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Der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz; Stand: 12.12.2002

8. Justiz

8.1. Gerichtlicher Bereich

8.1.1. Insolvenzordnung und Bekanntmachungsverordnung

Nach der Insolvenzordnung sind Entscheidungen mit weitreichender Wirkung, wie etwa die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, die Anordnung von Verfügungsbeschränkungen oder die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters öffentlich bekannt zu machen, um dem Geschäftsverkehr die Möglichkeit zu geben, sich auf die jeweiligen rechtlichen Folgen einzustellen. Diese öffentliche Bekanntmachung erfolgte bisher durch die Veröffentlichung in einem hierfür bestimmten Blatt, etwa einer Tageszeitung. Um die daraus entstehenden Kosten zu reduzieren, aber auch um die Kenntnisnahme durch interessierte Kreise zu erleichtern, legte die Bundesregierung im Januar 2001 einen Gesetzentwurf vor, der zum Zweck hatte, durch eine Änderung des § 9 Insolvenzordnung eine Veröffentlichung dieser Daten auch über das Internet zu ermöglichen. Eine solche Veröffentlichung im Internet bietet neben den genannten Chancen aber auch erhebliche Risiken, da die verwendeten Daten, einmal publiziert, in ihrer räumlichen und zeitlichen Verbreitung und Auswertung kaum mehr kontrolliert werden können. So stehen auch Daten einer Einzelperson, die einem Verbraucherinsolvenzverfahren unterworfen ist, für jedermann zur freien Verfügung.

Gemeinsam haben wir, die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder, die besondere Interessenlage bei der Veröffentlichung von Daten eines Insolvenzverfahrens im Internet im Rahmen einer Entschließung (Entschließung vom 24.04.2001 - Anlage 8) hervorgehoben und besondere Vorkehrungen gegen einen Missbrauch dieser Daten gefordert. Gleichzeitig haben wir gefordert, auch bei der Nutzung des Internet im Bereich der Registergerichte oder bei Zwangsvollstreckungsverfahren auf die besondere Gefährdungssituation für das Recht des jeweils Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung durch technische und organisatorische Maßnahmen Rücksicht zu nehmen. Nicht zuletzt in Reaktion auf diese Entschließung hat der Bundestag der Neuregelung in § 9 Insolvenzordnung eine Verordnungsermächtigung hinzugefügt. Im Rahmen dieser Rechtsverordnung soll das Bundesministerium der Justiz die Einzelheiten der Veröffentlichung in einem elektronischen Informations- und Kommunikationssystem regeln. Dabei sind insbesondere Löschungsfristen vorzusehen sowie Vorschriften, die sicherstellen, dass die Veröffentlichungen unversehrt, vollständig und aktuell bleiben, jederzeit ihrem Ursprung nach zugeordnet werden können und nach dem Stand der Technik durch Dritte nicht kopiert werden können. Gleichzeitig hatte der Bundestag die Bundesregierung gebeten, zu prüfen, wie verhindert werden kann, dass amtlich bekannt gemachte Daten nach Ablauf der Löschungsfrist über das Internet veröffentlicht werden. Im Februar 2002 trat die Verordnung des Bundesministeriums der Justiz zu öffentlichen Bekanntmachungen im Insolvenzverfahren im Internet in Kraft. Hierin ist, neben Löschungsfristen für die zur Veröffentlichung im Internet vorgehaltenen Daten insbesondere bestimmt, dass die Daten bei der Übermittlung an die für die Veröffentlichung zuständige Stelle elektronisch signiert werden müssen, Vorkehrungen für die Unversehrtheit, Vollständigkeit und Aktualität der Daten während der Veröffentlichung getroffen werden müssen und spätestens zwei Wochen nach dem ersten Tag der Veröffentlichung die Daten nur noch auf konkrete Abfrage herausgegeben werden dürfen.

8.1.2. Anordnung über Mitteilungen in Zivilsachen (MiZi)

Die Anordnung über Mitteilungen in Zivilsachen, die detaillierte Regelungen über von Amts wegen veranlasste Übermittlungen personenbezogener Daten an öffentliche Stellen nach dem Justizmitteilungsgesetz enthält (siehe 19. Tätigkeitsbericht Nr. 7.3.1), wurde auch in diesem Berichtszeitraum geändert. Erfreulicherweise wurde bereits in dem Änderungsvorschlag der Landesjustizverwaltungen vom Januar 2001 eine Vielzahl der von mir und den anderen Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder aufgestellter Forderungen berücksichtigt. Hierzu zählen die regelmäßige Beschränkung von Mitteilungen auf den Entscheidungstenor sowie die Verpflichtung, die Mitteilung in den betreffenden Akten mit Inhalt, Art und Weise der Übermittlung sowie Empfänger zu dokumentieren. Auch wurde durch erläuternde Formulierungen hervorgehoben, dass überschießende Daten des Betroffenen oder Dritter in den Mitteilungen auf das unvermeidbare Maß zu beschränken sind und dass die Mitteilung grundsätzlich nur zu dem Zweck verwendet werden darf, zu dessen Erfüllung sie übermittelt wurde. Diese datenschutzrechtlichen Verbesserungen sind nach Abstimmung der Justizverwaltungen auch umgesetzt worden. Leider fand meine zusätzliche Anregung, im Rahmen der Dokumentation der Mitteilungen auch jeweils diejenigen Tatsachen festzuhalten, die das besondere öffentliche Interesse an einer Mitteilung begründen, keine Berücksichtigung, ebenso wenig mein Vorschlag, für überschießende Daten Dritter ein Verwendungsverbot auf Seiten der empfangenden Stelle festzuschreiben. Ich habe diese Forderungen daher anlässlich erneuter Änderungsvorschläge durch die Landesjustizverwaltungen im Januar 2002 wieder aufgegriffen. Leider ist eine Übernahme meiner Vorschläge auch in den am 01.10.2002 in Kraft getretenen Änderungen der Mitteilungen in Zivilsachen nicht erfolgt.

8.1.3. Aufbewahrungsbestimmungen

8.1.3.1. Aktenaufbewahrungsgesetz

In meinem 19. Tätigkeitsbericht (Nr. 7.2.1) hatte ich über die bereits seit langem andauernden Bemühungen um eine gesetzliche Regelung für die Aufbewahrung von gerichtlichen Akten der Zivil- und Strafjustiz berichtet. Im Mai 2000 wurde durch die 71. Justizministerkonferenz eine länderoffene Arbeitsgruppe eingesetzt, die bis zur Frühjahrskonferenz 2001 geeignete Vorschläge zur Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung für die Aufbewahrungsbestimmungen im Justizbereich erarbeiten sollte. Diese Arbeitsgruppe stellte zunächst fest, dass eine gesetzliche Regelung nach ihrer mehrheitlichen Auffassung entbehrlich sei. Im Hinblick auf den Erforderlichkeitsgrundsatz sollten aber die Fristen der bundeseinheitlichen Aufbewahrungsbestimmungen überprüft werden. Die Prüfung wurde, nach Sachgebieten aufgeteilt, einzelnen Justizverwaltungen zugewiesen. Eine Zusammenstellung der so erarbeiteten Änderungswünsche durch das federführende Justizministerium Nordrhein-Westfalen liegt bisher noch nicht vor.

Im Juni 2001 beschloss die 72. Justizministerkonferenz eine länderoffene Arbeitsgruppe einzusetzen, die einen Entwurf für ein Aufbewahrungsgesetz erarbeiten soll, in dem die grundsätzlichen Voraussetzungen für die Aufbewahrung von Schriftgut in der Justiz geregelt sind und das die Länder ermächtigt, die Einzelheiten, das heißt die konkreten Fristen in (bundeseinheitlich) abgestimmten Rechtsverordnungen oder Verwaltungsvorschriften zu regeln. Allerdings wurde bisher keine Einigung über die Federführung für dieses neu zu schaffende Aktenaufbewahrungsgesetz erzielt, so dass bisher keine weiteren Vorbereitungen zur Schaffung dieses Gesetzes unternommen wurden.

8.1.3.2. Finanzgerichtsbarkeit

Eine gesetzliche Regelung findet sich allerdings auch für die übrige Fachgerichtsbarkeit bisher nicht. Für den Bereich der Finanzgerichtsbarkeit in Bayern wurde durch das Finanzgericht Nürnberg gemeinsam mit der Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns der Entwurf einer Aussonderungsbekanntmachung Finanzgerichtsbarkeit erarbeitet, der im Juni 2001 durch das Staatsministerium der Finanzen an die Finanzgerichte München und Nürnberg zur Stellungnahme übersandt wurde. Eine Zusendung dieses Entwurfes an mich erfolgte erst im Juli 2001 auf meine Nachfrage hin. Zu diesem Entwurf habe ich gegenüber dem Staatsministerium der Finanzen auf das grundsätzliche Erfordernis einer gesetzlichen Regelung hingewiesen, wenngleich es zu begrüßen ist, dass die Aufbewahrung und Vernichtung bzw. Löschung von Unterlagen nunmehr zumindest in einer Bekanntmachung geregelt werden soll. Zu dem Entwurf selbst habe ich betont, dass die Aufbewahrung von Verfahrensakten sowie spezifischer Karteien in jedem Fall nur zulässig ist, so lange sie für die Aufgabenerfüllung des Gerichts erforderlich ist. Im Rahmen meines Schriftwechsels mit dem Staatsministerium der Finanzen habe ich dann auch festgestellt, dass für die Speicherung so genannter Stammdateien, die die wesentlichen Verfahrensdaten enthalten, in dem Bekanntmachungsentwurf keine Regelungen vorgesehen sind. Ich habe daher eine entsprechende Änderung der Bekanntmachung gefordert. Eine Rückantwort des Staatsministeriums der Finanzen steht hierzu noch aus.

