grundstücks zu einer bestimmten Gemeinde bei isolierter Betrachtung Informationen, bei denen kein Inhalts-, Zweck- oder Ergebniselement feststellbar ist. Anders zu beurteilen sind aber beispielsweise Angaben über die wirtschaftliche Nutzung und Verwertung eines Grundstücks, da sie sich auf die Rechte und Interessen einer Person auswirken können (Ergebniselement), wenn ein Personenbezug durch die Verknüpfung mit einer punktbezogenen georeferenzierten Kennziffer, wie etwa Hausnummer, Flurstücksnummer oder konkreten Geokoordinaten hergestellt wird. Entsprechendes gilt auch für Flächendaten, wenn diese einen grundstücksgenauen Detaillierungsgrad erreichen, anhand dessen der - eine natürliche Person darstellende — Grundstückseigentümer festgestellt werden kann (vgl. zum Ganzen schon meinen 21. Tätigkeitsbericht 2004 unter Nr. 14.1). Entfällt im Hinblick auf die Information hingegen das erforderliche Identifikationsmerkmal oder lässt der angebotene Detaillierungsgrad das Grundstück in einer größeren Menge anderer Grundstücken untergehen, so handelt es sich hierbei regelmäßig um ein bloßes Sachdatum. In Übereinstimmung damit nimmt auch Erwägungsgrund 24 INSPIRE-Richtlinie an, dass Geodaten personenbezogene Daten sein können.

Daher stellt etwa die über den BayernAtlas-plus abrufbare Flurstücksnummer eines (durch die Anzeige des Standortes auf der Karte) bestimmten Grundstücks eine Information über die natürliche Person des Grundstückseigentümers und dessen Vermögen dar. Aber auch im Übrigen enthält der BayernAtlas sachbezogene Informationen, welche durch eine unschwer mögliche Verschneidung mit weiteren Informationen (zum Beispiel aus der Parzellenkarte oder Adressenangaben usw.) Aussagen über die persönlichen und sachlichen Verhältnisse bestimmbarer natürlicher Person zulassen können. Dies scheint mir etwa der Fall zu sein bei der flurstücks- bzw. grundstücksgenauen Darstellung von Überschwemmungsgebieten oder auch der Denkmaleigenschaft konkreter Gebäude. In Zweifelsfällen rate ich daher, von einer Personenbeziehbarkeit auszugehen.

6.2.1.2. Identifizierbarkeit

Die natürliche Person, auf die sich die bereitgestellten Informationen (mittelbar) beziehen, muss aber auch zumindest identifizierbar sein. Hierfür ist es nach Erwägungsgrund 26 DSGVO nicht notwendig, dass der Verantwortliche selbst die Identifizierung durchführen kann. Es ist vielmehr ausreichend, dass irgendein Dritter nach allgemeinem Ermessen diese wahrscheinlich durchführen kann.

Umgekehrt gilt aber auch: Ist bei einem gezieltermaßen auf einen massenhaften Datenabruf ausgerichteten System bei dem Verantwortlichen selbst das Wissen über die konkret betroffene Person unproblematisch vorhanden, so ist das Merkmal der Identifizierbarkeit generell — und damit auch aus der Perspektive der unbestimmten Vielzahl der die Daten Abrufenden — erfüllt. Dies trifft in besonderer Weise für die der Öffentlichkeit im BayernAtlas bereitgestellten Geodaten zu. Insoweit können die betroffenen Grundstückseigentümer durch den Verantwortlichen (hier: das Landesamt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung) problemlos über das Liegenschaftskataster identifiziert werden, worauf dieser Zugriff hat. Hierbei kommt der Flurstücksnummer eine Doppelbedeutung zu. Bezogen auf ein konkretes Grundstück ist sie selbst ein personenbezogenes Datum. Im Hinblick auf weitere sich auf das Grundstück beziehende Informationen dient sie als individualisierendes Identifikationsmerkmal.