Weiterhin habe ich gefordert, eine jährliche Überprüfung und Aussonderung der Unterlagen vorzusehen. Der Entwurf der Bekanntmachung hatte diese spätestens alle fünf Jahre vorgesehen, so dass unter Umständen Unterlagen, für die eine Aufbewahrungsfrist von fünf Jahren festgelegt wurde, erst nach bis zu zehn Jahren ausgesondert würden. Das Staatsministerium der Finanzen hat mir hierzu mitgeteilt, dass die für die Aussonderung vorgesehenen Akten von den Finanzgerichten inzwischen jährlich bearbeitet werden.

8.1.3.3. Verwaltungsgerichtsbarkeit

Für die Verwaltungsgerichtsbarkeit wurde im Juli 2000 eine Vereinbarung zwischen dem bayerischen Verwaltungsgerichtshof und der Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns über Aufbewahrung, Aussonderung, Anbietung, Übernahme und Vernichtung der Unterlagen beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof und bei den Verwaltungsgerichten des Freistaates Bayern abgeschlossen. Von dieser Vereinbarung habe ich erst auf eigene Nachfrage im Juli 2001 erfahren. Bei ihrer Erarbeitung war ich nicht beteiligt worden. Dementsprechend habe ich mich erst im August 2001 in einem Schreiben an den Präsidenten des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes hierzu äußern können. Auch in diesem Schreiben habe ich auf das grundsätzliche Erfordernis einer gesetzlichen Regelung hingewiesen, wenngleich auch hier zu begrüßen war, dass inzwischen zumindest eine Verwaltungsvereinbarung über die Aufbewahrung und Vernichtung bzw. Löschung der Unterlagen getroffen wurde. Darüber hinaus habe ich darauf hingewiesen, dass die Erforderlichkeit einer Datenspeicherung keine unterschiedliche Beurteilung allein aufgrund des Speichermediums finden kann, so dass die Aufbewahrungsfristen, sofern sie den selben Sachverhalt betreffen, für Papierakten wie für elektronisch gespeicherte Daten gleich sein müssen. Zudem habe ich auch bemerkt, dass die dortige Regelung, dass die Aussonderung und Anbietung von Unterlagen, deren Aufbewahrungsfrist abgelaufen ist, spätestens alle zehn Jahre stattfinden soll, das Risiko birgt, dass Unterlagen, die nur zehn Jahre aufzubewahren sind, tatsächlich 20 Jahre lang bei dem Gericht vorgehalten werden.

Im Rahmen mehrerer Besprechungen mit dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof konnte eine Einigung erzielt werden, dass auch die ausgedruckten Daten des elektronischen Eingangsregisters mit Ablauf der Aufbewahrungsfristen für die zugehörigen Verfahrensakten gelöscht werden sollen. Eine Einigung bezüglich der elektronisch gespeicherten Daten steht noch aus. Im Hinblick auf die Umsetzung der Aufbewahrungsfristen hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof erklärt, dass die Aussonderung zeitnah nach Ablauf der jeweiligen Fristen erfolgen soll.

8.2. Strafverfolgung

8.2.1. Auskunft/Akteneinsicht

Das Recht des Einzelnen auf informationelle Selbstbestimmung schließt sein Recht ein, zu wissen, wer was wann und bei welcher Gelegenheit über ihn weiß (BVerfGE 65, 1 ff, 43). Dementsprechend bedeutet Datenschutz auch, dem Betroffenen grundsätzlich Auskunft aus oder Einsicht in diejenigen Akten öffentlicher Stellen zu gewähren, in denen seine personenbezogenen Daten gespeichert sind. Bereits in meinem 18. Tätigkeitsbericht (Nr. 7.3.4) hatte ich über die Auskunft aus staatsanwaltschaftlichen Akten berichtet. Aus einer Vielzahl von Anfragen an mich ist aber deutlich geworden, dass bei dieser Frage immer noch wesentliche Unsicherheiten bei der Anwendung des Rechts bestehen.

8.2.1.1. Auskunft/Akteneinsicht ohne Verteidiger

Ein Betroffener hatte sich an mich gewandt, da er wünschte, in einem gegen ihn geführten Ermittlungsverfahren, das zwischenzeitlich durch rechtskräftigen Strafbefehl abgeschlossen war, Einsicht in den Verfahrensakt zu nehmen. Sein Begehren begründete er gegenüber der aktenführenden Staatsanwaltschaft mit dem Wunsch, den Vorgang zu überprüfen. Die Staatsanwaltschaft lehnte diesen Antrag ab, da nicht durch einen Verteidiger vertretenen Personen grundsätzlich keine Einsicht in Strafverfahrensakten gewährt werde und der Betroffene darüber hinaus kein besonderes Interesse an der Einsichtnahme dargelegt habe. Diese Auffassung, die sich auf das Fehlen einer ausdrücklichen Regelung zum Recht des nicht von einem Verteidiger vertretenen Betroffenen eines Ermittlungsverfahrens auf Auskunft und Akteneinsicht bis zum Inkrafttreten des Strafverfahrensänderungsgesetzes 1999 bezog verkannte, dass bereits das vom Bundesverfassungsgericht definierte Recht auf informationelle Selbstbestimmung Betroffenen grundsätzlich das Recht gewährt, zu wissen, wer was wann und bei welcher Gelegenheit über ihn weiß. Dieses Interesse, zu wissen, welche Daten über einen gespeichert sind, kann der Verfolgung rechtlicher Interessen, wie etwa dem Betreiben eines Wiederaufnahmeverfahrens oder auch nur der eigenen Information über den Erkenntnisstand der Behörde dienen. Darüber hinaus kann durch die Verweigerung einer Akteneinsicht für einen nicht durch einen Verteidiger vertretenen Betroffenen, wie vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ausgeführt (EGMR, NStZ 1998, Seite 429 f), dessen Recht auf ein faires Verfahren nach Art. 6 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie sein Recht auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz verletzt werden. Dies habe ich sowohl der betroffenen Staatsanwaltschaft als auch dem Staatsministerium der Justiz mitgeteilt.

Durch die Einfügung eines Abs. 7 in § 147 der Strafprozessordnung mit dem Strafverfahrensänderungsgesetz 1999 wurde zwischenzeitlich zwar festgestellt, dass ein Betroffener Auskünfte aus Strafverfahrensakten zu seiner Person auch ohne anwaltlichen Beistand erhalten kann. Der Betroffene hat allerdings nach dem Gesetzeswortlaut lediglich ein Recht auf ermessensfehlerfreie Entscheidung. Ich habe daher, gerade vor dem Hintergrund, dass nicht nur in diesem Fall die beteiligten Stellen Umfang und Folgen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung verkannt hatten, gegenüber dem Staatsministerium der Justiz gefordert, bei der Neufassung der bundesweit einheitlichen Richtlinien für Straf- und Bußgeldverfahren (RiStBV) ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass dieses Recht auf ermessensfehlerfreie Entscheidung sich nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens regelmäßig zu einem Recht auf Erteilung von Auskunft oder Abschriften verdichten wird, ohne dass es einer weiteren Begründung bedarf. Diese Forderung fand jedoch im Rahmen der Beratungen des RiStBV-Ausschusses keine Mehrheit.

8.2.1.2. Auskunft über Datenübermittlungen im Rahmen der Dienstaufsicht

Ein Betroffener hatte bei der gegen ihn ermittelnden Staatsanwaltschaft angefragt, ob dem zuständigen Generalstaatsanwalt über dieses Ermittlungsverfahren im Rahmen der Dienstaufsicht berichtet und damit Daten über seine Person übermittelt worden seien. Die angeschriebene Staatsanwaltschaft wie auch der betroffene Generalstaatsanwalt teilten ihm daraufhin mit, dass ihm über derartige "interne" Vorgänge, auch sofern sie seine Person betreffen, keine Auskunft gegeben werde. Dies ergebe sich bereits aus der Bezeichnung "intern".

Von dem Betroffenen angeschrieben habe ich mich an die Staatsanwaltschaft gewandt und dieser dargelegt, dass eine Auskunft über die Übermittlung personenbezogener Daten an den Generalstaatsanwalt dem Betroffenen gegenüber bei Maßnahmen im Rahmen der Strafprozessordnung gemäß § 147 StPO und bei sonstigen Datenübermittlungen gemäß Art. 10 Bayerisches Datenschutzgesetz erteilt werden muss. Gerade im Hinblick auf die nicht in der Strafprozessordnung geregelten Informationen des Generalstaatsanwaltes etwa im Rahmen der allgemeinen Berichterstattung zur Unterstützung der Dienstaufsicht gemäß § 147 Gerichtsverfassungsgesetz habe ich deutlich gemacht, dass der Generalstaatsanwalt hierbei Dritter im Sinne von Art. 4 Abs. 10 Satz 1 Bayerisches Datenschutzgesetz ist und somit eine Datenübermittlung vorliegt, über die, mangels anderweitiger Regelung, gemäß Art. 10 Bayerisches Datenschutzgesetz, unter Berücksichtigung der Einschränkungen in dessen Absätzen 5 und 6 Auskunft zu erteilen ist. Das zwischenzeitlich eingeschaltete Staatsministerium der Justiz hat meine Auffassung bestätigt.

8.2.1.3. Auskunft aus staatsanwaltschaftlichen Dateien

Mit dem Strafverfahrenänderungsgesetz 1999 (siehe 19. Tätigkeitsbericht Nr. 7.1.5) wurden Regelungen für staatsanwaltschaftliche Dateien in die Strafprozessordnung eingeführt und dem Betroffenen in den §§ 491, 495 Strafprozessordnung ein Auskunftsrecht entsprechend § 19 des Bundesdatenschutzgesetzes gegeben. Zur Unterstützung einer einheitlichen Handhabung bei der Auskunftserteilung bayerischer Staatsanwaltschaften aus der Verfahrensdatei der Behörde sowie aus der landesweiten Datei STARIS hatte das Staatsministerium der Justiz erwogen, Auskünfte nur zu erteilen, wenn sie sich auf abgeschlossene oder den Betroffenen bereits bekannt gegebene Ermittlungsverfahren beziehen. Dazu sollten sämtliche Anfragen durch die Registerbehörde folgende Erklärung enthalten:

"Aus Gründen der ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung der Staatsanwaltschaften können Auskünfte aus dem [...] staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister nur erteilt werden, wenn sie sich auf abgeschlossene oder dem Betroffenen bereits bekannt gegebene Ermittlungsverfahren beziehen. Insoweit enthält das [...] staatsanwaltschaftliche Verfahrensregister über sie keine bzw. folgende Eintragungen: ..."

Ich habe mich gegen eine derartige generelle Vorgehensweise gewandt. Eine solche, nicht am Einzelfall orientierte Entscheidung würde dem Gesetz nicht entsprechen, das den Betroffenen grundsätzlich einen Anspruch auf Auskunft einräumt, sofern dem nicht im Einzelfall die im Gesetz genannten Gründe entgegenstehen und deswegen das Interesse des Betroffenen an der Auskunftserteilung zurücktreten muss. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist in jedem Einzelfall vor einer Auskunftsablehnung zu prüfen und zu entscheiden. Eine generelle Auskunftsverweigerung in den oben genannten Fällen würde auch der besonderen Bedeutung des Auskunftsrechts für die individuelle Entfaltung des Einzelnen (siehe BVerfGE 65, 1 ff, 42 f) nicht gerecht. Die Auskunftserteilung ist Voraussetzung für eventuelle Berichtigungs-, Löschungs- und Schadensersatzansprüche, die ohne Kenntnis der Speicherung nicht wahrgenommen werden können. Eine generelle Auskunftsverweigerung ist auch nicht deswegen gerechtfertigt, weil in allen zur Auskunftsverweigerung vorgesehenen Fällen vom Vorliegen von Ablehnungsgründen auszugehen ist. Dies gilt vor allem nicht in den Fällen, in denen gar keine Speicherungen vorhanden sind. Aber auch in den Fällen, in denen noch nicht abgeschlossene bzw. den Betroffenen noch nicht bekannt gegebene Ermittlungsverfahren gespeichert sind, sind Sachverhalte denkbar, in denen eine Auskunftsverweigerung nicht gerechtfertigt ist. So z. B. wenn der Betroffene in einem Ermittlungsverfahren aufgrund offenkundig nicht gegebener Tatbestandsmäßigkeit nicht als Beschuldigter vernommen wurde, das Verfahren aber noch nicht eingestellt ist. Im übrigen in Fällen, in denen keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine Mitteilung des Verfahrens nachteilige Auswirkungen haben könnte.

Das Staatsministerium der Justiz hat gegenüber meiner Kritik darauf hingewiesen, dass gerade auch die Mitteilung, dass keine Speicherungen vorhanden sind, Ermittlungen gefährden könnte. Dies ergebe sich daraus, dass ein derartiges Auskunftsverhalten die Möglichkeit für Rückschlüsse eröffne, wenn in anderen Fällen von der Registerbehörde unter Hinweis auf ermittlungstaktische Erwägungen die Auskunft verweigert wird. Anlässlich der Prüfung einer Staatsanwaltschaft wurde mir mitgeteilt, dass dort mit Ausnahme gesperrter Verfahren eine vollständige Auskunft über die Eintragungen in Verfahrensregister gegeben werde. Eine pauschale Auskunftsverweigerung bezüglich noch nicht abgeschlossener und dem Betroffenen noch nicht bekannt gegebener Verfahren erfolgte dort nicht, weil die Gefahr einer Ausforschung nicht gesehen würde.

Ich habe dem Staatsministerium der Justiz dies mitgeteilt und überdies auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes hingewiesen (Beschluss vom 10.10.2000, DVBl 2001, 275 ff., 277), in der das Gericht es als unzulässig ansieht, dass zur Vermeidung einer Ausforschung die Auskunft schematisch, auch bei Fehlen jeglicher Daten, verweigert wird, um so Rückschlüsse auf die Datenspeicherung durch die Differenzierung zwischen Negativauskunft und Auskunftsverweigerung zu vereiteln. Die Auskunft dürfe nur aufgrund konkreter Einzelfallentscheidungen verweigert werden. Die Verweigerung müsse grundsätzlich auch begründet werden. Eine bloße Wiederholung des Gesetzestextes oder der pauschale Verweis auf eine Gefährdung des Zwecks des Auskunftsverweigerungsrechtes wäre hierbei nicht ausreichend. Dennoch hat auch die von mir geprüfte Staatsanwaltschaft ihr bisheriges Auskunftsverhalten dahingehend geändert, dass Auskünfte aus den staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregistern nur noch erteilt werden, wenn sie sich auf abgeschlossene oder dem Betroffenen bereits bekannt gegebene Ermittlungsverfahren beziehen. In einem gemeinsam mit dem Freistaat Thüringen im November 2001 in den Bundesrat eingebrachten Gesetzesantrag forderte die Staatsregierung zudem eine Änderung der gesetzlichen Regelung in § 491 Abs. 2 Strafprozessordnung dergestalt, dass eine Auskunft generell nicht erteilt wird, sofern sie sich auf bei der Staatsanwaltschaft noch nicht erledigte Verfahren bezieht. Die Regelung sollte somit über das bisher Geforderte hinausgehen und dem Betroffenen eine Dateiauskunft selbst dann verwehren, wenn ihm das Verfahren bereits bekannt gegeben wurde. Der Bundesrat hat jedoch im März 2002 beschlossen, diesen Gesetzentwurf nicht beim Bundestag einzubringen. Vor diesem Hintergrund habe ich mich erneut an das Staatsministerium der Justiz gewandt und eine Anpassung der Praxis der Auskunftserteilung an die geltende Rechtslage gefordert. In seiner Antwort hat das Staatsministerium der Justiz darauf verwiesen, dass § 491 Abs. 2 StPO bereits in der bestehenden Fassung keine Einzelfallprüfung erfordere. Diese Auffassung lehne ich ab, da sie der zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes widerspricht.

Zur Klärung der Frage, ob durch Anfragen beim bundesweiten Zentralen Staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister die Gefahr einer Ausforschung gegeben ist, hat die Bundesregierung das Bundeszentralregister beauftragt, eine Statistik über die Auskunftsersuchen Betroffener zu führen. Aufgrund der so gewonnenen Erkenntnisse soll nach Ablauf von zwei Jahren geprüft werden, ob sich die dortige Praxis der vollständigen Auskunftserteilung bewährt hat oder ob eine Gesetzesnovellierung erforderlich ist.

8.2.2. Telekommunikationsüberwachung

8.2.2.1. §§ 100 g, 100 h StPO

Bereits die 52. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder hatte in einer Entschließung vom 22./23.10.1996 gefordert, herkömmliche Eingriffsbefugnisse in das Fernmeldegeheimnis nicht ungeprüft unter wesentlich veränderten Bedingungen auf die neuen Formen der Individual- und Massenkommunikation zu übertragen. Vor allem § 12 des damaligen Fernmeldeanlagengesetzes (FAG) sollte durch eine normenklare gesetzliche Regelung in der Strafprozessordnung ersetzt werden, die dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auch unter den neuen Bedingungen, insbesondere der zunehmenden Bedeutung von Verbindungs- und Bestandsdaten für das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen Rechnung trägt (siehe 17. Tätigkeitsbericht Nr. 7.4.1). Diese Forderung nach einer ausdrücklichen gesetzgeberischen Entscheidung über die Herausgabe von Verbindungsdaten, in der auch die veränderten technischen und sozialen Gegebenheiten der Telekommunikation berücksichtigt werden, haben die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder anlässlich der 58. Datenschutzkonferenz (Entschließung vom 07./08.10.1999, 19. Tätigkeitsbericht Anlage 8) und der 59. Datenschutzkonferenz (Entschließung vom 14./15.03.2000, 19. Tätigkeitsbericht Anlage 18) wiederholt. Eine Entscheidung über die Neuregelung war auch deswegen angezeigt, weil die nur noch befristete Gültigkeitsdauer des § 12 FAG zuletzt am 31.12.2001 ablaufen sollte. Im August 2001 legte die Bundesregierung den Entwurf einer Nachfolgeregelung zu § 12 Fernmeldeanlagengesetz in Form der §§ 100 g , 100 h Strafprozessordnung vor.

In meiner Stellungnahme gegenüber dem Staatsministerium der Justiz habe ich den Entwurf grundsätzlich begrüßt, da er die Auskunft über Verbindungsdaten der Telekommunikation endlich in den Gesamtzusammenhang der Strafprozessordnung einordnet. Erfreulich war auch, dass durch eine Anlehnung an die Systematik der Telekommunikationsüberwachung in den §§ 100 a, 100 b Strafprozessordnung wesentliche Schutzmechanismen wie die Bindung an einen beschränkten Straftatenkatalog, die grundsätzliche Anordnung durch einen Richter und Unterrichtungs- und Vernichtungspflichten gewährleistet wurden. Dennoch habe ich das Staatsministerium der Justiz auch auf bestehenden Verbesserungsbedarf hingewiesen. Insbesondere fehlen Regelungen über eine Dokumentation aller Fälle der Weitergabe oder zweckändernden Nutzung so erlangter Daten, wie sie durch das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zur Fernmeldeüberwachung durch den Bundesnachrichtendienst verlangt wurden (siehe 19. Tätigkeitsbericht Nr. 7.2.4.2).