6.2.2. Erfordernis einer Rechtsgrundlage

Werden personenbezogene Geodaten im BayernAtlas proaktiv und generell bereitgestellt (zum Beispiel durch Anzeige auf einer Karte oder durch Einblenden von detaillierten Informationen in einem separaten Fenster nach Anklicken des jeweiligen Objekts) werden diese gemäß Art. 4 Nr. 2 DSGVO verarbeitet. Diese Verarbeitung bedarf einer Rechtsgrundlage gemäß Art. 6 Abs. 1 DSGVO. Insoweit besteht jedoch nach meinem derzeitigen Eindruck gesetzgeberischer Handlungsbedarf. Insbesondere habe ich die betroffenen Ressorts bereits auf folgende Defizite der aktuellen Rechtslage aufmerksam gemacht:

6.2.2.1. Bloßes Einsichtsrecht nach dem Vermessungs- und Katastergesetz

Art. 11 Abs. 1 Satz 1 bis 3 Vermessungs- und Katastergesetz (VermKatG) vermitteln — bei vorhandenem berechtigten Interesse — ein Einsichtsrecht in — personenbezogene — Daten des Liegenschaftskatasters beziehungsweise ein entsprechendes Recht auf Auskunft sowie Erstellung von Auszügen. Diese individuell durchsetzbaren Rechte können jedoch bereits aufgrund der hiermit verbundenen tatsächlichen höheren Hürden bei deren Geltendmachung nicht mit einer proaktiven, anlasslosen und generellen Veröffentlichung in einem frei zugänglichen Portal gleichgestellt werden. Diesen qualitativen Unterschied hat der Gesetzgeber im Übrigen selbst anerkannt, indem er in Art. 3 Abs. 2 Bayerisches Umweltinformationsgesetz (BayUIG) zwischen einer Akteneinsicht beziehungsweise Auskunft und einer proaktiven Unterrichtung der Öffentlichkeit nach Art. 10 BayUIG unterscheidet. Zusammengefasst erlaubt das Vermessungs- und Katastergesetz daher bereits von seiner Rechtsfolge her keine Veröffentlichung von Daten.

Art. 11 VermKatG

Einsicht, Auskunft und Benutzung des Liegenschaftskatasters, Verordnungsermächtigung

(1) 1Jedem wird Einsicht in das Liegenschaftskataster gewährt und Auskunft erteilt, soweit nicht Interessen des öffentlichen Wohls entgegenstehen. 2Auszüge aus dem Liegenschaftskataster werden auf Antrag erstellt. 3Für die Einsicht in personenbezogene Daten sowie für Auskünfte und Auszüge aus Verzeichnissen, die personenbezogene Daten enthalten, ist ein berechtigtes Interesse darzulegen; das gilt nicht für die Bezeichnung von Flurstücken sowie für die in Art. 6 Abs. 3 genannten Inhalte des Liegenschaftskatasters. [...]

Das Gleiche gilt im Übrigen auch für das Gesetz zum Schutz und zur Pflege der Denkmäler (Bayerisches Denkmalschutzgesetz - BayDSchG), welches in dessen Art. 2 Abs. 1 Satz 5 BayDSchG nur eine Einsicht in die Denkmalliste, nicht aber die praktizierte Veröffentlichung der (kartengebundenen) Denkmalliste im Internet erlaubt.

6.2.2.2. Bayerisches Geodateninfrastrukturgesetz gilt nur für betroffene Geodaten und erfordert Abwägung

Das Bayerische Geodateninfrastrukturgesetz (BayGDIG) sieht für sogenannte betroffene Geodaten im Sinne des Art. 2 Abs. 1 BayGDIG zwar die Verpflichtung vor, diese öffentlich zur Verfügung zu stellen. Der Zugang erfolgt auch durch ein Geoportal des Landes. Jedoch ist bei personenbezogenen Daten nach Art. 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BayGDIG der Zugang der Öffentlichkeit zu den Daten eingeschränkt, soweit hierdurch schutzwürdige Interessen der Betroffenen beeinträchtigt würden, es sei denn, die Betroffenen haben zugestimmt, das öffentliche Interesse an dem Zugang überwiegt oder die Geodaten sind nach anderen Rechtsvorschriften für die Öffentlichkeit zugänglich (siehe dazu schon meinen 23. Tätigkeitsbericht 2008 unter Nr. 24.2). Die hiernach erforderliche Interessenabwägung wird aber oftmals dazu führen, dass die betroffenen Grundstückseigentümer ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse daran haben, dass Daten zur Nutzung oder Werthaftigkeit ihres Grundstücks nicht ohne ihre Einwilligung im Internet weltweit veröffentlicht werden und in der Folge gewerblich genutzt werden können.