Die Staatsregierung hat meine Anregungen im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens nicht aufgegriffen. Vielmehr wurde in den Beratungen des Bundesrates eine Vielzahl von Änderungen beantragt, die im Vergleich zu dem vorgelegten Gesetzentwurf wesentliche datenschutzrechtliche Verschlechterungen beinhaltete. So wurde grundsätzlich für eine Beibehaltung der bestehenden Regelung in § 12 Fernmeldeanlagengesetz plädiert und ein Wegfall der Beschränkung auf Straftaten von erheblicher Bedeutung bzw. den Straftatenkatalog des § 100 a Strafprozessordnung gefordert. Auch sollte die Überwachung des Standortes eines Mobiltelefons ohne bestehende Verbindung mit einem anderen Teilnehmer gestattet werden. Letztlich konnten diese Forderungen des Bundesrates aber nicht durchgesetzt werden. Zum 01. Januar 2002 trat die neue Regelung der §§ 100 g, 100 h Strafprozessordnung in Kraft.

8.2.2.2. Dokumentation von Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen

In meinem 19. Tätigkeitsbericht (Nr. 7.2.4.2 und Nr. 7.2.4.3) habe ich darauf hingewiesen, dass Eingriffe in das Fernemeldegeheimnis durch Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen der Strafverfolgungsbehörden einer besonderen Dokumentation bedürfen, um eine zureichende Kontrolle der Speicherung, Zweckänderung und Übermittlung zu gewährleisten sowie um sicherzustellen, dass gesetzlich vorgeschriebene Unterrichtungspflichten erfüllt werden. Im Sinne einer gleichmäßigen und grundrechtsfreundlichen Vorgehensweise habe ich gegenüber dem Staatsministerium der Justiz auf die Schaffung eines bayernweit einheitlichen Vordruckes für die Dokumentation von Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen im Rahmen der Strafverfolgung gedrungen. Nach einer Erhebung der bisher in einzelnen Staatsanwaltschaften verwendeten Formblätter hat das Staatsministerium der Justiz einen eigenen Vorschlag eines Dokumentationsbogens erstellt, bei dessen Entwurf ich beteiligt wurde. Darin sollen die einzelnen Unterlagen, die Weitergabe von Abschriften, die Benachrichtigung Beteiligter sowie die vorschriftsmäßige Vernichtung der Unterlagen nachgewiesen werden. Dabei werden auch Maßnahmen nach § 100 g Strafprozessordnung berücksichtigt. Dieses Formblatt sollte nach meiner Auffassung bei sämtlichen Staatsanwaltschaften in Bayern verwendet werden. Zumindest sollten davon abweichende Vordrucke um die im Vergleich zu dem Entwurf des Staatsministeriums der Justiz fehlenden Felder ergänzt werden. Auch das Staatsministerium der Justiz hat dies in einem Schreiben an die Generalstaatsanwälte bei dem Bayerischen Obersten Landgericht und bei den Oberlandesgerichten München, Nürnberg und Bamberg zum Ausdruck gebracht.

8.2.3. Aufbewahrung besonders sensibler Daten

Anlässlich einer Änderung der Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) im Juli 2000 wurde in dessen Nr. 220 formuliert, dass zu Beweiszwecken gefertigte Lichtbilder von Verletzten einer Straftat, die diese ganz oder teilweise unbekleidet zeigen, gesondert in den Akten aufzubewahren sind, um sie bei der Gewährung von Akteneinsicht an Dritte ggf. vorübergehend entfernen zu können. Ich habe gegenüber dem Staatsministerium der Justiz darauf hingewiesen, dass ein entsprechender Schutz für solche Lichtbilder auch gelten muss, wenn diese, etwa durch den Täter selbst, nicht zu Beweiszwecken gefertigt wurden. Dementsprechend habe ich eine Erweiterung der RiStBV gefordert.

Dieser besondere Schutz vor einem unbefugten Zugriff insbesondere im Rahmen der Akteneinsicht durch Dritte muss jedoch auch für andere personenbezogene Daten von vergleichbarer Sensibilität gelten. In Folge dessen habe ich in meiner Stellungnahme zur Änderung der RiStBV eine gesonderte Heftung auch für Sozialdaten und Erkenntnisse aus einer Überwachung der Telekommunikation gemäß §§ 100 g, 100 h Strafprozessordnung (vormals § 12 FAG), die ebenfalls einer besonderen Zweckbindung unterliegen, gefordert. Gleiches habe ich für Erkenntnisse aus präventiven Speicherungen der Polizei angeregt, in denen Tatvorwürfe aufgenommen werden, die zwar nicht zu einer strafrechtlichen Ahndung geführt haben, bei denen aber ein Tatverdacht verblieben ist. Da auch Dritte bei einer Einsicht in den Strafverfahrensakt in derartigen Speicherungen, für die nur ein Verdacht erforderlich ist und bei denen das zugrundeliegende Verfahren sogar durch Freispruch abgeschlossen sein kann, erlangen könnten, habe ich eine gesonderte Aufbewahrung und ggf. Herausnahme bei der Akteneinsicht Dritter verlangt.

Während die gesonderte Aufbewahrung sämtlicher Lichtbilder ganz oder teilweise unbekleideter Verletzter übernommen wurde, hat der RiStBV-Ausschuss die getrennte Abheftung für die anderen von mir genannten Daten nicht übernommen. Neu aufgenommen wurde dagegen, dass

  • medizinische und psychologische Gutachten mit Ausnahme solcher von Behörden oder Gerichtsärzten
  • Berichte der Gerichts- und Bewährungshilfe sowie anderer sozialer Dienste und
  • Niederschriften über die in § 477 Abs. 2 Satz 2 Strafprozessordnung genannten Ermittlungsmaßnahmen

gesondert zu heften und hinsichtlich der Einsichtsgewährung einer besonderen Prüfung zu unterziehen sind. Ich halte dies für eine wesentliche datenschutzrechtliche Verbesserung.

8.2.4. Anordnung über Mitteilung in Strafsachen (MiStra)

Zur Umsetzung des zweiten Abschnittes des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz regelt eine bundesweit einheitliche Anordnung über Mitteilungen in Strafsachen (MiStra) die Mitteilung personenbezogener Daten von Amts wegen durch Staatsanwaltschaft oder Gericht an öffentliche Stellen für andere Zwecke als die des Strafverfahrens, für die sie erhoben wurden. Diese Anordnung wird regelmäßig durch einen Ausschuss der Justizverwaltungen auf Änderungsbedarf hin überprüft.

In Reaktion auf die Regelung des § 477 Abs. 2 Satz 2 Strafprozessordnung, dass Erkenntnisse aus besonders eingriffsintensiven Maßnahmen einer besonderen Zweckbindung unterliegen, habe ich gegenüber dem Staatsministerium der Justiz gefordert, in der MiStra vorzuschreiben, dass derartige Erkenntnisse, auch soweit sie in den Entscheidungsgründen enthalten sind, nur unter den engen Voraussetzungen des § 477 Abs. 2 Satz 2 Strafprozessordnung übermittelt werden dürfen. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, so sollen keine Entscheidungsgründe mitgeteilt werden. Der MiStra-Ausschuss ist dieser Forderung nicht gefolgt, obwohl die Staatsanwaltschaften in Hamburg und dem Saarland bereits nach dieser Maßgabe verfahren. Ich habe dementsprechend darum gebeten, diese Vorgehensweise zumindest im Rahmen einer internen Anweisung für Bayern vorzusehen. Das Staatsministerium der Justiz hat diesbezüglich jedoch einen Regelungsbedarf verneint.

Da mehrere Forderungen der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder bereits wiederholt bei Änderungen der MiStra nicht berücksichtigt wurden, hat sich der derzeitige Vorsitzende der Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder in einem gemeinsam abgestimmten Schreiben an den Vorsitzenden der Justizministerkonferenz gewandt und auf nach unserer Auffassung besonders wichtige Punkte hingewiesen:

  • Sofern eine Mitteilung über ein Strafverfahren nach der gesetzlichen Vorgabe erst nach einer individuellen Bewertung bspw. über das Vorliegen eines öffentlichen Interesses erfolgt, soll der Betroffene über diese Übermittlung der Daten informiert werden.
  • Die Entscheidung über eine Mitteilung aus dem Strafverfahren soll, sofern sie aufgrund einer individuellen Bewertung erfolgt, besonders qualifizierten Amtsträgern vorbehalten werden.
  • Die Mitteilungen sollen nur stattfinden, sofern hierfür auf Seiten des Empfängers ein konkreter und ausreichender Bedarf besteht und nur in dem Umfang, der für die Aufgabenerfüllung des Empfängers erforderlich ist.
  • Mitteilungen über die Einstellung eines Verfahrens gemäß § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung wegen Schuldunfähigkeit des Betroffenen sollen, wenn diese nur vorübergehender Natur war, das zugrundeliegende Gutachten älter als fünf Jahre ist oder weitere Ermittlungen nicht zur Erhebung der öffentlichen Klage führen würden, unterbleiben. Die Betroffenen sollen über derartige Mitteilungen unterrichtet werden.

Ich habe das Staatsministerium der Justiz über dieses Schreiben unterrichtet und um Unterstützung der darin genannten Anliegen gebeten.

8.2.5. Geschäftsstellenautomation bei den Staatsanwaltschaften

Die Geschäftsstellenautomation bei den Staatsanwaltschaften ist bereits seit längerem Gegenstand intensiver Korrespondenz zwischen mir und der Justizverwaltung (siehe 18. Tätigkeitsbericht Nr. 7.2). Bereits im Jahre 1997 hatte die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder von ihrem Arbeitskreis Justiz vorgeschlagene datenschutzrechtliche Forderungen zum Einsatz von automatisierten staatsanwaltschaftlichen Informationssystemen zur Kenntnis genommen (18. Tätigkeitsbericht Nr. 7.2.1.2). Die Bund-Länder-Kommission für Datenverarbeitung und Rationalisierung in der Justiz hat daraufhin eine Arbeitsgruppe mit der Erörterung dieser Forderungen beauftragt. Die Arbeitsgruppe erstattete im Mai 2000 ihren Bericht, der den Landesjustizverwaltungen und dem Bundesministerium der Justiz durch die Bund-Länder-Kommission als Grundlage bei der Weiter- und Neuentwicklung von Vorgangsverwaltungs- und -bearbeitungssystemen für Staatsanwaltschaften und deren Kommunikation mit den zentralen Registern empfohlen wurde. Der Bericht stimmt in vielen Punkten den von uns aufgestellten Forderungen zu. In manchen Punkten vertritt er jedoch eine abweichende Auffassung. Im Hinblick auf die unterschiedlichen Bewertungen in einzelnen Punkten habe ich mich in einem mit den anderen Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder abgestimmten Schreiben an den Vorsitzenden der Justizministerkonferenz gewandt und darin unsere Anliegen insbesondere zu eigenständigen Löschungsfristen für die Daten Geschädigter, die Beschränkung des Datenumfanges bei einem Zugriff externer Stellen, Zugriffsbeschränkungen auf Daten Strafunmündiger und der Opfer von Sexualdelikten sowie die Protokollierung sämtlicher auch nur lesender Zugriffe verdeutlicht. Die Arbeitsgruppe der Bund-Länder-Kommission hat sich auch mit diesem Schreiben auseinandergesetzt. Hierbei konnte in einigen Punkten eine Klarstellung und Annäherung der Standpunkte erreicht werden. Dennoch habe ich mich in einzelnen Punkten zu einer Stellungnahme gegenüber dem Staatsministerium der Justiz veranlasst gesehen. Dies gilt insbesondere für die fortdauernde Weigerung der Arbeitsgruppe, die Daten Strafunmündiger, der Opfer von Sexualdelikten oder auch von Mitbeschuldigten, deren Unschuld ausdrücklich festgestellt wurde, generell zu sperren. Auch habe ich erneut auf die Notwendigkeit einer Protokollierung auch lesender Zugriffe zum Zwecke der Prävention und zur Nachvollziehbarkeit im Falle unberechtigter Zugriffe hingewiesen. Das Justizministerium hat ausgeführt, dass die von der Arbeitsgruppe verweigerte Datensperre bei einem Vorgang gegen Strafunmündige und bei festgestellter Unschuld in Bayern als "freiwillige datenschutzfreundliche Regelung" bereits umgesetzt ist und dass die Protokollierung lesender Zugriffe in der Strafprozessordnung nicht vorgeschrieben sei.

Die Anforderungen an die Geschäftsstellenautomation der Staatsanwaltschaften habe ich dem Staatsministerium der Justiz auch bei dessen Abfassung einer Mustererrichtungsanordnung für das in Bayern verwendete System SIJUS-STRAF-StA dargelegt. Gemäß § 490 Satz 1 Strafprozessordnung war den Staatsanwaltschaften bis zum 01.11.2001 die Schaffung einer Errichtungsanordnung für automatisierte Dateien aufgegeben. Das Staatsministerium der Justiz hat den Staatsanwaltschaften für SIJUS-STRAF-StA ein Muster formuliert und zur Übernahme zur Verfügung gestellt. Im Rahmen der Schaffung dieser Mustererrichtungsanordnung, bei der ich vom Justizministerium beteiligt wurde, musste ich bedauerlicherweise feststellen, dass das System SIJUS-STRAF-StA zwischenzeitlich gravierende Veränderungen erfahren hatte, ohne dass ich hiervon informiert worden war. Ich habe demzufolge darum gebeten, mich im Hinblick auf den datenschutzrechtlichen Bezug dieses Verfahrens bei Abänderungen in Zukunft frühzeitig zu beteiligen und mich über die aktuelle Version auf dem Laufenden zu halten. Weiterhin habe ich die Ausweitung der Speicherungsfristen für die Daten von Nebenbeteiligten wie Zeugen, Anzeigenerstatter und Geschädigte von zunächst einem Monat seit Weglegung der Akten auf nunmehr ein bzw. fünf Jahre kritisiert. Diese Verlängerung, die mit Bedürfnissen beim Auffinden der Akten begründet wurde, ist um so schwerwiegender, als nicht einmal eine Reduzierung der gespeicherten Daten auf das für die Aktensuche unbedingt Erforderliche vorgesehen ist. Auch für die Daten von Betroffenen und Beschuldigten findet eine derartige Teillöschung nicht statt. Das Staatsministerium der Justiz hat mir hierzu mitgeteilt, dass meine Forderungen im Rahmen der Fortentwicklung von SIJUS-STRAF-StA geprüft werden. Auch soll auf meine Anregung hin überprüft werden, ob die Daten einzelner Mitbeschuldigter, die bereits in einem frühen Verfahrensstadium als Täter ausgeschieden sind und gegen die das Verfahren wegen Unschuld eingestellt wurde, nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt gelöscht werden könnten als die Daten der anderen Beschuldigten, gegen die ggf. ein noch lange andauerndes Verfahren fortgeführt wird. Ein Ergebnis dieser Prüfung wurde mir bisher noch nicht mitgeteilt.

8.2.6. Viertes Bundeszentralregisteränderungsgesetz

Eine Änderung des Bundeszentralregistergesetzes war bereits seit längerem Gegenstand von Überlegungen (siehe 18. Tätigkeitsbericht Nr. 7.1.6) ohne bisher realisiert worden zu sein. Im März 2000 legte das Bundesministerium der Justiz erneut einen Referentenentwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Bundeszentralregistergesetzes vor. Das Staatsministerium der Justiz hat mich hieran erfreulicherweise bereits in diesem frühen Stadium des Gesetzgebungsverfahrens beteiligt. Der Gesetzentwurf beinhaltete im Wesentlichen eine Neuregelung für die Behandlung von Entscheidungen über die Einstellung eines Verfahrens wegen erwiesener oder vermuteter Schuldunfähigkeit. Dahingehende Eintragungen im Bundeszentralregister wurden bisher praktisch lebenslang vermerkt. Nach der Neuregelung sollen sie nach Ablauf bestimmter Fristen aus dem Register entfernt werden, was ich begrüße. Weiterhin soll sie Änderungen wie die Festschreibung von Berichtigungs- und Nachberichtspflichten bei festgestellter Unrichtigkeit der mitgeteilten Daten bewirken und eine Rechtsgrundlage für die Einführung eines automatisierten Mitteilungs- und Auskunftsverfahrens schaffen.

In meiner Stellungnahme gegenüber dem Staatsministerium der Justiz habe ich darauf hingewiesen, dass der Gesetzentwurf in vielen Punkten meinen bereits in vorangegangenen Gesetzgebungsverfahren dargelegten Forderungen entspricht. So das Erfordernis, dass Eintragungen einer auf Schuldunfähigkeit des Betroffenen basierenden Entscheidung nur stattfinden sollen, wenn die Feststellungen über die Schuldunfähigkeit auf einem aktuellen Sachverständigengutachten beruhen und die Ermittlungen im Übrigen genügenden Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage geboten hätten, da für derart gravierende Eintragungen mindestens der gleiche Sorgfaltsmaßstab zu gelten hat, wie für andere Eintragungen. Darüber hinaus habe ich auf weitere änderungsbedürftige Punkte hingewiesen, insbesondere die Notwendigkeit, die Bedingungen des automatisierten Abrufverfahrens, eine enge Beschränkung des Teilnehmerkreises daran und die Pflicht, sämtliche Abrufe zu protokollieren, klarzustellen, sowie darauf, dass abweichende Personendaten, wie frühere Namen im Falle einer Adoption oder einer Geschlechtsumwandlung nur in ein Führungszeugnis aufgenommen werden sollen, sofern dabei ein Bezug zu den sonstigen Eintragungen des Führungszeugnisses besteht. In Reaktion auf den endgültigen Gesetzentwurf der Bundesregierung sowie Empfehlungen des Unterausschusses Recht des Bundesrates habe ich in einer ergänzenden Stellungnahme gegenüber dem Staatsministerium der Justiz zusätzlich deutlich gemacht, dass eine längerfristige Eintragung von Entscheidungen, die auf der Schuldunfähigkeit des Betroffenen basieren, nur dann akzeptiert werden kann, wenn die Schuldunfähigkeit nicht, wie etwa bei einer Vollrauschtat, nur vorübergehender Natur war. In dem auf Empfehlung des Vermittlungsausschusses beschlossenen Gesetz wurden die von mir hervorgehobenen Forderungen nur teilweise aufgegriffen. So führten meine Anregungen für das automatisierte Abrufverfahren sowie mein Hinweis auf eine Differenzierung zwischen dauernder und nur vorübergehender Schuldunfähigkeit bei Eintragungen im Bundeszentralregister zu keiner Änderung. Dafür wurde in Bezug auf die Mitteilung abweichender Personaldaten festgelegt, dass derartige Mitteilungen in Führungszeugnissen für Private keinen Eingang finden sollen und in Führungszeugnissen für Behörden nur, wenn sie für dort angegebene Eintragungen von Bedeutung sind. Im Hinblick auf die oben dargestellten Verbesserungen gerade bei der Eintragung von Entscheidungen, die von der Schuldunfähigkeit des Betroffenen ausgehen, halte ich das Gesetz für eine erfreuliche Verbesserung im Sinne des Datenschutzes.