Art. 8 BayGDIG

Nutzung

(3) 1[...]. 2Soweit

  1. durch den Zugang zu Geodaten personenbezogene Daten offenbart und dadurch schutzwürdige Interessen der Betroffenen beeinträchtigt würden,
  2. Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse zugänglich gemacht würden,

ist der Zugang zu beschränken, es sei denn, die Betroffenen haben zugestimmt, das öffentliche Interesse an dem Zugang überwiegt oder die Geodaten sind nach anderen Rechtsvorschriften für die Öffentlichkeit zugänglich. 3[...].

Daneben habe ich derzeit aber auch erhebliche Zweifel daran, dass alle über den BayernAtlas und den BayernAtlas-plus abrufbaren Daten sogenannte betroffene Geodaten nach Art. 2 Abs. 1 BayGDIG sind, also eines oder mehrere Themen nach den Anhängen I, II oder III der INSPIRE-Richtlinie betreffen. Dies gilt insbesondere für die Flurstücksnummer, Daten zur Bodenschätzung oder die Eigenschaft als Baudenkmal.

6.2.2.3. Anhörungserfordernis nach dem Bayerischen Umweltinformationsgesetz

Auch das gegenüber dem Bayerischen Geodateninfrastrukturgesetz nach Art. 8 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 Var. 3 BayGDIG vorrangige Bayerische Umweltinformationsgesetz (BayUIG) sieht im Hinblick auf die Veröffentlichung von Umweltdaten in Art. 8 Abs. 1 Nr. 1 BayUIG eine ähnliche Einzelfallabwägung der Interessen vor. Darüber hinaus verpflichtet die Norm in deren Satz 3 aber zusätzlich dazu, die Betroffenen vor der Entscheidung über die Offenbarung der Informationen anzuhören.

6.2.3. Ausblick

Um einer sich derzeit abzeichnenden Zersplitterung entsprechender Veröffentlichungsbefugnisse in verschiedenen Fachgesetzen vorzubeugen, habe ich mich gegenüber den betroffenen Ressorts für eine übergreifende und zukunftsoffene gesetzliche Lösung eingesetzt. Hierfür wäre nach meiner derzeitigen Auffassung eine Überarbeitung und Ergänzung des Bayerischen Geodateninfrastrukturgesetzes gut geeignet. Soweit veranlasst, werde ich hierzu erneut berichten.

  1. Aus der Beschreibung des BayernAtlas auf der Internetpräsenz des Landesamts für Digitalisierung, Breitband und Vermessung, Internet: https://www.ldbv.bayern.de/produkte/dienste/bayernatlas.html (externer Link). [Zurück]
  2. Richtlinie (EG) 2007/2 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. März 2007 zur Schaffung einer Geodateninfrastruktur in der Europäischen Union (ABl. L 108 vom 25. April 2007, S. 1), zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) 2019/1010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juni 2019 (ABl. L 170 vom 25. Juni 2019, S. 115). [Zurück]
  3. Artikel-29-Datenschutzgruppe, Stellungnahme zum Begriff "personenbezogene Daten", Stand 4/2007, WP 136, S.11, Internet: https://ec.europa.eu/justice/article-29/documentation/opinion-recommendation/files/2007/wp136_de.pdf (externer Link). [Zurück]
  4. Klar/Kühling, in: Kühling/Buchner, Datenschutz-Grundverordnung/Bundesdatenschutzgesetz, 3. Aufl. 2020, Art. 4 Abs. 1 Rn. 13. [Zurück]
  5. Schild, in: Wolff/Brink, Beck’scher Online-Kommentar Datenschutzrecht, Stand 11/2021, Art. 4 DSGVO Rn. 23, 24. [Zurück]
  6. Vgl. insoweit auch Verwaltungsgericht Wiesbaden, Urteil vom 4. November 2019, 6 K 460/16. WI, BeckRS 2019, 33849, Rn. 52. [Zurück]
  7. Klabunde, in: Ehmann/Selmayr, Datenschutz-Grundverordnung, 2. Aufl. 2018, Art. 4 Rn. 17. [Zurück]