8.2.7. EUROJUST

Im Oktober 1999 hat der Europäische Rat in Tampere die Einrichtung einer gemeinsamen Stelle EUROJUST zur justiziellen Zusammenarbeit beschlossen. EUROJUST soll zur Bekämpfung der schweren organisierten Kriminalität eine sachgerechte Koordinierung der nationalen Staatsanwaltschaften erleichtern und die strafrechtlichen Ermittlungen unterstützen sowie die Erledigung von Rechtshilfeersuchen vereinfachen. Zusätzlich beschloss der Rat im Dezember 2000 die Einrichtung einer vorläufigen Stelle zur justiziellen Zusammenarbeit, PRO-EUROJUST genannt, die am 01. März 2001 ihre Arbeit aufgenommen hat. Diese Stelle soll bis zur Einrichtung von EUROJUST die Zusammenarbeit der Ermittlungsbehörden zur Bekämpfung der schweren grenzüberschreitenden Kriminalität verbessern und die Koordinierung von Ermittlungen anregen und verstärken.

Die Aufgabenstellung von EUROJUST führt möglicherweise dazu, dass eine europäische Großbehörde heranwächst, die Daten nicht nur über verdächtige Personen, sondern auch über Opfer und Zeugen erheben, verarbeiten und nutzen soll, und damit zwangsläufig tiefgreifende Eingriffe in Bürgerrechte vornehmen würde. Im Hinblick darauf sind umfassende Datenschutzvorschriften erforderlich. Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bunds und der Länder hat demgemäß im Oktober 2001in einer Entschließung hierauf hingewiesen und Regelungen sowohl zur Verarbeitung, Speicherung, Nutzung, Berichtigung und Löschung personenbezogener Daten als auch zum Auskunftsanspruch der Betroffenen sowie zu einer Kontrollinstanz für EUROJUST gefordert (Entschließung der 62. DSK vom 24. bis 26.10.2001 - Anlage 18). Hierbei wurden besondere Voraussetzungen für eine Weitergabe von Daten an Dritte und detaillierte Regelungen über Umfang und Dauer insbesondere automatisierter Speicherungen gefordert. Im Interesse des einzelnen Betroffenen soll diesem ein eigener Auskunftsanspruch gegenüber EUROJUST und angemessener Rechtsschutz gewährt und darüber hinaus durch eine gemeinsame unabhängige Kontrollinstanz die Einhaltung des Datenschutz garantiert werden.

Anlässlich einer Sitzung des Arbeitskreises Justiz der Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder im November 2001 in München konnten unsere Anregungen auch gegenüber dem deutschen Delegationsleiter in der Ratsarbeitsgruppe EUROJUST dargelegt werden, der dem Arbeitskreis über den Stand der Arbeiten berichtete. Nachdem in den Beratungen innerhalb der Europäischen Union unsere Anliegen zumindest teilweise berücksichtigt worden waren, hat der Rat der Justiz- und Innenminister den Beschluss über die Errichtung von EUROJUST im Dezember 2001 gebilligt.

8.3. Justizvollzug

8.3.1. Briefkontrolle

Wie bereits in meinem 19. Tätigkeitsbericht (Nr. 7.4.1, Ziffer 2) geschildert, hatte ich in einer Justizvollzugsanstalt festgestellt, dass die Staatsanwaltschaft, in deren Zuständigkeitsbereich die Justizvollzugsanstalt liegt, Schreiben an dort Inhaftierte in einem Sammelumschlag ohne weitere Sicherung der einzelnen Schriftstücke verschickt und in Folge dessen die Justizvollzugsanstalt bei deren Aushändigung zwangsläufig von dem Inhalt jedes einzelnen Schreibens Kenntnis nehmen kann. Ich hatte mich deswegen sowohl an die Justizvollzugsanstalt als auch an die Staatsanwaltschaft gewandt und darauf hingewiesen, dass nach den gesetzlichen Bestimmungen eine Überwachung des Briefwechsels nur für den Einzelfall aus Gründen der Behandlung oder der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erfolgen darf und deshalb jedes Schreiben einzeln verschlossen werden müsse. In ihrer Antwort an mich hat die Staatsanwaltschaft die fehlende Sicherung mit der generellen Überprüfung eingehender Post in der betreffenden Justizvollzugsanstalt gerechtfertigt, weshalb die Anstalt ohnehin von jedem eingehenden Schreiben unabhängig von der Art des Transportes Kenntnis erlange.

Aufgrund der grundlegenden Bedeutung der Frage einer generellen Überwachung des Briefverkehrs habe ich mich an das Staatsministerium der Justiz gewandt und darauf hingewiesen, dass bereits das Bundesverfassungsgericht deutlich gemacht hat, dass § 29 Abs. 3 Strafvollzugsgesetz, der die Überwachung des Schriftwechsels gestattet, im Lichte der besonderen Bedeutung des Brief- und Postgeheimnisses, am Einzelfall orientiert und unter strenger Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auszulegen ist. Da jedoch in mehreren obergerichtlichen Urteilen eine generelle Überwachung des Schriftwechsels in einzelnen Anstalten aufgrund der dortigen Verhältnisse für zulässig erachtet wurde, habe ich um Mitteilung derjenigen Kriterien gebeten, nach denen eine Entscheidung über die vollständige Überwachung ein- und ausgehenden Schriftverkehrs in den Justizvollzugsanstalten in Bayern erfolgt. Das Staatsministerium der Justiz hat mir hierzu mitgeteilt, dass die Überwachung des Briefverkehrs mit Privatpersonen bei sämtlichen Gefangenen einer Anstalt damit begründet wird, dass einzelne Gefangene, bei denen eine Gefährdung von Sicherheit oder Ordnung der Anstalt zu besorgen ist, ihre individuelle Kontrolle ansonsten durch die Einschaltung anderer Gefangener umgehen könnten. Gleiches gelte für Untersuchungsgefangene, deren Schriftwechsel richterlicher Kontrolle unterliegt. Daneben sei aber bei allen Gefangenen eine Überwachung des Schriftverkehrs aus Gründen der Behandlung der Gefangenen erforderlich, um Informationen über die Persönlichkeit der Gefangenen zu gewinnen und ggf. Krisensituationen rechtzeitig entgegensteuern zu können. Bei eingehender Behördenpost stehe der Gesichtspunkt der Behandlung der Gefangenen im Vordergrund, da vielfach gerade durch Behördenpost Krisensituationen ausgelöst würden. Darüber hinaus bestehe eine Missbrauchsgefahr, sofern Private ihren Sendungen den Anschein amtlicher Schreiben geben. Aus Verhältnismäßigkeitsgründen beschränke sich die Briefüberwachung bei eingehender Behördenpost auf eine Sichtkontrolle sowie eine Nachschau nach unerlaubten Beilagen. Bei ausgehenden Schreiben an Behörden sei einem Missbrauch durch die Beigabe verschlossener Schreiben an Dritte, die durch die Empfangsbehörden ohne Rückfrage weitergeleitet würden, vorzubeugen. Insgesamt werde dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit durch eine jeweils unterschiedliche Kontrolldichte entsprochen.

Ich sehe jedoch nicht, wie eine vollständige Überwachung des Briefverkehrs in nahezu allen Justizvollzugsanstalten in Bayern dem besonderen Gewicht des Post- und Briefgeheimnisses gerecht wird. Dies gilt vor allem für die Einrichtungen oder Anstalten des offenen Strafvollzuges. Eine Unterbringung im offenen Vollzug kommt gemäß § 10 Abs. 1 Strafvollzugsgesetz ohnehin nur für solche Gefangene in Betracht, die den besonderen Anforderungen dieser Art des Vollzuges genügen. Für sie gilt in besonderem Maße der Grundsatz des § 3 Abs. 1 und 3 Strafvollzugsgesetz, dass der Vollzug darauf auszurichten ist, dem Gefangenen bei seiner Eingliederung in das Leben in Freiheit zu helfen, indem das Leben im Vollzug den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit als möglich angeglichen wird. Dadurch soll der Gefangene zu Selbstständigkeit, Eigenverantwortlichkeit und Aktivität befähigt werden. Vor diesem Hintergrund habe ich mehrere Anstalten bzw. Einrichtungen des offenen Strafvollzuges aufgesucht und mich vor Ort über die Praxis der Briefkontrolle informiert. Dabei habe ich festgestellt, das dort die Kontrolle des Schriftwechsels neben der Ordnung der Anstalt in erster Linie auf die Behandlung der Gefangenen gestützt wird. Vor dem Hintergrund des grundrechtlich geschützten Briefgeheimnisses und der damit verbundenen gesetzgeberischen Entscheidung in § 29 Abs. 3 Strafvollzugsgesetz, eine Briefkontrolle nur unter bestimmten Voraussetzungen (soweit erforderlich) zuzulassen, halte ich die generelle, in Bayern offenbar auf allen Ebenen des Vollzuges praktizierte Briefkontrolle für sehr bedenklich. Die Möglichkeit eines kontrollfreien Briefverkehrs ist angesichts der umfassenden Einschränkungen in den meisten bayerischen Justizvollzugsanstalten nicht ersichtlich, obwohl das Strafvollzugsgesetz diese Möglichkeit gerade vorsieht. Demgemäß habe ich das Staatsministerium der Justiz um Prüfung gebeten, ob ein besserer Ausgleich zwischen den Bedürfnissen des Strafvollzuges und dem Schutz vor Eingriffen in das Briefgeheimnis der Strafgefangenen gefunden werden kann. Das Justizministerium hat jedoch eine Änderung der bisherigen Praxis abgelehnt.

8.3.2. Einsicht in den Gefangenenpersonalakt

Durch das Vierte Strafvollzugsänderungsgesetz, das seit dem 01.12.1998 in Kraft ist (siehe hierzu auch meinen 17. Tätigkeitsbericht Nr. 7.1.3 und 18. Tätigkeitsbericht Nr. 7.1.4), wurde in § 185 Strafvollzugsgesetz das Recht des Gefangenen auf Auskunft aus "seinem" Gefangenenpersonalakt bzw. Einsicht in den selben formuliert. Durch mehrere Eingaben habe ich allerdings den Eindruck gewonnen, dass bei der Anwendung dieser Vorschrift noch erhebliche Unsicherheiten bestehen. Im Rahmen meiner Korrespondenz mit dem Staatsministerium der Justiz und mehreren Justizvollzugsanstalten habe ich daher folgende Maßgaben für die Umsetzung des Auskunfts- bzw. Akteneinsichtsrechts herausgestellt:

Grundsätzlich erhält der Gefangene gemäß § 185 Strafvollzugsgesetz und nach Maßgabe des § 19 Bundesdatenschutzgesetz Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten Daten. Hierfür soll er die Art der personenbezogenen Daten, über die er Auskunft wünscht, näher bezeichnen. Sofern die Daten weder automatisiert noch in nicht automatisierten Dateien gespeichert sind, was für eine Vielzahl der Daten des Justizvollzuges noch der Fall sein wird, ist Voraussetzung für die Auskunftserteilung, dass der Betroffene Angaben macht, die das Auffinden der Daten ermöglichen und der für die Erteilung der Auskunft erforderliche Aufwand nicht außer Verhältnis zu dem vom Betroffenen geltend gemachten Informationsinteresse steht. Allerdings dürfen an die vom Betroffenen zu machenden Angaben keine zu hohen Anforderungen gestellt werden. Kann der Betroffene bspw. nur Angaben über die Art der Daten machen, die er aufgrund konkreter Umstände im Gefangenenpersonalakt vermutet, deren genauem Ort in dem Akt er aber gerade nicht kennt und auch nicht kennen kann, so darf ihm in der Regel nicht aufgegeben werden, zusätzliche Konkretisierungen vorzunehmen, die ihm erst nach Erteilung der Auskunft zugänglich sind. Das Erfordernis zusätzlicher Angaben, das der Gesetzgeber eingeführt hat, um den Aufwand der ersuchten Behörde für das Auffinden der Daten gering zu halten, muss mit dem hinter dem Antrag des Betroffenen stehenden Interesse abgewogen werden. Bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des zur Auskunftserteilung erforderlichen Aufwandes muss dabei stets auf den Einzelfall abgestellt werden. Eventuell zu erwartende Anträge weiterer Gefangener dürfen hierbei keine Rolle spielen.

Sofern die Auskunft für die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Betroffenen nicht ausreicht und er hierfür auf die Einsichtnahme angewiesen ist, erhält er Akteneinsicht. Das Akteneinsichtsersuchen muss dementsprechend ebenfalls die betreffenden Daten sowie zusätzlich die nur durch eine Akteneinsicht wahrnehmbaren rechtlichen Interessen konkret benennen.

Nach Maßgabe des § 19 Abs. 4 Bundesdatenschutzgesetz kann die Auskunft/Akteneinsicht verweigert werden, insbesondere wenn ansonsten die ordnungsgemäße Erfüllung der in der Zuständigkeit der verantwortlichen Stelle liegenden Aufgaben gefährdet würde oder die Daten wegen der überwiegenden berechtigten Interessen eines Dritten geheim gehalten werden müssen und deswegen das Interesse des Betroffenen an der Auskunftserteilung zurücktreten muss. In diesem Fall ist der Betroffene darauf hinzuweisen, dass er sich an den Landesbeauftragten für den Datenschutz wenden kann.

8.3.3. Besuchskontrolle

Die Überprüfung von Besuchern in Justizvollzugsanstalten und die diesbezüglichen Datenerhebungen sind bereits längerer Zeit Gegenstand einer Korrespondenz zwischen mir und dem Staatsministerium der Justiz (siehe 19. Tätigkeitsbericht Nr. 7.4.2). Rechtsgrundlage für eine derartige Datenerhebung ist § 179 Abs. 3 Strafvollzugsgesetz. Danach können Daten über Besucher zum Zwecke einer Kontrolle nach § 25 Strafvollzugsgesetz auch ohne deren Mitwirkung bei Personen oder Stellen außerhalb der Justizvollzugsanstalt erhoben werden. Das Einverständnis des Besuchers ist dazu nicht erforderlich. Das Staatsministerium der Justiz möchte dennoch an der bisherigen Praxis der Einholung einer Einwilligungserklärung festhalten. Es hat mir allerdings versichert, dass nicht beabsichtigt sei, aufgrund der Einwilligung Daten zu erheben, die von der gesetzlichen Befugnis nicht gedeckt sind.

Im Interesse einer einheitlichen und datenschutzfreundlichen Verfahrensweise hat das Staatsministerium der Justiz ein Formblatt für die Besucherüberprüfung entwickelt. Hierbei wurde ich beteiligt. Dabei habe ich, vorbehaltlich meiner weiterhin bestehenden grundsätzlichen Einwände gegen die Erholung einer Einwilligunserklärung, darauf Wert gelegt, dass Angaben des Besuchers, die keine zwingende Voraussetzung für eine Zulassung zum Besuch sind, deutlich als freiwillige Angaben gekennzeichnet werden. Auch sollte der Besucher darauf hingewiesen werden, dass eine Überprüfung seiner Person sowie - bei positivem Ergebnis - die Zulassung zum Besuch auch möglich ist, wenn er sich mit seiner Überprüfung nicht einverstanden erklärt. Das Staatsministerium der Justiz ist diesen Anregungen nachgekommen und hat die Justizvollzugsanstalten in Bayern gebeten, bei Bedarf das neu entwickelte einheitliche Formblatt zu verwenden.

8.3.4. Datenübermittlungen an andere Justizvollzugsanstalten

Ein Strafgefangener hatte sich an mich gewandt, weil sein Gefangenenpersonalakt mit samt der darin enthaltenen Begutachtungen und Unterlagen über Schriftverkehr mit Familienmitgliedern von "seiner" Justizvollzugsanstalt an eine nicht für ihn zuständige Justizvollzugsanstalt übersandt worden war. Hintergrund dieser Datenübermittlung war, dass der Gefangene Briefkontakt mit einer Gefangenen in der anderen Justizvollzugsanstalt hatte und diese Anstalt ihrer Gefangenen diesen Schriftwechsel untersagen wollte, weil sie ansonsten einen schädlichen Einfluss auf sie oder ihre Eingliederung bzw. eine Gefährdung der Sicherheit und Ordnung in der Anstalt befürchtete. Um die Untersagung im gerichtlichen Verfahren zu untermauern, forderte sie den Gefangenenpersonalakt des Eingabeführers an, um zusätzlich zu den bei ihr vorliegenden Erkenntnissen auch diese Unterlagen auszuwerten. Daraufhin wurde ihr der Akt übersandt.

Für eine derartige Datenübermittlung besteht jedoch keine Rechtsgrundlage. Mit dem Vierten Strafvollzugsänderungsgesetz wurde in § 180 Strafvollzugsgesetz eine abschließende Regelung getroffen, unter welchen Voraussetzungen eine Justizvollzugsanstalt Daten über Gefangene an Dritte übermitteln darf. Die dort genannten Voraussetzungen unter denen eine Datenübermittlung zulässig wäre, lagen im Falle des Eingabeführers nicht vor. Dies gilt um so mehr, als das Gesetz der Übermittlung von Erkenntnissen aus der Überwachung des Schriftverkehrs zusätzliche enge Grenzen zieht. Die Übersendung des Gefangenenpersonalaktes kann auch nicht damit gerechtfertigt werden, dass die ersuchende Justizvollzugsanstalt eine Befugnis zur Erhebung der für ihr gerichtliches Verfahren erforderlichen Daten hatte. Diese vom Staatsministerium der Justiz unter Bezugnahme auf gerichtliche Entscheidungen vertretene Auffassung verkennt, dass das Gesetz ausdrücklich zwischen Befugnissen zur Datenerhebung und zur Datenübermittlung unterscheidet und dass der Schluss von Erhebungsbefugnissen auf die Übermittlungsbefugnis den sorgfältig formulierten Katalog der Übermittlungsgründe sowie die insbesondere für Erkenntnisse aus der Briefüberwachung zusätzlich aufgestellten Beschränkungen unterlaufen würde. Schließlich können Eingriffe in die Rechte eines Gefangenen nicht allgemein mit den Bedürfnissen des Strafvollzuges sämtlicher Justizvollzugsanstalten sondern nur mit den Erfordernissen des auf seine Person bezogenen Vollzuges der Freiheitsstrafe begründet werden. Ich erwäge daher, sofern eine Änderung dieser Praxis nicht vorgenommen wird, die Vorgehensweise der beteiligten Justizvollzugsanstalten zu beanstanden.

8.3.5. Verarbeitung besonders sensibler Daten

8.3.5.1. Weitergabe ärztlicher Daten

Auch in einer Justizvollzugsanstalt unterliegen die Erkenntnisse des Anstaltsarztes sowie von Ärzten außerhalb des Vollzuges die mit der Untersuchung oder Behandlung eines Gefangenen beauftragt werden, grundsätzlich der in § 203 Abs. 1 Nr. 1 Strafgesetzbuch sanktionierten Schweigepflicht. Im Hinblick auf die besonderen Anforderungen des Vollzuges hat der Gesetzgeber in § 182 Strafvollzugsgesetz jedoch Durchbrechungen dieser Schweigepflicht vorgesehen. Allerdings sind Offenbarungen unter Berücksichtigung des besonders geschützten Vertrauensverhältnisses zwischen dem Arzt und seinen Patienten nur unter besonders engen Voraussetzungen zulässig. In meiner Korrespondenz mit dem Staatsministerium der Justiz habe ich diese Voraussetzungen herausgearbeitet:

  • Offenbarungen von Ärzten dürfen unter den eng begrenzten Voraussetzungen des § 182 Abs. 2 Strafvollzugsgesetz nur gegenüber dem Anstaltsleiter erfolgen. Eine Offenbarung gegenüber anderen Vollzugsbediensteten ist nur aufgrund einer Entscheidung des Anstaltsleiter zulässig.
  • Die Weitergabe so erlangter Daten durch den Anstaltsleiter an die Aufsichtsbehörde ist nicht unbeschränkt möglich, sondern ist an die gleichen Voraussetzungen gebunden wie die Weitergabe an den Anstaltsleiter. Das heißt, dass vom Arzt an den Anstaltsleiter übermittelte Daten von diesem nur an die Aufsichtsbehörde weitergegeben werden dürfen, soweit dies für die Wahrnehmung von Aufsichtsbefugnissen unerlässlich oder zur Abwehr erheblicher Gefahren für Leib oder Leben des Gefangenen oder Dritter erforderlich ist.
  • Offenbarungen des Arztes gegenüber der Aufsichtsbehörde sind nicht ausdrücklich geregelt. Wendet man die allgemeinen Vorschriften an, so kommt § 180 Abs. 1 und 3 Strafvollzugsgesetz als Befugnis zur Offenbarung in Betracht. Derartige Übermittlungen unterliegen gemäß § 180 Abs. 10 Strafvollzugsgesetz jedenfalls den besonderen Beschränkungen der Erforderlichkeit bzw. Unerlässlichkeit des § 182 Abs. 2 Strafvollzugsgesetz.
  • Bei der Prüfung der "Erforderlichkeit der Offenbarung" ist auch das Gebot der Verhältnismäßigkeit zu beachten. An Stelle der Offenbarung dürfen keine anderen Maßnahmen zur Verfügung stehen, die, bei gleicher Wirksamkeit für den verfolgten Zweck, das Recht des Gefangenen auf informationelle Selbstbestimmung geringer beinträchtigen würden. "Unerlässlichkeit der Offenbarung" liegt nur vor, wenn die Durchbrechung der Schweigepflicht ultima ratio ist. Die Offenbarung ist mithin die letzte Eingriffsmöglichkeit. Im Regelfall dürfte daher die Offenbarung von personenbezogenen Daten aus dem Bereich der ärztlichen Gesundheitsfürsorge an die Aufsichtsbehörde weder erforderlich noch unerlässlich sein.

8.3.5.2. Aufbewahrung in Sonderheften

Im Zusammenhang mit einer an mich gerichteten Eingabe habe ich erfahren, dass ärztliche sowie psychologische oder psychiatrische Gutachten, die im Rahmen des Strafverfahrens erholt wurden, ohne weitere Sicherung in den Gefangenenpersonalakt der Justizvollzugsanstalt übernommen werden. Da derartige Gutachten besonders sensible Daten enthalten, die einer durch die Strafnorm des § 203 Strafgesetzbuch sanktionierten besonderen Schweigepflicht unterliegen, dürfen sie nur unter besonders engen Voraussetzungen weitergegeben werden. Diese besondere Zweckbindung sollte durch organisatorische Maßnahmen abgesichert werden. Ich habe daher das Staatsministerium der Justiz gebeten, zu prüfen, ob diese besonders sensiblen Unterlagen gesondert aufbewahrt werden könnten. Wobei auch weitere Daten von besonderer Sensibilität wie Erkenntnisse aus der Überwachung von Besuch und Schriftverkehr, erkennungsdienstliche Unterlagen sowie personenbezogene Daten Dritter in diese Überlegungen miteinbezogen werden sollten.

Das Staatsministerium der Justiz hat dahingehende Regelungen abgelehnt, da diese vom Gesetzgeber nicht vorgeschrieben seien. Zudem seien alle Bediensteten einer Justizvollzugsanstalt zur Behandlung eines Gefangenen aufgerufen und müssten demgemäß über entsprechende Kenntnisse verfügen. Schließlich sei ein ausreichender Schutz durch die Regelung des § 183 Strafvollzugsgesetz gegeben, der einzelnen Bediensteten den Zugriff auf personenbezogene Daten nur gestattet, soweit dieser zur Erfüllung der ihnen obliegenden Aufgaben erforderlich ist. Ich bin jedoch weiterhin der Auffassung, dass die Sensibilität der von mir genannten Daten eine besondere Sicherung gegen unbefugte Zugriffe bspw. durch eine gesonderte Aufbewahrung erfordert, zumal eine Einsichtnahme durch einzelne Bedienstete in einen Gefangenenpersonalakt in der Regel nicht einmal dokumentiert wird. In diesem Sinne haben die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder auch die Schaffung eigenständiger Löschungs- und Vernichtungsfristen für derartige Daten im Rahmen der Überarbeitung der Aufbewahrungsbestimmungen gefordert.

8.3.6. Zugriff auf Gefangenendaten in „ADV-Vollzug“

Über die Entwicklung eines Informationssystems über Gefangenendaten (ADV-Vollzug) habe ich bereits in meinen vorrangegangenen Tätigkeitsberichten (18. Tätigkeitsbericht Nr. 7.2.4, 19. Tätigkeitsbericht Nr. 7.4.5) berichtet. Dieses System standardisiert Verfahrensabläufe in den Justizvollzugsanstalten und erleichtert zudem den Zugriff auf Daten der Gefangenen. Aus diesem Grund habe ich anlässlich der Umstellung bisheriger Papierformulare auf automatisierte Datenverarbeitung im Dezember 2000 eine inhaltliche Überprüfung der neugefassten Mitteilungen an Behörden außerhalb der Anstalt vorgenommen. Dabei habe ich in mehreren Fällen vorgesehene Datenübermittlungen etwa an Sozial- oder Meldebehörden als nicht erforderlich und damit unzulässig kritisiert, woraufhin das Staatsministerium der Justiz entsprechende Änderungen vorgenommen hat.

Anlässlich einer Prüfung einer Justizvollzugsanstalt, in deren Verlauf ich auch die Anwendung des Systems ADV-Vollzug kontrolliert habe, habe ich festgestellt, dass die Zugriffsrechte für bestimmte Aufgabenbereiche wie die Torwache oder einzelne Dienstgruppen nicht individuell sondern für alle dort tätigen Bediensteten einheitlich zugewiesen werden. Durch einen solchen Zugriff über dasselbe Passwort kann allerdings keine individuelle Verantwortlichkeit für einzelne Zugriffe, die sämtlich mit der gleichen Kennung protokolliert werden, festgestellt werden. Die Zuordnung jedes einzelnen Zugriffes zu einem bestimmten Bediensteten dient aber dem Schutz vor missbräuchlichen Zugriffen auf personenbezogene Daten. Die Justizvollzugsanstalt hat auf meine Forderung nach einer Änderung dieser Praxis jedem Mitglied der Dienstgruppe ein eigenes Passwort zugeteilt. Für die Torwache hat sie hiergegen den ständigen Personalwechsel sowie spezifische Anforderungen der dortigen Dienstverrichtung, die einen zeitgleichen Zugriff beider dort Beschäftigter erfordern, geltend gemacht. Ich habe hierzu darauf hingewiesen, dass bei einem Zugriff beider gleichzeitig in der Torwache beschäftigter Bediensteter über dieselbe Kennung weitere technisch-organisatorische Vorkehrungen gegen einen missbräuchlichen Datenzugriff getroffen werden müssten, etwa dass ein Zugriff über die Torwachenkennung nur von bestimmten Endgeräten aus zugelassen wird.

Im Verlauf derselben Prüfung habe ich festgestellt, dass die im System ADV-Vollzug vorgesehene Rollenzuweisung (siehe 19. Tätigkeitsbericht Nr. 7.4.5) zwischen einzelnen Datenfeldern und der Art der Zugriffsberechtigung hierauf unterscheidet. Eine Beschränkung des Zugriffs auf die Daten nur bestimmter Gefangener ist jedoch systemseitig nicht vorgesehen. Ich habe das Staatsministerium der Justiz daraufhin um Prüfung gebeten, ob die Berechtigungszuweisung für dieses Informationssystem nicht dahingehend abgeändert werden könnte, das jedem Bediensteten der Zugriff nur auf die Daten solcher Gefangener gestattet wird, für die er dienstlich zuständig ist, da eine Berechtigung für darüber hinausgehende Daten nicht erforderlich ist. Etwaige Schwierigkeiten im Hinblick auf die Notwendigkeit eines erweiterten Zugriffes bei Nachtdiensten, gruppenübergreifenden Arbeitsgruppen oder Vertretungsfällen könnten dabei durch die Einrichtung eines für diese Aufgaben jeweils gesonderten Nutzerprofiles umgangen werden. Das Staatsministerium der Justiz hat eine derartige Änderung der Rollenzuweisung abgelehnt, da die hohe Fluktuation bei Gefangenen und Personal sowie die Vielzahl unterschiedlicher Aufgaben der Bediensteten eine häufige Änderung der Berechtigungszuweisungen bzw. eine große Zahl verschiedener Sonderkennungen bedingen würde, die nicht zu bewältigen sei. Im Hinblick auf die vollständige Protokollierung sämtlicher Zugriffe auf die Daten im Verfahren ADV-Vollzug habe ich dies akzeptiert, sofern durch eine entsprechende Dienstanweisung sowie geeignete Stichprobenkontrollen Vorsorge gegen eine zweckfremde Nutzung der Daten getroffen wird.